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Hundertundneunundsiebzigstes Capitel.
Von Schlemmerei und Trunkenheit.

Cäsarius spricht über das verabscheuungswürdige Laster der Schlemmerei und Trunksucht. Es ist aber der Gaum allein im Körper die unmäßige und verlockende Begierde nach Speise und Trank. Seine Töchter sind Unreinlichkeit, läppisches Wesen, ungeschicktes Frohlocken, Schwätzerei, und Stumpfheit der Sinne des Verstandes. Es liegen am Gaume und der Kehle fünf Grade zum Sündigen: der erste ist, kostbare und delicate Speisen aufzufinden, der zweite, solche Speisen sorgfältig zuzubereiten, der dritte, sie vor der Zeit zu sich zu nehmen, der vierte, sie allzugierig, und der fünfte, sie in zu großer Quantität zu verzehren. Durch seinen Gaumen überwunden, unterlag Adam, der erste Mensch im Paradiese, Jakob entriß dem Esau die Erstgeburt, die Kehle verlockte die Sodomiter zur Sünde, sie streckte die Kinder Israel in der Wüste zu Boden, wie der Psalmist sagt: noch waren Leckerbissen in ihrem Munde, als der Zorn Gottes über sie kam. Die Gottlosigkeit Sodoms hatte ihren Grund darin, daß sie allzuviel Brod hatten und desselben satt waren. Der Mann Gottes Abdo, welcher nach Bethel gesandt war, ward wegen seiner Gefräßigkeit von einem Löwen verschlungen. Denn der Reiche, wie es im Evangelio heißt, der täglich speiste, liegt jetzt in der Hölle begraben. Nabusardan, der Oberkoch, d. h. der Gaum, hat Jerusalem zerstört. Du siehst, wie viel Gefahren in ihm sind. Wir wollen auch das Zeugniß der Schrift zu Hülfe nehmen. Salomo sagt nehmlich: wehe dem Lande, dessen Fürsten früh Morgens essen. Derselbe spricht: alle Arbeit liegt im Munde des Menschen, und doch wird seine Seele nicht voll werden. Seine Tochter ist aber die Trunkenheit, weil das Laster des Gaumes die Ueppigkeit gebiert, das ist aber die scheußlichste Pest, denn was kann häßlicher seyn, als dieses Laster? Was ist verdammenswerther als dieses, durch welches die Tugend durch einen langsamen Sieg aufgerieben wird, die eingeschläferte Ruhmsucht verkehrt sich in Tollheit, und die Kräfte der Seele und des Leibes werden zerstört. Weil Basilius sagt: wenn wir dem Bauche und unserem Gaumen dienen, sind wir wie Thiere und bemühen uns dem Vieh ähnlich zu werden, welchem die Natur verstattet hat, zu solchen Dingen Neigung zu empfinden, auf den Boden nieder zu blicken und dem Bauche zu gehorsamen. So sagt im vierten Buche über den Trost: wer die Tugend verlassen hat, hört auf ein Mensch zu seyn, denn da er in die göttliche Natur nicht übergehen kann, bleibt ihm nur noch übrig, sich in ein Vieh zu verwandeln. Und der Herr spricht im Evangelium: sehet zu, daß Euere Herzen nicht schwer werden vom Rausche und Trunkenheit. O wie viel und was für Menschen hätten große Weisheit und einen festen Sinn erlangt, wenn sich ihnen nicht die Gluth der Gefräßigkeit und des Weines in den Weg gestellt hätte. Wie gefährlich ist es, daß ein Hausvater oder Staatsbeamter durch Wein warm wird, weil durch diesen der Jähzorn entbrennt, die Besonnenheit verdunkelt wird, die Wollust entsteht und so entflammt wird, daß die böse Lust, wenn die Vernunft des Menschen eingeschlummert ist, sich in gottloses Thun einläßt. Weshalb Ovidius sagt: »wenn viel Wein Du nimmst zu Dir, Muth zur Lieb' er bringt herfür.« O Du schändlicher Wein der Trunkenheit, durch welche die Jungfräulichkeit zu Grunde geht, welche die Schwester der Engel ist, der Besitz aller Guten und die Ruhe der ewigen Freuden. Noah, von Wein erhitzt, entblößte sich und zeigte seinen Söhnen etwas, worüber er sich hätte schämen sollen. Der keusche Loth, von allzu starkem Wein eingeschläfert, floh auf einen Berg und erkannte seine Töchter in fleischlicher Vereinigung wie seine Frauen. Wir lesen, daß Personen durch Wein so zum Zorn entflammt wurden, daß sie, welche eine so enge Freundschaft verband, daß nüchtern einer sich des andern Gefahren würde ausgesetzt haben, sich gegenseitig mit dem Schwerte umbrachten. Herodes Antipas hätte dem heiligen Johannes nicht das Haupt abschlagen lassen, wenn das Mahl des Rausches und der Trunkenheit nicht gewesen wäre. Balthasar, der König von Babilonien, wäre nicht seines Lebens und Landes beraubt worden, wäre er in der Nacht, wo ihn die Könige Cyrus und Darius samt seinem Volke, einen Rausch ausschlafend, tödteten, nüchtern geblieben. Darum mahnt uns der Apostel ab von der Trunkenheit, wenn er spricht: seyd nüchtern und wachet. Wir wollen also den Herrn bitten, daß wir auf Erden so die Nüchternheit bewahren, daß wir im Himmel zu seinem Mahle geladen werden.


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