Karl Gutzkow
Der Zauberer von Rom, I. Buch
Karl Gutzkow

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X Vorwort zur zweiten Auflage.

Wenn ich in Vorstehendem von »Schimpf und Schmach« gesprochen habe, die mir von gewisser Seite für mein Buch würde zu Theil werden, so habe ich die auffallende Anzeige zu machen, daß mir im Gegentheil von derjenigen Seite, die ich allein gemeint haben konnte, nur Anerkennung – wenigstens ein duldsames Schweigen gekommen ist. Die jesuitischen Blätter des deutschen Südens und Westens haben sich entweder mit diesem Buch gar nicht beschäftigt oder es wurden, wenn nicht von ihnen selbst, doch in verwandten Kreisen, Stimmen laut, welche die »katholische Correctheit« des Buches anerkannten. Von protestantischer Seite sind die Katholiken gewohnt Schilderungen ihrer Kirche zu finden, wo nicht selten Priester die Messe im Abenddunkel lesen.

In diesem Schweigen und in mancher warmen und ergriffenen Zuschrift, welche der Verfasser von Katholiken erhielt, liegt die Thatsache ausgesprochen, daß die Tendenz des Buches: »Ein geläuterter, von Rom befreiter XI Katholicismus«, einer Stimmung entsprach, welche bei den meisten Katholiken Deutschlands verbreitet ist und nur des Beistands unserer Politik, namentlich unserer katholischen Fürsten, bedürfen würde, um durch Trennung von Rom die Einheit des Vaterlandes aufs segensreichste zu befördern. Selbst die katholischen Priester, die Hochpfründner ausgenommen, würden eine Losreißung von Rom willkommen heißen, wenn nur im Uebrigen mit derjenigen Schonung ihres Glaubens verfahren würde, welche in meinem Roman einen Ausdruck gefunden hat, ohne daß den Rechten der Vernunft und Aufklärung darum etwas vergeben wurde.

»Schimpf und Schmach« kam nicht von denen selbst, gegen welche mein Werk gerichtet war. Desto mehr von den unberufenen Satelliten derselben, von den Vertheidigern des auf hierarchischen Grundsätzen gebauten Staates. Es wurden sogleich die ersten Bände – es war vor Aenderung des österreichischen Systems – von einer gehässigen Broschüre begrüßt aus der Feder eines wiener Polizeibeamten, der sich Alexander Alt nannte und ein Neffe von Friedrich Gentz sein soll. Natürlich blieb der Gedankeninhalt meines Werkes bei diesen Schmähungen, welche dieselbe Feder noch jetzt in wiener Blättern fortsetzt, unberührt, die Mängel sollten nur in Verstößen gegen Grammatik und Logik liegen. Nicht minder perfid verfuhren einige große Zeitungen, die, obgleich von Protestanten redigirt, zunächst für die katholische Welt berechnet sind. Auch sie hüteten sich, die doctrinäre Seite anzugreifen, auch für sie entsprach das XII Werk nicht den hundert und ein poetischen Idealen, die in Deutschland als Maßstäbe ästhetischer Kritik zu gelten pflegen. Aus dem reinliterarischen Lager ist dann der Verfasser die Verfolgung gewohnt. Haß und Neid kann eben hier durch nichts entwaffnet werden, nicht einmal durch eine objectiv anerkennenswerthe ernste Absicht, nicht einmal durch einen gemeinschaftlichen Glauben, der doch nur den Sieg des auch von dem Feinde getheilten Glaubens unterstützen will!

Eine große Ermunterung bei allmählicher Veröffentlichung dieser neun, jetzt in achtzehn Bändchen getheilten Bände lag in den Zeitereignissen. Als der erste Band erschien, herrschte in Deutschland noch eine fast allgemeine Unbekanntschaft mit denjenigen Elementen des italienischen Lebens, auf welche mein Werk, namentlich für seine allmähliche Gipfelung, gestützt war. Erst durch die italienische Erhebung erhielt der Gedankengang desselben seine Bestätigung. Die letzten Bände sind lange vor dem Ursprung der »Römischen Frage« in ihrem Inhalt angelegt. Jeder Tag brachte eine Erläuterung mehr zu Verhältnissen, welche ohne den italienischen Krieg ganz in der Auffassung geblieben wären, die wir in Deutschland über Italien durch Wien, München und Augsburg einmal festgestellt sahen. Selbst die evangelische Tendenz Italiens, die Wiederaufnahme des Waldenserthums, auf welche mein Werk begründet war, würde ohne den Krieg nur innerhalb der Kenntnißnahme eines kleinen Theils im deutschen Volke geblieben sein, obgleich die Engländer schon lange XIII ernst und eifrig sich mit diesem Theil der italienischen neuern Bildung beschäftigt haben. Das Leben der Brüder Bandiera, die Agitation Mazzini's, die evangelische Bewegung Piemonts (der in Band IX genannte de Santis ist gegenwärtig italienischer Minister des Cultus), alles das lag bei mir theils schon fertig ausgearbeitet, theils im Plan des Werkes bereits zu einer Zeit vor, wo an die Zukunft Italiens, an die Möglichkeit einer gänzlichen Endschaft des geistlichen Rom in Deutschland nur noch wenig geglaubt wurde. Der süditalienische Schauplatz, wo in diesem Roman die Gefangennehmung Frâ Federigo's stattfindet, ist derselbe, wo sich vor kurzem Garibaldi ergeben mußte.

Auch von wohlwollender Seite hat man über gewisse Schwierigkeiten des Verständnisses geklagt, desgleichen über stilistische Unregelmäßigkeiten. Ist ein Autor ganz von der Sache erfüllt und spinnt sein Werk sozusagen mit träumerischer Intuition aus Bildern heraus, die dem geschlossenen Auge innen aufgegangen, so folgt die Feder, die Merkmale einer solchen Productionsweise annehmend, nur mechanisch dem tastenden Fortschreiten in Lebensverhältnissen und Situationen, die, größtentheils neu, dem allgemeinen Publikum nur unter Schwierigkeiten zugänglich zu machen waren. In der Hauptsache sind diese Schwierigkeiten durch die inzwischen gegebene Fixirung des ersten Entwurfs überwunden. Diese neue Ueberarbeitung des Werks konnte nun im frühern Text vieles als bloße erste Grundirung betrachten und wird jetzt schon hellere und klarere XIV Lichter aufsetzen können. Dies ist auch durchgehends geschehen. Sicher tritt mein Werk in dieser neuen Auflage (die während des Erscheinens nöthig gewordene zweite Auflage der drei ersten Bände wiederholte nur, mit einigen Ausnahmen, den Text der ersten) freier von den Spuren des nicht leichten Schaffens auf, ruhiger in der fortschreitenden Bewegung und sowol dem Verständniß wie dem wünschenswerthen Genuß des Lesers mehr entgegenkommend.

Möge der Geist, aus welchem das Ganze geschaffen wurde, der Geist der Befreiung und Erlösung, siegreich bleiben bei den Anfechtungen, die ihm schon wieder mächtig entgegentreten. Verdunkeln kann sich die lichte Aussicht, mit welcher unser neuntes Buch abschließt, die beiden Fragezeichen der Jahreszahl, die dasselbe bezeichnen, können sich in drei verwandeln und des Traumes Erfüllung erst dem zwanzigsten Jahrhundert überlassen; aber das ewige Wort, von dem es heißt: Es ist bei Gott und Gott selbst ist dies Wort! wird darum nicht zu Schanden werden. Den Zug des Weltgeistes zur Natur und zum Einfachwahren hält keine Lüge, keine noch so geharnischte weltliche Rüstung, am wenigsten eine einzige, wenn auch bedeutsame Persönlichkeit auf. Wenn die römische Kirche auf das Wort der Schrift sich zu berufen pflegt: »Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden«, so wird die Ueberwindung dennoch kommen; es ist eben nicht die Hölle, die sich gegen Rom auflehnt, sondern der Himmel.

Weimar, im November 1862.


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