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Hundertundfünfundfünfzigstes Capitel.
Von der Weise des Kampfes gegen den Teufel bei Christi Leiden.

In England liegt, wie Gervasius erzählt, an den Grenzen des Bisthums Elie eine Burg, die den Namen Cathubica führt, und ein klein Stück weiter unter demselben befindet sich ein Ort, den man Wandlesbury nennt, weil die Vandalen, als sie die einzelnen Theile Britanniens durch ein greuliches Morden der Christen verheerten, daselbst ihr Lager aufgeschlagen haben. Wie sie nun ihre Zelte am Gipfel eines dort befindlichen Hügels errichtet hatten, umgaben sie die ganze Ebene in der Runde mit einem Walle, so daß nur ein einziger Eingang, wie ein hohes Portal, um auf dieselbe zu gelangen, offen blieb. Wenn nun auf dieser Ebene, wie von grauem Alterthume her eine Sage geht, die in Aller Munde ist, in einer stillen Nacht beim Mondenschein ein Krieger laut ruft, daß ihm ein Anderer entgegen kommen solle, dann zeigt sich ihm gleich gegenüber ein Ritter, der sich zum Zusammenrennen gerüstet hat, und in dem Zusammenstoße der Rosse hebt derselbe entweder seinen Gegner aus dem Sattel, oder wird selbst zu Boden geworfen. Gleichwohl aber reitet der Ritter nur allein in die Oeffnung des Walles hinein, und kann von da aus Alles, was auswendig vorgeht, wohl übersehen. Um nun dieser Sache, welche wirklich also vorgeht und vielen Personen bekannt ist, Glauben zu verschaffen, will ich hier beifügen, was ich darüber von den Einwohnern und Eingebornen vernommen habe. Es lebte vor einiger Zeit in Oberbritannien ein Ritter, Namens Albertus, ein äußerst tapferer und kriegskundiger, und auch übrigens mit allen Tugenden gezierter Mann. Dieser kam eines Tages in jene genannte Burg als Gast, und da bei dem rauhen Winterwetter Abends nach Tische die Familie des reichen Schloßherrn sich am Heerde, wie es die Sitte der Großen ist, mit Erzählung alter Begebenheiten unterhielt, ward zuletzt auch von einem der hier Geborenen dieses wunderbare Ereigniß berichtet. Dieser tapfere Mann nun, um sich von dem, was er mit seinen Ohren vernommen hatte, auch durch eigene Erfahrung zu überzeugen, wählte sich einen von den adligen Schildknappen, der sich daselbst befand, zum Begleiter aus, und begab sich an jenen Ort. Als ihm aber der Platz gezeigt worden war, und der geharnischte Ritter sich demselben genähert hatte, ritt er den Hügel hinan und begab sich hierauf, nachdem er den Edelknaben entlassen hatte, allein auf jenes Feld. Nun rief der Ritter laut aus, er wünsche einen Gegner zu finden, und auf seinen Ruf kam von der entgegengesetzten Seite ein Mann, der wie ein Ritter aussah, angesprengt. Kurz sie hielten ihre Schilde vor, legten ihre Speere ein und rannten auf ihren Rossen gegen einander, und die Reiter wurden bald durch ihre gegenseitigen Stöße zum Wanken gebracht, endlich aber zersplitterte die Lanze des Andern, nachdem er einen vergeblichen Stoß gethan hatte, und Albertus brachte diesen seinen Gegner durch einen gewaltigen Anlauf zum Fallen. Dieser war aber kaum niedergestürzt, als er auch wieder ohne Verzug aufsprang und während Albertus sich umsieht, um das Roß seines Gegners als Kampfpreis zu fangen, seinen Speer wieder an sich zieht, und ihn wie einen Wurfspieß nach dem Albertus schleudert, und dessen Hüfte durch diesen furchtbaren Wurf durchbohrt. Unser Ritter dagegen, der entweder aus Freude über seinen Sieg weder Wurf noch Wunde fühlte, oder auch nur den Schmerz verbiß, verläßt, da mittlerweile sein Gegner verschwunden war, als Sieger den Kampfplatz, und übergiebt dem Schildknappen das erbeutete Roß, welches von hohem Bau, schlankem und gewandtem Körper und äußerlich sehr schön war. Als aber der Ritter wieder nach dem Schlosse zurückkehrte, kam ihm das ganze Burggesinde entgegen, wunderte sich über die Begebenheit, freute sich, daß der feindliche Ritter niedergeworfen worden war, und prieß die Tapferkeit des edlen Barons. Als aber derselbe seine eisernen Beinschienen abschnallte, fand er die eine ganz mit geronnenem Blute angefüllt. Alle Anwesenden entsetzten sich über die Wunde, allein der Ritter erzürnte sich über ihre Furcht. Jetzt lief aber das ganze Volk, welches bisher der Schlaf gefesselt hatte, von dem Lärme aufgeweckt herbei, und ihre erwachende Verwunderung veranlaßte sie bald das Stillschweigen zu brechen, denn als Zeuge seines Triumphs ward das Roß aufgezäumt dem Anblicke Aller ausgesetzt gehalten mit seinen feuersprühenden Augen, hohem Nacken, schwarzen Mähnen und Rittersattel. Kaum hatte sich aber der erste Hahnschrei hören lassen, als auch das Roß rasende Sprünge machte, die Nüstern aufbließ, mit seinen Hufen in den Erdboden hieb, plötzlich die Rieme, an welchen man es hielt, sprengte, seine natürliche Freiheit wieder gewann, entfloh und seinen Verfolgern bald aus den Augen kam. Indessen behielt unser Ritter eine beständige Erinnerung an seiner ihm förmlich eingebrannten Wunde, denn alle Jahre, und zwar in derselben Nacht, erneuerte sich der Schmerz derselben, und sie brach jedesmal wieder auf der Oberfläche der Haut von Neuem auf. Daher kam es denn, daß der edle Ritter nach wenigen Jahren über das Meer fuhr und sein Leben und seine Seele nach vielfachen, mannhaften Kämpfen gegen die Ungläubigen an den Herrn zurückgab.


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