Grimmelshausen
Der keusche Joseph
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Ich zwar hab mich und euch auf den Morgenden Mittag=Imbs bey ihr zu Gast geladen / weil euer Männer ohne das nicht anheimisch seyn werden / um die Gelegenheit zu ergreiffen / sie von ihrem schändlichen Beginnen abzuschrecken: weiß aber ein andere ein besser Mittel hierzu / so lasse sie es hören; Diese Weiber konten sich nicht genug verwundern / daß Selicha / die ledigs Stands allweg das Lob einer frommen Damen behalten / sich nun allererst / da sie verheurath / dergestalt in ein Knecht vernarren solte; unglaublich aber kam es ihnen vor / daß ein Leibeigner Jüngling / durch seiner gebietenden Frauen seltene Schönheit und so freundlichs Zusprechen / wie Asaneth erzehlet / nicht zur Gegenlieb solte bewegt worden seyn! Sie belobten der Asaneth Vorschlag / und stelten sich auf die bestimmte Zeit bey der Selicha ein / eben / als ihre Männer mit dem Pharaone ausgeritten waren / sich am Ufer des Nils mit dem Fischfang zu belustigen; worbey Potiphar Ampts wegen auch seyn muste.

Selicha hatte auf ihre Gäst Fürstlich zugerüstet / und dieselbe alle zur Tafel genöthigt / ehe eine von ihnen ihr / wegen so schändlicher Lieb / etwas hätte zusprechen mögen / weil sie ihr zuvor wohl eingebildet / sie werde ein Puff Josephs halber aushalten müssen; Sie hatte einer jeglichen Frauen / so wohl als auch der ausbündigen Jungfrauen Asaneth / ein schärffer Messer / als ein Scharsach / neben den Deller legen: und als die Mahlzeit vorüber war / jeglicher ein Citron reichen lassen / mit Versprechen / welche die ihrige zum ersten geschelet haben würde / die solte einen schönen Ring / den sie vom Finger nahm und auf die Tafel legte / gewonnen haben; als sie nun im besten Schelen waren / tratt Joseph / aus Befehl seiner Frauen / unversehens ins Gemach / in einem seidenen Sommerkleid / darinnen man ihm das meiste seiner schneweissen Arm / ein guter Theil der Brust: und die Knie von dem Mittel Theil der Schenckel an / biß auf die halbe Waden nackend sehen konte; in der einen Hand hatte er ein vergultes Handbecken / und in der andern die Gißkandte / denen Damen das Handwasser zu bringen; die alle ihre Augen auf ihn warfen; und über seiner unglaublichen Schönheit dermassen erstarreten / daß keine mehr wuste / was sie thät / ja / sie wurden so gar entzuckt / daß (indem sie diesen holdseligen Anblick beschaueten / und gleichwohl den Ring zu gezwingen eilents fortscheleten) sich jede / ausgenommen die Selicha selbst nicht / in die Finger schnitte / daß das Blut hernach floß; Selicha sagt / was bedeutet das / warum zerschneidet ihr eure Händ? Es gilt den Citronen; die Weiber sagten / warum bezaubert uns dieses Jünglings Gestalt / daß wir so aus uns selbst kommen seynd? So recht! sagte Selicha / so sehe ich wohl / eure blutige Dellertücher sollen Zeugen seyn / und mich beurkunden / daß kein weiblich Bild den Joseph unverletzt ansehen könne; Ich zwar hab mich nicht geschnitten / sondern den Ring gewonnen; Wann ihr jetzt schon in die Finger hauet / da ihr ihn kaum ansehet / wie meinet ihr wohl / daß euer Hertzen gehackt würden / wann ihr täglich um ihn wäret / wie ich? Keine kunte ihr hierauf antworten / auch die keusche Asaneth selbst nicht! als welche sich vor allen Weibern an Fingern am allermeisten: und in ihrem Hertzen mehr als Selicha selbst verwund befand; sie kam aber / gegen den Weibern zu rechnen / sehr unschuldig ins Gelag / dann die Weiber verwunderten nur die Gestalt: Asaneth aber die Tugend des Josephs / als welchen sie hatte reden hören / und wuste was hinter ihm stacke; Solche selten Tugend war der Asaneth ein Ursach / und gleichsam ein Köder / auch seine Schönheit besser / als andere / zu betrachten / und folgents gar anzubeissen.

Selicha ließ zwar den Joseph das Handwasser reichen / die jenige Finger zu waschen / die seine Schönheit zerschnitten hatte / ihr Eifersucht aber gestattet den Verwundten nicht / daß sie etwas mit ihm hätten reden dörffen / sondern er muste sich anderwerts hinpacken; so bald aber die Weiber wider hinweg waren / fienge sie das alte Lied wieder mit ihm an / wo sie es den vorigen Tag gelassen hatte; welches Gesang in Josephs Ohren viel übler klange / als die Stimm seiner Brüder / wie sie sagten / wir wollen dich in ewige Dienstbarkeit verkauffen.

Joseph: sagte sie / du must mich / als deine Gebieterin / reden hören / wann du mir deine Ohren nicht / als einer Liebhaberin / gönst; du weist / daß ich Gewalt hab / dich lebendig oder todt zu lassen / wann ich deren eins von meinem Mann nur mit einem Winck begehre; auch du selbst must bekennen / daß du mir zu gehorsammen schuldig bist; warum solte dann nicht dein Schuldigkeit seyn / wenigst zu vernehmen / was ich zu befehlen hab / oder auf das jenig zu antworten / was ich dich fragte; sag mir derowegen zu vorderst / liebster Joseph / bist du von Stein oder Stahl / oder von der Art eines wilden Thiers? daß du dich eines schwachen Weibsbildes nicht erbarmen kanst / welches du selbst / durch deine Schönheit und herrliche Tugenden / in die äuserste Noth hast gebracht / du hast gester eine nichtige Ausred vorgewand / als wann du fürchtest / ich wolte dich probiren / auch darauf geredt / als wann ich / nach dem ich die Prob befinden möchte / dich in deines Herren Ungnad zu bringen gedächte; Ach liebster Joseph! woher kommt dir solche Furcht? Ich versichere dich des Widerspiels / und schwere dir beym Osirim und Isim / daß ich deine Schönheit / Geschicklichkeit und Adeliche Tugenden höher liebe / dann sonst etwas in der Welt! Liebster Joseph / das ists mit einem Wort / so du hast wissen sollen; und mein Begehren (wiewohl ich dir befehlen könte) ist hingegen / daß du mich mit gleicher Lieb und Treu hinwider zu meynen versprechest.

Joseph stunde gantz verstummt da / und wünschte / daß er noch in seiner Wolffsgruben gesessen wäre / worinn er zwar keinen andern Trost gehabt / als Hungers zu sterben; er konte in der Selicha Angesicht wohl sehen / wie Zorn und Lieb in ihrem Gemüt rumorten / er wuste aber nicht so gleich Mittel zu finden / wie er diesen beyden auf einmahl entgehen möchte; er sahe wohl / wann er ihrem Zorn entrinnen wolte / daß er sich ihrer Lieb unterwerffen müste / solches aber zu thun / war ihm ungelegen; dann er ehe hundert Töd gelitten hätte / als solche Sünd wider GOtt: und solche Untreu wider seinen Herren zu begehen.

Er wolte sich derowegen mit einer mittelmässigen Antwort behelffen / zu sehen / ob er sich vielleicht noch dißmahl aushalfftern möchte / sonderlich / wann er sein erdichtes Mißtrauen wiederum vorschützete; er sagte mit demütiger Referentz; hochgebiedente gnädige Frau / daß dieselbige sich würdigt / mir einige Tugenden zuzulegen / und sich vernehmen lassen / mir deßwegen vor andern ihren Dienern desto gnädiger zu seyn / dessen habe ich mich billich zubedancken / und freylich Ursach / mit unterthäniger Gegen=Treu und Lieb solche gnädige Neigung widerum gehorsamlich zu verdienen; was aber die übrige Schertzwort anbelangt / damit mein hochgebiedente Frau abermahl ihr Kurtzweil hat; da ist mein unterthänige Schuldigkeit / dieselbe um so viel desto lieber zu gedulten / wann ich weiß / daß sich mein hochgebiedente Frau damit delectirt; vornemlich / dieweil ich ihr Hoch=Adelich Gemüht also tugendreich beschaffen zu seyn vermeine / daß kein andere als ehrliche Gedancken hineinkommen mögen; habe ich aber meiner hochgebietenden Frauen vielleicht Ursach geben / zu versuchen und zu sehen / was hinter ihrem Diener stecke; so müste ichs auch dahin gestelt seyn lassen / allein wäre es deroselben / (ich bitt / mein hochehrende Frau vergeb ihrem Sclaven / daß er so frey redet /) anständiger / wann solche Prob auf ein andere Weis und Weg angestelt / und eingerichtet würde; doch wird man mich auf alle Fäll in meinen schuldigen Diensten fromm / getreu und aufrichtig finden.

Was? Schriehe Selicha auf / hab ich dir nicht klar genug gesagt / was ich von dir haben wolle? Deine Gegenlieb ists / damit du mir am besten dienen kanst / und eben deßwegen hab ich dich bey dem Osyrim und der Isis genugsam meiner inbrünstigen Lieb versichert / welche deine Tugenden wehrt seyn / dir dein unnöthig Mißtrauen zu benehmen / was wilt du mehr?

Ach hochgebiedente Frau / antwortet Joseph / sie erinnere sich / daß sie solchen Eyd auch meinem Herren geschworen / ihm ehliche Treu zu leisten / der muß zuvorderst gehalten seyn / wann sie anders auch haben / und mich glauben machen will / daß ihro ohne Zweifel zu glauben seye; solches zwar lasse ich an seinem Ort gestellt seyn / allein bitte ich gehorsamlich / sie lasse mich in den Tugenden verharren / die sie / ihrem Vorgeben nach / an mir ersehen / und so hoch liebet / damit ich ihrer Lieb nicht unwürdig werde; wann ich solche Tugenden / wider Verhoffen / verschertzen solte; Selicha vermochte diese Wort weder zu heben noch zu legen / weil sie sich gefangen fande; sie wuste keine Antwort zu geben / sondern saß dort / wie ein geschnitzt Bild / endlich bewegten die hefftige Liebes=Schmertzen ihr Gemüth dermassen / daß sie in eine Ohnmacht dorthin sanck; Joseph wolte sie nicht anrühren / sondern ruffte zweyen Kammer=Jungfern / (welche beyde nun ihrer Frauen Bulerey wusten / und im Vorzimmer aufwarteten /) mit Vermelden / daß ihrer Frauen übel worden wäre; er aber gieng seins Wegs / und danckte GOtt / daß er auch vor dißmal glücklich entronnen.

Als Selicha wieder zu sich selbst kommen / brachten sie ihre Jungfern zu Bett; Josephs Verachtung war nicht starck und mächtig genug / ihre Lieb in Haß zu verwandeln; oder seine Reden so kräfftig / sie zu bewegen / in sich selbst zu gehen / und von ihrer Bulerey abzulassen; Sie erkandte zwar ihr Unrecht / aber gleichwol erhub sich erst ihre Liebes=Klag / ach! sagte sie / ihr Götter / warum habt ihr doch diesem Menschen einen solchen schönen Leib / und hingegen ein Diamantines Hertz gegeben / daß er so gar keine Lieb erkennen / noch sich über mich Elende erbarmen kan? Nein / nein / Joseph: du bist sonst gantz vollkommen / warum wolte dann der Himmel dir ein steinern Hertz geben haben? Dein edle tugend=volle Seel ists / die mir den Garaus macht / weil sie nichts anders / als Recht thun kan / und von allen Lastern so weit / als die helle Sonn von der Erden entfernet ist; ja Joseph! du hast recht / und deiner Tugend gemeß geredet / als du mich des Eyds / den ich meinem Gemahl geschworen / erinnertest; du hast wohl gebetten / als du begehrtest / ich solte dich in deiner Tugend verharren lassen; Aber / ach allerliebster Joseph; wie gehets aber mir armen Weib in dessen? Ach! gedencke doch / daß diß kein Lob der Tugend seyn wird / wann man von dir sagt / du habest ein schwaches Weibsbild getödtet! Aber doch will ich lieber sterben / dieweil du es so haben wilst / als ohne Geniessung deiner Lieb noch länger leben; Kaum hatte sie diese Meinung geredt / da kame sie wieder auf ein andern Schrod / was! Tugenden? sagte sie / gehorsam solt sein gröste Tugend seyn / damit er mir verbunden ist; Aber sein Ungehorsam / und daß darmit man unschuldige Leut ermordet / seynd keine Tugenden; Dieser Mörder verwundet zuvor mit seiner Schönheit / und alsdann tödtet er erst mit seiner unbarmhertzigen Grausamkeit! O ihr Götter / warum habt ihr ihm nicht seine Schönheit genommen / ehe ich ihn gesehen / oder sein Hertz von himmlischen Tugenden ausgelehrt / damit sein Himmlische Schönheit auch zu geniessen gewest wäre? Also hatte Selicha verwirrete Händel / bald lobte sie / bald schalte sie den Joseph / und stelte sich so seltzam / daß ihre beyde Kammer=Jungfern vermeinten / sie sey allerdings im Kopff verruckt / wie dann die Verliebte ohne das bißweilen in ihrem Verstand nicht so gar richtig seyn. Sie sprachen ihr zu / so gut / als sie immer kondten / und wiesen sie zur Gedult / mit angehencktem Trost / er würde noch wohl zu gewinnen seyn / der Baum fall nicht so gleich von wenig Streichen; was köstlich sey / koste auch viel Mühe / solches zu bekommen; je länger er sich wehre / je länger werde er hernach beständig bleiben; es sey kein Stahl so hart / er werde mit der Zeit durchgeboret; man müsse nicht gleich verzweifeln / sondern die Sach der Zeit befehlen / welche einen Menschen bald zu verändern pflege; Also wurde Selicha durch solches Zusprechen zwar etwas zu frieden / aber zugleich auch angefrischt / ihre Liebe länger zu hägen / und mit allerhand Reitzungen auf den Joseph so lang loß zu gehen / biß sie ihn endlich überwinde.

Sie muthete ihren beyden Jungfern zu / das beste vor sie beym Joseph zu reden / damit er desto leichter zu gewinnen seyn möchte / aber sie wolten solche aufgetragene Verrichtung nicht auf sich nehmen / weil es ihnen / als Jungfrauen / übel anstünde / In dem sie dann nun sahe / daß ihr Heil / oder vielmehr ihr Unheil / ferner zu suchen auf ihr allein beruhete / spintisirte sie Tag und Nacht / und machte allerhand Garn und Strick zum Vorrath fertig / ihn damit endlich zu berücken; sie hatte sich ihm zu Gefallen vielmahl aufs herrlichst gebutzt / und darbey weder der Schminck / (so sie zwar noch nicht bedorffte /) noch des guten Geruchs / oder etwas anders vergessen / so zum Wollust anreitzen konte; weil aber solches alles nichts gefruchtet / wolte sie es einmal auch nackend mit ihm probieren / ob vielleicht ihr blosser Kreidenweisser Leib zu würcken vermöchte / was ihr schöne Kleider und anderer Geschmuck nicht gekönt / sie verblieb derowegen im Bette liegen / und beredet ihren Mann / ihr Kopf thue ihr wege / wiewohl ihr Kranckheit im Hertzen stacke.

Als nun etliche Tag hernach ein herrlich Fest gehalten werden solte / dabey Potiphar Amptswegen nothwendig seyn muste / gedachte sie solche heilige Zeit zu ihrem Gottlosen Vorhaben anzuwenden / weils ihr so bequem fiel / ihren besten Anschlag werckstellig zu machen; ihren Potiphar / der schier nie vom Bette kam / und groß Mitleiden gegen seinem lieben Weib bezeugte; bat sie / er wolte doch dem Joseph befehlen / daß / wann sie etwan / in seiner Abwesenheit / Schwachheit halber jemand bedörffte / daß er ihr mit Hülff beyspringen solte; solches geschahe / Joseph aber gedachte / wann du wüstest / worzu mich dein Weib brauchen will / so würdest du mir das Widerspiel befehlen; doch schwieg er still / und ängstigt sich wegen des künfftigen Streits / den er angehen solte / dermassen / daß ihm alle Haar gen Berg stunden; er hub seine Augen gen Himmel / und sein Hertz zu GOtt / bey sich selbst seufftzende: Ach du GOtt meiner Vätter / Abraham / Isaac und Jacobs / ich bitte dich hertzlich / lasse mich diesen Tag nicht zu Trümmern gehen; Sihe HErr! Ich setze mir vestiglich vor / ehe tausendmahl zu sterben / als dich zu erzörnen; diesen meinen gerechten Vorsatz / HErr! erhalte und stärcke in mir / damit ich deinetwegen dapffer kämpffe / und mit deinem Beystand meine Feind / die mich deiner Gnad / durch die Sünde / berauben wollen / ritterlich überwinden möge; Mit diesem Gebet und starcken Vorsatz gewaffnet / erwartet der edle Held / wann ihm seine Liebhaberin / oder vielmehr seine Feindin / die Schlacht anzugehen befehlen würde.


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