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Drittes Kapitel.
Die Taufe des jungen Ewan

In der Stille jener Nacht hallten die alten Wände von Ballamona von dem Geräusch eiliger Fußtritte wieder. Thorkell selbst rannte, in Zwischenräumen in schallendes, hysterisches Lachen ausbrechend, wie ein Eichhörnchen hin und her; während die Frauen einen Kessel kochenden Wassers nach dem andern nach oben trugen und sich dann mit verschiedenen geheimnisvollen Verrichtungen beschäftigten, zu denen kein männlicher Taugenichts Zutritt erhielt. Thorkell schlich sich in die Küche hinunter, wühlte in den Mehltonnen nach dem Haferkuchen, und in dem Speiseschrank nach dem unter dem Namen »Peck« bekannten Brotkorbe.

Christopher, der die Nacht nicht hatte nach Hause gehen dürfen, lag zusammengerollt auf der vor den Herd gerückten Schlafbank und schnarchte nach Herzenslust. Nachdem Thorkell ihn ermuntert hatte, stellte er ihn dabei an, den Haferkuchen und Käse in kleine Stücke in die Metze zu zerbrechen und dann auf Treppe, Treppenabsatz und den Gartenpfad gerade vor dem Hauseingang auszustreuen, während er selbst ein ähnliches Maß voll pyramidenartig aufgetürmten Haferkuchens und Käses oben nach dem Zimmer hinauftrug, aus dem in Zwischenräumen eine zarte, kleine Stimme ihm als lieblichste aller je gehörten Musik zu Ohren drang.

Welch eine Aufregung die nächsten Tage brachten! Zum ersten Male seit dem düsteren Tage, da der alte Ewan Mylrea unter dem Holunderbaum auf dem Kirchhof an der See gebettet wurde, hielt Ballamona offenes Haus. Die herumziehenden Armen, die den Rundgang in alle Häuser machten, stellten sich auch diesmal wieder ein, öffneten ohne zu klopfen die Türe, um sich ungebeten ans Feuer zu setzen und sich den Haferkuchen und Käse wohl schmecken zu lassen; und oben, wo ein schüchternes, bleiches Gesicht mit einem ungewohnten Lächeln aus den kaum noch weiß zu nennenden Laken hervorblickte, machten es sich die vierschrötigen Staatsgäste aus zwanzig Meilen Umkreis in ihrer nach derber Gesundheit duftenden Atmosphäre unter Lärmen und Lachen bequem, um ihr Glas frisch gebrannten Joughs zu trinken und ihren Haferkuchen mit einer dicken Lage feinster Butter zu bestreichen, die in einer blauen Porzellanschale auf einem Tisch nahe am Kopfende des Bettes stand. Und Thorkell – wie munter er herumschwänzte und seine Gäste zum Trinken aufforderte und sie verspottete, wenn sie mit Essen aufhörten!

»Langt zu, Mann, langt zu,« sagte er Dutzende von Malen, »schimpfliche Überreste sind beschämender als schimpfliches Essen – eßt und trinkt!«

Und sie aßen und tranken und lachten und sangen, bis das Schlafzimmer wie von den Dünsten einer Bierstube durchdrungen und die Sprachverwirrung in demselben schlimmer als die am Fuße von Babel war.

Drei lange, lustige Wochen hindurch kamen und gingen die Gäste, und jeden Tag wurde für die Armen der Festschmaus in das Maß gebröckelt und für die guten Geister der Luft auf die Wege gestreut. Und wenn die Leute hierüber scherzten und versicherten, daß seit Urzeiten die Geister und Feen nicht so höflich behandelt worden wären, lachte Thorkell übermäßig und sagte, wie spaßig es sei, für abergläubisch gehalten zu werden, daß man alte Gebräuche jedoch ehren müsse!

Dann kam die Taufe, und zu dieser Feier war die ganze umliegende Landschaft eingeladen. Thorkell war nun ein Mann von Bedeutung, und alle Nachbarn, hoch und niedrig, stellten sich mit Geschenken für den jungen Christen ein.

Kerry, die Hebamme, die zugleich als Wärterin angestellt war, trug das Kind zur Kirche, und die rote kleine Bürde lag, leise vor sich hingurrend, in einen wahren Berg von weißen Windeln gewickelt, an ihrer Brust. Thorkell, dessen kleine Augen unter ihren buschigen Brauen nur so hervorblitzten, schritt hinter ihr drein, mit seiner nach jedem schwachen Schritt sich schwer auf ihn lehnenden Frau, deren wachsbleiches Gesicht das Lächeln erster Mutterschaft verklärte, am Arm.

Nachdem der Erzdekan den Zug am westlichen Eingangstor der Kirche empfangen hatte, scharte sich dieser zur Taufe um das Taufbecken im Schiff der Kirche: die halbblinde Kerry mit dem Täufling, Thorkell und seine junge Frau, die beiden Gevattern, der Großvikar und der Hafeninspektor von Peeltown, und die Gevatterin, des Hafeninspektors Frau, und hinter ihnen der Kreis einer aus den verschiedensten Elementen bestehenden Gesellschaft. Nach Verlesung des Evangeliums und der Gebete nahm der in seinen weißen Talar gekleidete Erzdekan das Kind in die Arme und forderte die Paten auf, demselben einen Namen zu geben, und sie antworteten Ewan. Gerade als die Wassertropfen auf die kleinen plinkenden Augen herabtropften und alle Stimmen in Schweigen und Ehrfurcht verstummt waren, kam ein kleines, wolliges, sanftes, weißes und liebliches Lamm an die Türe und schaute in die halbdunkle Kirche herein. Es erhob wie es im Morgensonnenlicht auf dem Rasen der Gräber stand, sein unschuldiges und erstauntes Gesicht und blökte und blökte, als ob es seine Mutter verloren und sich verirrt habe.

Des Erzdekans erhobene Finger blieben einen Moment über das andere unschuldige Gesicht, das an seiner Brust, bewegungslos erhoben. Thorkells Gesicht zuckte krampfhaft, und über die bleichen Wangen seiner Frau rannen die Tränen herab.

Dann plötzlich war das kleine Lamm davongehüpft, und noch ehe der Erzdekan das Kind den Armen der blinden Kerry wieder anvertraut und das letzte Gebet gesprochen hatte, ertönte in der Entfernung ein Gesumme vieler Stimmen. Das Getöse näherte sich eiligst, und der Aufruhr machte sich in tiefen Männerstimmen und schrillem Weibergekreische Luft.

Die eiserne Haspe des Leichentores zum Kirchhof knarrte, und gleich darauf hörte man den Laut eiliger Fußtritte auf dem gepflasterten Wege. Die um das Taufbecken versammelten Anwesenden brachen jäh auf und eilten mit neugierigen und verwunderten Gesichtern der Türe zu. Dort an der Spitze einer aus dem elendesten Gesindel der Parochie, barhäuptigen Männern, frech darein schauenden Weibern und barfüßigen Kindern bestehenden Menge, hielt ein Mann ein junges Mädchen beim Arm gepackt und zog sie der Kirche zu. Er war ein kräftiger Bursche mit finsterer Stirne und eisengrauem Haar und hielt den nackten braunen Arm des Mädchens wie mit einem Schraubstock umklammert.

»Platz da! Kommt Dirne, und wehrt Euch nicht,« schrie er dem Mädchen zu, das er durch einen Stoß vor sich her trieb.

Es war ein junges Ding – höchstens zwanzig Jahre alt. Ihr hübsches Gesicht war von Schmerzensfalten durchzogen; ihre Haselaugen sprühten vor Wut; und dort, wo ihr weißer Sonnenhut von ihrem Kopf auf die Schultern gerutscht war, fielen die Knoten ihres schwarzen Haares, vom Handgemenge aufgelöst und zerzaust, massenhaft auf Hals und Wange herab.

Es war Mally Kerrisch, und der Mann, der sie gepackt hielt, war der Parochievorlader, der Kirchenbüttel.

»Platz da, sag ich!« schrie der Büttel, der auf ihn, in das Tor und auf die zur Taufe versammelte Gesellschaft eindringenden Menge zu. Erst als der Erzdekan von der Seite des Taufbeckens herniedergeschritten kam, blieb der Büttel mit seiner Gefangenen stehen, und verstummte die lärmende Menge.

»Ich habe sie hierher gebracht, Ew. Ehrwürden, damit sie ihren Eid leiste,« sagte der Büttel mit gesenktem Kopf und gesenkter Stimme.

»Wer klagt sie an?« fragte der Erzdekan.

»Ihre alte Mutter,« antwortete der Büttel, »hier ist sie.«

Aus der Mitte der hinter ihm stehenden Menge zog der Büttel eine ältliche Frau mit harten, verfallenen Zügen hervor. Ihr Haupt war unbedeckt, ihre Augen blickten scharf und ruhelos umher, ihre Lippen waren langgezogen und fest geschlossen, ihr Kinn war stark und fest. Die Frau bahnte sich mit den Ellbogen ihren Weg; als sie dann jedoch dem Erzdekan von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand, und er sie fragte, ob sie ihre Tochter anklage, blickte sie, ehe sie antwortete, im Kreise herum, und als ihr Auge dann auf ihre unter dem Feuer von vierzig bis fünfzig Paar Augen bleich dastehende Tochter fiel, schien aller Mut sie zu verlassen.

»'s ist unnatürlich, ich weiß es wohl,« sagte sie, »daß eine Mutter gegen ihr Kind Zeugnis ablegen sollte,« und bei diesen Worten nahm ihr harter Mund einen weicheren Ausdruck an, und fuhren ihre Hände nach dem Gesicht empor, um die Tränen aus den Augen zu wischen. »Die Natur schweigt aber, wenn es gilt, noch einen Bauch füllen zu sollen, und dabei seit vierzehn Tagen keinen Schilling im Hause.«

Das Mädchen stand, ohne eine Silbe zu erwidern, da, und kein Hauch von Farbe rötete während der Worte ihrer Mutter ihre bleichen Wangen.

»Sie hat es geleugnet und geleugnet, und wieder und wieder Nein gesagt, aber man kann sich auf eine Mutter verlassen, die weiß, wie es um ihr Kind bestellt ist.«

Ein leises Gemurmel und Geflüster erhob sich aus der letzten Reihe der Zuschauer. Des Mädchens scharfes Ohr fing das Geräusch auf, und mit einem herausfordernden Blick wandte sie den Kopf der Menge zu.

»Wer ist der Mann?« fragte der Erzdekan, sie mit einer leichten Armbewegung wieder zu sich selbst zurückrufend.

Sie antwortete nicht, und er wiederholte die Frage.

»Wer ist der Schuldige?« fragte er mit strengerer Stimme.

»'s ist nicht wahr, sage ich. Laßt mich gehen,« und das Mädchen versuchte sich dem Griff des Büttels zu entziehen.

»Bringt sie vor den Altar,« sagte der Erzdekan und betrat denselben. Die Versammelten folgten ihm und stellten sich vor die Brüstung. Dann nahm er ein Neues Testament vom Lesepult und schritt unter Totenstille auf das Mädchen zu.

»Die Kirche kennt ein Mittel, um Verleumdung zum Schweigen zu bringen,« sagte er kalten, klaren Tones. »Wenn Ihr nicht schuldig seid, beschwört Eure Unschuld und wehe dem, der Euren guten Namen zu beflecken wagt.« Mit diesen Worten hielt der Erzdekan dem Mädchen das Testament hin. Sie machte keine Miene, es zu ergreifen. Er wollte es ihr in die Hand pressen. Bei der Berührung des Buches stieß sie einen schwachen Schrei aus und trat einen Schritt zurück, so daß das offne Testament auf die Altarbank fiel.

Darauf erhob sich das Gemurmel der Umstehenden von neuem. Das Mädchen hörte es und sank, ihr Gesicht mit den Händen bedeckend und mit zitternder durch die Kirche widerhallender Stimme: »Laßt mich gehen, laßt mich gehen,« rufend auf die Kniee.

Die zur Taufe gekommene Gesellschaft war das Kirchenschiff hinaufgeschritten. Die blinde Kerry stand allein für sich und versuchte, das ärgerlich wimmernde Kinde in ihren Armen einzulullen. Thorkell wanderte im Hintergründe ruhelos auf dem gepflasterten Gange hin und her. Seine Frau mit vor Mitleid überströmenden Augen hatte sich bis an die Seite des Mädchens durchgedrängt.

»Führt sie ins Gefängnis nach Peel,« sagte der Erzdekan, »und haltet sie dort unter Schloß und Riegel, bis sie den Namen ihres Buhlen gestanden hat.« Bei diesen Worten fiel Thorkells Frau neben dem Mädchen auf die Kniee und rief, mit einem Arm deren Hals umschlingend und mit dem andern dem Büttel abwehrend, »nein, nein, nein; sie wird gestehen.«

Es trat eine Pause und lautlose Stille ein. Mally ließ ihre Hände vom Gesicht herniederfallen und wandte ihre Augen voll denen der jungen, ihr zur Seite knieenden Mutter zu. Es herrschte eine Totenstille, während beide zu gleicher Zeit sich erhoben.

»Gesteht seinen Namen, wer er auch immer sein mag, er verdient es nicht, daß Ihr seinetwegen leiden solltet,« sagte Thorkell Mylreas Weib und berührte, während sie mit dem Mädchen sprach, die weiße Stirn desselben mit ihren bleichen Lippen.

»Ratet Ihr mir das?« fragte Mally mit sonderbarer Ruhe.

Einen Augenblick schienen die Augen dieser beiden Frauen sich gegenseitig ins Herz zu blicken. Thorkells Frau erbleichte, wurde halb ohnmächtig und griff zurücktaumelnd nach der Altarbrüstung.

Den nächsten Augenblick wurde Mally Kerrisch von dem Büttel das Kirchenschiff hinabgetrieben; die lärmende Menge, die mit ihnen gekommen war, verlief sich auch mit ihnen, und den nächsten Augenblick war, abgesehen von der um das Taufbecken versammelten Gesellschaft, die alte Kirche wieder leer.

Es fand ein großes Festessen an dem Tage in Ballamona statt. Das neue Haus war fertig, und der junge Christ, Ewan Mylrea von Ballamona, betrat es als erster; war es doch für ihn und seine Kinder und Kindeskinder bestimmt.

Thorkells Frau schloß sich den Feiernden nicht an, sondern ging nach ihrem Eintritt in das neue Haus sofort zu Bett. Die Anstrengung und Aufregung des Tages waren zu viel für sie gewesen. Thorkell selbst saß laut lachend und trinkend an seinem Platz. Gegen Abend erschien der Büttel, um zu sagen, daß das in Peel ins Gefängnis gebrachte Mädchen gestanden hätte und nun wieder auf freien Füßen sich befände. Der Erzdekan stand auf und ging aus dem Zimmer hinaus. Thorkell forderte seine Gäste lärmend zum abermaligen Trinken auf, und ein alter Mann, der sich nur mühselig noch auf den Füßen hielt, war aufgestanden, und hatte Stille für einen Toast verlangt.

»Dem Vater des unehelichen Kindes,« rief er mit lauter Stimme, nachdem die Gläser von neuem gefüllt waren; und darauf lachten die Anwesenden, bis das Dach hallte, das schrille Gelächter von Thorkell Mylrea jedoch übertönte sie alle. Plötzlich öffnete die Türe sich wieder, und der Erzdekan stand mit einem langen, ernsten Gesicht auf der Schwelle und winkte den oben an seinem Tisch sitzenden Thorkell zu sich heraus. Thorkell folgte der Aufforderung, und als beide dann nach einer kleinen Weile zusammen wieder erschienen und der Herr von Ballamona seinen Platz wieder eingenommen hatte, lachte er lauter als zuvor und trank eine noch größere Menge Whisky.

Draußen vor Ballamona klopfte am selben Abend eine alte mit Mütze und Kapuze über den Kopf gezogene Frau an die Tür. Das laute Lachen und die lärmenden Lieder schallten, wie sie in der Dunkelheit unter den schweigsamen Sternen stand, zu ihr heraus. Als die Türe ihr von Christopher geöffnet wurde, fragte das Weib nach Mylrea von Ballamona. Christopher wies sie ab und wollte ihr die Türe vor der Nase schließen. Sie klopfte und bat jedoch wieder und wieder, und schließlich ging Christopher, ihrem ungestümen Drängen nachgebend, hinein, um Thorkell zu benachrichtigen, worauf dieser aufstand und hinausschritt. Der Erzdekan, der die Unterredung hörte, folgte ihm auf dem Fuße.

Draußen auf dem Kiespfade stand das alte Weib, ihr verschrumpftes Gesicht war vom Licht der in der Vorhalle brennenden Lampe hell beschienen. Es war Frau Kerrisch, Mallys Mutter.

»Ihr laßt es Euch wohl sein, Herr Mylrea,« sagte sie, »und Ihr, Ehrwürden, ebenfalls; was soll aber aus mir und meiner armen Tochter werden?«

»Ihr seid es ja, Weib, die Ihr allein alles angestiftet habt,« sagte Thorkell und versuchte zu lachen; es wollte ihm unter den Sternen jedoch nicht recht gelingen.

»Ich, sagt Ihr? Ich wäre an allem schuld? Mag der gütige Gott zwischen uns Richter sein, Herr Mylrea. Wißt Ihr, was sich zugetragen hat? Meine arme Tochter ist verschwunden.«

»Verschwunden?«

»Ja, fort, hat sich davon gemacht – davon, um ihr geschändetes Angesicht zu verbergen; Gott stehe ihr bei.«

»Desto besser,« sagte Thorkell, und ein kurzes Lachen rasselte in seiner trockenen Kehle.

»Besser sagt Ihr, ist es? Besser! Nehmt Euch in acht, Ballamona.«

Der Erzdekan legte sich ins Mittel. »Keine Drohungen, meine gute Frau,« sagte er, abwehrend mit der Hand winkend. »Die Kirche hat Euch in dieser Angelegenheit Gerechtigkeit widerfahren lassen.«

»Drohung, Ew. Ehrwürden, Gerechtigkeit? Ist es etwa gerecht, das Mädchen zu bestrafen und den Mann leer ausgehen zu lassen? Was? Das Mädchen sechs Sonntage als Büßerin an den Kirchtüren von sechs Kirchspielen stehen zu lassen, und den Mann für sein lumpiges Geld, sechs Pfund an Euch und drei Pfund an mich, frei zu sprechen, ohne daß er einem Menschen seinen Namen zu nennen brauchte.«

Das alte Weib suchte in der ihr zur Seite hängenden Tasche und zog ein paar Goldmünzen heraus. »Hier, nehmt sie zurück; ich bin kein Judas, daß ich meine eigne Tochter verkaufen sollte. Hier, sage ich, nehmt sie zurück.«

Thorkell steckte seine Hände in die Taschen und lachte laut und gezwungen.

Das alte Weib blieb, während alle Farbe ihrem Gesicht entwich, einen Moment stillschweigend stehen. Dann erhob sie, einem plötzlichen Impulse folgend, ihre Augen, und ihre beiden zitternden Arme gen Himmel. »Gott im Himmel,« rief sie in heiserem Flüsterton, »laß deinen Zorn dieses Mannes Haupt treffen; laß dieses Haus, das er für sich und seine Kinder gebaut hat, ihm und ihnen und den Ihren zum Fluch werden; gib, daß kein Kind darin geboren werde, ohne daß nicht zugleich der Tod seinen Einzug halten und darin weilen möge, bis du zwischen ihm und mir gerichtet hast.«

Thorkells Lachen verstummte plötzlich. Ein Zucken überflog während der Worte des Weibes seine Züge und seine Knie begannen sichtlich unter ihm zu schlottern. Dann ergriff er ihren Arm und rief, ihn fest gepackt haltend, mit schriller, hoher Stimme:

»Weib, Weib, was sprecht Ihr da?«

Sie jedoch riß sich los und lief in die Nacht hinaus.

Einen Augenblick stampfte Thorkell mit nervösen Schritten in der Halle auf und nieder, während der Erzdekan sprachlos dabei stand. Dann schallte aus dem Zimmer, das sie verlassen hatten, Lachen und Gesang zu ihnen heraus, und Thorkell stürzte zu den Feiernden zurück und rief hysterisch:

»Nach Hause, nach Hause alle miteinander, fort mit euch!« und darauf fiel er wie ein Holzblock auf einen Stuhl nieder.

Einer nach dem andern brachen die betrunkenen Zecher unter vielem, weisem Kopfschütteln auf, um sich davon zu machen und den Herrn von Ballamona allein in dem von kaltem Rauch und Whiskydunst erfüllten Zimmer zurückzulassen.


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