Grimmelshausen
Der keusche Joseph
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Nach dieser seiner Entschlaffung hatte ich wenig Lust mehr in der Gesellschafft der Magorum zu verbleiben; es wäre zwar meine Schuldigkeit so wohl / als mein Will gewesen / meines Vattern Tod zu rächen / aber was hätte ich thun / und gegen so ansehenlichen Leuten ausrichten können? als der ich weder mit Alter / noch angebornen Freunden / noch Erfahrung oder etwas anders dergleichen / das sie hatten / gegen ihnen versehen gewesen / und das mir wider sie hätte dienen mögen; Ich müste noch darzu sorgen / sie möchten vielleicht mit mir dem jungen Sonnen=Kind ein andere Prob unterstehen / die mir entweder wie meinem Vatter / oder doch aufs wenigst / wie dem Hund das Graß bekommen möchte; derowegen verliese ich ihre ansehenliche Compagniæ und begab mich unter die Jünglinge / die in fechten / ringen / steigen / springen / schwimmen / und andern soldatischen Exercitien geübt und unterwiesen wurden; Ich hatte aber kaum eins und anders was man in selbiger Schul lernet / begriffen / als ich innen wurde / daß die martialische Leute in selbiger Zeit / darinn der Feinde völlig grünete / den hundertsten Theil nicht so viel golten noch prosperirten / als die Mercurialisten; derowegen begab ich mich zu einem reichen Kauffmann / nicht allein von ihm zu lernen / wie ich künfftig gleich an ihm reich werden mögte / sondern allerhand so beschaffne Künst und Wissenschafften / nach und nach zu begreiffen / vermittelst deren ich mich in die veränderliche Zeiten schicken: und auf alle begebende Fäll auf jeden Sattel gerecht seyn könte.

Dieser Kauffhandel schickte sich gar wohl zu meinem humor, dann indem ich vermittelst meiner Künste / leicht wissen konte / welche Wahr auf oder abschlagen wolte / auch wo sonst etwas zu erhaschen / so brachte ich in Bälde ein grosses Vermögen zu wegen / und lernte dabey allerhand Sprachen / Vorthel / Griff / Fünd / List und Betrüg; Item / alle Wahren zu erkennen / und mich in allerhand Art der Leute zu schicken; wann ich einen Menschen nur ansahe / und mit ihm zu handeln bekommen solte / so konte ich ihm gleich abmercken / was hinder ihm stack / und wie ich mit ihm müste umgehen / wann ich einen Nutzen von ihm haben wolte; die weite Reisen / die ich mit Gefahr vollbrachte / die Erkundigung der Gebräuch und Sitten der Völcker / die ich besuchte / und was ich da und dort noch ferners zu meinen Wissenschafften lernete / erfreuete mich eben so sehr / als der Gewinn meiner Handelschaften; Erfuhre ich irgends einen gelehrten Mann / der von Künsten und Wissenschafften berühmt war / so machte ich Freundschafft zu ihm / und feyerte nicht / biß ich von ihm lernte / was er selber wuste und konte; Ja ich verschmähete auch die geringe Künst der Gauckler nicht / um durch deren Wissenschafft und meinen äignen Verstand noch etwas dergleichen höhers zu ersinnen. Und durch diesen meinen Fleiß wurde ich nicht allein einer von den Reichsten / sondern auch einer von den verschmitzten Kauffleuthen / die sich zu meiner Zeit in gantz Asia und Africa befanden.

Gleich wie aber alles gemeiniglich wieder fällt / wann es zum höchsten gestiegen / man sey auch mit der Unterstützung so fürsichtig als man immer wolle / also widerfuhre mir auch; dann wie mein Glück zum höchsten kommen war / wolte es einsmahl wieder zuruck / so daß ich bey nahe sonst keine Güter von meinem grossen Vermögen darvon brachte / als was ich in meinem Kopff gesamlet hatte;

Das erste Unglück das mich traff / rührete von meinem äignen eiffersüchtigen Weib her / das bey meinem Hauswesen zu Ecbatana sich aufhielte; dann als sie sich überreden lassen / ich hätte in Chaldæa noch ein Weib genommen / wie dann solches bey den Persianern gebräuchlich / gedachte sie sich zu rächen / und mich um das Leben zu bringen; kurtz nach diesem ihrem Entschluß hielte ich mich bey ihr auf / der Meynung zu Ecbatana zu überwintern / und mich alsdann den folgenden Frühling in Indiam widerum zu begeben / welche Reise ich um dessentwillen aufgehoben / weil ich mir selbst prognosticirt, sie würde mir übel gedeyen / und mir auch sonst in Kürtze in groß Unglück widerfahren; Damahls wurde dem Persischen Landvogt ein kostbarer Purpur=Mantel mit Gold / Perlen und Edelgesteinen gestickt und besetzt / entwendet / welchen die Meder und Perser dem König Nynia zu einem Präsent verfertigen lassen / und dem Landvogt zu Ubersendung nach Ninive an den König eingehändigt / es wurde demselben starck nachgeforscht / und dem jenigen / der Nachricht darvon geben konte / ein grosse Verehrung versprochen / solche Gelegenheit machte ihr mein Weib zu Nutz / sich an mir zu revangirn, indem sie nun vermeinte / mich hiemit ums Leben zu bringen / verhoffte sie zugleich / auch hierdurch meine ansehenliche Reichthum die ich zu Ecbatana hatte / in ihrem Besitz zu bringen.

Darauf verfügte sie sich zu dem Landpfleger / und gab bey ihm an / ich hätte den Mantel entweder selber gestohlen / oder doch wenigst denselbigen von dem Dieb gekaufft / dann sie hätte ihn bey mir gesehen; auf solches würde ich beym Kopff genommen / mein Haus aber von oben biß unten ausvisitirt / darinn zwar neben anderer Wahr und grosser Reichthum / viel Purpur / Seiden / Gold / Silber / Perlen und Edelgestein / aber gleichwohl kein Königl. Mantel gefunden wurde; Mein Weib beharrete hingegen auf ihrer Rede / und weil den Landpfleger nach meinen grossen Reichthumen gelüstet / wolte er diese Gelegenheit solche an sich zu ziehen / nicht aus den Händen lassen; derowegen setzte er mir desto hefftiger zu / und drohete mich zu creutzigen / wann ich den verlohrnen Mantel nicht wieder herzu schaffen würde;

Ich bezeugte meine Unschuld mit sonderbaren Verfluchungen / und der Anruffung aller Götter; aber mir wurde mit tauben Ohren zugehöret / ich klagte / mein Weib hätte mich Unschuldigen aus Boßheit angegeben / umb sich zum Erben meiner Güter zu machen / und sich und ihre arme Freundschafft damit zu bereichern; Aber mir wurde nicht geglaubt / sondern ihre Lügen meiner Warheit vorgezogen; Als ich nun sahe daß man sich rüstet / mich durch Peinigung zur Bekantnuß des jenigen zu bringen / das ich doch niemahl in Sinn genommen / konte ich leichtlich mercken / daß mich mein grosses Vermögen / welches ich mit grosser Mühe und Gefahr zusammen gebracht / in Untergang und Verderben stürtzen wolte; Vornemlich weil das Volck sagte / woher mir sonst so gehling solcher Reichthum zugestanden seyn könte / wann ich mich nicht mit dergleichen und sonst allerhand Diebsgriffen beholffen hätte? Derowegen nahm ich meine Zuflucht zu meinen Künsten / und als man mich zur tortur führete / nahm ich von mir selbsten ein höchstglüendes Eisen in die Hände / und bezeugte damit nochmahlen meine Unschuld / dann ich hatte bereits in meiner Jugend von meinem Vatter gelernt / was ich thun müste / wann es mich nicht versehren solte.

Als das Volck diese ungewöhnliche Sach sahe / hielte es jederman für ein groß Wunder / männiglich aus ihnen hielte mich vor heilig / und erkante mich vor unschuldig / so daß der Landpfleger wegen des Volcks ungestümmen Geschreys auch nit ferners streng gegen mir procedirn dorffte; zwar waren wol etliche Magi / welche wol wusten / daß diß Wunder durch Künste zu wegen gebracht werden könte / aber sie wolten aus Liebe zu meinem Vatter / mich drum nicht verschwätzen; zumahlen sie bedachten / daß sie auch selbst heut oder morgen diese Kunst zu brauchen benöthigt werden möchten / welche ihnen alsdann nichts helffen würde / wann sie dieselbige jetzunder nit vor ein ungewöhnliches Göttlichs Wunder passiren liesen.

Hingegen konte ich aus des Land=Pflegers grißgrammenden Angesicht wohl lesen / daß er eine solche fette Ganß / wie ich war / ohngerupfft aus den Händen zu lassen / nicht bedacht war; derowegen wolte er den Königlichen Mantel / und nicht meine Unschuld von mir gewiesen haben / damit er mich alsdann beydes an Leib und Gut hätte straffen mögen; mein Weib wurde wider vorgeführt und abgehöret / die beharrete beständig darauff / damit sie der Straff ihrer Lügen entgehen möchte / daß sie einen solchen Mantel in meiner Behausung gesehen hätte; demnach sie aber durch das glüende Eisen erschreckt / und in ihren Gewissen gerührt worden / henckte sie daran / daß sie aber nit eigentlich wissen könte / wie solcher hinein kommen; diß war nun eine erwünschte Aussag vor den Landpfleger / dardurch mir und ihm geholffen werden könte / dann hierauf verfasste er folgendes Urthel:

Dieweil beklagter Musai genugsam bezeugt / daß der entwandte Königliche Mantel von ihme weder gesehen noch gestohlen worden / ohnangesehen sich solcher in seinem Hause / seines äignen Weibs Aussag nach befunden; als wird er vor sein Person zwar vor unschuldig / und ihm beydes sein Leben und hergebrachte Freyheit zu erkant / aber seine Behausung und was sich darinn befindet / als ein Ort / der den König und die Länder zu bestehlen / oder wenigst den Diebstahl darinn zu verhölen / mißbraucht worden / der Obrigkeit heimgesprochen; daraus wieder zuvorderst ein anderer solcher Mantel verfertigt / der Uberrest aber zu Entrichtung der aufgangen Costen verwendet werden soll.

Bey Vollziehung dieses Urthels erhielte ich noch aus Vorbitt der Magorum ein Stück Gelt / zur Zehrung / oder einen neuen Anfang der Handelschafft zu machen / weil man mehr Reichthum fande / als man anfänglich vermeynt gehabt; als sich aber mein Weib hierdurch beydes der Besitzung so grosser Reichthum / und ihres Manns voriger Huld entsetzt sahe / hatte sie ihr selbst den verdienten Lohn geben / und sich in einen Garten erhänckt; etliche meiner guten Freunden aus den Magis hielten darvor / daß der Mantel nicht einmal verloren / sondern / daß solches nur von dem geitzigen Landpfleger vorgegeben worden wäre / der Perser und Meder Landstände darum zu betrügen / und sich selbst reich damit zu machen; durch diese Begebenheit bin ich zwar viel ärmer / hingegen aber auch viel witziger worden / und hab erst damahls erfahren / daß alle die jenige / die in guter Prosperität stehen / von andern Leuten gehasset werden / es mag auch einer gleich so fromm und tugendlich leben und so aufrichtig handeln / als er immer wolle.

Das ander Unglück / das mich überfiele / kam von mir selbst und meiner Ungedult her / weil mir ohnerträglich fiele / mich in einer Stadt oder Provintz länger aufzuhalten / darinn mir ein solcher Schimpf ohne mein Verschulden widerfahren; und weilen mich bedunckte / beydes der Meder und Perser Landschafften wären mir zu wider / schiffte ich in Indiam / da ich noch den besten Particul meines Vermögens hatte / der Meynung solches zusammen zu machen / und mir in Elam den rechten Vatterland meines Ursprungs einen festen Fuß des häuslichen Wesens zu setzen; Zu meiner Dorthinkunfft fande ich / daß die Zeitung von meiner Begebenheit / und was mir in Medea widerfahren / allbereit daselbst ausgebreitet war / hatte derowegen desto weniger Ansehens und credit daselbsten / dann es hatten etliche ausgeben / daß ich allbereit Diebstahls halber das Leben lassen müssen; mein Factor selbsten hat es nit allein gern geglaubt / sondern ihm mein Unglück zu Nutz zu machen sich unterstanden / und zu solchem Ende meine köstliche Wahren samt der Parschafft mehrentheils heimlich verzwackt / und wegen der Ubrigen mit dem Zoll=Einnehmer einen Pack gemacht / vermittelst dessen sie meine Erben oder anverwandte Freundschafft (die sie weder so groß und weitläufftig noch von solchen Mitteln zu seyn wusten / daß sie ihren Anschlag widerstehen mögen) vollends um den Rest zu betrügen / und also im trüben Wasser vor sich selbst zu fischen gedachten; massen sie miteinander abgeredet / der Zollner solte ausgeben / ich hätte ihn hiebevor um den Zoll etlicher massen betrogen / so wolte es der ander nit läugnen; Hieraus lernte ich / daß der Gewissenlose sich nicht schämet / den Unterdruckten noch mehr zu beschweren; Item / daß solche aus der Liegenden und Erniedrigten Haut / Riemen zu schneiden / keine Scheu tragen / und dann / daß gemeiniglich kein Unglück allein komme.

Mit was vor grosser Müh und sonderbaren Vörtheln / ich aber diesem Netz entronnen / das Meinig erhalten / und zu Schiff gebracht / um mich und solches Gut durch den Persischen Meerschoß in Asiam zu bringen; mit solcher Erzehlung will mein Gnäd. Frau ich vor dißmahl nit aufhalten / sondern allein dieses melden / daß ich das Sprichwort auch erfahren muste / so da heisset / so gewonnen / so zerronnen; dann als wir an der Seiten Arabiä hinsegelten / zerscheitert unser Schiff unversehens auf einer verborgenen Steinklippe / davon mehrentheils Kauffmanns=Güter vornemlich aber die meinige / samt den meisten Leuten jämmerlich verdurben; Ich mit noch etlich wenig Personen die sich durch das Schwimmen eine Zeitlang aufhalten könten / wurden durch etliche Fischer heraus gefischt / und zu Land gebracht;

Ob ich gleich damahls sonst nichts hatte / als wie ich gieng und stunde / so war ich doch noch nicht gar verdorben / dann ich wuste nicht allein noch einige Seidenwahren zu Babylon / die mir zuständig waren / sondern auch hier in Heliopolis und in andern Städten mehr; über das hatte mich die Erfahrung und die Begebnus zu Ecbatana (da ich alles ohnversehrt davon gebracht / was ich an Leib getragen) so klug und vorsichtig gemacht / daß ich / so bald ich zu Schiff gienge / alle meine theuerste Edelgestein und köstliche Cleinodia unter meiner Kleidung am Leib behalten / und demnach sie in diesem Schiffbruch dannenhero mit mir erhalten worden / konte ich noch wohl vor einen zimlich wolhabenden Kerl passirn.

Diß Glück und Unglück verursacht mich / daß ich mir vorsetzte / ich wolte mich die Tage meines Lebens weder dem Meer weiters vertrauen / noch mich wiederum befleissen durch Kauffmannschafft Reichthum zu samlen / weil mich beyde betrogen / und bey nahe ums Leben gebracht hatten / ich wolte hingegen mich mit meinen Künsten üben / demselben ferner nachsinnen / und jedermann nach dem Gesetz der Natur bedient seyn / und von dem jenigen leben / das ich da und dort noch übrig und hiebevor errungen und gewonnen hatte. Ich mondirte mich mit dem allerbesten Persianischen Pferde / das ich bekommen konte / dergleichen thäten auch die jenige / die mit mir und ihrem Leben / dem Meer entronnen / weil es lauter reiche / und an den Principal=Orten der Welt / wolbekandte Kauffleute waren; des Willens / miteinander in Chald æam und Syrien zu reisen; Jene zwar / weil sie mehrentheils dort zu Haus / ich aber damit ich nach meinen da und dort in den Städten vornemlich zu Babylonia habende Kauffmanns=Wahren schauen; und mich etwan um eine Gelegenheit umsehen möchte / allwo ich die übrige Zeit meines Lebens vollends zubringen möchte.


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