Grimmelshausen
Der keusche Joseph
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Gnädige Frau / sagte er / zuvor als mein Herr kam / befanden wir sich mit unserer Caravana noch in höchster Gefahr / vor den Räubern / nun will ich auch hersagen / wie wir vermittelst ihres Liebsten ohnvergleichlichen Schönheit daraus entronnen; Ich hiese ihm / so bald ich die Räuber nur sahe / ein Königlich Kleid anlegen / das wir zu allem Glück vor den Pharaonem zur Verehrung mitgenommen / und befahl / daß man ihn auf das beste Pferd setze. Ich selbst aber verfügte mich zu den Räubern / und erschreckte sie mit der Gegenwart Apollinis, den wir / wie ich sagte / bey uns hätten / daß sie zitterten wie die Febricitanten; und indem ich sie durch ein angenommene Mina übereilte / und in eine Forcht jagte; brachte ich sie dahin / daß sie durch meine Lügen sich bewegen liesen / ihrem Eheherren Göttliche Referentz zu erzeigen / und von ihm so närrische Dinge zu begehren / welche zu ertheilen / er sich niemahln träumen lassen; der eine begehrte ein schönes Weib! der ander Glück zu guten Pferden; der dritte reiche Beuten an Gelt; der vierte ein unüberwindliche Stärcke wie Hercules; der fünffte seiner Buhlschafft Gegenliebe / der sechste ein ansehenlich Heerde Viehe / der siebende eigen Haus und Hof / &c. Einer wünschte Schönheit den Weibern zu gefallen / der ander ein grimmig und grausam Angesicht seine Feinde zu erschröcken; einer wünschte Erben / der ander bath den Apollinem, daß er die Seinige versorgen und segnen wolte; gemeiniglich war ihr Begehren / daß sie in ihren Wohnungen an Viehe: ausserhalb aber durch Rauben an Beuthen reich werden möchten; Gleichwie nun ihr Bitten und Begehren seltzam war / also waren auch ihre Ceremonien lächerlich / dann die aberglaubige Leute wusten nicht / wie sie sich demüthig genug stellen solten; Sie fielen Creutzweis zur Erden / und schlugen die Stirne wider den Boden / und ihre Fäuste wider die Brust! und wann sie ihren liebsten Eheherrn die Füsse (so damahls mit Königlicher Zierte geschmückt waren) geküst hatten / schetzten sie es vor ein grosses Glück / wann sie ihre Andacht zu bezeugen auf Händen und Füssen unter des Pferds Bauch hindurch kriechen dorfften;

Nach Verrichtung solcher Ceremonien und Vertröstung / daß ihr Bitten Statt finden solte / sagte ich einem hier / dem andern dort / gute Warheit / das ist / was ihm etwan seine Lebens=Tag widerfahren war / und noch widerfahren würde (dann ich mich damals trefflich auf solche Kunst beflisse) und weil ich wohl eintraff / hielten sie mich auch bey nahe vor einen Gott / oder doch wenigst vor des Apollini Diener / der viel Weißheit von ihm erfahren und bestellt wäre / dem Menschen seinem Göttlichen Willen zu offenbaren.

Nachdem wir sich nun solcher Gestalt aus der Gefahr gewickelt / habe ich ihrem Eheherren genauer betrachtet / und aus seinem Alter / das ich ohngefährlich schätzte / zu ruck gerechnet / um die Stunde zu finden / darinn er geboren worden seyn müste / nemlich eine solche Stund / darinn einen die Gab der Schönheit so vollkommen und reichlich mitgetheilt werden könte / als ich nun solche gefunden / hab ich zugleich gesehen / daß die Gaben des Gemüths nicht geringer als die Zierte des Leibs seyn könte / und indem ich in solcher meiner Kunst besser nachsuchte / conjecturirte ich beyläufftig alles zuvor / was sich seithero mit ihrem Liebsten zugetragen / allermassen ich ihm gleich damahls Theils darvon communicirt; diesem nach vollbrachten wir unsere Reise vollents mit guten Glück nacher Thebä / allwo ich selbst dem Potiphar ihren Liebsten verkauffen helffen / weil ihn Pharao selbst nit haben wolte; folgends begab ich mich auf hieher / und nachdem ich da und dort meine nachhabende Wahren an andere Kauffleute verhandelte / weil ich nit mehr in Aegypten zu kommen vermeynte / und die übrige Geferten auch ihre Geschäffte verrichtet hatten / nahm ich mit ihnen meinen Weg auf Babyloniam / allwo ich befande / daß mir alle meine daselbst gehabte Güter in einer schädlichen Feuersbrunst aufgangen / oder im Rauch gen Himmel geflogen.

Weilen mir dann nun in meinem Kaufhandel so gar kein Stern mehr leuchten wolte / den ich ohne das nit mehr zu treiben begehrte / stunde ich in der Wahl / ob ich irgents häußlich stillsitzen / oder ferners reisen wolte / auf welches letztere ich sehr verbicht war / und solches dessentwegen um so viel desto weniger wolte oder könte meiden; Ich veränderte alles mein Vermögen / was ich andern Orten noch hatte / in Gold und Edelgestein / damit ich also mein gantze Haab bey mir tragen / und an jedem Ort wohin ich in die Fremde käme / zu Hauß und daheim seyn könte; ob ich etwan hier oder dar eine Gelegenheit antreffen möchte / da mich ungefehr ein anders Glück wieder bescheinen wolte; und solcher Gestalt dienete ich den Carawanen / die mich hierzu bestellten / vor einen Tolmetschen und Gläidsmann / also daß ich auf der Reisenden Costen in der Welt herum vagirte / und noch meine Belohnung darzu empfieng.

In solcher Qualität wurde ich einsmahls von Sabacano der Trogloditen Fürsten gedingt / eine Reise mit ihme nacher Delphos zu thun / da er den Abgott Apollinem wegen etlicher seiner Angelegenheiten um Rath ersuchen wolte; Ich liese mich um so viel desto lieber hierzu gebrauchen / weil ich vorlängst ein Wallfahrt dorthin versprochen und mir vorgenommen hatte / das Oracul wegen meines so vielfältig erlittenen Schadens und Unglücks / auch meiner künfftigen fernern Begebenheit halber zu befragen / und nachdem ich zu meiner Hinkunfft beydes mein Andacht und Opffer der Gebühr nach verrichtet hatte / empfieng ich diese Antwort:

Wann dich der Tugend höchste Glantz mir gäntzlich hat entnommen /
        Den du Ehemahl vor mich auf meinen Ehren=Thron gesetzt /
So wirst du widerum zu Gut / zu Weib / zu Kindern kommen /
        Und um dein Ungemach mit Ehr / mit Freud werden ergötzt.
        Du hast dein Lebtag nicht auf einig ander Glück zu hoffen /
        Als was der Elend gibt / dem / den gleichs Elend hat getroffen.

Ich conferirte diß Oracul mit meinen eignen Propheceyungen / konte es aber nirgend mit denselbigen einstimmig finden / und je mehr ich nachgrübelt / dem rechten Verstand zu ersinnen / je weniger ich zu meinen rechten Zweck gelangen konte / ja ich wurde endlich so verwirret darüber / daß ich wünschte / ich hätte den Abgott nit einmal gefragt; habe es auch nit ehender verstanden / als da mich vor etlich Jahren ihr Eheherr würdigte / mich das Geheimnus von dem einigen GOtt wissen zu lassen / und mich mit diesen meinen beyden Weibern zu versehen; welche Wissenschafft mich den gedachten betrüglichen Abgott der gestalt entnommen / daß ich ihm zu gefallen auch nicht einmahl aufstünde / ich wolte ihn dann verspotten.

Solcher Gestalt brachte ich etliche Jahr mit hin und wieder reisen zu / auf denen mir manche Gefahr und viel seltzame Begegnus zu Handen gestossen / welche jetzunder zu erzählen / die Zeit nicht leiden mag; und dabey wurde ich weder ärmer noch reicher; Gleichwie aber der Krug so lang zum Brunnen geht / biß er einmahl zerbricht / also widerfuhr mir auch / dann als ich einsmahls mit einer ansehenlichen Gesellschaft von Kauffleuten und anderen Herren vornehmen Standes aus Asia in Græciam überschiffen wolte / wurden wir von etlichen Barbarischen Meer=Räubern angegriffen / übermannet und gefangen / welche mich bey zwey Jahren hin und wieder auf dem Meer herum geschleppt / und endlich zu No (diese Stadt No wird jetzunder von Alexandro Magno, Alexandria genannt / als welcher sie erweitert) einem Gärtner verkaufft haben / weil meine Natur weder das Meer noch die Arbeit / die ich darauf verrichten müssen / länger nit ertragen mögen; Demnach ich aber auch weder der Garten=Arbeit / noch des daselbigen Luffts gewohnet war / auch weniger zu thun vermochte / als was ein Bauers=Kerl sonst ohne Mühe wol verrichten kan / erkränckte ich dergestalt / daß mein Herr (wolte er mich anderst nit so bald verlieren / und sein Gelt umsonst ausgegeben haben) einen Artzt bestellen muste / der mir meine Gesundheit wieder bringen solte; diesem sagte ich / wuste es auch besser als er selbst / was mir mangelte / und womit mir am besten geholffen werden konte / ja ich gab ihm auch unterschiedlichen Rath / was er seinen andern Patienten brauchen solte / und als es ihm glückte / nahm er meine Person und Reden besser in Acht / und wurde bald aus meinen discursen gewahr / daß ich wegen meiner Wissenschafft nützlicher zu etwas anders / als zu dem Gartenbau gebraucht werden könte / derowegen fuckert er mit meinem Herrn Gartner / und gab ihm einen Knollfincken vor mich / der besser als ich / hacken und graben könte.

Nach diesem getroffnen Tausch / erlangte ich meine Gesundheit bald wiederum / und ob ich gleich dem Artzt als ein Knecht dienete / so war ich gleichwohl der Meister in der Medicin; Ich reformirte seine elende Apoteck / mit samt dem laboratorio, und lernte ihn beydes mit præparirung der Artzneyen / und den Kranckheiten viel anders procedirn als er noch bißher gewüst hatte; dahero restituirt er seinen Patienten ihre Gesundheit viel ehender und besser / als man zuvor an ihm gewohnt war; wessentwegen er mich anfänglich liebet / endlich aber neidet / als er sahe / daß die Leute anfiengen mich höher zu æstimirn als meinen Herrn Doctorem selbsten.

Gleichwohl muste er mir noch immerhin gute Wort geben / und seinen Neid verbergen / weil er fort und fort noch mehr Künste von mir zu erfischen bedacht war; wann auch solches nicht gewesen wäre / so hätte er mich vorlängsten / ich weiß nicht wohin / wiederum verkaufft / als aber des Kerckermeisters (dabey ihr Liebster gefangen gelegen) Leute kamen / Gefangne Leibeigen zu kauffen / die man im Laut Königl. Befehls auch um die Gebühr folgen lassen muste / wo sie deren antraffen / die ihn taugten / hatte beydes sein Neid und mein Dienst bey ihm ein Ende; dann diese führten mich nach Theb æ, da ich ihren Liebsten mit unaussprechlichen Freuden / ob zwar in der Gefängnus angetroffen; Wie glückseelig ich nun seithero in ihren Diensten nach so vielen überstandenen Widerwärtigkeiten und wunderbarlichen Glücks und Unglücks=Fällen allhier gelebt / haben E. Gn. täglich vor Augen gesehen / dannenhero ohnnöthig / ein mehrers hiervon zu erzehlen.

Nachdem nun Musai solcher Gestalt seine Rede beschlossen / sie sich auch alle müd gesessen hatten / vertrieben sie die übrige Zeit biß auf den Abend mit Spatziren gehen / und die Göttliche Allmacht und Wunder an den schönen vielfärbigen Blumen und andern neugebornen Erdgewächsen zu betrachten; und dessen Güte um alle erschaffene Ding zu loben.

Nach etlichen Tagen hat Joseph dem Musai angezeigt / daß er ihm beym Pharaone als einen Baumeister angebracht / und als er ihn zugleich instruirte, wie er sich bey dem König mit Reden verhalten solte / damit der Zweck erreicht würde / antwortet Musai / mein Herr lasse mich nur gewehren / werde ich einmahl mit ihm bekand / so will ich seinem Gelte solcher massen schrepfen / daß sich alle seine Unterthanen dessen zu erfreuen haben sollen; und solches hat er auch vollzogen / dann nachdem ihn Joseph für dem Pharaone geführt / hat er ihm derstalt zugesprochen / daß er die in der gantzen Welt berühmte Pyramides zu erbauen angefangen / an deren dreyen nach Plinii Zeugnus 78. Jahr und 4. Monat gebaut worden; der auch meldet / daß Zeitwehrender solcher Auferbauung nur bloß vor Wurtzeln Zwibeln und Knobloch für die Arbeiter 1800. Thalenta (das seynd 108. Thonen Golds) ausgegeben worden; allein an dem grossen Pyramide sagt man / haben dreymal hundert und sechtzig tausend Menschen zwantzig völliger Jahr ohn Unterlaß zugebracht / und was die Steine gecostet / als welche alle aus Arabia geholet werden müssen / und deren die meiste drey Schuch breit gewesen / solcher Uncosten seye nit zu zehlen noch auszusprechen; wer mehrers von diesen ungeheuren Thürnen zu wissen beliebt / der lese Plinium lib. 36. cap. 12. Diodorum Siculum lib. 2. Herodotem lib. 1. Amianum Marcellinum lib. 22. Petrum Martyr. Mediolanensem, Pomponiam Melam, und Hans Jacob Ammans eines Zürchers Reiß in das gelobte Land / der unter Regierung des Käisers Rudolphi Secundi, persönlich in und auf dem grossen Pyramide gewesen / und dessen Beschaffenheit weitläufftig beschreibet.

Unser Musai aber wurde zum recompens seiner Erfündung und gegebner Vorschläg vom Pharaone über die übrige Völcker Vessari oder Vezori die hernach Dinastier genant worden / zum Fürsten gesetzt / welche Ruhe und Glückseeligkeit ihme dann Joseph als seinem getreuen abgelebten Diener in seinen alten Tagen auch hertzlich gern gönnete.

E N D E


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