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Hundertundeinundfünfzigstes Capitel.
Von der sündigen und von dem Aussatze der Sünde angesteckten Seele, wie sie geheilt wird.

Ein gewisser edler König hatte in seinem Reiche zwei Ritter: der eine war habsüchtig und der andere neidisch gesinnt. Nun hatte aber der geizige Ritter eine schöne Frau, die in Aller Augen höchst reizend erschien, der neidische aber besaß ein häßliches und Allen verhaßtes Weib: er hatte aber auch ein Landgut, welches an das des habsüchtigen Ritters angränzte und welches derselbe um Alles in der Welt zu besitzen wünschte. Er begab sich also oft zu jenem und bot ihm Vieles an, wenn er ihm sein Gut ablassen wolle. Der neidische Ritter antwortete aber, er wolle sein Erbe nicht verkaufen, weder für Gold noch Silber. Indessen fing er aus Neid an bei sich darüber nachzudenken, wie er wohl der Schönheit der Frau des habsüchtigen Ritters einen Makel anhängen könnte, und sprach zu dem habsüchtigen Ritter: so Du mein Gut zu haben wünschest, verlange ich keinen andern Preis von Dir, als daß Deine Frau eine Nacht mit mir zusammen sey. Dieser gab gleich seine Einwilligung und sagte es seiner Frau, die es ihm anfangs abschlug, sich aber endlich doch durch ihren Mann verleiten ließ und ihre Zustimmung gab. Indessen vermischte sich jener Ritter, ehe er bei ihr schlief, mit einer Aussätzigen, begab sich hierauf zu der Dame und erkannte sie, so oft es ihm gefiel. Nach diesem vertraute er ihr, wie er neidisch darüber geworden sey, daß seine Frau so häßlich sey und sie so schön, sie also deswegen also zu entstellen gesucht habe. Als sie das hörte, ward sie sehr traurig und weinte bitterlich, indem sie es ihrem Manne vertraute. Der aber ward auch sehr betrübt und sprach zu seiner Frau: ich gebe Dir folgenden Rath. Bis jetzt zeigt sich an Dir noch keine Spur des Aussatzes: hier in der Nähe außerhalb dieses Landes liegt eine große Stadt, in welcher eine Universität ist, nach der begieb Dich und mache Dich da mit Allen, welche dahin kommen, gemein: denn wer Dich zuerst besucht haben wird, der wird Deine Krankheit bekommen und Du wirst von jeglichem Aussatz geheilt werden. Also geschah es auch. Es kam aber der Sohn des Kaisers aus Liebe zu ihr dahin, ließ sie zu sich kommen und bat sie, sie möchte ihm doch zu Willen seyn; sie aber weigerte sich und sprach: ferne sey es von mir, daß ich Aermste die Beischläferin des Sohnes eines Kaisers sey. Er aber drängte sie immer mehr und mehr, sie solle ihm doch ihre Einwilligung hierzu geben: indessen dachte sie: wenn dieser Prinz den Aussatz bekäme, so würde es sehr Schade um ihn seyn, und stellte ihm vor, daß er den Aussatz bekommen würde, wenn er sie erkennen werde. Jener aber wollte nicht von ihr lassen, erkannte sie und bekam den Aussatz. Am andern Tage aber, als sie fühlte, daß sie von demselben befreit sey, machte sie sich in ihre Heimath auf und sprach zu ihm: so es Euch begegnet, daß Ihr den Aussatz bekommt, so fliehet zu mir, denn ich will Euch, so viel ich kann, in Eurer Noth versorgen. Nach diesem ward nicht lange darauf des Kaisers Sohn aussätzig und schämte sich so, daß er sich des Nachts, ohne Jemandes Vorwissen, zu der Dame aufmachte, wo dieselbe sich damals gerade aufhielt. Als diese aber davon Wissenschaft erhalten hatte, vertraute sie es ihrem Manne mit folgenden Worten an: das ist der, welcher durch mich angesteckt worden ist und durch den ich vom Aussatze befreit worden bin. Wie aber dieser jenen so schimpflich entstellt sah, weinte er bitterlich und wieß ihm ein Gemach an, in welchem er allein für sich blieb und ihm die Hausfrau persönlich aufwartete: und er blieb an diesem Orte sieben Jahre lang. Es begab sich aber, daß im siebenten Jahre einmal eine unerträgliche Hitze war, und der Aussätzige ein großes Gefäß mit Wein zu seiner Abkühlung hatte. Eine Schlange, welche sich im Garten aufhielt, kroch in das Gefäß, badete sich darin und legte sich nach dem Bade auf den Boden desselben nieder. Der Aussätzige aber wachte plötzlich aus dem Schlafe auf, und da er sehr durstig war, nahm er das Gefäß mit Wein und trank, ohne daß er es merkte, die Schlange mit hinunter. Nach Diesem fing aber die Schlange an seine inneren Theile so heftig zu benagen, daß der Aussätzige Seufzer und Klagen ausstieß und die Dame sehr viel Mitleid mit ihm hatte. Dieses Leiden dauerte aber drei Tage lang ohne Unterbrechung fort, am vierten aber hatte er Erbrechen, und er warf mit demselben und dem Gifte auch die Schlange aus: sogleich hörte auch der Schmerz auf, und von Tage zu Tage nahmen allmählig die Spuren des Aussatzes an ihm ab, und nach Verlauf von sieben Tagen war sein Fleisch von allem Aussatze geheilt und ganz so wie das Fleisch eines Kindes. Darüber freute sich aber die Dame sehr und bekleidete ihn mit kostbaren Gewändern, gab ihm ein sehr gutes Streitroß und er machte sich hierauf zum Kaiser auf, wo er mit Ehren empfangen wurde. Nach dem Tode seines Vaters aber erhielt er die Regierung und beschloß sein Leben im Frieden.


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