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Zweiter Anhang.
Die von den Lateinischen abweichenden Geschichten der englischen Redaction der Gesta Romanorum.

Hier zeigt ein †, daß eine Geschichte nach der Redaction von Swan in seiner englischen Uebersetzung der Gesta Rom., ein O, daß sie nach dem von Douce Illustr. of Shakespeare T. II. gegebenen Auszuge erzählt ist. Die dabei in () eingeschlossenen Zahlen bedeuten die Seitenzahlen des einen oder andern Buches. Die Uebereinstimmung der einzeln oben angegebenen Erzählungen ist eines Theils von Swan, theils von mir aufgefunden worden, bei den wenigsten von Douce.

Es eignen sich aus dieser Redaktion nicht alle Erzählungen zur Mittheilung, denn Cap. I. ist die Geschichte vom König Anselmus und seinen drei Söhnen (bei Swan T. I. p. IIX. sq. nur ganz kurz bei Douce T. II., p. 366. sq.), die von uns aus der Grimmschen Hdschr., als nr. 5 mitgetheilt ist ( II. p. 147.), Cap. IV. (ausgez. b. Douce T. II., p. 367. sq.) ist beinahe ganz gleich mit dem c. 101 der wahren Gesta, Cap. XVIII. (bei Swan T. I. p. IXV -- LXXII. u. Auszug b. Douce T. II., p. 368. sq. ist die von uns aus der Grimmschen Hdschr. unter nr. 9. mitgetheilte Geschichte (s. o. II., p.159.), Cap. XXVI. (ausgez. b. Douce T. II., p. 371. sq.) ist offenbar die in den wahren Gest. c. 132. erzählte Geschichte, Cap. XXX. (ausgez. b. Douce T. II., p. 373. sq.) ist die wenig abweichende Geschichte vom Placidus in den wahren Gesta nr. 110., Cap. XXXII. (b. Swan. T. L. p. LXXXII. sq. und Douce T. II., p. 379. sq.) ist die Geschichte vom Hunde, der Schlange und dem Kinde, die von uns nach der Grimmschen Hdsch., als nr. 13. ( p. 176.) gegeben ist, so auch Cap. XLVI. b. Swan. T. I., p. LXXXV. sq., nur ganz kurz b. Douce T. II., p. 384.), offenbar die Geschichte vom fischessenden Grafen und seinem Sohne in der Grimmschen Hdschr. nr. 11. ( p. 168. sq.), Cap. XLVII. (b. Douce T. II., p. 384. sq.) ist die Geschichte vom Wolfe, dem Kinde und Hirten in den deutschen Gestis nr. 17. (s. oben II., p. 206.), Cap. XLVIII. ist die von uns aus der Grimmschen Hdschr. als nr. 10. ( p. 163.) mitgetheilte Erzählung (bei Douce T. I. p. 281-290)., das Sujet von Shakespeare's Kaufmann von Venedig, Cap. XLIX. (ganz kurz bei Douce T. II., p. 385.) ist aus den wahren Gest. Rom. c. 50., Cap. L. ist gleich nr. 45. der wahren Gest. Rom. (s. a. Douce T. II., p. 385. sq.) Cap. LI. (ausgez. b. Douce T. II., p. 389. sq.) kommt überein mit nr. 64. der wahren Gesta, Cap. LIV. ist die 120ste Geschichte der wahren Gesta vom Fortunatus, Cap. LVI. (b. Douce T. II., p. 391. sq.) ist = nr. 20. der wahren Gesta und der weitläufigern Redaction in den deutschen Gestis, oben als nr. 16. ( p. 198.) aufgenommen, Cap. LXII. ist ähnlich mit nr. 66. der wahren Gesta, in Verbindung gesetzt mit nr. 1., 37. und 55. derselben (ganz kurz bei Douce T. II., p. 395.), Cap. LXX. (bei Douce T. II., p. 397-403.) ist offenbar die Geschichte des Guido und Tyrius in den wahren Gestis nr. 171., Cap. LXXII. (b. Douce T. II., p. 403. sq. ganz kurz) ist fast dieselbe Erzählung mit nr. 101 der wahren Gesta, Cap. LXXXI. ist = nr. 20. der deutschen Gesta (s. p. 211.), Cap. XC. ist fast gleich mit nr. 50. der wahren Gesta und der in der folgenden Abhandlung über den Verfasser dieses Buches mitgetheilten Erzählung des Dialogus craturarum aus der ältesten Redaction der Gesta Romanorum, Cap. XCVII. ist im Ganzen sehr ähnlich mit nr. 177 der wahren Gesta, Cap. C. kommt überein mit nr. 104. der wahren Gesta und Cap. CI. (bei † p. CXIV -- CXXXII., kürzer bei Douce T. II., p. 416. sq.) ist nichts als die der Sache nach ganz gleich, nur etwas weitläufiger erzählte Geschichte vom Kaiser Octavianus in der Grimmschen Hdschr. (oben nr. 8. p.152.), daher bleiben außer den in der englischen Redaction ganz aus den lateinischen Gestis übersetzten Geschichten, die natürlich hier nicht weiter einzeln bezeichnet werden, nur noch außer Cap. XCII. und XCIII., von denen Douce T. II., p. 411. nur ganz kurz den Inhalt so angiebt: » Chap. XCII. Of a madman who tore his flesh evry day, and was poisoned by bis father und Chap. XCIII. An empress falls in love with a young knight; and becoming extremely sick, the physicians inform her husband that there is no mode of cure, but the bathing her with the knight's blood« folgende übrig, die wir nach der Reihe der Capitelfolge der englischen Redaction folgen lassen:

Erste Erzählung.

( Cap. II. hier nach † I. p. LXIV. sq., bei O II. p. 367. ganz kurz.)

Es war einmal in Rom ein edler Kaiser, mit Namen Diocletianus, der die Tugend der Barmherzigkeit über Alles liebte, weswegen er sehnlichst zu erfahren wünschte, welche Vögel ihre Jungen am Meisten liebten, in der Absicht, dadurch selbst in der Barmherzigkeit noch mehr zuzunehmen. Nun begab es sich eines Tages, daß der Kaiser, um sich die Zeit zu vertreiben, in einem Walde herumirrte und das Nest eines großen Vogels, des Namen Strauß ist, mit dessen Jungen fand; das nahm der Kaiser samt den jungen Vögeln mit sich und schloß es in ein gläsernes Gefäß ein, die Mutter des kleinen Vogels aber folgte ihm bis in den kaiserlichen Palast und flog in die Halle, wo ihr Junges war. Wie sie aber ihr Kleines sah und nicht zu demselben kommen konnte, noch es heraus bekommen mochte, da kehrte sie wieder in den Wald zurück und blieb daselbst drei Tage lang, am letzten derselben aber kam sie wieder in den Palast und brachte in ihrem Schnabel einen Wurm mit, genannt Thumare. Als sie aber dahin kam, wo ihr Kleines war, da ließ sie den Wurm auf das Glas fallen, und durch die Kraft dieses Wurmes sprang das Glas mitten entzwei, und das Junge flog mit seiner Mutter davon. Wie das der Kaiser sah, da prieß er die Vogelmutter gar hoch, daß sie so fleißig an der Befreiung ihres Jungen gearbeitet hatte.

Zweite Erzählung.

( Cap. XXI. nach † p. LXXII. sp. und O II. p. 171.)

In der Stadt Rom regierte einmal ein gar weiser und mächtiger Kaiser, der hieß Theodosius, und hatte derselbige drei Töchter; nun fiel es diesem Kaiser einmal ein, daß er kennen lernen wollte, welche von seinen Töchtern ihn am Meisten liebte. Und er sprach also zur ältesten Tochter: wie sehr liebst Du mich? Wahrlich, versetzte sie, mehr denn mich selbst. Darum, antwortete er ihr, sollst Du auch also erhöhet werden, und damit verheirathete er sie an einen reichen und mächtigen König. Nun kam er auch zu seiner zweiten Tochter und sprach zu ihr: meine Tochter, wie sehr liebst Du mich? Wahrlich, sprach sie, gerade wie mich selbst, und der Kaiser verheirathete sie an einen Herzog. Und endlich sprach er zu seiner dritten Tochter: wie sehr liebst Du mich? Wahrlich, erwiderte sie, so sehr, als Ihr es verdient, aber nicht mehr. Da sagte der Kaiser: meine Tochter, weil Du mich denn nicht mehr liebst, da sollst Du auch nicht eine so reiche und vornehme Heirath thun, wie Deine Schwestern: und er verheirathete sie an einen Grafen. Nun begab es sich aber, daß der Kaiser dem Könige von Aegypten eine Schlacht lieferte, und der König den Kaiser aus seinem Reiche trieb, so daß derselbige keinen Platz mehr hatte, dahin er sein Haupt hätte legen können. Er schrieb also einen Brief mir seinem Siegelringe petschirt an seine älteste Tochter, die gesagt hatte, daß sie ihn mehr, denn sich selbst liebe, und bat sie, sie möchte ihm in dieser großen Noth zu Hilfe kommen, weil er aus seinem Reiche vertrieben worden sey. Wie aber die Tochter diesen Brief gelesen hatte, da theilte sie ihn dem Könige, ihrem Gemahl, mit. Der König aber sprach: es wird also gut seyn, daß wir ihm in dieser Noth beispringen. Er setzte hinzu: ich muß für ihn ein Heer und Hilfstruppen sammeln, ich mag nun können oder nicht, und das wird nicht ohne große Kosten abgehen. Nein, sprach sie, es wird hinreichend seyn, wenn wir ihm fünf Ritter senden, die ihn begleiten, da er denn einmal aus seinem Reiche vertrieben ist. Und also geschah es: die Tochter schrieb an ihren Vater, er könne keine andere Hilfe erhalten, denn fünf Ritter, die ihn auf Kosten des Königs, ihres Gemahls, begleiten sollten. Wie das der Kaiser hörte, da bewegten sich alle seine Eingeweide und er sprach: o weh, o weh, all mein Trost war auf sie gesetzt, weil sie sagte, sie liebe mich mehr als sich selbst, und deshalb hatte ich sie so hoch erhoben. Er schrieb also an seine zweite Tochter, die gesagt hatte, sie liebe ihn eben so sehr als sich selbst; wie die seinen Brief gelesen hatte, zeigte sie die erhaltene Botschaft ihrem Gemahle an und gab ihm den Rath, er solle für Speise, Trank und anständige Kleidung sorgen, wie sie sich für so einen Herrn in der Zeit der Noth zieme. Und wie ihr der das bewilligt hatte, schrieb sie darüber einen Brief an ihren Vater. Der Kaiser aber betrübte sich sehr über diese Antwort und sprach: weil mich denn meine beiden ältesten Töchter also verrathen haben, so will ich auch die dritte prüfen. Und er schrieb an die dritte, die gesagt hatte, sie liebe ihn so viel als er es verdiene, und bat sie um Hilfe in der Noth, und theilte ihr auch die Antworten, welche ihm ihre beiden Schwestern gegeben hatten, mit. Die dritte Tochter aber, wie sie das Mißgeschick ihres Vaters erfahren hatte, sprach also zu ihrem Gemahle: mein verehrter Herr, wollet Ihr mir Euere Hilfe in dieser großen Noth zu Theil werden lassen? mein Vater ist aus seinem Reiche und Erbe getrieben worden. Der aber antwortete: was willst Du, daß ich thun soll? Sie antwortete ihm: Du mußt ein großes Heer versammeln und ihm gegen seine Feinde kämpfen helfen. Dein Wille geschehe, sagte der Graf, und versammelte ein großes Heer und zog mit dem Kaiser auf seine Kosten in den Kampf und gewann den Sieg und setzte den Kaiser wieder in sein Erbe ein. Der Kaiser aber sprach: gesegnet sey die Stunde, die mir meine jüngste Tochter schenkte, ich liebe sie weniger denn die andern, und nunmehro hat sie mich in meiner Noth unterstützt und die andern haben mich verlassen: darum soll sie nach meinem Tode mein Reich allein haben. Und es geschah also: nach des Kaisers Tode regierte die jüngste an seiner Statt und endigte ihr Leben in Frieden.

Dritte Erzählung.

( Cap. XXIV. bei O II., p. 370. sq.; fehlt in †)

Antonius machte ein Gesetz zu Rom, daß, wenn ein Feuer in der Stadt ausbräche, eine Schildwache dem Volke zurufen solle mit allen Glocken zu läuten und die Thore zu schließen. Nun wollte ein gewisser Krieger sich gerne zum Meister der Stadt machen, und wie er von dem Gesetz gehört hatte, berathschlagte er mit seinen Gesellen, wie er demselben ausweichen könnte. Da gab einer den Rath, man solle friedlich in die Stadt ziehen und eine allgemeine Festlichkeit und Schmauserei anfangen lassen, bei welcher eine gewisse Flüssigkeit angewendet werden solle, durch die alle Gäste in Schlaf versänken. Diese List ward für gut befunden, die Stadt in Brand gesteckt, die Einwohner weggeführt und nicht eine Person gelassen, des Kaisers Gebot zu erfüllen.

Vierte Erzählung.

( Cap. XXV. aus † p. LXXV. sq. Ausgez. b. O p. 371.)

Es war einmal ein mächtiger Kaiser, der hieß Andronicus, vor welchem ein Ritter unschuldig verklagt wurde. Wie aber seine Schuld nicht dargethan werden konnte, da legte ihm der Kaiser gewisse verfängliche Fragen vor, die er bei Todesstrafe genau beantworten sollte. Der Ritter aber versetzte, er wolle sein Bestes thun. Da sagte der Kaiser: wie weit ist es vom Himmel bis zur Hölle? Das ist die erste Frage. So weit, entgegnete jener, wie von einem Seufzer bis zum Herzen zurück. Der Kaiser frug weiter: und wie tief ist die See? Der Ritter antwortete: einen Steinwurf. Der Kaiser sprach: wie viele Flaschen Salzwasser sind in der See? Da antwortete der Ritter: gieb mir erst die Zahl der Flaschen mit süßem Wasser an und ich will Dir jene sagen. Nun sagte der Kaiser: Du antwortetest auf meine erste Frage wegen der Entfernung, die zwischen Himmel und Hölle sey, sie wäre so groß, wie die eines Seufzers vom Herzen. Wie kann das möglich seyn? Der Ritter sagte: ein Seufzer kommt aus dem Herzen mit der Geschwindigkeit eines Blitzes, und auf gleiche Weise geht die Seele aus dem Körper über in ewige Pein oder Seligkeit. Der Kaiser fragte weiter: wie ist aber die See einen Steinwurf tief? Der Ritter entgegnete: jeder schwere Körper senkt sich: weil nun ein Stein schwer ist, so fällt er mit einem Male auf den Boden der See, und darum ist die See einen Steinwurf tief. Der Kaiser fragte weiter: und wie vermöget Ihr, so Ihr die Zahl der Flaschen mit frischem Wasser kennet, die der mit Salzwasser angefüllten zu schätzen? Das scheint ja unmöglich. Der Ritter entgegnete: es wird Zeit genug seyn das zu untersuchen, wenn Ihr die Rechnung erst selbst angefangen habt. Der Kaiser aber freuete sich sehr über des Ritters Arglist und sprach zu ihm: gehe hin in Frieden.

Fünfte Erzählung.

( Cap. XXVII. † p. LXXVII. O p. 372.)

Antonius regierte in der Stadt Rom mit großer Weisheit. Nun war er auch außerordentlich stark im Schachspiele, und weil er bei einer Gelegenheit bemerkt hatte, daß, wenn die Figuren wieder wie gewöhnlich in ihren Beutel gesteckt würden, der König mit den gemeinsten Stücken vermischt wurde, und das brachte ihn auf Gedanken über die Eitelkeit der menschlichen Größe. Drum beschloß er eine dreifache Theilung seines Königreichs anzustellen und in das gelobte Land zu ziehen. Also that er und starb in Frieden.

Sechste Erzählung.

( Cap. XXXI. b. O II. p. 370. sq. † p. LXXVIII. sq.)

Einst wurde ein Gesetz in Rom gemacht, daß die Wächter der Stadt jede Nacht Acht geben sollten, was in andern Häusern vorgehe, auf daß nicht Mordthaten vorfallen oder andere Dinge geschehen könnten, durch welche die Stadt in Gefahr gebracht werden möchte. Nun begab es sich aber, daß ein alter Ritter, Namens Josias, eine junge und hübsche Frau geheirathet hatte, welche durch die Süßigkeit ihres Gesanges viele Leute in ihr Haus zog, besonders solche, welche kamen ihre Liebe zu gewinnen. Unter diesen waren aber drei junge Männer, die hoch in der Gunst des Kaisers standen. Die wurden nun gegenseitig mit der Frau über eine geheime Unterredung eins, für welche sie zwanzig Mark erhalten sollte. Sie aber theilte diese Sache ihrem Manne mit, beschloß aber das Geld nicht fahren zu lassen und gewann es über ihn, daß er mit ihr übereinkam ihre Liebhaber zu ermorden und ihre Körper zu berauben. Das geschah auch also und die Leichname wurden in einen Keller versteckt. Die Frau aber, eingedenk des neuen Gesetzes, welches eben erst gemacht worden war, schickte nach einem der Wächter, der ihr Bruder war, und gab vor, ihr Mann habe einen Menschen in einem Streite erschlagen, und brachte jenen so weit, daß er für eine Belohnung über den todten Körper weiter verfügte. Um sich nun von dem ersten dieser jungen Leute zu befreien, steckte er ihn in einen Sack und warf ihn ins Meer. Als er aber wieder zu seiner Schwester kam, da that sie, als wolle sie in den Keller gehen um Wein zu holen, und schrie auf einmal nach Hilfe. Wie nun der Stadtwächter zu ihr kam, sagte sie ihm, der todte Mann sey wieder gekommen. Der aber drückte natürlich sein Erstaunen aus, steckte aber doch auch den zweiten Leichnam in einen Sack, band ihm einen Stein um den Hals und warf ihn in die See. Als er aber wieder zurückgekehrt war, so wiederholte die Frau mit einigen Kunstgriffen das nehmliche Spiel. Der ward aber wieder betrogen, nahm auch den dritten Leichnam mit fort, lief in den Wald, machte ein Feuer an und verbrannte ihn. Während dieses Geschäftes mußte er aber zufällig auf die Seite gehen, und in derselben Zeit kam ein Ritter zu Rosse, der auf ein Turnier zog, vorüber, und stieg ab, um sich an dem Feuer zu wärmen. Bei der Rückkehr des Andern aber wurde von diesem der Ritter fälschlich für den todten Mann genommen und unter manchem bittern Worte in das Feuer geschleudert, mit samt seinem Rosse und aller seiner Habe. Der Wächter aber kehrte wieder zu seiner Schwester zurück und empfing den versprochenen Lohn. Nun wurden aber die jungen Männer, welche man vermißte, bald ausgerufen und zurückgeladen, da geriethen der Mann und seine Frau in einen Streit mit einander, und alsbald wurde der Mörder entdeckt.

Siebente Erzählung.

( Cap. XXXVI. O II. p. 383.)

Ein König hatte seine drei Söhne unter einem berühmten Philosophen erziehen lassen. Er fragte also jeden derselben, welche Art von Gottheit er vorziehe. Es war nehmlich Sitte in der Gegend, daß jeder Mann bei dieser Gelegenheit seine eigene Wahl treffen durfte. Der älteste wählte den Jupiter wegen seiner Macht, der zweite auch den Jupiter, aber wegen seiner Weisheit, und der dritte den Mercurius, wegen seiner Frömmigkeit und Barmherzigkeit. Da empfahl ihnen der König eine Gottheit, welche alle diese Eigenschaften in sich vereinigte, und dieser war unser Herr Jesus Christus.

Achte Erzählung.

( Cap. LXVIII. fehlt † p. XCXVII. sq. nach O T. II. p. 391. sq.)

Es nahm einst ein Kaiser, der bereits hoch bejahrt war, aus thörigtem Unverstande ein junges Weib, welches einen heimlichen Liebeshandel mit einem jungen Ritter unterhielt. Nun beschloß er einen Zug in's gelobte Land zu thun, reiste zur Stunde dahin ab und ließ sein Königreich in der Obhut der Kaiserin und seiner Edeln. Es hatte aber der Schiffscapitain, bei welchem er sich eingeschifft hatte, bereits eine reichliche Belohnung in der Absicht erhalten, daß er den unglücklichen Kaiser in das Meer werfen sollte, und kehrte nach vollbrachter That mit der Nachricht von dessen Tode nach Hause zurück, worüber die gottlose Kaiserin nicht geringe Freude empfand. Allein der alte Monarch, der noch von seinen jungen Jahren her ein guter Schwimmer war, hatte glücklich ein Eiland erreicht, welches er aber nur von wilden Bestien bewohnt fand. Am dritten Tage nach seiner Ankunft sah er in einem Gehölze einen jungen Löwen mit einem starken und fürchterlichen Leoparden kämpfen, und aus Mitleid für den Löwen, der beinahe schon überwältigt war, zog er sein Schwert und tödtete den Leoparden. Der dankbare Löwe blieb von Stund an bei ihm und brachte ihm jeden Tag einige Thiere zur Speise, welche er gejagt hatte, die sich der Kaiser vermittelst eines Feuers, welches anzumachen ihm geglückt war, zurichtete. Darüber war einige Zeit hingegangen, als er eines Tages am Gestade des Meeres spatzieren ging und ein Schiff gewahr wurde, welchem er alsbald ein Nothzeichen machte, die man auch an Bord bemerkte und ihn daselbst aufnahm. Alsbald tauchte der getreue Löwe hinter ihm in das Meer, schwamm an der Seite des Schiffes nebenher, bis ihn einige Matrosen, welche bemerkten, wie er von Müdigkeit erschöpft und dem Sinken nahe war, ins Schiff hinaufzogen. Bei des Kaisers Ankunft in seinem Königreiche belohnte er den Schiffscapitain reichlich und begab sich in Begleitung des Löwen in seinen Palast. Als er aber da ankam, vernahm er den Schall von musikalischen Instrumenten und wurde auch andere Freudenbezeugungen gewahr. Auf sein Befragen erfuhr er, daß sich die Kaiserin eben vermählt habe und seine Unterthanen nicht anders meinten, als daß er auf einer Reise nach dem heiligen Grabe umgekommen sey. Er wendete sich also an einen der Palastdiener und bat ihn dem Kaiser zu melden, es sey ein Minstrel angekommen und lasse ihn ersuchen, er möge es ihm gestatten, ihm durch die Künste seines Löwen eine Unterhaltung zu bereiten. Alsbald erhielt er den Befehl vor dem neuen Monarchen zu erscheinen, allein kaum hatte ihn der Löwe erblickt, als er ihn auch schon in Stücken riß und gleich darauf auch die Kaiserin. Alle die Edeln aber erstaunten über dieses Schauspiel und wollten sich schon auf die Flucht begeben, als sich der Kaiser entdeckte und sie bat, ihre Furcht abzulegen, da die göttliche Rache erfüllt sey. Hierauf erzählte er ihnen seine Schicksale und faßte die Zügel der Herrschaft wieder.

Neunte Erzählung.

( Cap. LXXII. bei O II. p. 403. sq.)

Es hörte einst ein König den Gesang einer Nachtigall, da er nun begierig war denselben zu verstehen, so wendete er sich deshalb an einen weisen Ritter. Der aber unterrichtete ihn, daß ihm dieselbe anempfehle nach drei Dingen zu trachten, nehmlich nach Freuden ohne Kümmerniß, Ueberfluß ohne Mangel und Licht ohne Finsterniß. Der König zog nun aus, diesen Dingen nachzujagen, und kam endlich in ein Königreich, dessen Monarch eben gestorben war und seinen Thron seiner Schwester hinterlassen hatte. Diese ward bald verliebt in den königlichen Reisenden und trug ihm ihre Hand an, die nahm er und fand in ihr, was er gesucht hatte.

Zehnte Erzählung.

( Cap. LXXVII. bei O p. 401. sq.)

Es gab einmal auf dem Schlosse eines Kaisers eine Quelle, deren Wasser die Kraft besaß die Trunkenheit spurlos zu verscheuchen. Nun war aber diesem Laster, welches der Kaiser außerordentlich verabscheute, einer seiner Ritter, Namens Ydronicus, besonders ergeben: wenn der aber die Folgen seiner Unmäßigkeit zu spüren begann, begab er sich zu der Quelle, trank einen tüchtigen Schluck und gewann alsbald seine Besinnung in dem Maaße wieder, daß der Kaiser, der ihm sehr zugethan war, noch nie seinen Fehler entdeckt hatte. Nun begab es sich aber, daß der Kaiser einstmals in einem Walde einen Vogel antraf, der so lieblich sang, daß er ganz wie vernarrt in seine Melodieen wurde und täglich wieder an denselben Ort ging, um ihn zu hören. Diese besondere Aufmerksamkeit, welche nun der Kaiser jenen seinen zwei Günstlingen zu Theil werden ließ, erregte aber den Neid seiner Hofleute, und einer von ihnen, der klüger als die übrigen war, unternahm es endlich sie zu stürzen. Zuerst verstopfte er aber jene Quelle, so daß als Ydronicus das nächste Mal wieder berauscht hinkam, er seines gewöhnlichen Heilmittels beraubt war, und der Kaiser, wie er seinen Zustand gewahr wurde, also gleich von Unwillen erfüllt seine Verbannung beschloß. Hierauf kehrte der arglistige Höfling wieder in den Wald zurück, und indem er alle Bewegungen des Vogels aufmerksam bewachte, bemerkte er, daß das Vogelmännchen öfters kam sein Weibchen zu besuchen, dieses aber in seiner Abwesenheit ihm häufig mit fremden Vögeln die Treue brach, sich aber allemal nachher in einer nahen Quelle badete, um ihr Männchen bei seiner Zurückkunft zu hintergehen. Darum schloß er alsbald den Brunnen zu, und der ungetreue Vogel wurde zur Stunde von seinem Männchen entdeckt und in Stücke zerrissen.

Eilfte Erzählung.

( Cap. LXXVIII. bei O p. 405. sq. beip. XCVIII. sq.)

Einst wurde zu Rom ein Gesetz gegeben, es solle fürder Niemand mehr nach Schönheit, sondern lediglich nach Reichthum heirathen, und daß die Frauen sich niemals mehr an einen armen Mann verheirathen dürften, es wäre denn, daß er im Stande sey sich durch eigene Mittel einen Wohlstand verschaffen zu können, der dem ihrigen gleich käme. Nun hielt ein gewisser armer Ritter um die Hand einer reichen Dame an, allein diese erinnerte ihn an das Gesetz und bat ihn, sein Bestes zu thun und sich in die Nothwendigkeit zu fügen, um so irgendwie ihre Vereinigung zu Stande zu bringen. Er zog also mit großem Kummer wieder ab, allein nach langem Forschen erfuhr er einmal, daß es einen reichen Herzog gebe, der aber vom Tage seiner Geburt an blind sey. Alsbald beschloß er selbigen zu ermorden und sich seines Vermögens zu bemächtigen: er fand aber, daß derselbe bei Tage von vielen bewaffneten Dienern bewacht wurde, bei Nacht aber durch eine treue Dogge. Er beschloß also den Hund durch einen Pfeilschuß zu tödten, und unmittelbar nach diesem auch durch einen zweiten seinen Herrn. Er vollführte diesen Plan auch und kehrte mit den Schätzen desselben zu seiner Dame zurück. Er berichtete ihr, daß er ihren Auftrag erfüllt habe, und da sie ihn fragte, wie er solches in einem so kurzen Zeiträume habe bewerkstelligen können, erzählte er ihr Alles, was ihm begegnet war. Da bat ihn die Dame, er möchte doch, bevor ihre Vermählung Statt finden könne, sich an den Ort begeben, wo der Herzog beerdigt worden sey, und sich auf dessen Grab setzen und lauschen, was er da hören möchte, und ihr dieses alsdann anhero melden. Der Ritter waffnete sich also und begab sich, seinem Versprechen gemäß, dorthin. Um Mitternacht vernahm er aber eine Stimme, welche also sprach: o Herzog, der Du hier liegst, was willst Du, daß ich für Dich thun soll? Der antwortete aber: o mein Jesus, Du gerechter Richter, alles was ich verlange, ist Rache für mein unschuldig vergossenes Blut. Da antwortete ihm die Stimme: in dreißig Jahren von jetzt an gerechnet, wird sich dein Wunsch erfüllen. Darüber erschrack der Ritter gar sehr und kehrte mit dieser Nachricht zu seiner Dame zurück. Die aber dachte, daß dreißig Jahre eine lange Zeit wären, und entschloß sich zur Heirath, und während der ganzen genannten Zeit blieben beide Theile in ungestörtem Wohlbefinden. Wie aber die dreißig Jahre beinahe um waren, da baute der Ritter ein gar festes Schloß und ließ über eins der Thore folgende Verse einhauen:

Ich floh im Elend einst zu Gott,
Nach dessen End' er ward verspott',
Der kranke Wolf ein Lamm uns schien.
Gesundet war die Sanftmuth hin.

Als er aber über den Sinn dieser räthselhaften Worte gefragt wurde, da erklärte er sie sogleich durch Erzählung seiner Geschichte und fügte hinzu, daß in acht Tagen die dreißig Jahre verflossen seyn würden. Er lud aber alle seine Freunde zu einem Feste auf diesen Tag zu sich ein, und als derselbe gekommen war und die Gäste bei Tafel saßen, und die Minstrels ihre Instrumente stimmten, da flog auf einmal ein schöner Vogel zum Fenster herein und begann mit ungewöhnlicher Lieblichkeit zu singen. Der Ritter aber hörte ihm aufmerksam zu und sprach: ich fürchte, dieser Vogel verkündet mir Unheil. Er nahm also seinen Bogen und schoß' in Gegenwart aller seiner Gäste einen Pfeil nach demselben. Aber allsogleich zersprang die Burg in zwei Hälften und stürzte mit dem Ritter, seinem Weibe und Allem, was darin war, in die unterste Tiefe der höllischen Wohnungen. Die Sage erzählt, daß an derselben Stelle, wo das Schloß stand, jetzt ein großer See ist, auf welchem sich nichts schwimmend erhalten kann, sondern alsbald in die Tiefe versinkt.

Zwölfte Erzählung.

( Cap. LXXIX. bei O p. 407. sq.)

Der Kaiser Miremius hatte nur einen einzigen Sohn, bei dessen Geburt weise Männer, über sein künftiges Geschick befragt, erklärt hatten, er werde nicht am Leben bleiben, so er nicht sieben Jahre lang in einem unterirdischen Gemache verwahrt werde, wohin weder Licht noch Sonne dringen könne. Das geschah aber also, und als nach Verlauf dieser Zeit der junge Prinz aus seinem unterirdischen Gefängnisse befreit worden war, da zog er durch seine ausgezeichneten Tugenden und Anlagen die Aufmerksamkeit und Bewunderung aller Leute auf sich. Zur gehörigen Zeit vermählte man ihn darnach mit der Tochter des Königs von Ungerland. In jeder Ecke des Brautbettes ward aber ein kleines Hündlein zur Bewachung desselben postirt und neben demselben eine brennende Lampe hingestellt, welche auf des Kaisers ausdrücklichen Befehl nur von der Hand einer reinen Jungfrau angezündet werden durfte. Wie aber der Prinz eines Nachts in dieses Gemach kam, fand er die Lampe erloschen und that ein feierliches Gelübde, er wolle nie wieder sein Ehebett besteigen, es sey denn, daß die Lampe wieder angezündet wäre: allein trotz vielem Suchen konnte doch keine Jungfrau für diesen Zweck gefunden werden. Da beschloß der Prinz sich selbst aufzumachen um eine solche zu suchen, und nachdem er von seiner Gattin zärtlichen Abschied genommen hatte, begab er sich auf seine Entdeckungsreise. Er traf aber alsbald auf einen Löwen, dessen Fuß durch einen Dornen verwundet worden war, den zog er heraus, und das Thier folgte ihm nunmehro. Wie er aber an das Schloß eines Königs kam, der eine jungfräuliche Tochter hatte, da verliebte sich der Prinz in dieselbe und begehrte sie zur Ehe. Der König gab ihm auch seine Einwilligung, jedoch unter der Bedingung, daß er einen schrecklichen Drachen vertilge, welcher erst neuerdings alle Schaafe und Ochsen dieser Gegend gefressen hatte, und für dessen künftige Befriedigung es bald nöthig zu seyn schien, unter den Gliedern der königlichen Familie selbst zu loosen. Der Prinz nahm den Vorschlag an und kam gerade zu der Zeit an, wo das Loos die Tochter des Königs getroffen hatte. Er erschrack freilich gar sehr darüber, machte sich aber doch auf, den Drachen anzugreifen, allein der war schon im Begriff ihn umzubringen, als der Löwe ihm zu Hilfe kam und geschwind seinen Feind tödtete. Hierauf ward die Jungfrau dem Prinzen ausgeliefert, der sie mit heim zu seinem Weibe führte: darnach ward die Lampe wieder zu großer Freude beider Theile angezündet und die Jungfrau von ihnen mit aller nur möglichen Freundlichkeit und Zuvorkommenheit behandelt.

Dreizehnte Erzählung.

( Cap. LXXX. bei O p. 409. sq.)

Es war ein Gesetz zu Rom, daß jede Frau bei ihrer Reinigung einige Worte an die Kirchthüre zur Erbauung des Volkes schreiben mußte, dann durfte sie mit gehöriger Feierlichkeit nach Hause zurückkehren. Bei dieser Gelegenheit schrieb die Kaiserin daran: ich habe einen König, der die Menschheit regiert, die ganze Welt ist mein. Einige Zeit nachher kam eine Edelfrau, von vielen Spielleuten umgeben, um sich zu reinigen, und schrieb an die Thür: ich habe ein Kind an meiner Brust und meine Milch ist Wein, und damit begab sie sich nach Hause, um ein Fest anzustellen. Darüber ward die Kaiserin sehr erzürnt, ließ sie holen und zwei Schlangen herbeischaffen und zwang die Dame selbige zu säugen.

Vierzehnte Erzählung.

( Cap. LXXXII. bei † p. CII. sq.)

Es war einmal in Rom ein gar mächtiger und barmherziger Kaiser, Namens Menelaus; der gab so ein Gesetz, daß wenn ein unschuldiger Mensch ergriffen und ins Gefängniß gelegt worden sey, so er entrinnen und in den kaiserlichen Palast kommen könne, dann soll er von jeglicher Anklage, die gegen ihn erhoben worden sey, frei seyn sein Lebelang. Nicht lange darauf aber, als dieser Befehl ergangen war, ward ein Ritter verklagt und gegriffen und in ein starkes und finsteres Gefängniß gesperrt, wo er lange Zeit blieb und nur durch ein kleines Fenster Licht erhielt, durch welches nur eine kärgliche Helle hineindrang, welche ihm dazu diente, die geringen Speisen zu suchen, die ihm sein Hüter brachte: darum war er sehr traurig und bekümmert, daß er also beinahe ganz von jedem menschlichen Auge abgeschlossen blieb. Indessen wenn der Kerkermeister ihn verlassen hatte, da kam täglich eine Nachtigall auf sein Fenster geflogen und sang gar lieblich, so daß der unglückliche Ritter bei diesem Gesange oft vor Freude satt ward, und wenn nun der Vogel mit Singen aufgehört hatte, dann flog er in des Ritters Busen, und der Ritter speiste ihn manchen Tag von der Nahrung, die ihm Gott sendete. Nun begab es sich aber eines Tages, daß der Ritter ganz untröstlich war, demohngeachtet sättigte er den Vogel an seinem Busen mit Nußkernen und sprach zu ihm: mein süßes Vöglein, ich habe Dich nun schon manchen Tag gespeist, was willst Du mir nun in meinem Kummer für Trost geben? Erinnere Dich, daß Du ein Geschöpf Gottes bist und ich auch, und darum hilf mir in dieser meiner großen Noth. Wie das der Vogel hörte, da flog er aus seinem Busen heraus und blieb drei Tage lang weg von ihm, am dritten Tage aber kehrte er zurück und brachte in seinem Schnabel einen kostbaren Stein mit, den er in den Schooß des Ritters legte. Wie er aber selbigen an ihn gegeben hatte, da nahm er die Flucht und flog wieder fort von ihm. Der Ritter aber wunderte sich gar sehr über den Stein und den Vogel, nahm ihn aber sogleich in die Hand und berührte damit seine Eisen und Ketten, und sie fielen alsbald ab von ihm. Da sprang er auf und berührte damit die Thür seiner Kerkers, die öffneten sich, er wischte hinaus und lief geschwind nach dem Palaste des Kaisers. Wie das aber der Hüter des Gefängnisses gewahr wurde, da stieß er dreimal in sein Horn und weckte das Volk in der Stadt und lockte es heraus zu sich, indem er mit lauter Stimme schrie: sehet an, der Räuber ist fort, lasset uns ihn alle verfolgen. Und mit diesen Worten eilte er allen seinen Begleitern voran dem Ritter nach. Wie er aber schon hinter ihm war, da spannte der Ritter seinen Bogen und schoß einen Pfeil nach ihm, mit dem er den Kerkermeister in die Lungen traf und ihn tödtete: dann aber stürzte er nach dem Palaste, wo er Hilfe wider das Gesetz fand.

Fünfzehnte Erzählung.

( Cap. LXXXIV. nach O p. 410. sq.)

Einst entstand ein Streit zwischen drei Königssöhnen über die Erbfolge, und die Edeln des Landes entschieden, sie sollten einen Wettlauf zu Roß machen, und wessen Pferd zuerst wiehern würde, der solle die Krone erben. Nun ersann aber ein kluger Diener des einen Prinzen einen Plan, durch welchen sein Herr siegen sollte, er stellte ein Stute dessen Hengste in den Weg, bei deren Anblick derselbe diesen Laut von sich gab.

Sechzehnte Erzählung.

( Cap. XCVIII. nach † p. CIV. sq. kurz bei O p. 412. sq.)

Es war einmal in Rom ein mächtiger Kaiser, Martius genannt, der aus besonderer Zuneigung seines Bruders Sohn bei sich erzog, des Name Fulgentius war. Nun lebte aber bei diesem Martius auch noch ein Ritter, der sein Reichsverweser war, und dabei Onkel des Kaisers, der beneidete jenen Fulgentius und sann Tag und Nacht darüber nach, wie er den Kaiser und diesen Jüngling auseinander bringen könnte. Nun kam der Reichsverweser eines Tages zum Kaiser und sprach zu ihm: mein Gebieter, da ich Euer treuer Diener bin, so halte ich es für Pflicht Euere Hoheit zu warnen, denn ich habe etwas gehört, was Eure Ehre angeht, allein die Sache ist von der Art, daß sie zwischen uns Beiden, mir und Eurer Majestät geheim bleiben muß. Da sagte der Kaiser: lieber Freund, sage an, was das ist. Mein theurer Herr, antwortete der Ritter, Fulgentius, Euer Vetter und Blutsverwandter, hat Euch auf eine wunderliche und schändliche Weise in Euerem ganzen Reiche in Verruf gebracht, denn er hat gesagt, Ihr hättet einen stinkenden Athem, und es sey der Tod für ihn, Euch den Becher zu kredenzen. Das mißfiel dem König aber gar sehr, er gerieth vor Zorn fast außer sich und sprach zu ihm: mein liebster Freund, sage mir die reine Wahrheit, ob mein Athem stinkig ist, wie jener sagt. Mein Herr, entgegnete der Ritter, Ihr könnt mir glauben, nie habe ich mein Lebtage einen süßeren Athem gerochen, denn der Eurige ist. Da sagte der Kaiser: guter Freund, ich bitte Dich, sage mir, auf welche Weise ich ihm diese Sache beweisen mag. Da antwortete der Ritter und sprach: mein Herr, Ihr sollt die Wahrheit recht wohl kennen lernen: wenn er Euch den nächsten Morgen den Becher einschenken wird, werdet Ihr sehen, daß er Eueres Athems wegen sein Gesicht von Euch abwenden wird, und das ist der sicherste Beweis, den Ihr von dieser Sache haben könnt. Wahrhaftig, sprach der Kaiser, ein besserer Beweis ist nicht möglich. Sobald das der Reichsverweser gehört hatte, begab er sich stracks zu Fulgentius, nahm ihn bei Seite und sprach also zu ihm: theuerster Freund, Du bist mein naher Verwandter und sogar Neffe des Kaisers, meines Herrn, darum, so Du mir dankbar seyn willst, will ich Dich auf einen Fehler aufmerksam machen, über den sich mein kaiserlicher Herr oft beklagt und gedenkt Dich darum von sich zu schicken (es sey denn, daß Du ihn bald ablegst), und das wird ein großer Vorwurf für Dich seyn. Da sprach Fulgentius: ach guter Herr, um dessen Willen, der am Kreuze gestorben ist, saget mir, warum mein Herr so sehr gegen mich aufgebracht ist, denn ich bin ja bereit meinen Fehler in Allem, was ich kann und vermag, zu verbessern und mich ganz Euerem klugen Rathe zu fügen. Da antwortete der Ritter: Dein Athem ist so übelriechend, daß ihm kein Trank mehr schmeckt, so widerlich ist ihm der stinkende Geruch Deines Mundes. Da sagte Fulgentius zum Reichsverweser: wahrlich, das habe ich bis jetzt noch nie bemerkt, aber was meint Ihr denn zu meinem Athem, saget mir, ich bitte Euch, die Wahrheit. Wahrhaftig, antwortete der Ritter, er stinkt abscheulich und faulig. Und Fulgentius glaubte ihm Alles, was er gesagt hatte, und ward bekümmert in seinem Herzen und bat den Reichsverweser um seinen Rath und seine Hilfe in diesem schlimmen Falle. Da sprach selbiger also zu ihm: wenn Du meinem Rathe folgen willst, will ich die Sache zu einem guten Ende bringen, aber Du mußt thun, was ich Dir sage. Ich rathe Dir nur das Beste, und also warne ich Dich, daß wenn Du dem Kaiser, meinem Herrn, den Becher kredenzest, Du Dein Gesicht von ihm abwenden magst, auf daß er Deinen stinkenden Athem so lange nicht riechen kann, bis Du Dich mit einigen Mitteln dagegen versehen haben wirst. Darüber freuete sich Fulgentius sehr und schwor ihm, er wolle thun nach seinem Rathe. Nicht lange nachher ward befohlen, der Jüngling Fulgentius solle seinen Herrn bedienen, wie es seine Gewohnheit war, und plötzlich wendete derselbige sein Gesicht von seinem kaiserlichen Herrn hinweg, wie ihm der Reichsverweser gesagt hatte. Als aber der Kaiser die Wendung seines Kopfes bemerkte, da stieß er den Fulgentius mit seinem Fuße gegen die Brust und sprach also zu ihm: o Du schlechter Gesell, nun sehe ich wohl, daß das wahr ist, was ich von Dir gehört habe, und darum gehe mir sofort aus den Augen, auf daß ich Dich nie mehr an diesem Orte wieder sehen mag. Damit fing der Jüngling Fulgentius bitterlich an zu weinen, ging seines Weges und entfernte sich aus seinen Augen. Wie das geschehen war, da rief der Kaiser seinen Reichsverweser zu sich und sprach zu ihm: wie mag ich diesen Buben aus der Welt schaffen, der mich also geschändet hat? Der antwortete: mein theuerster Herr, Ihr sollt Euer Vorhaben aufs Beste bewerkstelligen können. Denn ich halte hier in der Nähe, ohngefähr drei Meilen weit, Ziegelbrenner, die täglich ein großes Feuer anmachen, um Ziegel zu brennen und Kalk zu machen, darum sendet diese Nacht zu diesen hin, mein theurer Herr, und laßt ihnen bei Todesstrafe befehlen, daß wer zu ihnen des Morgens früh zuerst kommen wird und also sagt: mein Herr befiehlt Euch seinen Willen zu thun, daß sie den nehmen und in den Ofen stecken und verbrennen: und diese Nacht befehlet diesem Fulgentius, daß er früh Morgens zu Euern Arbeitern gehe und sie frage, ob sie vollzogen haben Eueren Willen, der ihnen befohlen ward, oder nicht: und dann werden diese nach Euerem Gebote ihn in das Feuer werfen, und derselbe eines elenden Todes sterben. Dein Rath ist wahrhaftig gut, antwortete der Kaiser, darum rufe diesen Buben Fulgentius zu mir. Und wie der junge Mensch nun vor des Kaisers Angesicht hintrat, da sprach dieser zu ihm: ich befehle Dir bei Verlust Deines Kopfes, daß du morgen in der Frühe aufstehest und zu meinen Kalk- und Ziegelbrennern hingehest, und zwar bevor die Sonne aufgeht, schon drei Meilen von diesem Hause weg und bei ihnen bist, und sie in meinem Namen beauftragst zu vollziehen mein Gebot, sonst sollst Du selber den schimpflichsten Tod sterben. Da antwortete ihm Fulgentius: mein Herr und Gebieter, so mir anders unser Herrgott das Leben läßt, will ich Euerem Willen nachkommen, und müßte ich bis an der Welt Ende laufen. Sobald aber Fulgentius einmal diesen Auftrag erhalten hatte, konnte er vor Sorgen nicht schlafen, weil er zeitig aufbrechen mußte, seines Herrn Befehl zu vollziehen. Der Kaiser sendete aber um Mitternacht einen reitenden Boten zu den Ziegelbrennern und ließ ihnen bei Todesstrafe anbefehlen, daß wer zu ihnen zuerst des Morgens früh kommen und sagen werde, wie schon erzählt ist, den sollten sie fassen und binden und in das Feuer werfen und bis auf die Knochen verbrennen lassen. Dem antworteten die Ziegelbrenner: es soll geschehen. Hierauf kehrte der Bote wieder nach Hause zurück und meldete dem Kaiser, sein Gebot werde fleißig erfüllt werden. In des andern Morgens Frühe aber stand Fulgentius auf und bereitete sich zu seinem Marsche, wie er aber schon unterwegs war, da hörte er die Glocke zur Kirche läuten, weshalb er erst hinging seine Andacht zu verrichten, allein zu Ende des Gottesdienstes fiel er in einen tiefen Schlaf und schlief eine lange Weile so fest, daß weder der Priester noch ein Anderer ihn aufwecken konnte. Nun wünschte aber der Reichsverweser von Herzen gern von seinem Tode zu hören, begab sich also um zwei Uhr zu den Arbeitern und sprach zu ihnen: Ihr Leute, habt Ihr gethan nach des Herrn Gebot oder nicht? Die Ziegelbrenner antworteten ihm und sprachen: wahrlich, wir haben bis jetzt seinen Befehl noch nicht erfüllt, aber jetzt soll es geschehen, und damit legten sie Hand an ihn. Da schrie der Reichsverweser: Ihr guten Leute, laßt mir das Leben, denn der Kaiser befahl ja den Flugentius vom Leben zum Tode zu bringen. Die aber sprachen zu ihm: so hat uns der Bote nicht berichtet, sondern er hat uns gesagt, daß wer zu uns zuerst in der Frühe käme und so sagen werde, wie Ihr gesprochen habt, den sollten wir nehmen und in den Ofen stecken und zu Asche verbrennen: und damit schleuderten sie ihn in das Feuer. Und wie er bereits verbrannt war, da kam Fulgentius zu ihnen und sprach: Ihr guten Leute, habt Ihr meines Herrn Befehle vollzogen? Ei freilich, sprachen sie, darum gehet hin zum Kaiser und meldet es ihm. Da sprach Fulgentius: lasset mich um Christi Willen sein Gebot wissen. Sie aber sprachen: es ist uns bei Leibesstrafe befohlen worden, wir sollten den Mann, der zu uns in der Frühe käme und also spräche, wie Du gesagt hast, nehmen und in den Ofen werfen: aber vor Dir kam der Reichsverweser, und darum haben wir an ihm des Kaisers Gebot vollzogen und er ist bis auf die Knochen verbrannt. Wie das Fulgentius hörte, dankte er Gott, daß er ihn also vom Tode errettet hatte, nahm also Abschied von den Arbeitern und kehrte in den Palast zurück. Wie ihn aber der Kaiser sah, gerieth er ganz außer sich vor Zorn und sprach also zu ihm: bist Du bei den Ziegelbrennern gewesen und hast Du mein Geheiß erfüllt? Freilich, mein gnädiger Herr, bin ich dort gewesen, allein als ich hinkam, war Euer Befehl schon vollzogen. Wie ist das möglich, fragte der Kaiser. Wahrlich, sprach Fulgentius, Euer Reichsverweser kam vor mir dahin und sprach also zu ihnen, wie ich sagen sollte, da nahmen sie ihn und warfen ihn in den Ofen, und wenn ich eher gekommen wäre, würden sie also mit mir gethan haben, und darum danke ich Gott, daß er mich vor dem Tode behütet hat. Da sagte der Kaiser: rede die Wahrheit auf die Fragen, welche ich Dir vorlegen werde. Da sagte Fulgentius zum Kaiser: Ihr habt an mir noch keine Falschheit gefunden und darum wundere ich mich sehr, warum Ihr mich zu solch einem Tode bestimmt habt. Denn ich weiß recht wohl, daß ich Eueres Bruders Sohn bin. Da sprach der Kaiser zu Fulgentius: das ist gar nicht zu verwundern, daß ich Deinen Tod auf den Rath meines Reichsverwesers angeordnet habe, da Du mich ja in meinem ganzen Lande also beschimpft hast, da Du sagtest, mein Athem stinke so greulich, daß es Dein Tod sey ihn zu riechen, und als Beweis dafür Dein Gesicht abwendetest, als Du mir meinen Becher reichtest, und das habe ich mit meinen eigenen Augen gesehen: darum habe ich für Dich einen solchen Tod bestimmt, und Du mußt dennoch sterben, wenn ich nicht eine bessere Entschuldigung von Dir höre. Da antwortete Fulgentius also und sprach: ach mein theurer Herr, so es Eurer Hoheit gefällt mich anzuhören, will ich Euch mit einem arglistigen und schlauen Plane bekannt machen. Sage an, sprach der Kaiser. Euer Reichsverweser, versetzte Fulgentius, der nunmehro todt ist, kam zu mir und sprach, Ihr hättet ihm gesagt, ich hätte einen stinkigen Odem, und derohalben rieth er mir, ich solle, wenn ich Euch Eueren Becher reiche, mein Angesicht von Euch abkehren: und ich rufe Gott zum Zeugen an, daß ich nicht lüge. Wie das der Kaiser hörte, glaubte er ihm und sprach: o mein lieber Neffe, nun sehe ich durch das weise Gericht Gottes, durch welches der Reichsverweser verbrannt ist, wie seine eigene Gottlosigkeit und Neid über ihn gekommen sind, weil er solche Bosheit gegen Dich angestellt hat, und darum sollst Du dem Allmächtigen Gott danken, daß er Dich also vom Tode gerettet hat.

Siebzehnte Erzählung.

( Cap. XCIX nach † p. LXXXVIII. sq. kurz bei O p. 414. sq.)

Es war einmal in Rom ein mächtiger Kaiser, der hatte des Königs von Jerusalem Tochter zur Frau genommen, eine gar feine Dame, die Allen, die sie sahen, gar liebreizend erschien, allein sie lebte schon lange Zeit mit dem Kaiser, ohne daß sie ihm ein Kind gebar. Darum waren die Edeln des Reiches gar sorgenvoll, weil ihr Herr keinen Erben hatte, seine Person zu beschützen. Nun begab es sich einmal, daß dieser Anselmus nach dem Abendessen im späten Abend in seinem Garten spatzieren ging und selbst darüber nachsann, wie er keinen Erben hätte und der König von Apulien ihn beständig bekriegte, und er nicht einmal einen Sohn besäße, das Land in seiner Abwesenheit zu vertheidigen, das machte ihm sehr viel Sorgen, und er ging in sein Kämmerlein und schlief alsbald ein. Da kam es ihm vor, als sähe er ein Gesicht im Schlafe, wie der Morgen heller wäre, als gewöhnlich, und der Mond an einer Seite blässer sey, als an der andern. Und nachher sah er einen zweifarbigen Vogel, und bei diesem Vogel standen zwei Thiere, welche diesen kleinen Vogel mit ihrem heißen Athem sättigten, und hinter ihnen kamen noch mehrere Thiere, und wie sie ihre Brust an den Vogel gelegt hatten, gingen sie ihres Weges: dann kamen noch andere Vögel, die süß und lieblich sangen, worüber aber der Kaiser aufwachte. In der Frühe des andern Morgens überdachte aber Anselmus sein Traumgesicht und wunderte sich, was es bedeuten möge. Darum berief er die Philosophen und Stände seines Reichs zu sich und theilte ihnen seinen Traum mit, und befahl ihnen bei Leibesstrafe, ihm die Bedeutung desselben anzugeben, wer ihm aber eine richtige Deutung desselben geben könne, dem verhieß er eine gute Belohnung. Da sagten sie: theurer Herr, theilet uns Eueren Traum mit, und wir wollen Euch sodann verkünden, was er bedeutet. Also erzählte ihnen der Kaiser denselben vom Anfange bis an's Ende, wie oben geschrieben steht. Wie das die Philosophen gehört hatten, da antworteten sie ihm frohen Muthes und sprachen: Herr, das Traumgesicht, welches Ihr geschaut hattet, bedeutet Gutes für das Land: Ihr sollt erfahren, was es ist. Der Mond, der auf der einen Seite blässer ist, denn auf der andern, bedeutet die Kaiserin, die durch die Empfängniß eines Sohnes, den sie von Euch bekommen, einen Theil ihrer Farbe eingebüßt hat. Der kleine Vogel bedeutet den Sohn, den sie gebären soll. Die zwei Thiere, welche diesen Vogel füttern, darunter sind die weisen und reichen Männer dieses Landes zu verstehen, denen Euer Sohn gehorsamen soll. Die andern Thiere aber, welche mit ihrer Brust diesen Vogel umringen, bedeuten viele andere Nationen, welche ihm ihre Huldigung darbringen sollen. Die Vögel aber, welche so süß den kleinen Vogel ansangen, bedeuten die Römer, welche sich über die Geburt desselben freuen und singen werden. Das ist die richtige und wahrhaftige Deutung Eueres Traumes. Wie das der Kaiser gehört hatte, da war er gar sehr erfreut, und bald darauf kam die Kaiserin darnieder und ward von einem Sohne entbunden, bei dessen Geburt gar große und wundervolle Freude herrschte. Wie das der König von Apulien hörte, dachte er also bei sich: wahrlich ich habe mein Lebtage gegen den Kaiser Krieg geführt, und nun hat er einen Sohn, wenn der das Mannesalter erreicht haben wird, da wird er die Unbilden rächen, die ich seinem Vater zugefügt habe: darum dürfte es besser seyn, hin zum Kaiser zu senden und ihn um Waffenstillstand und Frieden zu bitten, damit sein Sohn nichts wider mich haben kann, wenn er das männliche Alter erreicht haben wird. Wie er also bei sich gesprochen hatte, schrieb er an den Kaiser und bat ihn um Frieden. Wie aber der Kaiser sah, daß ihm der König von Apulien mehr aus Furcht, denn aus wahrer Zuneigung geschrieben hatte, schrieb er ihm wieder, daß, so er ihm gute und hinreichende Sicherheit für die Erhaltung des Friedens geben wolle, und sich verbindlich mache, ihm sein Lebtage Dienst und Huldigung zu weihen, sey er geneigt ihm Frieden zu gewähren. Wie der König den Inhalt des kaiserlichen Schreibens gelesen hatte, berief er seinen Rath zusammen und forderte ihn auf, ihm bezüglich hierauf so gut als möglich zu rathen. Die aber sagten ihm: es dürfte gut seyn, dem Willen und Befehlen des Kaisers in allen Dingen nachzukommen. Fürs Erste, daß er wünscht, von Euch Sicherheit für den Frieden zu erhalten, müßt Ihr ihm antworten: ich habe eine einzige Tochter und der Kaiser nur einen Sohn, darum soll eine Heirath zwischen Beiden zu Stande gebracht werden, denn das wird eine ewig dauernde Bürgschaft des Friedens seyn. Endlich fordert er noch Huldigung und Tribut, und es wird gut seyn ihm auch hierhin zu gewähren. Also sendete der König seine Boten an den Kaiser und ließ ihm sagen, er wolle seine Wünsche in allen Dingen erfüllen, so es seiner Hoheit gefalle, daß sein Sohn und des Königs Tochter mit einander verheirathet würden. Alles das gefiel aber dem Kaiser wohl, und er sendete ihm die Antwort zurück, daß, wenn seine Tochter eine reine Jungfrau geblieben sey von ihrer Geburt bis auf diesen Tag, so wolle er in diese Heirath willigen. Darüber freute sich aber der König sehr, denn seine Tochter war eine reine Jungfrau. Darum, als das schriftliche Schutz- und Trutzbündniß untersiegelt war, rüstete der König ein feines Schiff aus, in welchem er seine Tochter mit vielen edeln Rittern und Damen und großen Schätzen an den Kaiser schickte, um dessen Sohn zu ehelichen. Und als sie nun in die See gestochen waren, gen Rom zu, da erhob sich auf einmal ein so fürchterlicher und erstaunlicher Sturm, daß das Schiff an einem Felsen scheiterte und Alle bis auf die junge Prinzessin ertranken, welche ihre Hoffnung und Zuversicht also fest auf Gott gesetzt hatte, daß sie gerettet ward. Wie nun nach drei Stunden das Ungewitter aufhörte, da schwamm die Dame in dem zerbrochenen Schiffe, welches umgestürzt war, fort über die Wellen, als sie auf einmal ein ungeheurer Wallfisch verfolgte, bereit sie und das Schiff zu verschlingen. Allein das junge Fräulein schlug, als die Nacht kam, mit einem Steine Feuer an, wodurch das Schiff gänzlich erleuchtet ward, und darnach wagte sich der Wallfisch aus Furcht vor dem Lichte nicht an dasselbe. Als aber der Hahn zu krähen anfing, da war die Prinzessin so ermüdet von dem greulichen Ungewitter und Seesturm, daß sie einschlief, und nach einer kleinen Weile löschte das Feuer aus. Da kam der Wallfisch und verschlang die Jungfrau. Wie sie aber aufwachte, und sich im Wallfischbauche eingeschluckt fand, da schlug sie Feuer an und verwundete mit einem Messer den Wallfisch an vielen Stellen, der, als er sich verwundet fühlte, nach der Gewohnheit dieser Thiere, dem Lande zuzuschwimmen begann. Es lebte aber zur selbigen Zeit in der Nähe der Küste ein edler Graf, Namens Pirris, der gerade zu seiner Erholung am Meeresufer lustwandelte. Der sah, wie der Wallfisch an's Land kam, kehrte schnell nach Hause zurück und versammelte eine große Menge Männer und Weiber, begab sich hieraus wieder an den Ort und kämpfte mit dem Wallfisch, verwundete ihn sehr gefährlich, und als er ihn getödtet hatte, da schrie das Mägdlein in seinem Bauche mit lauter Stimme und sprach: o Ihr edlen Freunde, habt Erbarmen und Mitleid mit mir, denn ich bin eine Königstochter und eine reine Jungfrau geblieben vom Tage meiner Geburt an bis auf den heutigen. Wie das der Graf hörte, da wunderte er sich sehr, öffnete aber die Seite des Wallfisches und fand darin die junge Prinzessin und nahm sie heraus: und wie sie in Freiheit gesetzt worden war, da erzählte sie ihm, wessen Tochter sie sey und wie sie all ihr Gut im Meere verloren, und daß sie an eines Kaisers Sohn verheirathet werden sollte. Wie das der Graf gehört hatte, da ward er sehr vergnügt und tröstete sie und behielt sie bei sich, bis sie sich ganz erholt hatte. In derselbigen Zeit aber sendete er Boten an den Kaiser und ließ ihn wissen, auf welche Weise die Königstochter gerettet worden sey. Da war der Kaiser hoch erfreut über ihre Erhaltung, hatte großes Mitleid mit ihr, begab sich selbst zu ihr hin und sprach: ach Du gutes Mägdlein, aus Liebe zu meinem Sohne hast Du vieles Weh erdulden müssen, nichts desto weniger will ich Dich aber auf die Probe stellen, ob Du verdienst sein Weib zu werden. Wie er das gesagt hatte, ließ er drei Gefäße vor sie hinstellen: das erste war von gediegenem Golde gemacht, ringsherum mit kostbaren Edelsteinen besetzt, aber mit Todtengebeinen angefüllt, darauf aber stand geschrieben: wer mich wählt, findet was er verdient. Das zweite Gefäß war aus feinem Silber gemacht, aber mit Erde und Würmern gefüllt, und hatte folgende Aufschrift: wer mich wählt, soll finden, was die Natur begehrt. Das dritte Gefäß endlich war von Blei, aber mit kostbaren Steinen gefüllt, darauf stand geschrieben: wer mich wählt, findet, was Gott für ihn bestimmt hat. Diese drei Gefäße zeigte der Kaiser dem Mägdlein und sprach: wohlan, liebe Tochter, da sind drei kostbare Gefäße, von denen wähle Dir eins, so dieses aber Dir und Andern Nutzen bringt, dann sollst Du meinen Sohn haben. So Du aber wählen wirst, was weder Dir noch Andern frommt, dann sollst Du nicht mit ihm verbunden werden. Wie das das Mägdlein gehört hatte, hob sie ihre Hände gen Himmel auf und sprach: mein Herrgott, der Du alle Dinge weißt, gewähre mir Deine Gnade zu dieser Stunde für meine Wahl, damit ich des Kaisers Sohn bekommen mag. Und darnach beschaute sie das erste goldene Geschirr, welches auf königliche Weise verziert war, und las die Aufschrift: wer mich wählt, wird finden, was er verdient hat. Da sagte sie: obschon dieses Gefäß ganz kostbar und von purem Golde gefertigt ist, so weiß ich doch nicht, was darin ist, darum will ich mir, mein theurer Herr, dieses Gefäß nicht wählen. Hierauf betrachtete sie das zweite Geschirr, welches von feinem Silber war, und las dessen Inschrift: wer mich wählt, wird finden, was die Natur begehrt. Wenn ich nun bei mir bedenke, ob ich dieses Gefäß wählen soll, so weiß ich auch nicht, was darin ist: wohl weiß ich aber, daß ich darin finden soll, was die Natur begehrt: nun sehnt sich aber meine Natur nach fleischlicher Lust, und darum will ich dieses Gefäß nicht wählen. Als sie nun diese zwei Gefäße betrachtet und eine auf sie bezügliche Antwort gegeben hatte, beschaute sie auch das dritte bleierne Geschirr und las dessen Aufschrift: wer mich wählt, soll finden, was Gott für ihn bestimmt hat. Da dachte sie bei sich selbst: dieses Gefäß ist zwar äußerlich weder reich noch kostbar, allein die Aufschrift sagt: wer mich wählt, soll finden, was ihm Gott bestimmt hat; da nun ohne Zweifel Gott uns nie etwas Böses bestimmt, so werde ich, wenn Gott es will, dieses Gefäß wählen. Wie das der Kaiser gehört hatte, sprach er also: o Du feines Mägdlein, öffne dieses Gefäß, denn es ist voll köstlicher Edelsteine, und siehe zu, ob Du also gut gewählt hast oder nicht. Wie es aber die junge Prinzessin aufgemacht hatte, da fand sie es angefüllt mit dem feinsten Golde und kostbarsten Steinen, wie ihr Der Kaiser gesagt hatte. Darnach sagte der Kaiser: meine Tochter, weil Du also gut gewählt hast, sollst Du meinen Sohn heirathen. Damit bestimmte er ihren Hochzeitstag, und sie wurden mit großem Gepränge vermählt und verblieben in großen Ehren bis an ihr Lebensende.



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