Grimmelshausen
Der keusche Joseph
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Als nun Asaneth die Erzehlung der Geheimnusse des Aegyptischen Gottesdiensts beschlossen / fragte sie den Musai / ob nicht auch dergleichen Betrügereyen in seinem Land / da er zu Haus wäre / practicirt würden? er antwortet / daß er sein rechtes Vatterland zwar niemahln recht beschauet: aber wohl von seinem Vatter verstanden habe / daß dessen Inwohner dem Feuer göttliche Ehr erwiesen; Erstlich / dieweil es den Menschen viel Guts thue: zweytens / dieselbe straffe / wann es nemlich sie selbsten oder ihre Haab und Häuser verbrenne: und drittens / weil nach hergebrachter Saag der Alten / ihrer Urähnen Opffer durch dasselbige vom Himmel herunter verzehrt worden; wessentwegen dann in ihren Tempeln keine Thier oder Bilder / sondern ein ewigwährent Feuer durch die darzu verordnete Priester und Priesterinnen unterhalten würde; man sage wohl von Göttern / die im Himmel seyn solten / es sey aber kein rechte Wissenschafft oder ein gewisser Glaub an dieselbige: und also auch weder ein rechter oder falscher Gottesdienst in seinem Heimath vorhanden.

Asaneth sagte hierauf / ich habe anfänglich vermeint gehabt / du seyest meines liebsten Eheherrn Verwandter / oder wenigst sein Landsmann / nit allein darum / weil du seine Sprach redest / sondern auch weil er dich liebet / und du ihm dargegen so getreu bist; sintemal ich aber verstehe / daß ich mich irre / indem ich von dir selbst gehöret / daß du die Wissenschafft von dem wahren einigen Gott erst von ihm empfangen; so sage mir derowegen / wie du anfänglich in seine Kund= und Freundschafft kommen seyest;

Gnädige Frau! antwortet Musai / indem ich solches umständlich tun solte / so müste ich zuvor meine äigne Herkunft und zuvor geführtes Leben erzehlen / damit aus selbiger Histori erhelle / was Gelegenheit gegeben und mich des Glücks würdig gemacht habe / in dero eheliebsten Herrens Kund= und Freundschafft zu kommen / welches aber vielleicht meiner gnädigen Frauen verdrüßlich zu hören seyn möchte. Besser ists / antwortet Asaneth / weil wir ohne das des heutigen Fests halber / um mit unserem Exempel / das arme und allbereit gar zu weit verführte Pöbelvolck nicht unruhig zu machen / in diesem Garten verbleiben müssen / wir hören und erzehlen / was etwan zu des wahren Gottes Ehren gereicht / als wann wir der falschen Iside mit Kräntzmachen und dergleichen Kinderwerck hoffierten; darum sage nur her / du wirst ohnezweiffel solche Sachen vorbringen; welche die Zeit zu passirn uns zu keinem schlaffen bewögen wird.

Demnach fieng Musai an / und sagte: erstlich ist mein Herkommen und Geschlecht aus dem Elam Sems Sohn entsprossen / worvon auch dasselbe die Elamiten genennet worden; seithero aber in verwichenen Zeiten so viele Götter entstanden / die sich aus ihren Geschichten einen grossen Namen machen wollen / seind etliche aus uns von Perseo / die Persianer genannt worden / gleichwol haben die übrige den Namen ihres Ertzvatters von der Provintz die sie bewohnten / als welche auch denselbigen Namen trug / noch behalten / unter welche ich mich auch noch zu rechnen hätte. Mein Großvatter war ein junger Printz unter den Fürsten unsers Stammens / und als dieselbe dem gewaltigen Kriegsheer der Assyrier nach der ersten erlittenen Niederlag nit mehr zu wiederstehen vermochten / hat sich einer da / der ander dorthin zu seinen Freunden in vermäinte Sicherheit begeben; die allermeiste nahmen ihre Zuflucht bey ihren Verwanten und Nachbarn den Persianern / mein Großvatter aber suchte seinen Schutz bey Zoroastre der Bactrianer Könige / dessen Reich damahls vor ein sichere Fluchtstatt der jenigen gehalten wurden / die dem Gewalt der Assyrier entrinnen wolten:

Es hat sich aber besagter mein Großvatter bey diesem König so wol umgethan / daß er ihn unter seine beste Freund gerechnet / und zu seinem Präceptore über sich selbst geordnet / davon er auch so gelehrt / und in der Wissenschafft der Magia so perfect und vollkommen worden / daß er selbsten 200000. Vers darvon geschrieben; nach dem aber besagter mein Großvatter Agnaces sein Leben geendet / hat er meinen Vatter / welchen er dem König zu Ehren auch Zoroastres genennet (ob gleich der König selbst mit seinem rechten Namen auch Ozyartes geheissen) bey dem Königlichen Hofe als seinen einzigen und von dem König sehr geliebten Sohn beydes zum Erben seiner Wissenschafften / und des Königs Gnad / die er besessen / hinterlassen / eben damahls als der grosse Ninus anfieng die Bactrianer mit Krieg anzuwenden; und eben dieser mein Vatter ist folgends ein Printz und Stiffter der Persischen Magorum worden; solches alles aber hat sich folgender Gestalt zugetragen:

Nachdem Ninus mit Hülff Ariæni des Arabischen Königs die Babylonier überwunden / und ihren König umgebracht: Barzanem der Armenier König gedemüthigt / Pharnum den König der Meder geschlagen / gefangen / und samt seiner Gemahlin und sieben Kindern gecreutzigt / auch alle übrige Völcker Asiæ biß auf die Indianer und Bractianer unter sein Joch gebracht / hat er auch diese letztere angegriffen / aber mit solchem Schaden und Verlust / daß er sein Heer in Syriam zu ruck führen / und den Krieg biß auf ein andere Zeit aufschieben müssen / dann ihm damahls nicht allein die Vestigkeit des Lands und dessen streitbare Inwohner / sondern auch des Königs und meines Großvattern Magische Künste zugleich widerstanden;

Als er aber meines Anherrn Tod vernommen / hat ers wiederum angefangen / wo ers bey voriger Niderlag gelassen; doch weil er wuste / wie viel tapffere Kriegsleut die Bractianer hatten / war vonnöthen dieselbe mit der Zahl der Mannschafft zu übermängen; derowegen hat er aus allen Völckern seines Reichs / die allerbeste Soldaten erwählet / und ein Heer von 1700000. Mann zu Fuß: 2001000. Reutern und 10600. Streit=Wägen zusammen gebracht / welche so zugerichtet gewesen / daß von beyden Seiten derselben an den Rädern und Aechsen scharpffe Sensen und Sicheln hervor giengen / bequem / die Feinde zugleich zutrennen und umzubringen; Mit diesem gewaltigen Zeug zog Ninus gegen die Bractianer, muste aber sein Heer / der engen Pässe und beschwerlichen Oerter wegen / zertheilen / und hin und wieder einzubrechen sich befleissigen; Indessen hatte Zoroastres alle Mannschafft seines Lands / was Wehr und Waffen brauchen konte / zusammen gebracht / deren bey 400000. Mann gewesen; und ob gleich diese Armada gegen dem Nino vor gar gering zu rechnen / so ist er doch dessen gewaltigen Macht an die enge Gräntzen seines Lands entgegen geruckt / und nachdem er so viel Feinde eingelassen / als er zu bemeistern getraut / hat der den Assyriern auf die Finger geklopfft / sie zertrennt / verfolgt / und ihrer bey 100000. erschlagen / den Rest aber auf das Gebürg gejagt; Als aber Ninus mit dem gantzen Heer hernach trang / hat er endlich die Bractianer durch die Menge übermannet und voneinander in die Städte gestöbert / die er nach und nach leichtlich eingenommen / die Haubt=Stadt Bactra aber härtiglich belägert (weil dieselbige mit Gewalt einzunehmen vor ohnmächtig gehalten würde) der Meynung sie endlich durch den Hunger zu zwingen.

In diesem gantzen Krieg ist mehr mit Magischen Künsten / sonst Vörtheln und Betrügereyen gestritten worden / als mit den Waffen selbsten; da sich dann mein Vatter / der mehr des Königs / als sein äigne Stelle betretten / gar berühmt und mannhafft gemacht; Indem er weder die Tapferkeit seiner äignen Fäuste / noch die Hertzhafftigkeit seiner Jugend / noch den Verstand auf die Kriegshändel / noch die Künste / die er von seinem Vatter erlernet / gespart hatte; und dannenhero verzögerte sich die scharpffe Belagerung der Stadt / in deren beyderseits die Völcker mercklich abnahmen / und so wohl durch Hunger und Pest / als das Schwerd / oder / daß ichs besser gebe / durch allerhand neue Kriegs=Erfindungen und machinen den Weg in die andere Welt nehmen musten; bey welchem Abgang so vieler Soldaten / der König mit seiner Hoffstatt allein das unüberwindliche Schloß: Mein Vatter aber die Stadt mit der noch übrigen Soldatesca bis auf das alleräuserste / gegen Nino zu beschützen sich vereinbaret.

Mein gnädige Frau vergebe mir / daß ich hier einen kleinen Absprung nehmen muß / meine Histori zu erleuchten / indem ich der Semiramide gedencken muß / wann ich anders meine Histori / wo nicht vollkommen / doch etwas verständlicher erzehlen will.

O Wunder / antwortet Asaneth / ich hab hier und da / und also stücksweiß / so viel / und doch so gar nicht vollkommenlichs von dieser Königin gehöret / daß mich nichts bessers erfreuen wird / als wann du mir auch noch etwas von ihr wirst erzehlen können: Genugsam; sagte Musai; dann diese ists / durch deren Antrieb ich durch vielfältige ungestimmte Winde / die sie besser / als der ohnmächtige Æolus erregt / in den sichern Port der Erkäntnuß GOttes (darinn ich mich jetzunder befinde) angelangt.

Diese heroische Dame wohnete damahls / als Ninus die Stadt Bactram belagert hielte / in Syria / dann sie war Menone, des Nini Stadthalters daselbsten / Gemahlin; als dieser ihr Hauswirth sahe / daß sich der Krieg vor Bactra in die Haar spielen wolte / liese er sie zu seinem grossen Unglück zu sich kommen / weil er Ihro wegen grosser Liebe / die er zu ihr trug / nicht länger entbehren konte oder wolte; sie übertraff bey nahe alle Jungfrauen ihrer Zeit / mit Schönheit: Die allermeiste Männer mit hertzhaffter Tapfferkeit! Sie begab sich zu ihrem Mann in Manns=Kleidern vor Bactra ins Lager / ohnzweiffel mehr ihre äigne Tugenden zu beweisen / als ihrem Mann zu gehorsamen; dann als sie dort angelangt / ist sie nicht demselben zu Gefallen vor den Spiegel gestanden / sich zu zieren / sondern hat die Beschaffenheit des festen Schlosses: und der Stadt beobachtet; an dem Schloß sahe sie wohl / weil es von Natur fest war / daß es nicht mit genugsamer Mannschafft besetzt gehalten: sondern vielmehr durch Verblendungen Zoroastri beschirmet wurde; derowegen begehrte sie aus den allerbesten Soldaten die Felsensteiger / und thät mit denselben in Person den Angriff / als Zoroastres eben durch seine Magische Künste Feuer=Funcken aus den Sternen brachte / und seinen Geist allzuhefftig antriebe / ihn völlig aus der Belägerung zu befreyen / und gleichsam wie einen Irrdischen Gott über den Ninum zum Triumphator zu machen.

Hat also Semiramis eben in demselbigen moment das Schloß erstiegen und erobert / als Zoroastres seinen verdienten Lohn von seinem höllischen Geist empfieng; als welcher wider den Schluß des höchsten Numinis nichts zu thun vermag / sondern noch darzu seinen Ergebenen die Hälse umzuträhen Gewalt bekommt / wann sich selbige / wie Gott selbsten / ansehen lassen wollen; Massen mitten in Einnehmung besagten sonst unüberwindlichen Schlosses Zoroaster vom himmlischen Feuer verbrand worden; dahero etliche ausgesprengt / ob sey er durch Nini Waffen umkommen. Nemlich als sein Schloß eingenommen: Und alles darinn niedergemacht worden.

Asaneth sagte hierauf / ich hab mich berichten lassen / ob wär Semiramis aus dem Geschlecht Sems geboren: und eine Tochter des Chaldeer Königs zu Babilonia gewesen; wie hat sie dann Menonis des Assyrischen Landvogts in Syria Haußfrau seyn können? sintemahl auch gesagt worden / sie hätte Nino dasselbige Reich durch ihren Heurath zugebracht.

Gnädige Frau / antwortet Musai / es ist gewiß / daß diese Königin anfänglich gedachten Menonem zum Ehemann gehabt / massen er zwen Söhne / Namens Hypatem und Hydapsen, mit ihr erzeuget; Ihr Herkommen aber ist ganz ungewiß / weil sie ein Fündling gewesen. Die Syrier glauben und geben vor / sie sey der Göttin Dercerone Tochter / indem sie sagen / nach dem Dercerona die Venerem beleidigt / hätte sie dieselbige gegen einem schönen Jüngling in Lieb entzündet / aus welchem sie diese Tochter empfangen und geboren; nachdem sie sich aber solcher That geschämet / hätte sie den Jüngling umgebracht / das Kind in eine felsichte Wüsteney hingeworffen / und sich selbst vor Leid in einen See bey Ascalon gestürtzt / allwo sie aus Erbärmte anderer Götter in einen Fisch verwandelt worden; dessentwegen dann noch auf den heutigen Tag die Syrier keine Fische essen / sondern dieselbe als Götter verehren; Das Kind aber seye durch die Menge einiger Dauben erwärmet: und erstlich mit Milch / folgends mit Käsen / die sie hin und wieder in den Hirtenhäusern selbiger Gegend geholet / gespeiset / und erhalten worden / biß es endlich etliche Hirten gefunden / und Simmæ dem Königlichen Stallmeister gebracht haben / der solches / weil er keine Kinder gehabt / als sein eigne Tochter aufgezogen / und sie nach den Dauben / welche gleichfals dessentwegen von den Syrern vor Götter gehalten und geehrt werden / Semiramis genennet. Als sie nun erwachsen / hat sie alle andere Jungfrauen an Schönheit weit übertroffen / also daß sich Menones (der des Königs Herde zu beschauen / bey dem Simma eingekehret) in dieselbe hefftig verliebet / und sie vom Simmæ zum Weib erbetten / und mit sich heimgeführt.

Nachdem sie nun obige mannliche That mit Einnehmung des Schlosses zu Bactra, dem die Stadt gleich nachfolgte / begangen / hat sich Ninus so wohl über ihren Verstand als grosse Tapfferkeit verwundert / und da er auch ihre grosse Schönheit sahe / sich zugleich in sie verliebet / und sie vom Menone begehrt / mit dem Anerbieten / ihme dargegen seine Tochter Sosannam zum Weib zu geben; wie sich aber Menones dessen wegerte / drohete ihm Ninus die Augen auszureissen / wann er ihm nicht willfahren würde. Darauf ist Menones beydes aus Forcht und ungedultiger hefftiger Liebs=Regung in eine rasende Unsinnigkeit gefallen / und hat sich in solcher Wuth selbst aufgehencket / worauf hin Ninus die Semiramidem zum Weib genommen / und seinen Sohn Ninyum mit ihr erzeuget.


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