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Des Autors Vorwort zur deutschen Ausgabe

Mein deutscher Verleger bittet mich, dieser Übertragung meines Romanes The Deemster einige Worte auf ihre Reise in die Welt mitzugeben. Ich bin der Überzeugung, daß der Geschichte selbst diejenigen einfachen, natürlichen Seelenregungen zugrunde liegen, welche der ganzen Menschheit eigen sind, und daß es keiner fremden, äußeren Mittel bedarf, um ihre Charaktere und deren Handlungsweisen zum richtigen Verständnis zu bringen. Es mag dagegen wohl sein, daß Hintergrund, Zeit und Ort einige Erklärung fordern und deshalb folge ich gern dem Wunsche, dem deutschen Leser etwas über jene kleine »Welt für sich« zu sagen, von der er nicht viel wissen wird.

Die Insel Man, die Szene dieses Romanes, ist ein kleines Eiland mitten in der Irischen See, etwa gleichweit entfernt von den Küsten Englands, Schottlands, Irlands und Wales. Obwohl eine Provinz des englischen Königreichs, ist es doch nicht durch das englische Parlament regiert, sondern hat seine eigene Regierung, mit einem vom Mutterland ernannten Gouverneur an der Spitze. Diese Regierungsform ist sehr alt und stammt von einer Konstitution ab, welche auf der Insel von isländischen Wikingern eingeführt wurde, die Man vor etwa tausend Jahren eroberten. Bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts nun hat die Insel infolge dieser Konstitution ihre eigenen Gouverneure, Lords und Könige gehabt; dann erst gelangte sie vollkommen unter englische Oberherrschaft.

Die Herrschaft Englands hat aber die Unabhängigkeit der Insel nicht wesentlich geändert, und die alten Privilegien und Rechte werden noch heutigen Tags geachtet und gehalten. Das alte Gerichtsverfahren hat noch volle Geltung, einschließlich der Feier einer jährlichen Parlamentssitzung unter freiem Himmel am Mitsommerstag, wobei die im verflossenen Jahr von der Regierung der Insel erlassenen Gesetze vor der versammelten Menge laut verlesen und bestätigt werden. Diese Zeremonie lebt heute noch frisch in der Insel Man aber vielleicht nirgends anderswo; sie ist den ältesten Gebräuchen der isländischen Republik nachgebildet und hat nach Überlieferungen von Augenzeugen zuerst auf dem historischen Berg der Gesetze in Thingvellir stattgefunden, wo wohl die Wiege einer Regierung durch Volksvertretung, wie wir sie heute auffassen, gestanden hat.

Aber nicht allein in ihrer Gesetzgebung bietet uns die Insel Man ein interessantes Bild von Überbleibseln einer alten Zivilisation; einige ihrer Gesetze sind ebenso alt und eigenartig. Ihr oberster Richter heißt der Deemster, vielleicht eine andere Form des Wortes Doomster: der Mann, der die Macht hat, das Geschick (the doom) des Schuldigen zu bestimmen. Der Oberrichter war in alten Zeiten nicht immer ein Rechtskundiger, und seine Gesetze, nach denen er sich richtete, waren nicht alle schriftlich festgelegt; erst seit verhältnismäßig neuer Zeit ist dies der Fall. Früher fällte er seine Urteile nach dem Breastlaw, dem Gesetze seiner Brust, seines Herzens und Verstandes. Infolgedessen war der Oberrichter in Ausübung seines Amtes manches Mal sehr tyrannisch, sehr skrupellos, kam zu sehr gewagten Urteilsschlüssen, und zahlreich sind die Geschichten von Korruption und Übeltaten, die Geschichte und Tradition mit diesem Titel verflochten haben.

Die Kirche auf der anderen Seite hatte nun nach der alten Konstitution der Insel nicht weniger gewichtige Gewalt als das Gesetz, und der Bischof, betitelt der »Bischof von Sodor und Man«, stritt oft um die Vorherrschaft mit dem Oberrichter, selbst mit dem Lord und sogar dem König. Er war der vornehmste Baron der Insel, hatte seinen Pächtern gegenüber die Rechte eines Souveräns und konnte sie der Kontrolle der Zivilbehörden entziehen; um dieses Prärogativ dreht sich auch das Hauptereignis unseres Romans.

Die Bewohner der Insel Man, »Manxleute« genannt, gehören einer Mischrasse an, sie sind zum Teil nordischen, zum Teil keltischen Ursprungs. Sie sprechen noch, allerdings in schnell sich mindernder Zahl, eine eigene Sprache mit Anklängen ans Gällische. Ihre Alltagssprache ist ein englischer Dialekt mit einem besonderen Klang für fremde Ohren, der ans Irische erinnert. Sie besitzen ausgesprochen eigene Charaktereigenschaften, sind weniger sprühend und leichthin als die Iren, weniger ernst und energisch als die Schotten, aber arbeitsam, sparsam, und besitzen eine gewisse Kraft, eine gewisse Hitzigkeit, einen gewissen Humor und auch wohl ein Teil Streitsucht.

Die Insel selbst ist prächtig, mehr sanft und wellig, als zerklüftet und bergig, mit lieblichen engen Tälern voll von Ginster und Fuchsien. Während der letzten fünfzig Jahre haben Hunderttausende von Engländern in den Ferien das Eiland zur Erholung aufgesucht, hauptsächlich von den großen Fabrikorten in Lancashire und Yorkshire aus. – –

So viel über die Umgebung und den Boden unserer Geschichte. Über ihr geistiges Motiv brauche ich wohl nichts zu sagen; meine deutschen Leser werden sich ihre eigene Meinung auf diesem Gebiet bilden können, das mit einer anderen » Isle of Man« (»Insel der Menschheit«) zu tun hat, einer Insel, auf der kein Unterschied der Nation herrscht.

Zum Schluß möchte ich auch hier wieder erwähnen, daß mein eigener Heimatsitz auf der Insel liegt, wenn ich auch ein gut Teil meines Lebens auswärts verbringe. Meine Vorfahren und Ahnen haben meines Wissens nach hier gelebt, sind hier gestorben, väterlicherseits von den fernen Zeiten der Wikinger an.

Greeba Castle,
Isle of Man.

Hall Caine.


Um dem deutschen Leser die Namen der Personen des Romanes näher zu bringen, hat die Übersetzerin, Frl. Barnewitz-London, es auf unsern Wunsch unternommen, die Manxnamen durch geläufigere zu ersetzen, was zu erwähnen, wir für unsere Pflicht halten.

Die Verlagsbuchhandlung.


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