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Hundertunddreiundfünfzigstes Capitel.
Von zeitlicher Trübsal, welche sich endlich in ewige Freude verwandeln wird.

Es regierte einstmals der König Antiochus in der Stadt Antiochia, die von ihm ihren Namen bekommen hat, und erzeugte mit seiner Frau eine reizende Tochter. Als diese zum mannbaren Alter gekommen war und der Glanz ihrer Schönheit immer wuchs, da verlangten sie Viele mit ihrer großen und unschätzbaren Mitgift zur Ehe. Während ihr Vater aber noch mit sich zu Rathe ging, wem er vornehmlich seine Tochter zur Frau geben solle, und es selbst nicht wußte, entbrannte plötzlich in ihm eine grausame Flamme der Liebe und ungerechten Begierde nach seiner eigenen Tochter, und er fing sie an mehr zu lieben, als es sich für ihn als ihren Vater geziemte. Während er aber noch mit seiner Raserei rang und diese mit der Schamhaftigkeit kämpfte, siegte doch endlich die Liebe, und er begab sich eines Tages in das Schlafgemach seiner Tochter und hieß Alle sich daraus entfernen, als wenn er mit seiner Tochter eine geheime Unterredung haben wollte. Da ihm aber die Tollheit seiner Lust antrieb, so raubte er seiner Tochter trotz ihres Sträubens ihre Unschuld und beschmutzte ihre Schamhaftigkeit. Wie nun aber das Mägdlein bei sich darüber nachdachte, was sie machen solle, kam plötzlich ihre Amme zu ihr herein, und als sie dieselbe mit einem weinerlichen Gesichte erblickte, sprach sie: weshalb ist Deine Seele also niedergeschlagen? Das Mädchen aber sprach: o Theuerste, eben sind in diesem Gemache zwei edle Namen untergegangen. Die Amme aber entgegnete: Herrin, was soll das heißen? Jene aber antwortete: daß ich noch vor meiner Verehelichung durch das schändlichste Verbrechen beschimpft worden bin. Als die Amme gehört und gesehen hatte, ward sie wie toll und sprach: und welcher Teufel hat denn die Frechheit gehabt das Bett einer Königin zu besudeln. Das Mägdlein antwortete: Gottlosigkeit hat es gethan. Die Amme erwiderte: warum zeigst Du es nicht Deinem Vater an? Das Mägdlein versetzte: wo ist denn mein Vater? wenn Du es wüßtest, wird der Name des Vaters bei mir verloren seyn, und der Tod behagt mir allein noch als Rettung. Als aber die Amme hörte, daß sie sich nach der Hülfe des Todes sehne, da redete sie ihr mit schmeichelnden Worten ab und ermahnte sie ihren Vorsatz aufzugeben. Während indessen der gottlose Vater mit heuchlerischer Miene vor seinen Unterthanen den frommen Vater spielte, freuete er sich in seinen vier Wänden der Mann seiner Tochter zu seyn, und um für immer das verfluchte Bett seiner Tochter theilen zu können, erdachte er eine neue Art von Nichtswürdigkeit um die Freier zu verscheuchen, welche sie vielleicht zur Frau begehrten. Er gab nehmlich ein Räthsel auf, indem er sich also vernehmen ließ: so Jemand die Lösung meiner Frage finden wird, der soll meine Tochter zur Frau bekommen, wenn er dieselbe aber nicht trifft, den Kopf verlieren. Es kamen nun aber von allen Enden der Welt sehr viele Könige um der unglaublichen und unerhörten Schönheit des Mädchens Willen hergezogen, und wenn auch einer zufällig die Lösung des Räthsels gefunden hatte, wurde er doch, als hätte er nichts gesagt, hingerichtet und sein Kopf über dem Thore aufgesteckt, auf daß die Ankommenden das Bild des Todes vor sich hätten und abgeschreckt würden, sich auf eine solche Bedingung einzulassen. Alles dieses hatte er aber gethan, um selbst mit seiner Tochter im Ehebruch leben zu können. Während aber Antiochus noch dergleichen Grausamkeiten ausübte, kam ein gewisser junger Tyrier mit Namen Apollonius, der in seiner Vaterstadt zu den Vornehmsten gehörte, sehr reich war und bedeutende Kenntnisse besaß, auf einer Seereise nach Antiochia, begab sich zu dem König und sprach: Heil Dir, o König. Und jener sprach: möge es Deinen Eltern in ihrer Ehe wohl gehen. Der Jüngling aber sprach: ich erbitte mir Deine Tochter zur Gemahlin. Als aber der König hörte, was er nicht hören wollte, schaute er den Jüngling an und sprach: kennst Du die Bedingung ihrer Verheirathung? Der Jüngling entgegnete: ich kenne sie und sah sie am Thore. Der König aber ward zornig und sprach: vernimm also die Frage: »auf Verbrechen fahre ich, das Fleisch meiner Mutter verzehre ich, ich suchte meinen Bruder und meiner Mutter Mann, und finde ihn nicht.« Als der Jüngling diese Frage vernommen hatte, entfernte er sich einige Augenblicke von dem Könige, und da er sich nach der Hülfe seiner Wissenschaft umsah, fand er durch die Gnade Gottes die Auflösung der Frage, kehrte zum König zurück und sprach: mein guter Herr König, Du hast mir eine Frage vorgelegt, vernimm jetzt die Auflösung derselben. Darin nehmlich, daß Du gesagt hast: ich fahre auf einem Verbrechen, hast Du nicht gelogen: siehe Dich nur selbst an, bei den Worten aber: ich verzehre meiner Mutter Fleisch, schaue nur Deine Tochter an. Als der König aber vernahm, daß die Lösung des Räthsels von dem Jünglinge getroffen worden sey, fürchtete er, seine Sünde möchte offenbar werden, er schaute ihn daher mit zorniger Miene an und sprach: Jüngling, Du bist noch weit von der Auflösung der Frage entfernt, Du hast nicht gesagt, was wahr ist, zwar verdienst Du geköpft zu werden, allein siehe, Du sollst noch einen Zeitraum von dreißig Tagen haben, überlege Dir die Sache noch einmal, kehre in Dein Land zurück, und wenn Du die Auflösung meiner Frage findest, sollst Du meine Tochter zur Frau bekommen, wo nicht, wirst Du Deinen Hals verlieren. Der Jüngling aber ward bestürzt, nahm seine Begleiter mit sich, bestieg ein Schiff und begab sich in seine Vaterstadt. Allein nach der Entfernung des jungen Mannes rief der König seinen Haushofmeister, Namens Taliarchus, zu sich und sprach zu ihm: Taliarche, mein getreuster Geheimschreiber, wisse, daß Apollonius von Tyrus die Auflösung meiner Frage entdeckt hat: besteige also gleich ein Schiff ihn zu verfolgen, und wenn Du nach Tyrus kommst, so frage nach ihm und bringe ihn durch Gift oder Dolch um. Wenn Du zurückkehrst, sollst Du eine große Belohnung erhalten. Taliarchus aber nahm sein Schild und Geld, machte sich auf den Weg und begab sich nach der Vaterstadt des Jünglings. Apollonius aber gelangte eher dahin, begab sich in sein Haus, öffnete alle seine Schränke, schlug alle seine Bücher nach und fand doch nichts Anderes, als was er dem König gesagt hatte, sprach also bei sich: wenn ich mich nicht irre, liebt der König seine Tochter mit einer unlauteren Brunst. Wie er aber noch darüber nachdachte, sagte er in seinem Herzen: was machst Du Apolloni, Du hast die Auflösung entdeckt und doch die Prinzessin nicht erhalten, Du bist also von Gott bestimmt nicht unterzugehen. Alsbald ließ er Schiffe für sich rüsten und dieselben mit hunderttausend Scheffeln Getreide, einer großen Last Silbers und vielen Kleidungsstücken beladen, bestieg in der dritten Stunde der Nacht mit wenigen Getreuen ein Schiff und vertraute sich der hohen See an. Am andern Tage aber wurde er von seinen Mitbürgern gesucht, aber nicht gefunden, und es erhob sich ein ungeheures Wehklagen, daß der geliebteste Fürst des Vaterlandes nirgends zu finden war, und es herrschte in der ganzen Stadt eine große Trauer. Er besaß aber die Liebe seiner Mitbürger in einem so hohen Grade, daß lange Zeit hindurch die Bartscheerer feiern mußten, die öffentlichen Schauspiele ruhten, die Bäder verschlossen wurden und Niemand weder die Tempel noch Wirtshäuser besuchte. Während aber die Sachen so standen, kam Taliarchus, der vom König Antiochus gesandt war, jenen zu ermorden, an, und da er alle Häuser verschlossen sah, sprach er zu einem Knaben: sage mir bei Deinem Leben, warum diese Stadt also in Trauer liegt? Der Knabe aber sprach: o Theuerster weißt Du denn nicht bereits, was Du fragst? Diese Stadt hat Trauer angelegt, weil der Fürst Apollonius nach seiner Zurückkunft vom König Antiochus sich nirgends sehen läßt. Wie das Taliarchus hörte, kehrte er voller Freude auf sein Schiff zurück, segelte wieder nach Antiochia, begab sich zu dem König und sprach: Herr, mein König freue Dich, weil Apollonius aus Furcht vor Dir sich nicht wieder hat blicken lassen. Der König aber sagte: fliehen kann er wohl, aber mir nicht entfliehen. Alsbald ließ er folgendes Edict bekannt machen: »Wer mir den Apollonius von Tyrus, den Verräther meiner Majestät, ausliefern wird, soll funfzig Goldtalente erhalten, wer aber seinen Kopf abschlagen wird, der soll hundert haben«. Hierauf ließen sich nicht blos seine Feinde, sondern auch seine Freunde von der Habsucht verlocken und machten sich eilig auf dem Apollonius nachzusetzen. Man forschte aber dem Apollonius zu Wasser und zu Lande, in den Wäldern und jeglichem Schlupfwinkel nach, und fand ihn doch nicht. Darauf ließ der König ganze Schiffsflotten ausrüsten, um den Jüngling zu verfolgen, allein während sich die dazu Bestellten noch bei der Ausrüstung derselben aufhielten, kam Apollonius nach Tharsis und wurde, als er am Gestade herumspatzierte, von einem seiner Sclaven, mit Namen Elinatus, erblickt, der zu derselbigen Stunde angekommen war. Dieser aber trat zu ihm und sprach: Heil sey Dir, König Apolloni. Als der aber also begrüßt wurde, machte er es so, wie es Mächtige zu thun pflegen und beachtete den Mann gar nicht. Darüber ward der Alte sehr aufgebracht, grüßte ihn zum zweiten Male und sprach: Heil sey Dir König Apolloni, erwidere doch meinen Gruß und wolle nicht eine durch anständige Sitten geschmückte Armuth gering schätzen. Denn wenn Du wüßtest, was ich weiß, würdest Du Dich wohl in Acht nehmen. Jener aber sprach: saget mir es doch, wenn es Euch gefällig ist. Der aber sprach: Du bist geächtet. Jener entgegnete aber: und wer hat denn den Fürsten seiner Vaterstadt in die Acht erklärt? Elinatus aber sprach: der König Antiochus. Weshalb denn der König Antiochus? Elinatus entgegnete: weil Du seyn willst, was er als Vater ist. Apollonius versetzte: und für wie viel hat er mich denn geächtet? Und jener entgegnete: wer Dich ihm lebend stellen wird, der soll funfzig Goldtalente, wer ihm aber Deinen Kopf bringt, der soll hundert Talente als Lohn haben. Darum ermahne ich Dich, irgendwo Schutz zu suchen. Als Elinatus also gesprochen hatte, entfernte er sich. Apollonius aber rief ihm nach und bat ihn, er möchte doch zu ihm kommen, er wolle ihm hundert Goldtalente geben, und sprach: nimm sie doch von meiner Armuth, weil Du sie verdient hast, haue mir den Kopf ab und überreiche ihn dem König: das wird ihm große Freude machen. Siehe hier hast Du hundert Goldtalente und dabei bleibst Du ohne Schuld, weil ich Dich aus freiem Willen dazu gedungen habe, daß Du dem König eine so große Freude machen sollst. Der Greis aber antwortete ihm: Herr, es sey ferne von mir, daß ich um einer solchen Sache Willen jemals in meinem Leben eine Belohnung haben möchte: rechtliche Leute stellen Freundschaft niemals dem Gelde gleich. Und nachdem er den König Apollonius noch sehr gepriesen hatte, begab er sich hinweg. Nach Diesem, als Apollonius sich noch auf demselben Flecke am Meeresufer erging, sah er einen Mann auf sich zu kommen, Namens Stranguilio, der ein betrübtes und trauriges Gesicht machte. Apollonius aber ging auf ihn los und sprach zu ihm: Heil sei Dir Stranguilio. Und dieser erwiderte: auch Dir mein König Apolloni, und setzte hinzu: sage mir doch, weshalb Du Dich an diesem Orte mit so verstörter Miene aufhältst? Apollonius sprach: weil ich die Tochter des Königs, nachdem ich die Wahrheit gesprochen hatte, zur Frau und zu meiner ehelichen Gemahlin begehrte. Ich wünsche also und bitte, daß ich, wenn es möglich ist, mich in Euerer Stadt verstecken kann. Stranguilio aber sagte: Herr Apollonius, unsere Stadt ist sehr arm und nicht im Stande Deine hohe Geburt standesgemäß aufrecht zu erhalten: außerdem leiden wir an einer schweren Hungersnoth und Getreidemangel, und unsere Mitbürger haben keine Hoffnung auf Erlösung, sondern der grausamste Tod schwebt vor unsern Augen. Apollonius aber erwiderte: danket Gott, der mich auf meiner Flucht an Euere Gränze verschlagen hat, ich will Euerer Stadt hunderttausend Scheffel Korn geben, wenn Du nur meine Flucht hierher verheimlichen willst. Als das Stranguilio hörte, warf er sich ihm zu Füßen und sprach: Herr Apollonius, wenn Du dieser verhungerten Stadt zu Hülfe kommen willst, werden wir nicht blos Deine Flucht geheim halten, sondern wenn es nöthig ist, auch für Deine Erhaltung kämpfen. Hierauf bestieg Apollonius auf dem Markte den Richterstuhl und sprach zu allen Bürgern jener Stadt, welche anwesend waren: Ihr Bürger von Tharsis, welche Getreidemangel drückt und plagt, ich Apollonius von Tyrus will Euch helfen, denn ich denke, daß Ihr dieser Wohlthat eingedenk seyn und meine Flucht geheim halten werdet. Denn wisset, daß ich nicht wegen meiner Reise, wohl aber zu Euerem Glücke hierher geführt worden bin. Ich will Euch also hunderttausend Scheffel Korn um denselben Preis geben, als ich sie in meiner Heimath gekauft habe, nehmlich einen jeden für acht Schillinge. Wie das die Bürger hörten, daß sie einen Scheffel um acht Schillinge kaufen könnten, wurden sie sehr froh, dankten ihm und fingen sogleich an das Korn zum Gebrauche zuzurüsten. Apollonius aber nahm zwar das Geld, allein damit es nicht schiene, als wenn er seine königliche Würde abgelegt hätte und mehr ein Kaufmann als ein Wohlthäter wäre, schenkte er dasselbe dem Gemeindevermögen dieser Stadt wieder. Wie aber die Bürger diese seine so großen Wohlthaten erkannten, errichteten sie ihm auf dem Markte eine Bildsäule, auf welcher er auf einem Wagen stehend dargestellt war, wie er mit der rechten Hand die Aehren brach und sie mit dem linken Fuße austrat, und schrieben darunter auf das Fußgestell: »der Apollonius von Tyrus hat der Stadt Tharsis ein Geschenk gegeben, welches sie von einem schrecklichen Tode errettet hat«. Als hierauf einige Tage verflossen waren, nahm er sich vor auf den Rath des Stranguilio und seiner Frau Dyonisiades nach der Tyrrhenerstadt Pentapolis zu schiffen, um sich daselbst zu verbergen, während seine Gutthaten mit Ruhe und Wohlfahrt vollzogen wurden. Er wurde also mit großen Ehren an's Meer geführt und bestieg, nachdem er Allen ein Lebewohl gesagt hatte, sein Schiff. Allein nach drei Tagen und ebensoviel Nächten, als er das Gestade von Tharsis verlassen hatte, und er bisher mit günstigem Winde gesegelt war, veränderte sich auf einmal das Meer. Denn in wenigen Stunden erhob sich nun ein Sturm, indem der Aquilo und Eurus die Flotte bedrängten: der Himmel ergoß sich mit ungeheurem Regen, das Tyrische Schiffsvolk ward vom Sturm vernichtet, das Schiff borst zu gleicher Zeit, der Zephyrus wühlte das Meer auf, Hagel und dunkle Wolken lagerten sich auf demselben. Es bliesen aber die Winde so stark, daß der Tod Alle erfaßte, zwar haschte Jeder nach einem Brete, allein bei einer solchen Finsterniß und Unwetter kamen Alle um's Leben. Apollonius allein ward durch eine Planke, die er glücklicher Weise erhascht hatte, an die Küste der Pentapolis getrieben, und als er jetzt am Ufer stand und auf das nun ruhige Meer hinblickte, sprach er also: o Du treuloses Meer, lieber will ich in die Hände des grausamsten Königs gerathen, als in die Deinigen: wohin soll ich mich jetzt wenden, wo soll ich ein Vaterland finden, welcher Bekannte soll mir dem Unbekannten beistehen? Während aber Apollonius also bei sich sprach, erblickte er einen jungen Mann, der auf ihn zukam, einen kräftigen Schiffer in einen schmutzigen Mantel gehüllt, und weil ihn die Noth dazu zwang, so warf er sich ihm zu Füßen und sprach unter vielen Thränen: erbarme Dich, wer Du auch bist, eines Schiffbrüchigen, der nur das nackte Leben gerettet hat, aber nicht von niedrigen, sondern vornehmen Eltern gezeugt ist: und damit Du es weißt, wessen Du Dich erbarmen sollst, ich bin Apollonius von Tyrus, ich der Herr meiner Vaterstadt flehe Dich an mir das Leben zu retten. Als aber der Fischer die Schönheit des jungen Mannes gewahr ward, da ward er von Mitleid bewegt, hob ihn auf und führte ihn unter das Dach seiner Wohnung, setzte ihm Speisen vor, so viel er nur bekommen konnte, und damit er seiner Mildthätigkeit noch vollständiger Genüge leisten möchte, zog er seinen großen Kittel aus, theilte ihn in zwei Hälften, gab eine davon dem jungen Manne und sprach: nimm, was ich habe und gehe in die Stadt, vielleicht wirst Du da Jemanden finden, der sich Deiner erbarmt, so Du aber Keinen findest, kehre wieder zu mir zurück und laß Dir an meiner Armuth genügen. Der Fischer setzte noch hinzu: nur daran erinnere ich Dich, daß wenn Du irgend einmal Deiner früheren Herrlichkeit zurückgegeben wirst, Du dann die Armuth eines geringen Fischermannes nicht verachten magst. Apollonius aber erwiderte: wenn ich nicht ewig Deiner gedenken werde, will ich noch einmal Schiffbruch leiden und nicht einen Mann finden wie Du bist. Als er so gesprochen hatte, schlug er den ihm gezeigten Weg ein und trat in das Thor der Stadt. Während er aber noch darüber nachdachte, wo er Hülfe hernehmen solle, sah er einen nackten Knaben durch die Straßen laufen, der sein Haupt mit Oel gesalbt hatte und mit einem Handtuche umgürtet war, und mit lauter Stimme Folgendes ausschrie: höret es Alle, höret es ihr Fremden und Knechte, wer sich abwaschen will, der trete in die Badestube. Wie das Apollonius vernommen hatte, zog er seinen alten Rock aus, begab sich in das Bad und bediente sich des Wassers desselben. Während er aber alle Anwesenden einzeln anschaute, suchte er einen seines Gleichen, fand aber keinen. Als plötzlich der König der ganzen Umgegend Altistrates mit einem Schwarme von Dienern hereintrat, und als der König mit seinen Knechten das Ballspiel trieb, da bückte sich Apollonius vor dem König, hob den laufenden Ball auf und sandte ihn mit einer feinen Leichtigkeit geschlagen wieder dem König zurück. Darauf sprach der König zu seinen Dienern: entfernt Euch: denn hier ist ein Jüngling, der es mit mir, wie ich denke, aufnehmen kann. Als Apollonius aber hörte, daß er gelobt werde, trat er muthvoll hin zum König, und nachdem er das Gefäß mit Oel und Wachssalbe ergriffen hatte, salbte er ihn am ganzen Körper mit geschickter Hand, und bähete ihn dann auf einem weichen Sessel und hörte mit seinen Dienstleistungen erst auf, als jener sich entfernte. Und der König sprach zu seinen Freunden, nach dem Weggange des Jünglings: ich schwöre Euch, daß ich mich in Wahrheit nie besser gebadet habe, als heute durch dieses Jünglings Dienstfertigkeit, ob ich gleich nicht weiß wer er ist: dabei sah er einen seiner Diener und sprach: siehe zu, wer der Jüngling ist, der mich bedient hat. Jener aber folgte dem jungen Manne und sah, daß er mit einem schmutzigen und schlechten Mantel bekleidet war, kehrte zum König zurück und sprach: der junge Mann ist ein Schiffbrüchiger. Der König erwiderte: woher weißt Du das? Und jener versetzte: auch ohne daß er es sagt, zeigt es seine Kleidung an. Der König aber sprach: gehe schnell hin zu ihm und sage ihm: der König läßt Dich bitten, Du möchtest heute an seiner Tafel speisen. Wie das Apollonius hörte, freuete er sich sehr und begab sich mit dem Diener zum Könige. Der Diener trat aber eher in dessen Gemach und sprach: der Schiffbrüchige ist da, allein wegen seiner schmuzigen Kleidung schämt er sich herein zu kommen. Und gleich ließ ihn der König mit seiner würdigen Gewändern bekleiden und in das Speisezimmer treten. Als aber Apollonius in den Speisesaal getreten war, setzte er sich an einem ihm angewiesenen Orte, dem Könige gegenüber nieder: es wurde zuerst ein Frühstück, dann aber ein königliches Mahl aufgetragen, allein Apollonius langte nicht zu, obgleich Alles speiste, sondern betrachtete mit Thränen in den Augen das goldene und silberne Geschirr und die Diener des Königs. Darauf sprach einer von den Gästen zum König: wenn ich nicht irre, beneidet dieser junge Mann da Dein Glück. Der König aber entgegnete: Dein Verdacht ist unbegründet: er beneidet nicht mein Glück, wohl aber trauert er darüber, daß er so viel verloren hat. Hierauf schaute der König dem Apollonius in's Gesicht und sprach zu ihm mit freundlicher Miene: Jüngling, iß doch mit uns und hoffe, daß Gott Dir ein besseres Schicksal verleihen wird. Während er ihm aber noch also zuredete, da trat plötzlich die Tochter des Königs, eine erwachsene Jungfrau, herein und küßte ihren Vater und alle seine an der Tafel befindlichen Freunde. Wie sie aber einen Jeden geküßt hatte, kehrte sie zu ihrem Vater zurück und sprach: guter Vater, wer ist der junge Mann, der den Ehrenplatz Dir gegenüber inne hat und so betrübt ist. Der König aber sprach: o mein süßes Töchterlein, dieser Jüngling hat Schiffbruch gelitten und mir in der Ringschule viel Liebesdienste erzeigt: darum habe ich ihn zu Tische geladen, wer er aber ist, weiß ich nicht: so Du es aber wissen willst, so frage ihn, denn es ist recht, daß Du Alles erfährst, und vielleicht wirst Du Mitleid mit ihm empfinden, wenn Du ihn kennen gelernt hast. Als das das Mädchen hörte, trat sie zu ihm und sprach: mein Lieber, Dein edles Aussehn zeugt von Deiner adeligen Abstammung, wenn es Dir nicht unangenehm ist, so verkündige mir Deinen Namen und Deine Begebenheiten. Jener aber erwiderte: wenn Du meinen Namen wissen willst, den habe ich auf dem Meere verloren, wenn meinen Adel, den habe ich in Tyrus gelassen. Das Mädchen aber sprach: rede deutlicher, damit ich Dich verstehen kann. Darauf erzählte ihr Apollonius alle seine Unglücksfälle und nannte ihr seinen Namen. Als er aber seine Rede geendigt hatte, fing er an Thränen zu vergießen, und der König sprach, als er ihn weinen sah, zu seiner Tochter: mein süßes Kind, Du hast Unrecht gethan, daß Du den Namen und Schicksale dieses jungen Mannes zu wissen verlangtest, denn Du hast seinen alten Schmerz von Neuem hervorgerufen. Meine süße Tochter, da Du jetzt die Wahrheit weißt, so ist es billig, daß Du ihm Deine königliche Milde zu Theil werden lässest. Als aber das Mägdlein den Willen ihres königlichen Vaters vernommen hatte, blickte sie den Jüngling an und sprach: Apollonius, Du bist jetzt der unsere, lege Deine Trauer ab, denn mein Vater wird Dich wieder reich machen. Apollonius aber dankte ihr mit Seufzen und Ehrerbietung. Darnach sprach der König zu seiner Tochter: hole Deine Leier, auf daß Du mit Deinem Gesange unsere Gäste erheiterst. Hierauf ließ sich die Prinzessin ihre Leier bringen und begann dieselbe lieblich zu spielen. Alle aber fingen an sie zu preisen und zu sagen: man kann nichts Schöneres noch Süßeres hören. Allein aber von ihnen schwieg Apollonius, und der König sprach zu ihm: Apollonius, Du thust nicht recht, Alle loben meine Tochter bei ihrem Spiele, warum findest Du allein keinen Gefallen an ihr? Jener aber sprach: guter König, wenn Du mir es gestattest, will ich Dir sagen, was ich denke: Deine Tochter hat zwar die Musik angefangen, allein sie noch nicht vollkommen inne. Befiehl also, daß man mir die Leier übergiebt, und Du sollst sogleich erfahren, was Du bisher noch nicht wußtest. Der König aber versetzte: Apolloni, ich sehe, daß Du in allen Dingen wohl unterrichtet bist. Hierauf ließ er ihm die Leier geben und schmückte ihm, als er hinausgegangen war, das Haupt mit einem Kranze. Jener aber nahm die Leier, trat wieder in den Speisesaal und spielte so lieblich vor dem König, daß ihn Alle nicht mehr für Apollonius, sondern für Apollo selbst hielten. Die Gäste aber sprachen zum König, sie hätten nie etwas Besseres gehört oder gesehen. Wie aber die Königstochter Solches vernahm, schaute sie den Jüngling an und ward von Liebe zu ihm ergriffen, sprach also zu ihrem Vater: o Vater, erlaube, daß ich dem Jüngling geben darf, was mir beliebt. Der König aber sprach: ich gestatte es. Hierauf wandte sie ihren Blick auf Apollonius und sprach zu ihm: Meister Apollonius, empfange von der Gütigkeit meines Vaters zweihundert Goldtalente, vierhundert Pfund Silbers reichliche Gewänder, zwanzig Sclaven und zehn Dienerinnen; zu diesen aber sprach sie: holet was ich ihm eben versprochen habe, und in Gegenwart der Freunde des Königs und bei geöffneten Thüren des Speisesaals wurde Alles auf Befehl der Prinzessin hereingebracht. Hierauf standen aber Alle auf und begaben sich, nachdem sie sich bei'm König beurlaubt hatten, hinweg. Apollonius aber sprach: guter König, Du Erbarmer der Unglücklichen, und Du Prinzessin, Du Freundin der Wissenschaften und Gönnerin der Weltweisheit, lebet wohl. Hierauf wandte er sein Gesicht zu den Dienern, welche ihm die Prinzessin verehrt hatte und sprach: nehmet Ihr Diener, was mir geschenkt worden ist, und laßt uns gehen und eine Herberge suchen. Das Mädchen aber fürchtete, sie möchte ihren Geliebten verlieren, und ward sehr traurig, blickte ihren Vater an und sprach: guter König und liebster Vater, willst Du es haben, daß Apollonius, der erst heute durch uns wohlhabend geworden ist, dahin gehe und ihm böse Menschen wieder abnehmen, was wir ihm geschenkt haben? Darauf befahl der König eilig, es solle jenem ein Zimmer angewiesen werden, wo er ruhig und seinem Stande gemäß schlafen könne. Das Mägdlein aber, welches von Liebe entbrannt war, hatte eine unruhige Nacht und begab sich daher früh Morgens in das Schlafgemach ihres Vaters. Als sie derselbe aber gewahr wurde, sprach er zu ihr: was heißt das, daß Du wider Deine Gewohnheit so frühzeitig erwacht bist? Das Mägdlein aber entgegnete: ich konnte keine Ruhe finden, weshalb ich Dich, liebster Vater, ersuche, daß Du mich dem jungen Manne zu unterrichten giebst, auf daß ich die Musik und andere Dinge erlernen kann. Wie das der König hörte, freuete er sich, ließ den Jüngling zu sich rufen und sprach zu ihm: Apolloni, meine Tochter wünscht sehr Deine Kunst zu erlernen, ich bitte Dich also, daß Du ihr Alles zeigst, was Du selbst weißt: ich will Dir dafür einen Deiner würdigen Lohn zahlen. Jener aber sprach: Herr ich bin bereit, Euerem Willen Genüge zu leisten. Er unterrichtete also das Mägdlein in Allem, was er selbst gelernt hatte. Allein die Prinzessin ward nach Diesem aus allzugroßer Liebe zu dem Jüngling krank, und da der König sah, daß seine Tochter ein Unwohlsein angefochten habe, ließ er seine Aerzte kommen. Diese aber befühlten die Adern und einzelnen Theile des Körpers derselben, konnten aber nirgends eine Krankheit entdecken. Nach wenigen Tagen aber begrüßten drei sehr edle junge Männer, die seit langer Zeit die Prinzessin schon zur Ehe begehrt hatten, den König wie mit einem Munde, und der König blickte sie an und sprach: was wollt Ihr denn? Sie aber entgegneten: deswegen, weil Du uns öfters versprochen hast, einem von uns Deine Tochter zur Gemahlin zu geben, darum sind wir heute zusammen hierher gekommen. Wir sind Deine Unterthanen, reich und von edlen Eltern erzeugt: wähle also einen von uns dreien, welchen Du zum Schwiegersohne haben willst. Der König aber erwiderte: Ihr habt mich zu einer unpassenden Zeit gestört: meine Tochter liegt jetzt den Wissenschaften ob, ist aber aus lauter Liebe zum Studieren unpaß geworden, damit ich jedoch nicht scheine Euch hinhalten zu wollen, so schreibt mir auf Euere Schreibtafeln Euere Namen und die Größe Eueres Erbtheils, die will ich dann meiner Tochter einhändigen, und sie mag dann selbst den wählen, welchen sie haben will. Jene aber thaten also: der König aber nahm, was sie geschrieben hatten, las es, drückte sein Siegel darauf und übergab es mit folgenden Worten dem Apollonius: Meister, nimm diese Papiere und händige sie Deiner Schülerin ein. Apollonius aber nahm sie und brachte sie dem Mägdlein. Als aber die Prinzessin den erblickte, welchen sie liebte, sprach sie: Meister, was giebt es, daß Du allein in mein Gemach trittst? Apollonius aber erwiderte: nimm diese Schreibtafeln, welche Dir Dein Vater sendet, und lies. Das Mägdlein öffnete aber die Schreibtafeln, las die drei Namen ihrer Freier, warf sie auf die Erde, blickte ihren Apollonius an und sprach zu ihm: Meister Apollonius, thut es Dir nicht leid, daß ich einem Andern zur Ehe gegeben werden soll? Jener aber entgegnete: nein, denn Alles was Dir geschieht, wird auch für mich Ehre und Gewinn seyn. Das Mägdlein aber sprach: Meister, wenn Du mich liebtest, würde es Dir weh thun. Hierauf schrieb sie eine Antwort darunter, versiegelte die Schreibtafel wieder und übergab sie dem Apollonius, daß er sie dem König überbrächte. Sie hatte aber so geschrieben: mein König und theuerster Vater, da mir Deine Huld gestattet hat Dir zu antworten, so schreibe ich Dir jetzt wieder: ich wünsche jenen Schiffbrüchigen zu meinem Ehegemahl zu haben. Als das der König gelesen hatte und die Meinung seiner Tochter nicht verstand, was für einen Schiffbrüchigen sie meine, wandte er sich zu den Jünglingen und sprach zu ihnen: wer von Euch hat Schiffbruch gelitten? Einer aber von ihnen, Namens Ardonius, sprach: ich. Ein anderer aber sagte: daß Dich die Pest treffe und Du nie wieder gesund und wohl werdest, da ich Dich als meinen Gespielen von klein auf kenne und Du niemals aus dem Thore dieser Stadt gegangen bist, daß Du hättest Schiffbruch erleiden können. Als nun der König nicht hatte finden können, wer von ihnen Schiffbruch gelitten hatte, schaute er den Apollonius an und sprach: nimm diese Brieftafel und lies: denn es wäre wohl möglich, daß Du das, was ich nicht verstehe, weißt, da Du dabei warest, als sie schrieb. Apollonius aber nahm das Schreiben, durchlief es schnell und erröthete, als er merkte, daß er geliebt sey. Hierauf sprach der König zu ihm: Apolloni, hast Du den Schiffbrüchigen herausgefunden? Jener sagte aber nur wenig Worte, weil er sich schämte. Hierin konnte man aber recht die Weisheit des Apollonius inne werden, denn, wie der Weise spricht: Weisheit mangelt beim Schwatzen. Daher sagt der erste Brief Petri im zweiten Capitel: Christus hat Euch sein Vorbild gelassen, daß Ihr sollt nachfolgen seinen Fußtapfen, welcher keine Sünde gethan hat, ist auch kein Betrug an seinem Munde erfunden worden: wie es Johannis am ersten heißt: laßt uns ihm also nachahmen, indem wir nicht Böses reden oder Scheltwort mit Scheltwort vergelten: sondern laßt uns unsere Zunge im Zaume halten, auf daß sie öfter segne, denn fluche: und also wird sie ein Werkzeug seyn zum schnellen Schreiben, das heißt des heiligen Geistes, der uns seine Gaben plötzlich eingießt, wie geschrieben steht: plötzlich erhob sich eine Stimme am Himmel u. s. w. Darum heißt es im zweiten Briefe Petri im ersten Capitel: wer gute Tage sehen will, der halte seine Zunge ab vom Bösen und seine Lippen mögen nicht Betrug reden: das heißt: er darf dieses weder bei sich heimlich murmeln, noch äußerlich einen Fluch ausstoßen: und also kann er sein Leben hier in zeitlichem, in der Zukunft aber in ewiglichem Frieden hinbringen. Denn der erste Friede wird im Ganzen dadurch erhalten, daß der Mensch nicht vermitelst seiner Zunge in böse Scheltworte ausbricht, die seine Nächsten beleidigen, und das ist der Anfang des ewigen Friedens. Daher sagt der Psalmist: im Frieden will ich schlafen und ruhen. Denn gleichwie die Zunge eines guten und friedfertig redenden Mannes durch die Tugend Gottes geleitet wird, also auch die Stimme des Fluchenden durch böse Geister, welche ihm dienen: wie geschrieben steht: in unserem Garten steht ein weißer Dornstrauch, auf welchem die Vögel ausruhen. Unter dem Garten aber müssen wir unsern Mund verstehen, der mit einem doppelten Zaune umgeben ist, nehmlich den Zähnen und Lippen, und zwar aus keinem andern Grunde, als daß wir unserer Zunge einen Wächter bestellen, auf daß sie nichts Anderes spricht, als was zur Ehre Gottes ist. Ein Dornstrauch aber, der in einem Garten steht, heißt unsere Zunge durch ein Gleichniß, weil sie ein wirklicher Dorn sticht. Also sagt Matthäus im sechsundzwanzigsten Capitel: und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf sein Haupt, also daß das Blut durch die gewaltigen Stiche jener Dornen aus seinem gesegneten Leibe strömte. Also sticht auch der Dorn, welcher Zunge genannt wird, den Menschen, indem er ihm bald seinen guten Namen nimmt, bald von sich lügt, bald Böses, was Andern unbekannt ist, an den Tag bringt, wovor man sich besonders hüten muß. Die Vögel aber, welche auf jenem Dornbusche ausruhen, das sind die Teufel, welche den Menschen vorzüglich zu solchen Fehlern veranlassen, auf daß er ihr Diener werde. Darum werden sie beim jüngsten Gericht also über ihn reden: o Du gerechter Richter, überlasse uns diesen Menschen; er der nicht durch Tugend Dir angehören wollte, ist durch Bosheit jetzt unser geworden. Ein Jeder mag also seine Zunge im Zaume halten, was Cato die erste Tugend nennt. Aber um wieder auf unsere Geschichte zurück zu kommen, wie der König merkte, daß seine Tochter diesen haben wollte, sprach er zu den andern: sobald ich Zeit habe, werde ich zu Euch kommen. Diese aber nahmen Abschied von ihm und gingen ihres Weges. Der König begab sich nun allein zu seiner Tochter hinein und sprach: was für einen Gemahl hast Du Dir auserlesen? Sie aber warf sich ihm mit Thränen zu Füßen und sprach: theuerster Vater, ich will den schiffbrüchigen Apollonius haben. Wie aber der König seine Tochter in Thränen sah, hob er sie auf von der Erde und sprach also zu ihr: süßes Töchterlein, denke an nichts Anderes, denn Du hast Dir den erkoren, für welchen auch ich gewesen bin, sobald ich ihn nur erblickt hatte. Weil ich nun aber Dein lieber Vater bin, so will ich Deinen Hochzeitstag ohne Verzug festsetzen. Am folgenden Tage wurden nun die Freunde des Königs aus den benachbarten Städten herbeigerufen, und der König sprach zu ihnen: Ihr Lieben, meine Tochter will ihren Lehrer Apollonius heirathen, ich bitte Euch also, daß Ihr Euch des alle freuen möget, weil sich meine Tochter einem so klugen Manne vermählt. Als er so gesprochen hatte, bestimmte er einen Tag zu ihrer Vermählung, sie aber wurde schnell schwanger, und als sie ein Kind unter ihrem Herzen trug, begab es sich, daß sie mit ihrem Manne, dem König Apollonis, am Ufer des Meeres spazieren ging und ein kostbares Schiff erblickte. Apollonius aber erkannte, daß es aus seinem Vaterlande sey, wandte sich also zu dem Schiffsherrn und sprach: wo kommst Du her? Jener aber erwiderte: von Tyrus. Apollonius aber entgegnete: das ist der Name meiner Vaterstadt. Der Andere erwiderte: also bist Du ein Tyrier. Und jener sprach: es ist so, wie Du sagst. Darauf sagte der Schiffherr: kennst Du vielleicht einen Fürsten aus dieser Deiner Vaterstadt, der Apollonius heißt? Ich bitte Dich, daß wo Du ihn auch erblicken magst, Du ihm sagest, er möge sich freuen und gutes Muthes seyn, weil der König Antiochus samt seiner Tochter vom Blitz getroffen worden ist, und die Schätze seines Reiches zu Antiochia für den Apollonius aufbewahrt werden. Wie das Apollonius hörte, sprach er voll Freude zu seiner Gemahlin: ich bitte Dich, laß mich von hier ziehen, um mein Reich in Besitz zu nehmen. Jene aber sprach, indem sie Thränen vergoß: o Herr, wenn Du auf einer weiten Reise wärest, müßtest Du zu meiner Niederkunft herbeieilen, und jetzt willst Du Dich entfernen, da Du doch bei mir bist: so Du es aber willst, wollen wir zusammen dorthin schiffen. Hierauf ging sie zu ihrem Vater und sprach: o geliebter Vater, freue Dich mit uns, weil der alte König Antiochus samt seiner Tochter durch das Gericht Gottes vom Blitze erschlagen worden ist, seine Schätze aber und seine Krone für uns aufbewahrt werden; erlaube also, daß ich mit meinem Manne dorthin fahren darf. Der König aber freuete sich sehr, ließ Schiffe an's Gestade ziehen und mit allen möglichen Gütern beladen, befahl auch, daß eine Amme Namens Ligozis und eine Wehmutter, der Entbindung seiner Tochter wegen, die Reise mitmachen sollten, gab ihnen die Erlaubniß abzureisen, begleitete sie bis an's Ufer und gab seiner Tochter und seinem Schwiegersohne viele Küsse mit auf den Weg. Als sie aber einige Tage auf dem Meere gewesen waren, da erhob sich ein gewaltiges Ungewitter, und die Prinzessin ward durch die Geburt einer Tochter so schwach, daß sie todt zu seyn schien. Wie das ihre Dienerinnen bemerkten, erhoben sie ein lautes Geschrei und Geheul, Apollonius eilte herbei, und als er seine Gemahlin wie todt daliegen sah, da riß er seine Kleider von seinem Leibe, warf sich unter Thränenströmen über ihren Körper hin und sprach: theures Weib, Tochter des Altistrates, was soll ich Deinem Vater über Dich antworten? Kaum hatte er also gesprochen, so sagte der Steuermann zu ihm: kein Schiff kann einen Leichnam ertragen, befiehl also den Körper in's Meer zu werfen, auf daß wir dem Tode entrinnen können. Apollonius aber sprach zu ihm: was sagst Du, Schändlicher? Du willst also, daß ich diesen Körper in's Meer werfe, der mich, als ich schiffbrüchig und arm war, aufgenommen hat. Er berief also seine Diener zu sich und sprach: machet einen Sarg mit Oeffnungen und verklebt sie mit Erdharz: hinein aber leget eine bleierne Tafel und befestigt sie darin. Als nun das Behältniß fertig war, legten sie die Prinzessin mit köstlichem Schmuck geziert in den Sarg und eine Menge Gold unter ihrem Kopf; hierauf gab er unter vielen Thränen dem Leichnam einen Kuß, befahl das Kind aufzuziehen und sorgsam zu ernähren, um dem König statt seiner Tochter eine Enkelin zeigen zu können, und gebot unter vielem Weinen den Sarg in's Meer zu senken. Am dritten Tage warf aber die Meeresfluth den Kasten an das Gestade von Ephesus nicht weit vom Hause eines Arztes, Namens Cerimon, der mit seinen Schülern an selbigem Tage am Meeresufer spazieren ging. Als der nun den Kasten, welchen die Wellen an's Land geworfen hatten, vor sich liegen sah, sprach er zu seinen Dienern: hebet diesen Kasten auf und traget ihn aber mit möglichster Behutsamkeit nach meinem Landgute. Als sie das gethan hatten, öffnete ihn der Arzt und erblickte darin ein mit königlichem Schmuck geziertes und sehr schönes Frauenzimmer. Alle aber, die ihre Schönheit erblickten, wunderten sich sehr, denn es war in ihr eine wahrhaft strahlende Schönheit, so daß die Natur an ihr weiter nichts Fehlerhaftes hervorgebracht hatte, als daß sie dieselbe nicht hatte unsterblich werden lassen. Denn ihre Haare waren glänzend wie Schnee, unter ihnen aber thronte die milchweiße Fläche der Stirne, auf der sich auch nicht eine einzige häßliche Runzel zeigte. Ihre Augen aber waren wie zwei kreisende Sterne, an Geschwindigkeit, nicht aber an Entgegenkommen denselben ähnlich, denn sie waren durch einen bescheidenen Blick gefesselt und versprachen die Beständigkeit eines treuen Gemüths. Auch ihre Augenlider hatte die Natur auf eine reizende Weise mit ihren Augenwimpern in Einklang gebracht; auch ihre Nase bildete eine vollkommen gerade Linie, indem sie auf angenehme Weise die beiden Theile des Gesichts durchschnitt, sie erhob sich aber weder durch allzugroße Länge nach vorn zu, noch war sie durch allzugroße Kürze abgeschnitten, sondern zeigte sich in einem schicklichen Ebenmaße. Ihr Hals, glänzender als die Strahlen der Sonne und mit Halsgeschmeiden verziert, versetzte aller Augen in wunderbares Entzücken. Ihr übriger Körper war aber weder zu klein, noch durch eine allzugroße Fülle strotzend, so daß durchaus Niemand an ihr etwas auszusetzen hatte. Aus ihrer Brust traten aber zwei reizende Aerme, wie Aeste aus dem Stamme eines Baumes hervor, ihre Finger hatten eine verhältnißmäßige Größe, indem der Glanz derselben sogar nicht an dem Ebenmaße der Nägel übersehen war. Da nun aber diese außerordentliche Schönheit durchaus keine Beimischung von irgend etwas Entstellendem duldete, so konnte man dabei auch eine besondere Vollkommenheit ihrer Seele bemerken, da durch die Schöpfung der göttlichen Macht sowohl Handlungen als Körperkraft in einem gehörigen Verhältnisse zu einander stehen müssen, und jegliche That eines Handelnden nur auf einer Vorherbestimmung beruht, so daß alle Schönheit des auswendigen Leibes erst von der innern Schönheit der Seele ausgeht, weshalb man sagt, daß die mannigfaltigen Vorzüge der Gestalt sich der Masse des Stoffes anpassen. Dieses beste Verhältniß fand aber zwischen dem Körper und der Seele dieser Prinzessin statt. Als nun der Arzt sie wie todt vor sich liegen sah, erstaunte er und sprach: o liebes Mädchen, warum bist Du so verlassen? Er sah aber, daß unter ihrem Haupte eine Summe Goldes lag, und auf dem Golde eine beschriebene Tafel, und sprach: wir wollen doch sehen, was diese Schreibtafel enthält. Als er sie geöffnet hatte, fand er folgendes darauf geschrieben: wer diesen Sarg findet, den bitte ich, daß er zehn Goldstücke für sich behält, fünf aber auf das Begräbniß dieses Leichnams verwendet; denn dieser Leichnam hat seinen Angehörigen viele Thränen und bittere Schmerzen hinterlassen; so aber Jemand anders thut, als der Schmerz von ihm fordert, der möge des Todes seyn und Niemanden finden, der seinen Leib dem Grabe übergebe. Als nun jener dieses Schreiben durchgelesen hatte, sprach er zu seinen Dienern: laßt uns dem Körper gewähren, was der Schmerz von uns fordert. Alsbald ließ er einen Scheiterhaufen erbauen, allein während man noch damit beschäftigt war, den selben aufzurichten um den Körper darauf zu legen, kam ein junger Schüler des Arztes dazu, der jedoch, was sein Genie anging, ein Greis zu seyn schien. Als dieser den schönen Leichnam auf dem Scheiterhaufen liegen sah, erblickte ihn auch sein Meister und sprach zu ihm: Du kommst zur guten Stunde, denn eben wartete ich auf Dich: nimm diese Flasche mit Salbe und gieße sie, was das Letzte bei dem Begräbniß ist, über den Leichnam. Also trat der Jüngling zu dem Leichnam und zog dessen Gewänder weg, und goß mit seiner Hand die Salbe über den ganzen Körper, fühlte aber dabei Leben am Herzen desselben. Der Jüngling erstaunte, fühlte den Puls, und entdeckte Lebenszeichen; prüfte hierauf die Nasenlöcher und legte seine Lippen auf den Mund des Leichnams und entdeckte Leben, welches noch mit dem Tode rang; hierauf sprach er also zu den Dienern: stecket langsam Fackeln an diese vier Enden, nehmt Euch aber in Acht. Als hierauf das Blut, welches erstarrt war, flüssig ward, und dieses der Jüngling gewahr wurde, sprach er zu seinem Meister: das Frauenzimmer, welches Du für todt hältst, lebt, und ich will, damit Du mir Glauben beimissest, Dir solches durch einen Versuch beweisen. Als er so gesprochen hatte, hob er die Prinzessin auf und trug sie in sein Schlafzimmer, und legte ihr heißes Oel auf die Brust; hierauf feuchtete er Wolle an und legte sie auf ihren Körper, so daß das Blut, welches innerlich erstarrt war, durch die Wärme wieder zum Fließen kam und der Athem anfing durch ihr Mark zu ziehen; hierauf öffnete er ihr die Adern, sie schlug die Augen auf, holte Athem und sprach, indem sie wieder zu sich kam: wer bist Du? berühre mich nicht anders, als es sich geziemt, denn ich bin die Tochter eines Königs und Gemahlin eines Königs. Als das der Jüngling hörte, ward er voller Freude, begab sich in das Zimmer seines Meisters und sprach zu ihm: siehe, Meister, das Frauenzimmer lebt. Der aber sprach: ich bin mit Deiner Erfahrung zufrieden, lobe Deine Kunst, bewundere Deine Klugheit. Höre von jetzt an sorgfältig auf meinen Rath: sey nie undankbar gegen Deine Kunst. Empfange hier Deinen Lohn, denn dieses Frauenzimmer hat eine große Summe Geldes bei sich gehabt; hierauf befahl er sie mit frischen Kleidern, gesunden Speisen und den besten Stärkungsmitteln zu laben, und nach wenigen Tagen, als er erfahren hatte, daß sie aus königlichem Blute entsprossen sey, rief er seine Freunde zu sich und nahm sie an Kindesstatt an. Sie aber bat ihn flehentlich, daß sie von Niemandem berührt werden möchte und unter den Priesterinnen der Diana dienen dürfe, worauf er sie mit Frauen dahin sandte, auf daß sie daselbst unverletzt bewahrt würde. Indessen segelte Apollonius mit großer Trauer dahin und landete durch die Führung Gottes zu Tharsus: hier stieg er aus und begab sich in das Haus des Stranguilio und der Dyonisiades, und erzählte ihnen, nachdem er sie begrüßt hatte, alle seine Unglücksfälle, indem er also sprach: zu meinem großen Kummer ist mir meine Frau gestorben, meine Tochter aber erhalten worden, worüber ich mich sehr freue. Darum, so ich mich auf Euch verlassen kann, will ich mein verloren gegangenes Reich, welches mir aufgehoben worden, nicht annehmen, aber auch nicht zu meinem Schwiegervater zurückkehren, dessen Tochter ich auf dem Meere verloren habe, sondern ich will lieber Handelsgeschäfte treiben: Euch aber vertraue ich mein Kind an, daß sie mit Euerer Tochter Philomacia erzogen werde, und meine Tochter den Namen Tharsia erhält. Außerdem wünsche ich, daß Ligozis, die Amme meiner Frau, auch die Sorge für Dein Mädchen noch übernimmt. Mit diesen Worten übergab er dem Stranguilio das Kind, händigte ihm Gold und Silber und eine große Menge Kleider ein, und schwur, er wolle nicht eher sein Haar, seinen Bart und seine Nägel verschneiden, bis er seine Tochter verheirathet habe. Jene aber erstaunten gar sehr, schwuren ihm aber einen schweren Eid, daß sie seine Tochter mit allem Fleiße erziehen wollten. Apollonius bestieg nun ein Schiff und fuhr in ferne Länder. Indessen ward die Jungfrau Tharsia, als sie fünf Jahr alt geworden war, samt der Philomacia, der Tochter jener Leute, die mit ihr von gleichem Alter war, in die Schule geschickt: als sie nun aber das vierzehnte Jahr erreicht hatte, und einstmals aus dem Hörsaale nach Hause kam, fand sie ihre Amme Ligozis von plötzlichem Unwohlseyn ergriffen, setzte sich neben sie und fragte sie um die Ursache ihrer Krankheit. Die Amme aber sprach zu ihr: Gutes Kind, höre auf meine Worte und bewahre sie in Deinem Herzen. Wen hältst Du für Deinen Vater, oder Deine Mutter, oder Deine Vaterstadt? Das Mädchen aber entgegnete: meine Vaterstadt ist Tharsus, mein Vater Stranguilio und meine Mutter Dyonisiades. Da seufzte ihre Amme und sprach: höre, meine Tochter, die Geschichte Deiner Geburt, damit Du weißt, was Du nach meinem Tode thun mußt. Dein Vater heißt Apollonius, Deine Mutter aber war Lucina, eine Königstochter. Als sie Dich gebar, gab sie ihren Geist auf und starb, Dein Vater Apollonius aber ließ einen Sarg machen und sie mit ihrem königlichen Schmucke in's Meer versenken und legte ihr zwanzig Goldstücke unter das Haupt, damit, wohin sie auch von den Wellen getrieben würde, ihr diese nützen könnten. Das Schiff gelangte nun trotz dem Widerstande der Winde, mit Deinem trauernden Vater und Dir, die Du noch in der Wiege lagst, an diese Stadt, und der Tyrier Apollonius vertraute Dich und mich diesem seinen Gastfreunde, dem Stranguilio und der Dyonisiades an, und that ein Gelübde, er wolle nicht eher seinen Bart, seine Haare und Nägel verschneiden, als er Dich verheirathet habe. Jetzt rathe ich Dir aber, so nach meinem Tode Deine Gastfreunde, welche Du Deine Eltern nennst, Dir irgend ein Unrecht zufügen, so begieb Dich auf den Markt, wo Du ein Standbild Deines Vaters antreffen wirst, dieses fasse mit Deiner Hand an und rufe laut: ich bin die Tochter des Mannes, den dieses Standbild vorstellt. Die Bürger aber werden sich der Wohlthaten Deines Vaters erinnern und die Dir angethane Beleidigung rächen. Tharsia aber sprach zu ihr: theure Amme, ich rufe die Götter zu Zeugen an, daß, hättest Du mir dieses nicht gesagt, ich gar nicht wissen würde, woher ich wäre. Während sie aber noch also mit einander sprachen, gab die Amme ihren Geist auf. Tharsia aber beerdigte den Leichnam ihrer Amme und betrauerte ein ganzes Jahr lang ihren Tod; nach diesem aber legte sie ihre frühere vornehme Kleidung wieder an und ging, um sich weiter in den schönen Wissenschaften auszubilden, in die Schule; wenn sie aber aus derselben heraus kam, nahm sie nicht eher Speise zu sich, als bis sie das Grab ihrer Amme besucht hatte: dieses betrat sie aber immer, ein Gefäß mit Wein in der Hand, blieb dort eine Weile und rief ihre Eltern an. Während sie aber dieses that, ging einst Dyonisiades mit ihr und ihrer Tochter Philomacia über den Markt. Alle aber, welche die Zierlichkeit und Schönheit der Tharsia sahen, sprachen: glücklich ist der Vater, dessen Tochter Tharsia ist; die aber, welche an ihrem Arme hängt, ist häßlich und ein wahrer Abschaum. Als aber Dyonisiades das hörte, wie Tharsia gelobt und ihre Tochter getadelt wurde, gerieth sie in Wuth, setzte sich allein für sich hin und dachte bei sich: seitdem ihr Vater von hier weggereist ist, sind einige Jahre in's Land gegangen, er wird nicht wieder kommen, seine Tochter zu holen, hat auch keine Briefe nach ihr geschrieben: ich glaube, er ist todt; ihre Amme ist auch gestorben, ich habe jetzt keine Gegenwehr zu scheuen, und werde meine Tochter mit ihren Kostbarkeiten schmücken. Als sie noch so bei sich dachte, da kam ein Mann von ihrem Landgute, Namens Theophilus, den rief sie zu sich und sprach zu ihm: wenn Du eine Belohnung zu haben wünschest, so tödte mir die Tharsia. Der Meier aber sprach: was hat denn die unschuldige Jungfrau begangen? Jene aber erwiderte: sie ist eine sehr schlechte Person, also darfst Du mir diesen Dienst nicht verweigern: thue, wie ich Dir heiße, und wenn Du nicht also thust, soll es Dir übel bekommen. Jener aber sprach: Herrin, wie kann das geschehen? Sie aber antwortete: es ist ihre Gewohnheit, sobald sie aus der Schule kommt, nicht eher Speise zu sich zu nehmen, als bis sie in das Grabmal ihrer Amme getreten ist; wenn sie Dich dort mit einem Dolche gerüstet findet, so fasse sie bei den Haaren ihres Scheitels, morde sie und wirf ihren Körper in's Meer: dafür sollst Du Deine Freiheit nebst einer großen Belohnung empfangen. Der Meier nahm also einen Dolch, begab sich unter Seufzern und Thränen nach dem Grabmale und sprach: weh mir, ich verdiene mir die Freiheit nur dadurch, daß ich das Blut jener unschuldigen Jungfrau vergieße. Als nun das Mägdlein aus der Schule kam, trat sie nach ihrer Gewohnheit mit einer Flasche Wein versehen in das Grabmal, der Meier aber stürzte auf sie los, faßte sie bei den Haaren und warf die Jungfrau zu Boden: wie er aber im Begriff war sie zu durchbohren, sprach Tharsia zu ihm: o Theophile, was habe ich Dir oder irgend Jemandem gethan, daß ich jetzt sterben soll? Der Meier aber sprach: Du hast nichts verbrochen, aber Dein Vater, der Dich mit vielem Golde und königlichem Schmucke hier zurückgelassen hat. Darauf sprach das Mädchen zu ihm: Herr, ich bitte Dich, daß, wenn keine Hoffnung mehr für mich da ist, Du mir gestattest meinen Gott anzurufen. Der Meier aber entgegnete: bete, denn Gott weiß es, daß ich Dich nur gezwungen tödte. Wie sich aber jene zum Gebet niedergeworfen hatte, kamen Seeräuber herbei und schrieen, als sie jene in Todesgefahr erblickten und sahen, wie ein bewaffneter Mann im Begriff sey, sie zu durchbohren: schone sie, grausamer Barbar, sie ist unsere Beute, der Sieg ist nicht mehr Dein. Als aber jener Solches hörte, flüchtete er sich hinter das Grabmal und versteckte sich am Gestade, die Seeräuber aber schleppten die Jungfrau fort und begaben sich mit ihr wieder auf's Meer. Hierauf kehrte der Meier wieder zu seiner Herrin zurück und sprach zu ihr: es ist geschehen, wie Du befohlen hast; ich rathe Dir, lege jetzt, wie ich, Trauerkleider an, und wir wollen vor den Augen unserer Mitbürger einige erheuchelte Thränen vergießen und sagen, sie sey an einem schweren Gebreste gestorben. Wie das Stranguilio hörte, da ergriff ihn Furcht und Schrecken und er sprach: gieb mir also ein Trauerkleid, auf daß ich um sie trauern kann, weil ich in ein solches Verbrechen verwickelt worden bin. Weh, was soll ich thun? Der Vater jenes Mädchens hat diese Stadt aus Todesgefahr gerettet, um dieser Stadt Willen hat er Schiffbruch erlitten, seine Güter verloren und Mangel erduldet, und jetzt ist ihm Gutes mit Bösem vergolten worden. Ein grimmiger Löwe hat seine Tochter, welche er mir, um sie zu erziehen, gesandt hatte, verschlungen: weh mir, ich bin verblendet gewesen, jetzt muß ich die Unschuldige betrauern; durch eine schändliche, giftige Schlange habe ich mich überwältigen lassen. Dabei hob er seine Augen gen Himmel auf und sprach: Gott, Du weißt es, daß ich rein bin von Tharsias Blute, fordere es von der Dyonisiades zurück. Dabei schaute er seine Frau an und sprach: auf welche Weise hast Du die Königstochter um's Leben gebracht, Du Feindin Gottes und Schandfleck der Menschheit? Sie aber kleidete sich und ihre Tochter in Trauerkleider und vergossen Thränen, und sprachen zu ihren Mitbürgern: Ihr lieben Mitbürger, wir schreien zu Euch, denn die Hoffnung unserer Augen, Tharsia, die Ihr gesehen habt, ist plötzlich unter Schmerzen gestorben, und hat uns nur Jammer und bittere Thränen hinterlassen, wir aber haben sie auf eine ihrer würdige Weise bestatten lassen. Hierauf begaben sich die Bürger dahin, wo für die Verdienste ihres Vaters dessen Körper aus Erz dargestellt war, und wo die Bürger der Jungfrau Tharsia für die Wohlthaten ihres Vaters ein ehernes Grabmal errichten ließen. Die nun, welche das Mädchen geraubt hatten, langten bei der Stadt Machilenta an, und das Mägdlein ward unter den übrigen Sclaven zum Verkauf dargestellt. Als aber ein gottloser und unseliger Kuppler von ihr gehört hatte, fing er an sich vorzunehmen, dieselbe zu kaufen. Indessen erblickte sie auch Athanagoras, ein Fürst aus derselben Stadt, und da er ihre Schönheit, Adel und Klugheit gewahr wurde, bot er zehn Goldstücke für sie. Der Kuppler aber sprach: ich will zwanzig geben. Da entgegnete Athanagoras: ich gebe dreißig, und der Kuppler sagte: ich vierzig, Athanagoras aber: ich fünfzig, worauf der Kuppler sagte: ich achtzig, und Athanagoras erwiderte: ich neunzig, und der Kuppler sprach: ich will auf der Stelle hundert Goldstücke geben, und fügte noch hinzu: so Jemand mehr bietet, so will ich noch zehn Goldstücke zulegen. Da sprach Athanagoras: wenn ich mit dem Kuppler hier wetteifern wollte, so müßte ich mehrere Sclavinnen verkaufen, um für diese eine zu erhalten, ich will sie ihn also kaufen lassen, und wenn er sie in sein Haus bringen wird, da will ich zuerst zu ihr gehen und ihre Jungfrauschaft rauben, das wird dann gerade so gut seyn, als wenn ich sie selbst gekauft hätte. Kurz sie mußte sich mit dem Kuppler in dessen Sprechzimmer begeben, wo ein goldener und mit Edelsteinen verzierter Priapus aufgestellt war, und hier sprach er zu ihr: Mägdlein, an diesen da richte Dein Gebet. Sie aber versetzte: nimmermehr will ich mein Knie vor einer solchen Gottheit beugen, und fügte hinzu: Herr, bist Du vielleicht aus Lampsacus? Der Kuppler aber antwortete: weshalb? Und jene sprach: weil die Lamsacener den Priapus anbeten. Da sagte der Kuppler: Unglückliche, weißt Du nicht, daß Du das Haus eines habsüchtigen Wucherers betreten hast? Da warf sich das Mädchen ihm zu Füßen und sprach: o Herr, erbarme Dich meiner Jungfräulichkeit und schände nicht meinen Leib unter einem so schmählichen Namen. Worauf der Kuppler also zu ihr redete: Du weißt nicht, daß bei einem Kuppler und Henker weder Bitten noch Thränen irgend etwas ausrichten. Hierauf rief er den Aufseher seiner Mädchen herein und sprach zu ihm: laß dieses Mägdlein mit kostbaren, ihrem Alter angemessenen Gewändern bekleiden und folgende Ankündigung schreiben: wer die Tharsia zuerst besitzen will, der soll ein halbes Pfund Gold bezahlen, nachher soll sie einem Jeden für einen Goldgülden zu Diensten stehen. Als nun der Aufseher gethan hatte, wie ihm befohlen war, ward sie von dem Kuppler, indem der übrige Haufe seiner Mädchen voranging, drei Tage nachher mit Musik in sein Haus geführt. Der Fürst Athanagoras begab sich indessen mit verhülltem Haupt zuerst in ihr Gemach, allein Tharsia warf sich, als sie ihn erblickte, zu seinen Füßen hin und sprach: Herr, erbarme Dich meiner um Gottes Willen, ich beschwöre Dich im Namen Gottes, beschimpfe mich nicht, bekämpfe Deine Lust und vernimm den Bericht über meine Herkunft und meine unglücklichen Schicksale, und bedenke, von wem ich abstamme. Als sie ihm nun alle ihre Begebenheiten erzählt hatte, da sprach der Fürst bestürzt und von Mitleid gerührt zu ihr: auch ich habe eine Tochter, welche Dir ähnlich sieht und fürchte für sie ein gleiches Schicksal. Mit diesen Worten gab er ihr zwanzig Goldstücke und sprach: hier hast Du mehr, als der Preis für Deine Jungfrauschaft beträgt, sage Allen, welche hierher kommen, dasselbe, was Du mir gesagt hast, und Du wirst erlöst werden. Da vergoß das Mägdlein Thränen und sagte: ich danke Dir für Deine Gottesfurcht, erzähle aber Niemandem, was Du von mir erfahren hast. Athanagoras aber erwiderte: nur meiner Tochter will ich es erzählen, damit sie nicht, wenn sie ein gleiches Alter erreicht haben wird, ein ähnliches Schicksal erfahre, und entfernte sich Thränen in seinen Augen. Als er aber das Haus verließ, begegnete ihm ein Anderer und sprach: wie hat Dir das Mägdlein gefallen? Der Fürst aber entgegnete: so gut als möglich, sie war aber sehr traurig. Hierauf begab sich der Jüngling in ihr Gemach, und das Mägdlein verschloß nach Gewohnheit die Thüre, worauf der Jüngling zu ihr sprach: wie viel hat Dir der Fürst gegeben? Das Mädchen erwiderte: vierzig Goldstücke, worauf jener sagte: hier ist ein ganzes Pfund Gold. Als das der Fürst von Außen hörte, sagte er: je mehr Du giebst, desto mehr wird sie weinen. Das Mägdlein nahm also die Goldstücken, warf sich jenem zu Füßen und verkündete ihm ihr Unglück, und der Jüngling, Aporiatus genannt, sprach zu ihr: steht auf, Dame, wir sind Menschen, und alle solchen Schicksalen unterworfen. Als er so gesprochen hatte, ging er hinweg, und da er den Athanagoras lachen sah, sprach er zu ihm: ei Du bist ein so großer Mann, und hast doch jetzt Niemanden als mich, dem Du etwas vorweinen kannst. Hierauf schwuren sie, sie wollten ihre Worte keiner Seele verrathen, und schickten sich an die Ankunft Anderer abzuwarten. Es kamen aber Viele, zahlten ihr Geld und verließen sie weinend. Nach diesem aber überreichte sie dem Kuppler das Geld und sprach: hier ist der Preis meiner Jungfrauschaft. Der Kuppler aber sprach: siehe zu, daß Du mir alle Tage so viel einhändigen kannst. Wie er aber am folgenden Tage hörte, daß sie noch Jungfrau sey, rief er zornig den Aufseher seiner Mädchen und sprach: nimm sie mit Dir und raube ihr ihren jungfräulichen Kranz. Daher sprach der Aufseher also zu ihr: sage mir, ob Du eine Jungfrau bist. Jene aber antwortete: so lange es Gott gefällt, bleibe ich es. Der aber sprach: wo hast Du aber so viel Geld herbekommen? Da entgegnete ihm das Mägdlein: dadurch, daß ich Thränen vergoß, mein Unglück erzählte und die Leute bat, Erbarmen mit meiner Jungfräulichkeit zu haben. Hierauf warf sie sich auch ihm zu Füßen und sprach: erbarme Dich meiner, Herr, stehe einer gefangenen Königstochter bei und entehre mich nicht. Jener aber erwiderte: der Kuppler ist ein habsüchtiger Mensch: ich weiß nicht, ob Du wirst Jungfrau bleiben können. Jene sprach indessen: ich bin in allen freien Künsten unterwiesen worden und kann wie ein Meister auf der Cither spielen: führe mich auf den Markt, wo Du meine Beredtsamkeit vernehmen kannst: ich lege dem Volke Fragen vor, ich werde sie auflösen und täglich durch diese Kunst Geld erwerben. Jener aber versetzte: das ist mir recht. Hierauf lief das ganze Volk zusammen die Jungfrau zu sehen. Jene aber schickte sich an ihre Beredtsamkeit zu zeigen und ließ sich Fragen aufgeben, welche sie alle deutlich löste und auf diese Weise viel Geld vom Volke bekam. Indessen hütete Athanagoras ihre Jungfräulichkeit und bewahrte sie unversehrt, wie seine einzige Tochter, so daß er sie mit vielen Geschenken dem Aufseher wieder übergab. Während aber dieß vorging, kam am Ende des vierzehnten Jahres Apollonius nach der Stadt Tharsis, und in das Haus des Stranguilio und der Dyonisiades: kaum hatte ihn aber Stranguilio erblickt, als er auch eilenden Laufes fortstürzte und zu seiner Frau Dyonisiades sprach: Du sagtest der schiffbrüchige Apollonius sey todt, siehe jetzt kommt er, um seine Tochter von uns zu fordern, was sollen wir nun über das Mägdlein sagen? Jene aber entgegnete: Mann, ich und Du, wir sind verloren, indessen wollen wir Trauerkleider anlegen und Thränen vergießen, und er wird uns glauben, daß seine Tochter eines natürlichen Todes gestorben ist. Während sie noch darüber mit einander verhandelten, trat Apollonius ein, und als er sie in Trauer gekleidet sah, sprach er: warum weinet Ihr bei meiner Ankunft? ich glaube nicht, daß diese Thränen mich angehen, sondern Euch. Das Weib aber sprach: keineswegs. O wenn doch ein Anderer als ich oder mein Gatte Eueren Ohren zurufen wollte, was ich Euch sagen muß, daß Euere Tochter Tharsia plötzlich verschieden ist. Wie aber das Apollonius hörte, da zitterte sein ganzer Körper, und er blieb lange wie erstarrt stehen, nachher aber kam er endlich wieder zu sich, schaute das Weib an und sprach: wenn meine Tochter todt ist, wie Du sagst, ist denn auch mit ihr ihr Vermögen und ihre Kleider verschwunden. Jene aber erwiderte: Einiges ist da, Anderes weg. Und sie sprachen: glaube uns, denn weil wir dachten, daß Du Deine Tochter am Leben zu finden hofftest, und damit Du wüßtest, daß wir nicht lügen, so haben wir uns darüber ein Zeugniß verschafft, denn unsere Mitbürger, Deiner Wohlthaten eingedenk, haben in der Nähe des Meerufers aus Erz Deiner Tochter ein Denkmal errichtet, welches Du sehen kannst. Apollonius aber, welcher glaubte, daß seine Tochter wirklich gestorben sey, sprach zu seinen Dienern: nehmt das und tragt es auf mein Schiff, Ihr Diener, ich will das Grabmal meiner Tochter besuchen. Er las aber die Inschrift desselben, wie sie oben geschrieben steht, gerieth ganz außer sich, verfluchte seine Augen und sprach: o ihr grausamen Augen, da Ihr das Grabmal meiner Tochter seht, konntet Ihr keine Thräne vergießen? Mit diesen Worten begab er sich auf sein Schiff und sprach zu seinen Dienern: werft mich, ich bitte Euch, in die Tiefe des Meeres, denn ich wünsche in den Wellen meinen Geist auszuhauchen. Während er aber auf seiner Rückreise nach Tyrus bisher mit günstigem Winde geschifft war, veränderte sich plötzlich das Meer, und sie wurden durch gefährliche Stürme umhergeworfen. Da aber Alle Gott anriefen, gelangten sie zur Stadt Machilenta, wo sich seine Tochter Tharsia befand. Darüber erhob der Steuermann und alle Schiffer ein großes Freudengeschrei, und Apollonius sprach: was für ein freudiges Getöse erreicht meine Ohren? Der Steuermann aber erwiderte: freue Dich, Herr, denn heute feiern wir Deinen Geburtstag. Apollonius aber seufzte und sprach: mögen Alle diesen Tag feiern, nur ich kann es nicht: meinen Dienern muß meine Buße und mein Schmerz genug seyn; ich schenke ihnen zehn Goldstücke, sie mögen kaufen, was sie wollen, und diesen Festtag begehen; wer mich aber rufen oder mir irgend ein Vergnügen machen wird, dem will ich die Beine zerschlagen lassen. Also empfing sein Zahlmeister, was nöthig war, und kehrte wieder auf das Verdeck zurück. Während aber das Schiff des Apollonius zierlicher geschmückt war, als alle übrigen, und besser aussah und die Schiffer ein großes Festmahl hielten, ging Athanagoras, der sich in die Tharsia verliebt hatte, in der Nähe des Schiffes am Gestade spatzieren, erblickte das Schiff des Apollonius und sprach: Freunde, sehet, so ein Schiff gefällt mir, denn ich sehe, daß es äußerst zierlich geschmückt ist. Wie aber die Schiffer ihr Schiff loben hörten, sprachen sie zu ihm: Herr, wir bitten Dich, steige auf unser Schiff. Jener aber entgegnete: recht gern, stieg hinauf und setzte sich lustigen Sinnes unter sie, legte zehn Goldstücke auf den Tisch und sprach: sehet her, Ihr sollt mich nicht umsonst eingeladen haben. Da sprachen sie: Herr, wir bedanken uns. Wie aber der Fürst sah, daß sich Alle gesetzt hatten, sprach er: wer ist der Herr dieses Schiffes? Der Steuermann erwiderte: unser Patron trauert, er liegt im Raume und will sterben, denn er hat auf der See seine Frau und im fremden Lande seine Tochter eingebüßt. Da sprach Athanagoras zu einem seiner Sclaven, Namens Ardalius: ich will Dir zwei Goldstücke geben, gehe hinab und sage ihm: der Fürst dieser Stadt läßt Dich ersuchen, hier aus dem Dunkel hinaus zu ihm an's Tageslicht zu kommen. Der Jüngling aber sprach: ich kann für Deine Goldstücke meine Beine mir nicht wieder ganz machen, suche Dir einen Andern, denn er hat befohlen, Jedem die Beine zu zerschlagen, der ihn rufen würde. Athanagoras aber sprach: dieses Gebot gilt für Euch, nicht für mich, ich aber will hinabgehen, saget mir nur, wie er sich nennt. Jene aber erwiderten: Apollonius. Wie er den Namen gehört hatte, sprach er bei sich: auch Tharsia nannte ihren Vater Apollonius. Hierauf stieg er zu ihm hinab, und als er sah, daß sein Bart lang herab fiel und sein Haar verworren und struppig um ihn hing, sprach er mit leiser Stimme zu ihm: sey gegrüßt, Apollonius. Wie aber Apollonius dieses hörte und glaubte, daß ihm einer seiner Sclaven bei'm Namen rufe, schaute er mit finsterer Miene auf, da er aber einen unbekannten, anständigen und fein gekleideten Mann erblickte, schwieg er. Darauf sprach der Fürst zu ihm: ich weiß, daß Du Dich wundern wirst, warum ich, der ich Dir unbekannt bin, Dich bei Deinem Namen rufe: vernimm aber, daß ich der Fürst dieser Stadt bin und Athanagoras heiße: ich stieg zum Meeresufer hinab, um mir die dort liegenden Schiffe anzusehen, und sah, wie das Deinige vor den übrigen zierlich geputzt war, und sein Anblick gefiel mir; ich ward hierauf von Deinen Matrosen eingeladen zu ihnen zu kommen, stieg hinauf und setzte mich fröhlichen Muthes mit ihnen zu Tische: da fragte ich nach dem Herrn des Schiffes, und da sie mir sagten, er lebe in großer Traurigkeit, so stieg ich zu Dir hinab, um Dich aus diesem finstern Orte mit hinauf an's Licht zu nehmen, hoffe auch, daß Dir Gott nach Trauer Freude gewähren wird. Apollonius aber richtete seinen Kopf in die Höhe und sprach: Herr, wer Du auch bist, gehe hin in Frieden, ich aber bin ich nicht werth zu schmaußen, will also auch nicht mehr leben. Hierauf stieg Athanagoras bestürzt wieder auf das Verdeck des Schiffes und sprach: ich bin nicht im Stande Eueren Herrn zu überreden, daß er wieder an's Tageslicht kommt, ich will aber doch machen, daß er von seinen Todesgedanken abgebracht wird. Hierauf rief er einen von seinen Sclaven und sprach zu ihm: gehe hin zu dem Kuppler und bitte ihn, er solle mir die Tharsia zusenden, denn sie ist klug und hat eine angenehme Stimme: vielleicht kann sie ihn dahin bringen, daß ein solcher Mann nicht sein Leben auf solche Weise endet. Das Mägdlein kam also auf das Schiff, und Athanagoras sprach zu ihr: komm her zu mir Tharsia, denn hier kannst Du Deine Kunst zeigen, damit Du den Herrn dieses Schiffes, der unten im Finstern sitzt, tröstest, und ihn veranlassest wieder herauf an's Sonnenlicht zu kommen, denn er trauert um seine Gemahlin und Tochter. Gehe zu ihm, auf daß er wieder herauf zu uns komme, vielleicht wird Gott durch Dich seine Trauer in Freude verkehren. So Du das thun kannst, will ich Dir dreißig Goldstücke und eben so viel Silber geben, und Dich binnen dreißig Tagen von dem Kuppler loskaufen. Wie das Mägdlein dieses hörte, ging sie muthig hinab, begrüßte ihn demüthig und sprach: sey mir gegrüßt, wer Du auch bist, freue Dich und wisse, daß eine unschuldige Jungfrau, die ihre Jungfrauschaft und Keuschheit bei allen Unglücksfällen unversehrt erhalten hat, Dich begrüßt. Hierauf begann sie mit Spiel und Gesang so lieblich ihn zu ergötzen, daß Apollonius sich verwunderte, und fragend sprach sie, wie folgt: mitten unter Buhlerinnen schreite ich einher und bin doch keine, so läßt sich auch die Rose durch keine Dornen verletzen: mein Entführer stürzte von dem Hiebe eines Schwertträgers zu Boden; obgleich einem Kuppler überliefert, ist doch meine Schaamhaftigkeit nicht verletzt worden. Die Wunden meiner Seele würden aufhören und meine Thränen trocknen, Keinem würde wohler seyn als mir, wenn ich meine Eltern kennte, nur das weiß ich, daß ich ihr einziges Kind und aus königlichem Geschlechte bin, ich selbst, glaube ich, werde einst noch, wenn Gott es will, wieder froh werden, laß jetzt die Thränen und gieb Deine Bekümmerniß auf, zeige dem Himmelsgewölbe wieder Dein Gesicht und wende Deinen Geist zu den Gestirnen, denn Gott ist der Schöpfer, Regierer und Erhalter der Menschen: er wird nicht zulassen, daß Deine Thränen vergeblich gewesen sind. Darauf schlug Apollonius seine Augen auf, und als er das Mägdlein gewahr wurde, seufzte er und sprach: weh mir Unglücklichen, so lange ich noch mit meinem Schicksale ringen werde, danke ich Dir und Deiner Weisheit und Edelsinn. Nimm das dafür als Vergeltung, daß ich Deiner eingedenk seyn will, so lange ich mich noch freuen kann, und die Kräfte meines Reiches mich erhalten. Vielleicht bist Du, wie Du gesagt hast, aus königlichem Blute, und wirst wieder zu Deinen Eltern kommen, nimm aber jetzt hundert Goldstücke, entferne Dich und rufe mich nicht mehr, denn da meine noch frische Trauer durch die Erwähnung Deines Unglücks wieder aufgefrischt worden ist, vergehe ich. Das Mägdlein aber nahm die hundert Goldstücke und schickte sich an wegzugehen, Athanagoras aber sprach zu ihr: wo gehst Du hin Tharsia? Du hast vergebens Dich abgemüht, konntest Du sein Mitleid nicht erregen und dem Manne, der sich umbringen will, beistehen? Tharsia aber entgegnete: ich habe Alles gethan, was ich konnte, er hat mir aber hundert Goldstücke gegeben und mich gebeten, mich zu entfernen. Da sprach Athanagoras: ich will Dir zweihundert geben, gehe aber wieder hinab, gieb ihm die, welche er Dir geschenkt hat, wieder, und sprich zu ihm: ich wünsche Deine Erhaltung, nicht Dein Geld. Hierauf begab sich Tharsia wiederum hinab, setzte sich neben ihn und sprach: wenn Du einmal darauf bestehst, in dieser Trauer zu verharren, so erlaube mir wenigstens mit Dir zu reden. Wenn Du ein Räthsel, welches ich Dir aufgeben will, lösen kannst, so will ich gehen, wenn Du aber auch dieses nicht willst, so will ich Dir Dein Geld zurückgeben und mich entfernen. Darauf sprach Apollonius, um das Geld nicht wiedernehmen zu müssen, aber auch die Rede des klugen Mägdleins nicht von sich zu weisen: obgleich ich in meinem Elende keine andere Sorge habe, als wie ich weinen und klagen kann, so sage dennoch, damit ich Deiner zierlichen Weisheit nicht verlustig gehe, was Du mich fragen willst, und gehe sodann Deiner Wege: denn ich bitte Dich, daß Du meinen Thränen Raum giebst. Da sprach Tharsia: es giebt ein Haus auf Erden, das, obwohl zugeschlossen, doch immer wieder aufspringt, das Haus giebt aber einen Wiederhall von sich, und doch sind seine Gäste still und geben keinen Laut von sich, Beide aber, Gäste und Haus, laufen neben einander; so Du nun ein König bist, wie Du sagst, mußt Du auch weiser als ich seyn, löse mir also das Räthsel auf. Da sprach Apollonius: damit Du nicht glaubst, daß ich gelogen habe, so wisse, daß das Haus, welches auf dem Lande wiederklingt, die Wellen sind, die Gäste aber die stummen Fische, welche mit ihrem Hause dahin laufen. Jene aber versetzte: ich bin lang und schnell und die Tochter des schönen Waldes, umgeben von einer unzähligen Schaar von Begleitern, ich durchwandle viele Straßen, lasse aber keine Spuren zurück. Da entgegnete Apollonius: wenn es ginge, wollte ich Dir Vieles zeigen, was Du nicht weißt, wenn ich auf Deine Fragen geantwortet haben werde: demohngeachtet aber wundere ich mich, daß Du in so zartem Alter mit so bewunderungswürdiger Klugheit begabt bist. Der Baum nehmlich, welcher von vielen Schaaren von Begleitern begleitet ist, viele Straßen durchwandelt und doch keine Spur zurück läßt, ist ein Schiff. Da fügte das Mägdlein hinzu: es geht unschuldig durch Gewölbe und Häuser, in der Mitt ist große Hitze, die Niemand zu entfernen sucht, das Haus ist selbst nackt, aber doch paßt für dasselbe nur ein nackter Gast, und wenn Du Deine Trauer ablegen wolltest, könntest Du ohne Schaden in das Feuer hineingehen. Da antwortete Apollonius: ich würde dann in ein Bad treten, wo hier und da Flammen durch das Getäfel schlagen, nackt ist das Haus, in welchem nichts ist, nackte Gäste nur passen für dieses und nackt sollen sie daselbst schwitzen. Wie aber das Mägdlein Solches und Aehnliches redete, warf sie sich über den Apollonius, breitete ihre Arme aus und umarmte ihn mit folgenden Worten: erhöre die Stimme der Dich Anflehenden, schau mich Jungfrau an, denn es ist gottlos, daß ein Mann von so großer Klugheit sterben soll: wenn Dir Gott durch seine Gnade die Gemahlin, nach der Du so großes Verlangen trägst, wieder giebt, wenn Du die Tochter, welche Du für todt ausgiebst, wieder finden kannst, so mußt Du, um Dich darüber freuen zu können, am Leben bleiben. Als aber Apollonius diese Worte vernahm, gerieth er in Wuth, sprang auf und stieß das Mägdlein mit dem Fuße weg, die Jungfrau aber stürzte von diesem Stoße zu Boden, und von ihrer aufgerissenen Backe strömte Blut herab, sie fing daher bestürzt an zu weinen und sprach: o Gott, Du Erbauer des Himmelsgewölbes, siehe mein Bekümmerniß: ich bin unter Wellen und Wogen des Meeres geboren, meine Mutter ist von Schmerzen zerrissen gestorben, ein Grab auf dem festen Lande ist ihr verweigert worden, sondern sie wurde nur von meinem Vater geschmückt in einen Sarg gelegt und mit zwanzig Goldstücken dem Meere übergeben; ich Unglückliche aber bin von meinem Vater mit Schmuck und königlichen Gewändern seinem gottlosen Gastfreunde, dem Stranguilio und der Dyonisiades überliefert worden, und sie befahlen einem ihrer Sclaven mich zu tödten: endlich hat dieser auf mein Bitten, die Götter vor meiner Ermordung noch einmal anrufen zu dürfen, mir dieses zugestanden, und da Seeräuber inzwischen hinzukamen, bin ich von diesen entführt worden, während der, welcher mich tödten wollte, entfloh, man hat mich an diesen Ort gebracht, und Gott mag mich nun, so es ihm gefällt, meinem Vater Apollonius zurückgeben. Als aber Apollonius alle diese so sichern Merkmale gewahr ward, rief er mit lauter Stimme folgende Worte aus: o Herr, Du Allerbarmer, der du den Himmel und die Tiefen durchschaust und alle Geheimnisse an den Tag bringst, gesegnet sey Dein Name. Als er so gesprochen hatte, fiel er seiner Tochter Tharsia in die Arme, küßte sie voller Freude, weinte vor Wollust bitterlich und sprach: o meine süße einzige Tochter, Du Hälfte meiner Seele, Dir zu Gefallen will ich nun nicht sterben, denn ich habe die wieder gefunden, wegen der ich mir den Tod geben wollte. Hierauf rief er mit lauter Stimme: eilet herbei, Ihr Diener, laufet Ihr Freunde, kommt Alle herzu und macht meinem Jammer ein Ende, denn ich habe meine einzige Tochter, die ich verloren hatte, wieder gefunden. Als aber die Diener sein Geschrei vernahmen, liefen sie hinab, mit ihnen lief auch der Fürst Athanagoras hinunter, und als sie im Schiffsraume angelangt waren, fanden sie ihn vor Freude weinend am Halse seiner Tochter und also sprechend: hier ist die zweite Hälfte meiner Seele, meine Tochter, die ich betrauerte, nun will ich wieder leben; Alle aber weinten vor Freude mit ihm. Hierauf richtete sich Apollonius auf, warf seine Trauerkleider ab, kleidete sich in reine Gewänder, und Alle sprachen: o Herr, wie ähnlich ist Euch Euere Tochter! hätten wir auch kein anderes Zeugniß dafür, schon ihre Ähnlichkeit würde hinreichen zu beweisen, daß sie Deine Tochter ist. Hierauf küßte das Mägdlein ihren Vater drei bis vier Male und sprach: o mein Vater, gelobt sey Gott, daß er mir diese Gnade erwiesen hat, daß ich Dich sehen, mit Dir leben und mit Dir sterben kann; und nun erzählte sie, wie sie von dem Kuppler erworben und in ein Freudenhaus gebracht worden sey, und wie Gott ihre Jungfräulichkeit beschützt habe. Als das Athanagoras hörte, fürchtete er, jener möchte seine Tochter einem Andern zur Frau geben, warf sich also dem Apollonius zu Füßen und sprach: ich beschwöre Dich bei dem lebendigen Gott, der Dich als Vater Deiner Tochter zurückgegeben hat, gieb Deine Tochter keinem Andern als mir zur Ehe, denn ich bin der König dieser Stadt und durch meine Beihülfe ist sie Jungfrau geblieben und unter meiner Führung hat sie Dich als ihren Vater erkannt. Darauf antwortete ihm Apollonius: ich darf Dir nicht entgegen sein, da Du Vieles für mein Kind gethan hast, ich wünsche also, daß sie Deine Gemahlin werden möge, es ist also bloß noch übrig, daß ich Rache an dem Kuppler nehme. Sogleich begab sich Athanagoras in die Stadt, rief die Bürger zusammen und sprach: nicht möge die ganze Stadt um eines Gottlosen Willen untergehen, wisset, daß der König Apollonius, der Vater der Tharsia, hier angelangt ist, sehet, seine Flotte eilt mit einem großen Heere herbei, um die Stadt wegen eines Kupplers zu zerstören, der seine Tochter Tharsia in sein Hurenhaus gebracht hatte. Alsbald entstand ein Zusammenlauf und eine solche Bewegung unter dem Volke, daß weder Männer noch Weiber zurückblieben, sondern alle zum Apollonius hinliefen, um ihn zu sehen und um Erbarmen anzuflehen. Athanagaros aber sprach: ich rathe, daß der Kuppler, auf daß nicht die ganze Stadt zerstört werde, vor ihn geführt wird: alsbald ward er ergriffen und mit auf den Rücken gebundenen Händen vor den König Apollonius gebracht; der aber legte ein königliches Gewand an, setzte sein Diadem auf seinen abgeschornen Kopf, bestieg mit seiner Tochter den Richterstuhl und sprach zu den Bürgern: Ihr sehet hier die Jungfrau Tharsia, welche heute von ihrem Vater wieder erkannt worden ist: jener schändliche Kuppler bereitete ihr aber, wie groß seine Verdorbenheit ist, ewige Schande, und wollte weder durch ihre Freunde, noch ihre Bitten, noch für Geld sich von seiner Absicht abbringen lassen: rächet also meine Tochter. Hierauf sprachen Alle mit einer Stimme: Herr, der Kuppler soll lebendig verbrannt und seine Schätze dem Mägdlein gegeben werden. Sogleich ward der Kuppler gebracht, und vor den Augen Aller auf einen Scheiterhaufen gestellt und ganz zur Asche verbrannt, Tharsia aber sprach zu seinem Vogte: ich schenke Dir die Freiheit, denn durch Deine und Deiner Mitbürger Gütigkeit bin ich eine Jungfrau geblieben, und damit schenkte sie ihm zweihundert Goldstücke und die Freiheit. Auch allen den andern Mädchen, die sich ihr vorstellten, gab sie die Freiheit und sprach zu ihnen: macht Euch von nun an frei von dem Gedanken an das, was Ihr bisher mit Euerem Leibe gethan habt. Hierauf sprach Apollonius zu dem Volke: um Euch meinen Dank für die Wohlthaten, die Ihr mir und meiner Tochter gethan habt, zu beweisen, schenke ich Euch fünfzig Pfund Goldes. Diese aber neigten ihre Häupter, um ihm ihren Dank darzubringen, alle Bürger aber errichteten in der Mitte der Stadt ein Standbild des Apollonius und gruben auf das Fußgestell desselben ein: dem Apollonius von Tyrus, dem Wiederhersteller unserer Häuser, und der heiligen Jungfrau, seiner Tochter, der Tharsia. Wenige Tage nachher gab Apollonius zur Freude der ganzen Stadt seine Tochter dem Athanagoras zur Frau und segelte mit seinem Schwiegersohn und seiner Tochter ab, um nach Tharsus seiner Vaterstadt zu gehen, ward aber im Traume von einem Engel aufgefordert, sich nach Ephesus zu begeben und mit seiner Tochter und seinem Schwiegersohne in den Tempel der Epheser zu gehen, dort solle er laut alle seine Schicksale erzählen, was er von seiner Jugend auf erlitten hätte, wie er nochmals nach Tharsus gekommen sey und seine Tochter gerächt habe. Apollonius aber erzählte bei seinem Erwachen dieses Alles seinem Schwiegersohne und seiner Tochter wieder, jene aber sprachen: thue Herr, was Dir gut scheint. Hierauf befahl er dem Steuermann nach Ephesus zu fahren, und als er daselbst gelandet war, begab er sich mit den Seinigen nach dem Tempel, wo seine Gemahlin auf heilige Weise unter den dasigen Priesterinnen lebte, und bat, man möchte ihm den Tempel öffnen, was auch geschah. Als aber seine Gemahlin hörte, daß ein König mit seiner Tochter und Eidam gekommen sei, schmückte sie ihren Kopf mit königlichen Edelsteinen, kleidete sich in ein Purpurgewand und begab sich mit einem anständigen Gefolge in den Tempel. Sie war aber sehr reizend, und wegen ihrer so großen Liebe zu einem keuschen Lebenswandel, versicherten Alle, es gäbe keine so reizende Jungfrau, wie sie. Als sie aber Apollonius erblickte, erkannte er sie nicht und warf sich ihr nebst seiner Tochter und seinem Schwiegersöhne zu Füßen. Es lag aber in ihr eine solche glänzende Schönheit, daß sie Allen, welche sie schauten, selbst wie ein Diadem vorkam. Apollonius legte nun in dem Tempel kostbare Geschenke nieder, und begann nach Diesem zu reden, wie es ihm der Engel befohlen hatte: ich bin von meiner Kindheit an ein geborner König gewesen, stamme von Tyrus und heiße Apollonius: wie ich aber zu jeglicher Weisheit gelangt war, habe ich ein Räthsel des gottlosen Königs Antiochus gelöst, um seine Tochter zur Frau zu bekommen, er aber hat sie selbst entehrt und bei seiner Gottlosigkeit erhalten, mich aber zu ermorden gesucht. Nach Diesem habe ich mich auf die Flucht begeben, allein auf der See Alles verloren, indessen bin ich nachher vom König Altistrates auf's Wohlwollendste aufgenommen worden, und habe seine Güte so weit erfahren, daß er mir sogar seine Tochter zur Gemahlin gab. Hierauf habe ich, als Antiochus mittlerweile gestorben war, meine Frau mit mir genommen, um mein Reich in Besitz zu nehmen, diese hat mir auf dem Meere diese meine Tochter geboren, ist aber an der Entbindung gestorben, und ich habe sie mit zwanzig Goldstücken in einem Sarge verschlossen und in's Meer hinab gelassen, auf daß sie, wenn man sie fände, anständig beerdigt werden könnte. Dann habe ich diese meine Tochter den nichtswürdigsten Menschen anbefohlen, um sie zu erziehen, und habe mich nach dem obern Theile von Aegypten begeben. Wie ich nun nach vierzehn Jahren erschien, um meine Tochter von ihnen zu fordern, sagten sie, sie sey gestorben, und indem ich ihnen Glauben beimaß, habe ich in Kummer und Trauerkleidern gelebt, und gewünscht zu sterben, bis mir meine Tochter wieder zurückgegeben wurde. Während er aber Dieses und Aehnliches erzählte, richtete sich seine Gemahlin, die Tochter des Königs Altistrates auf, riß ihn an sich und umarmte ihn, indem sie ihn küssen wollte, Apollonius aber stieß sie mit Unwillen von sich, weil er nicht wußte, daß sie seine Gattin sey. Jene aber sprach mit Thränen: o mein Herr, mein zweites Ich, warum handelst Du also an mir? Ich bin ja Dein Weib, die Tochter des Königs Altistrates, und Du bist Apollonius von Tyrus, mein Mann und mein Eheherr: Du bist mein Schiffbrüchiger, den ich nicht um fleischlicher Lust Willen, sondern seiner Weisheit wegen geliebt habe. Als das Apollonius hörte, erkannte er sie gleich, fiel ihr um den Hals und vergoß Freudenthränen, indem er also sprach: gelobet sey der Höchste, der mir meine Frau und Tochter wieder zugeführt hat. Jene aber sagte: wo ist meine Tochter? Er selbst aber wieß auf die Tharsia und sprach: das ist meine Tochter Tharsia. Sie aber küßte sie, und also ward, sowohl in der Stadt als in der Umgegend, zur großen Freude Aller bekannt, wie der König Apollonius seine Gemahlin in dem Tempel wieder gefunden habe. Herauf bestieg Apollonius mit seiner Frau und Tochter und seinem Eidam ein Schiff und segelte wieder nach seiner Vaterstadt. Wie nun also Apollonius nach Antiochia kam, nahm er die ihm aufgehobene Regierung an, und begab sich sodann nach Tyrus, nachdem er seinen Schwiegersohn Athanagoras zu seinem Stellvertreter eingesetzt hatte. Hierauf zog er mit seinem Schwiegersohne, seiner Gemahlin und Tochter und einem königlichen Heere nach Tharsus, ließ die Dyonisiades und den Stranguilio greifen und vor sich führen, und redete hierauf alle Anwesenden also an: Ihr Bürger von Tharsus, habe ich mich irgend einem unter Euch unangenehm gemacht? Alle aber riefen: Nein, Herr, wir sind bereit für Euch zu sterben, diese Bildsäule ist darum gesetzt worden, weil Ihr uns vom Tode errettet habt. Apollonius sprach nun: ich habe meine Tochter dem Stranguilio und seiner Frau Dyonisiades anvertraut, allein sie haben mir dieselbe nicht zurück geben wollen. Das unglückliche Weib rief: guter Herr, hast Du nicht die Inschrift ihres Grabmals gelesen? Da ließ Apollonius seine Tochter vor das Angesicht aller Anwesenden treten, und Tharsia fluchte dem Weibe und sprach: Heil Dir, Tharsia, die von den Todten auferweckt worden ist, bringt Dir ihren Gruß. Als sie aber das elende Weib erblickte, zitterte sie am ganzen Leibe, die Bürger aber wunderten und freueten sich. Hierauf ließ Tharsia den Meier holen und sprach zu ihm: Theophile, Du kennst mich, antworte jetzt mit lauter Stimme, wer hat Dich veranlaßt mich zu ermorden? Der Meier aber entgegnete: meine Gebieterin, die Dyonisiades. Darauf ergriffen die Bürger den Stranguilio und die Dyonisiades, schleppten sie zur Stadt hinaus und steinigten sie. Da sie aber auch den Theophilus tödten wollten, entriß ihn Tharsia dem Tode, indem sie also sprach: hätte er mir nicht Zeit zum Beten gelassen, würde ich ihn jetzt nicht beschützen. Hieraus gab Apollonius den Bürgern viele Geschenke, um ihre Stadt zu verschönern, und hielt sich drei Monate lang bei ihnen auf, dann aber schiffte er nach der Stadt Penthapolis, begab sich auf das Stadthaus und besuchte voller Freuden den König Altistrates. Mittlerweile war dieser aber alt geworden und sah seine Tochter und Enkelin mit ihrem Gemahl ein ganzes Jahr lang mit Vergnügen bei sich, und so lange blieben sie auch beisammen, nachher aber starb er, als seine Zeit vollendet war, nachdem er zuvor die eine Hälfte seines Reiches dem Apollonius, die andere aber seiner Tochter übergeben hatte. Als nun aber Alles vollendet war, und Apollonius einst am Gestade des Meeres lustwandelte, erblickte er den Fischer, welcher ihn nach seinem Schiffbruche aufgenommen hatte, und befahl ihn zu greifen und nach seinem Palaste zu führen. Wie sich aber der Fischer von Soldaten gepackt sah, meinte er, die Stunde seines Todes sey gekommen, allein Apollonius trat bald darauf auch in den Palast und ließ ihn vor sich bringen, indem er also zu ihm sprach: das ist mein Brautwerber, der mich nach meinem Schiffbruch unterstützt und mir den Weg nach dieser Stadt gezeigt hat. und sagte zu ihm: ich bin Apollonius von Tyrus. Hierauf ließ er ihm zweihundert Goldstücke, Sclaven und Mägde geben, und nahm ihn, so lange er noch lebte, unter seine Begleiter auf. Da warf sich auch Elamitus, der ihm zuerst die Nachricht vom Antiochus hinterbracht hatte, ihm zu Füßen und sprach zu ihm: erinnere Dich, o Herr, Deines Knechtes Elamitus. Apollonius aber nahm ihn bei der Hand, hob ihn auf, machte ihn zu einem reichen Manne und ordnete ihn seinem Gefolge bei. Als aber Apollonius alles Dieses zu Ende gebracht hatte, zeugte er noch mit seiner Frau einen Sohn, welchen er an der Stelle seines Großvaters Altistrates zum König einsetzte. Es lebte aber Apollonius mit seiner Gemahlin noch vierundachtzig Jahre und regierte Antiochia und Tyrus, und die Tyrier in Ruhe und Glück, schrieb aber seine Begebenheiten selbst auf, und füllte mit ihnen zwei große Rollen an, von denen er eine in dem Tempel zu Ephesus, die andere in seiner Bibliothek niederlegte: endlich aber starb er und gelangte zum ewigen Leben, zu welchem auch wir kommen mögen. Amen.


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