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Erster Anhang.

Die in der lateinischen Redaction der Gesta Romanorum nicht enthaltenen, aber entweder in der altdeutschen gedruckten Bearbeitung oder in der Grimmschen Handschrift befindlichen Geschichten Der Kürze wegen wird ein † andeuten, daß eine Erzählung nach dem altdeutschen Drucke, ein *, daß sie nach der Grimmschen Handschrift bearbeitet worden ist. Steht noch eine Ziffer in () dabei, so bezeichnet diese, ob die Erzählung auch im deutschen Drucke (nach der Kellerschen Ausgabe) enthalten, und das wievielste Capitel sie darin ist..

Erste Erzählung.
Von Alexander und Diogenes.

* (18).

Saturnus, der Philosoph, schreibt uns, daß Diogenes freiwillig so arm war, daß er nichts besaß als eine Tonne: diese stand in einem Walde, er aber wohnte darin und hatte sie so gestellt, daß die Sonne den ganzen Tag hineinschien: darinnen saß er aber den ganzen Tag lang. Nun begab es sich eines Tages, daß der große Alexander mit seinem Gefolge zu ihm ging und sich mit ihm unterreden wollte, sich aber dabei so vor ihn hinstellte, daß ihn die Sonne nicht mehr bescheinen konnte, und also zu ihm sagte, er möge von ihm bitten, was er nur wolle, es solle ihm gewährt seyn. Da antwortete ihm Diogenes und sprach: so bitte ich Dich um weiter nichts, als daß Du mir nicht nimmst, was Du mir doch nicht geben kannst. Da fragte ihn Alexander, was das sey, was er ihm nicht zu geben vermöge, und Diogenes sprach zu ihm: meine Bitte besteht darin, daß Du nicht zwischen mich und die Sonne trittst, so daß Du mir ihren Schein entziehst, den Du mir doch nicht zu geben im Stande bist. Und also schied Alexander von ihm.

Zweite Erzählung.
Von vier Einsiedlern.

* (26).

Es wohnten einst in einem Hause vier Einsiedler gar reinen und seligen Lebenswandels, und sprachen eines Tages unter einander von gar gottseligen Dingen: unter andern kamen sie aber darin überein, daß ein Jeder seine Tugend sagen sollte. Da sprach der erste: er sey, wie ihm dünke, gar demüthig, der andere sagte, er sey geduldig, der dritte versicherte, er höre gern von Gott reden, und der vierte, er bete gern. Da wurden alle vier darüber einig, sie wollten Gott bitten, daß er ihnen zu wissen thäte, welcher unter ihnen der Vollkommenste sey. Und sie hörten eine Stimme, die sprach: der erste, der fängt mich, der zweite, der hält mich, der dritte, der bindet mich, der vierte, der trägt mich hin, wohin er nur will: also hat jeder von Euch Gewalt über mich.

Dritte Erzählung.
Von zwei leiblichen Brüdern.

* (30).

Es waren einst zwei leibliche Brüder, der eine war ein Pfaffe, der andere ein Laie, und waren doch alle Beide in einem und demselben Kloster bei einander: der gelehrte vertrieb aber seine Zeit mit singen, lesen und schreiben. Nun sprach er eines Tages zu seinem Bruder, dem Laien, wie er sich die Zeit vertreibe, da er doch nicht gelehrt sey. Der antwortete aber und sprach: ich habe meine Tage nur drei Buchstaben gelernt, die ich aller Wegen in meinem Herzen und Gedächtniß habe, und ist einer von ihnen schwarz, der andere roth, der dritte weiß. Der erste ist das Gedächtniß meiner Sünden und ist schwarz und kreuzigt mein Herz, wenn ich bedenke, welcher Lohn denselben folgt, und die Seelenpein in der Hölle. Der andere ist roth, und ist das Gedächtniß des rosenfarbenen Blutes meines Schöpfers, welches er in seiner Gütigkeit an dem heiligen Kreuze für mich armen Sünder vergossen hat. Der dritte ist weiß, das ist die Begierde die himmlischen Freuden zu schauen, und dem, der dem Lamme nachgeht, mit weißem Kleide angethan. Da das der Bruder hörte, so nahm er ein Abbild der drei Buchstaben seines Bruders, und dachte fürder seiner Kunst nicht mehr, davon er sich vorher so gut getröstet hatte.

Vierte Erzählung.
Von dem großen Alexander.

* (38).

Man liest, daß der große König Alexander an des Königs Pori von India Hof kam, und zwar in der Gestalt eines schlichten Ritters, und wollte dessen Macht kennen lernen. Nun wähnte Porus, es sey Antiochus, einer der Ritter Alexanders, und nahm ihn würdiglich auf. Es saß aber einst Alexander mit an seinem Tische, und so oft man eine silberne Schüssel oder Kanne vor ihm gesetzt und er sie geleert hatte, so steckte er sie in seinen Aermel. Das ward dem Könige Poro angezeigt, und der fragte ihn mitten unter den Andern, wie er das meine. Der aber sprach: Herr König, ich habe Dich doch aller Wegen weit über Alexander ob Deiner Ritterlichkeit und Prachtliebe rühmen hören: nun ist aber die Sitte am Hofe Alexandri so, daß alle Ritter, die an seinem Tische sitzen, was man ihnen vorsetzt, Töpfe oder Schüsseln, sie seyen gülden oder silbern, diese behalten als ihr Eigenthum. Nun habe ich Dich weit mildthätiger mit Deiner Habe geschätzt denn Alexandern und gemeint, dasselbe Recht auch an Deinem Hofe zu erhalten. Da das die Ritter Pori hörten, zogen sie alle mit Alexander von dannen, und er gab ihnen viele Geschenke und Gold, und sie fochten mit ihm wider König Porum, erschlugen ihn und gewannen das ganze Land India.

Fünfte Erzählung.
Von Josia dem Kaiser zu Rom.

* (37).

Einst herrschte der gewaltige Josias zu Rom, der hatte drei Söhne, die ihm gar lieb waren. Nun hatte aber derselbige König beständig Krieg wider den König von Aegypten, und dabei alle seine Habe aufgezehrt bis auf einen Baum, der solche Kraft hatte, daß seine Frucht alle Gebreste heilte, ausgenommen den Aussatz. Da nun derselbige König schwer darnieder lag bis auf den Tod, und nicht davon kommen konnte, da rief er seinen Erstgeborenen zu sich und sprach: ich habe Dich und Deine Brüder so lieb gehabt, daß ich Alles, was ich gehabt habe, im Kriege verzehrt habe, denn allein diesen Baum, und da Du nun mein Erstgeborner bist, so schenke ich Dir an dem Baume Alles, was in der Erden ist und darob: gehe nun und rufe mir meinen anderen Sohn. Und also geschah es. Zu diesem sprach er aber also: mein lieber Sohn, ich habe Dir nichts Anderes zu schenken, denn von dem Baume, daran schaffe ich Dir die Länge, die Breite und die Tiefe. Hierauf sprach er zu ihm: gehe hin und rufe Deinen dritten Bruder. Zu diesem sagte er: lieber Sohn, Du weißt wohl, daß ich über nichts mehr zu gebieten und Alles verkriegt habe, was ich jemals besessen habe, bis auf diesen Baum. An dem schenke ich Dir alles Grüne und Dürre, was an ihm ist. Und da er nun alle seine Geschäfte vollbracht hatte, da kehrte er sich nach der Wand zu und gab seinen Geist auf. Darnach ward er würdiglich bestattet und begraben. Nun unterwand sich der erste Sohn des Baumes, und that, als ob er sein wäre. Das vernahm der andere und sprach: weshalb unterwindest Du Dich dieses Baumes? Der sprach: darum, weil mir mein Vater an ihm geschenkt hat Alles, was in der Erde ist und darob; darum weiß ich nicht anders, denn daß er mein ist. Der andere sprach: nun hat mir doch mein Vater geschafft an dem Baume die Höhe, die Breite und die Tiefe, und darum ist er auch allein mein. Das hörte der jüngste Bruder und sprach: lieben Brüder, warum unterwindet Ihr Euch dieses Baumes? Mir hat nun doch mein Vater das Alles geschafft, Grünes und Dürres, was an dem Baume ist, daher ist er billiger Weise mein und nicht Euer. Allein höret doch meinen Rath, aus daß sich nicht ein Irrsal oder Zorn unter uns begebe, da wir doch einmal Brüder sind. So laßt uns also zu dem König hingehen, der hier in unserer Nähe wohnt, und wie nun der König nach unser aller Vorgeben richten wird, des sollen wir alle willig seyn und ihm darin folgen. Der Rath gefiel ihnen allen wohl, und sie kamen zu dem König und ein jeder legte dem König seine Sache vor, wie oben geschrieben ist. Da sie nun der König vernahm, sandte er nach einem Bader, und ließ dem ältesten der Brüder am Arme zu Ader. Darnach fragte sie der König, wenn ihr Vater begraben worden sey. Das ward ihm gesagt. Da sandte der König einen Boten, der brachte ihm ein Bein aus dem Sarge des Vaters, das legte der König in das Blut, das von dem ältesten Bruder gekommen war, und da es eine gute Weile darin gelegen hatte, da legte er es an die Sonne und ließ es trocknen, und da es wohl getrocknet war, da ließ er es mit Wasser waschen. Und da man es wusch, ging das Blut von dem Beine, gerade als wenn es nie da gewesen wäre. Da hieß der König dem andern Bruder auch am Arme Ader zu lassen, und that das Bein des Vaters in dasselbe Blut, und that damit gerade als wie mit dem ersten. Und da man es mit Wasser wusch, da ging das Blut ganz davon weg, und das Bein blieb bei seiner Gestalt. Da befahl der König, daß man dem jüngsten Bruder auch an dem Arme Blut lassen solle, und that mit dem Blute und dem Beine des Vaters gerade wie zuvor. Und da es an der Sonne und an der Luft nun wohl getrocknet war, da ließ er es wie zuvor mit Wasser abwaschen. Da konnte er aber das Blut mit Wischen und Schaben und mit keinerlei Sache von dem Beine herunter bringen, und das Bein blieb durchweg blutig. Wie das der König sah, da merkte er dabei, daß der des Königs Sohn war und die andern nicht, und machte ihn zum Herrn des Baumes, und der König ward um seiner Weisheit Willen sehr gelobt.

Sechste Erzählung.
Von einem edlen Manne in Rom.

*

Man liest von einem edlen Manne, der in einer Stadt einen Sitz hatte und ein schönes Weib besaß, das er sehr lieb hatte. Der dienete aber ein anderer Ritter so eifrig und mit solchem Fleiße, daß ihm die Frau gar günstig und hold war. Nun begab es sich aber, daß der Ritter seinen Knecht zu ihr sandte und sie fragen ließ, ob sie es ihm gestatten wolle, daß er den Abend zu ihr käme. Und da nun der Knecht die Botschaft an die Frau gebracht hatte, da ward sie sehr erzürnt, daß er einem Knechte solche Botschaft anvertraut hätte, und wollte dem Knechte keine andere Antwort geben. Und da der Knecht den Zorn der Frau vernahm, da fing er an um sie für sich selbst zu werben, und überredete die Frau in Kurzem, daß sie ihm Alles gewährte und ihm zu Willen war. Da nun der Knecht also lange ausblieb, da ward der Ritter sehr verdrießlich und kam selber nach der Frauen Hause und klopfte an. Und da der Knecht des Herrn Kommen vernahm, da kam über ihn dermaßen Furcht, und er wußte nicht, wie er sich gebärden sollte, und fragte die Frau um Rath. Die hieß ihn unter das Bett schlüpfen, und ließ darnach den Ritter ein, und der fragte die Frau, ob sein Knecht nicht bei ihr gewesen wäre. Da sprach sie: er ist hier gewesen und habe ich ihn im Zorn von mir abgefertigt, daß er eine solche Botschaft an mich fürbaß getragen hat. Auch hätte ich Euch nicht zugetraut, daß Ihr eine solche Sache einem Knechte anvertrauen würdet. Da der Ritter der Frauen Ernst vernahm, da kam ihm der Gedanke ein, daß er sie beruhigen möchte, und in der Zeit, daß der Ritter bei der Frau war, kam auch ihr Mann an das Thor, und jener wußte nicht, wie er sich dabei benehmen sollte. Da sprach die Frau: ziehet Euer Schwert und laufet gegen meinen Mann an, als ob Ihr sehr zornig seyet, und gebt ihm keine Antwort. Das that der Ritter also. Des nahm den Ritter Wunder und er fragte, was der Ritter gesucht habe. Da sprach sie: sein Knecht ist auf meine Erlaubnis hereingelaufen, den habe ich unter meinem Bette verborgen und den hat er gesucht. Und da das ihr Ehemann vernahm, da dankte er seiner Frau, daß sie dem Knechte also das Leben gefristet hatte.

Siebente Erzählung.
Von einem Manne, der nur einen Sohn hatte.

*

Es war zu Rom ein Mann, der hatte nur einen Sohn, und da er starb, da ließ er dem Sohne nichts weiter als ein Haus, das gar wohl gelegen war. Nun hatte der Knabe einen Nachbar, der hätte das Haus gern gehabt, aber der Knabe wollte es nicht verkaufen und lebte desto kümmerlicher. Da das der Nachbar sah, dachte er nach, wie er einen Grund fände, daß er den Knaben von dem Hause brächte, und kam eines Tages und bat den Knaben, daß er ihm gönnte, daß er zehn Tonnen Oels in seinem Hause auf eine kleine Zeit in einem Winkel stehen lassen könnte. Der Knabe versah sich aber dabei keiner Gefahr und erlaubte ihm das. Des ward der Ungetreue froh und schickte bald, daß man das Oel brächte. Nun hatte der falsche Ungetreue die Tonnen nicht ganz gefüllt und waren sie halb leer, und er setzte sie in eine Kammer und behielt dazu den Schlüssel. Und das stand nun allda nachher wohl über ein halbes Jahr. Da brachte er denn alte Leute mit, die das Oel kaufen sollten, und da er zu dem Oele kam, da schrie er mit lauter Stimme: Waffen herbei gegen den Bösewicht, dem ich meine Habe anvertraut habe. Und er eilte alsbald zu dem Richter und klagte ihm, wie ihm der Knabe sein Oel gestohlen habe, das er aus Treue und Glauben in sein Haus gelegt. Der Richter ging nun den Knaben an, der bat ihn aber um einen Tag Frist, die ihm auch gewährt ward. Darauf ging der Knabe mit großem Leid zu einem weisen Manne, der in der Stadt seinen Wohnsitz hatte, und klagte ihm seine Noth. Der verhieß ihm Hilfe und sprach, er solle sich freiwillig stellen. Von ihm ging aber der Knabe zum Richter, der ihn gefangen legte. Am folgenden Morgen früh führte man ihn vor Gericht, zu welchem auch der weise Mann kam, der ihn so wohl getröstet hatte, und als nun auch die Frage an diesen kam, da sprach er: mir scheint es gut zu seyn, daß Ihr hinschickt und das Oel beschauen laßt. Ist dieses nun so, daß man in den halbvollen Fässern mehr trübes Oel findet, als in den vollen und die Spuren desselben bis an den Rand hinauf gehen, so ist das Oel gestohlen worden, sind aber dagegen in denselbigen Fässern nur so weit Spuren des Oels zu sehen, als dessen Oberfläche bis jetzt noch reicht, so besteht der Knabe und der Andere ist als falsch erfunden. Darin folgte man ihm sogleich, und da fand man, daß die halben Fässer nur so weit Ränder zeigten, als ihr Maaß noch ging; und wie das der Richter vernahm, da urtheilte er, daß man den Kläger hinge, und den Knaben machte er zum Herrn aller seiner Habe.

Achte Erzählung.
Vom Kaiser Octavianus.

*

Einst herrschte der gewaltige Octavianus zu Rom, der hatte sein Weib um dreierlei Sachen Willen, die sie an sich hatte, lieb. Zum ersten, weil sie ihm getreu war, zum andern, weil sie schön war, und zum dritten, weil sie beständig und gehorsam war. Nun geschah es in einer Nacht, als sie zu Bette lag, daß er gedachte nach dem heiligen Grabe zu ziehen, und des Morgens früh rief er die Kaiserin und seinen Bruder vor sich und sprach: Frau, ich habe mir vorgenommen eine kleine Zeit von hinnen zu ziehen: nun traue ich Dir so wohl, daß ich Dir Alles, was ich habe, befehle, und will Dir dazu keinen Obmann setzen, als meinen Bruder, der soll thun nach Deinem Gebot Alles, was Du nicht selbst magst, und er soll Dir gehorsam und unterthänig seyn. Und er schickte sich nachher in der Kürze darzu an, und zog mit einem schönen Gefolge seine Straße, und seine Frau hielt das Reich indessen alle Zeit gar ordentlich zusammen. Nun ward des Kaisers Bruder aber von der Liebe zu dieser Frau so sehr gefangen, daß er sich versah, es müsse sein Tod werden, so er nicht an ihr seine Lust büßen könnte. Nun kam es eines Tages, daß er die Frau allein fand, so daß Niemand bei ihr war: da hub er an und sagte ihr sein Leiden. Und da nun die Frau seine ungetreue Bitte vernahm, da ward sie davon erzürnet und sprach, wie er so ungetreu und falsch sey, daß er seinem Bruder die Treue brechen wolle, der ihm doch so wohl getrauet, und an sie ein solches Begehren gerichtet habe, das an ihm nicht ungerochen bleiben könne. Wie er das hörte, da schied er traurig und niedergeschlagen von ihr, ließ jedoch nicht von ihr ab, und wie er doch seinem Wunsche eine Statt bereit machte, so kam er wieder zu ihr und sagte ihr, was Leidens er habe. Und da nun die Frau fand, daß er von seiner Thorheit nicht lassen wolle, da legte sie ihn gefangen und behielt ihn da bis an des Kaisers Ankunft. Und da er nun vernahm, daß der Kaiser sein Bruder kommen solle, da gedachte er bei sich selbst: so mich mein Bruder hier gefangen findet und meine Schuld an seiner Frau erfährt, so bin ich ein Kind des Todes. Und er überzeugte sich davon und sandte nach der Frau, daß sie zu ihm käme, er habe ein klein wenig mit ihr zu reden. Das gewährte ihm die Frau und kam, und da er sie sah, da sprach er: O Frau, um Gott bitte ich Euch, mir Erbarmen widerfahren zu lassen, laßt mich aus dieser Noth, denn wenn mich mein Herr findet und meine Schuld an Euch erfährt, so bin ich ein Kind des Todes. Da die Frau nun sein heißes Flehen erhört hatte, so befahl sie, man solle ihn loslassen, schickte ihn in's Bad und sandte ihm darnach sogar neue Kleider zu. Hierauf sprach sie zu ihm: wohlan, der Kaiser ist in der Nähe, wir wollen ihm entgegenreiten. Da machte er sich auf, und als sie so miteinander ritten, da kam ihnen ein Hirsch zu Gesichte und lief an ihnen vorüber, und sobald sie ihn erblickt hatten, eilte ihm das ganze Gefolge nach, so daß bei der Dame Niemand zurückblieb, als des Kaisers Bruder. Wie der aber sah, daß er nun allein bei seiner Schwägerin sey, da erwachte seine alte Bosheit in ihm und er sprach also zu der Frau: Frau, Du siehst wohl, daß jetzund Niemand bei uns ist, darum bitte ich Dich, daß Du mir meine Bitte jetzt noch gewähren mögest. Als das die Frau hörte, da überkam sie gar großer Zorn und sie sprach: ich hoffe zu Gott, daß mein Leib keinem andern Manne zu Diensten sey, denn meinem Herrn allein. Kaum hatte aber des Kaisers Bruder dieses vernommen, so ward er sehr erzürnt, zog ihr alle Kleider bis auf das Hemde vom Leibe und hing sie bei den Haaren an einem Baume auf, worauf er das Pferd, welches die Frau geritten hatte, laufen ließ und seinem Bruder entgegen ritt. Nun fügte es sich, daß am selbigen Tage ein Herzog in der heißen Mittagszeit durch denselben Wald ritt und seine Hunde, wie sie die Frau erblickten, vor ihr standen und sie anbellten, bis der Herzog dazu kam. Und da er die Frau also hängen sah, da fragt er sie, wer sie wäre und wie sie in diese Lage gekommen sey. Da antwortete die Frau: wer ich bin und wie ich hierherkam, das weiß Gott wohl, aber Eins bitte ich Dich, daß Du mich von diesem Baume losmachen mögest. Darauf sprach der Herzog: das will ich gern thun, und befahl, daß man die Frau löse, und als sie los gemacht worden war, schickte er sie heim in sein Haus und empfahl ihr seine Tochter, daß sie diese unterrichten und erziehen solle. Nun hatte der Herzog an seinem Hofe einen Ritter, der war sein Hofmeister und diente der Frau Tag und Nacht in der Absicht, daß sie ihm zu Willen seyn sollte. Und da er solches nun einstmal von ihr begehrt hatte, versagte sie es ihm zorniglich mit folgenden Worten, wie sie es Gott zugeschworen habe, keinen Mann zu erkennen, als den sie mit Recht erkannt hätte, und er möge sie also solcher Bitten überheben. Wie das der Hofmeister hörte, schämte er sich, daß sie es ihm so trocken abgeschlagen hatte, und er dachte nun Tag und Nacht darüber nach, wie er sie einmal in Schaden bringen könnte. Nun schlief die Frau des Nachts bei des Herzogs Tochter in derselben Kammer, worin der Herzog bei seiner Frau lag. Nun kam der Ritter einmal des Nachts in die Kammer geschlichen und sah, daß sie alle schliefen, da nahm er ein scharfes Messer und schnitt dem Kinde die Kehle ab, und gab das blutige Messer der Frau in die Hand, damit man davon abnehmen könnte, daß sie dieses Kind getödtet hätte, und ging damit seine Straße. Nun brannte aber eine Ampel alle Nächte in der Kammer, und da die Herzogin erwachte, sah sie das blutige Messer in der Hand der Frau, die neben dem Kinde lag, da sie den Arm auf die Decke gelegt hatte, und wie das die Herzogin sah, erschrack sie sehr und weckte ihren Herrn. Der sprang schnell auf und schaute nach seiner Tochter und sah, daß sie todt und ihre Kehle abgeschnitten war und das ganze Bett voller Blut. Da schrieen Vater und Mutter sehr, und da die Frau von dem Geschrei erwachte, da sprach der Herzog zu ihr: o Du gottloses Weib, was für einen Lohn läßt Du mich für meine Treue genießen, daß ich Dich von dem Tode gerettet habe. Wozu hast Du mein armes Kind aufgezogen, daß Du dasselbe also unschuldig getödtet hast? Darüber entsetzte sich die Frau sehr und sprach: mir ist die ganze Sache durchaus unbekannt, und ich bin mir nichts bewußt. Auch ist das Messer, so lange ich lebe, nie mein gewesen, welches ich in meiner Hand gefunden habe, und ich weiß auch nicht, wie es dahin gekommen ist; darum möget Ihr mit mir thun, wie Ihr wollt. Die Herzogin bat nun ihren Herrn recht sehr, er möge sie tödten lassen, der aber sprach: ich will mich an ihr nicht schuldig machen, und hieß sie schnell von dannen gehen, auf daß sie aus seinen Augen käme. Das that nun auch die Frau mit großen Wehklagen, setzte sich auf ein Pferd und kam vor eine Stadt. Da führte man ihr einen Mann entgegen, der war ein Straßenräuber gewesen, den schleppte man nach dem Galgen, auf daß man ihn henken sollte. Da das die Frau ersah, so eilte sie hin zu ihm und fragte den Richter, ob er den Gefangenen um Geld losgeben wolle, der aber sprach, ja er sey bereit dazu. Darauf machte ihn die Frau mit Geld, was sie in Bereitschaft hatte, los, nahm ihn mit sich hinweg und sprach: Du weißt wohl, daß ich Dich vom Tode erlöset habe, darum sey mir nunmehr getreu, und das verhieß er ihr. Und da sie nun wiederum in die Nähe einer Stadt kamen, da sandte ihn die Frau voraus, daß er ihr eine Herberge bestellte, und das that der Knecht. Und als sie nun dahin kamen, da blieb sie da und hieß ihm, daß er ihr Schiffer kommen ließe, da sie über das Meer fahren wolle. Da kam nun einer, der dieselbe Straße fahren wollte, wohin sie mußte, und da sie das vernahm, da ging sie zu ihm in das Schiff und wollte mit ihm dingen. Und da der Mann ihre Schönheit sah, da bestach er den Knecht heimlich mit Geld, daß er aus dem Schiffe ging, und da das geschehen war, da stieß er vom Lande und fuhr auf die weite See. Wie das die Frau ersah, da kam große Bestürzung über sie, und sie fragte ihn, was er im Sinne habe, der aber sprach zu ihr: entweder ich schlafe bei Dir, oder ich werfe Dich in's Meer, wo Du eines bittern Todes sterben mußt. Darüber erschrak die Frau gar sehr, und fiel an ihrem Bett auf ihre Knie und bat Gott, daß er sie behüte vor diesem sündlichen Falle. Und alsbald kam ein starker Regenschauer und ein großes Ungewitter, und riß das Schiff auseinander, doch wollte Gott Keins verderben, so daß ein Jedes auf einem Theile des Schiffes entkam, aber Eins wußte von dem Andern nichts. Da kam nun die Frau zu einer Abtei, in welcher Klosterfrauen waren, und bat daselbst um Herberge, und die Frauen nahmen sie auf und freueten sich über sie. Da blieb denn die Frau eine Zeit lang allein und studierte alle Zeit in einem Buche, das von den Kräften der Kräuter handelte, und ward darin so klug, daß ihre Kunst durch alle Länder erscholl, also daß alle Sieche nach ihr fragten, und wessen sie sich annahm, der war genesen. Nun wollte aber Gott dem Leiden, das sie lange gehabt hatte, ein Ziel setzen und sie wiederum zu Freuden bringen. Darum focht des Kaisers Bruder ein großes Gebreste an, und da das der Kaiser vernahm, da machte er sich samt seinem Hofe auf und ritt zu dem Kloster, darin er die Frau wußte. Nun begab es sich auch, daß der Ritter, der des Herzogs Kind getödtet hatte, gichtbrüchig ward an Händen und Füßen und auch zu dem Kloster kam. Dahin kam auch der Meerfahrer, der war wassersüchtig worden, und der Knecht, den sie mit ihrem Geld vom Tode erlöst hatte, der war blind und hörte nicht mehr und kam auch in das Kloster. Und da sie nun alle dort zusammen kamen und die Hilfe der Frau begehrten, da kam die Frau, und es erkannte sie Keiner, und sie sprach, nur sobald Jeder von ihnen vor allem Volke alle seine Missethat beichte, anders könne sie keinen gesund machen. Da das der Kaiser hörte, da sprach er: damit soll mein Bruder anheben, und befahl ihm solches. Der aber sprach: wenn dem so ist, daß ich anders nicht gesund werden mag, es sey denn daß ich alle meine Sünden verrathen habe, so versehe ich mich langer Krankheit, denn wenn ich meines Bruders Sicherheit verrathen habe, wollte ich lieber dieses Gebrestes wirkliche Leiden ertragen. Da das der Kaiser hörte, ward er sehr zornig und sprach: o Du Bösewicht, was hast Du gethan, daß Du Dich so sehr fürchtest, daß Du lieber dieses Gebrestes Leiden ertragen wolltest? Der sprach aber: nur in dem Falle, daß Ihr mich sicher stellet, anders sage ich nichts. Da sprach der Kaiser: wohl, ich verspreche Dir Sicherheit für Alles, was Du wider mich und die Meinen gethan hast. Da das der Bruder hörte, da sagte er, wie er der Ehre der Frau des Kaisers nachgestellt habe und wie sie ihn, da er das lange Zeit von ihr begehrt, gefangen gehalten hätte, und er sagte alles, wie oben geschrieben steht, und wie er sie zuletzt aufgehangen habe, wo sie aber darnach hingekommen sey, das wisse er nicht. Wie das der Kaiser hörte, da gerieth er gar sehr in Zorn und es gereuete ihn, daß er ihm Sicherheit gewährt hatte. Und wie der Ritter, der des Herzogs Hofmeister gewesen war, das hörte, was des Kaisers Bruder gesagt hatte, da sprach er: wie ich von diesem gehört habe, daß er Euere Frau in dem Forste aufgehangen hat, gerade so hat mein Herr, der Herzog, Euere Frau gefunden und sie seiner Tochter zur Erzieherin gesetzt, und da sie mir nicht gewähren wollte, was ich von ihr begehrte, da schnitt ich meines Herrn Tochter die Kehle ab, daß es so heraus kam, als ob sie es gethan hätte, und brachte es also dahin, daß sie vom Hofe getrieben wurde. Und da solches der Räuber vernahm, da sagte er, wie ihm eine schöne Frau begegnet sey, da man ihn zu dem Galgen führte, und die habe ihn für ihr eignes Geld ausgelöset, und sagte auch, wie er ihr seine Treue gebrochen hätte. Wie das Alles der Meerfahrer hörte, da sagte er auch, wie er an der Frau auf dem Schiffe gehandelt hätte, und wie solches die Frau gehört hatte, sprach sie: sie haben Alle recht gebeichtet, und legte ihnen Arzneimittel auf, und sie wurden zur Stelle gesund. Und als solches geschehen war, da sprach sie zum Kaiser: Herr, was meinst Du, ob Du nicht wieder froh werden würdest, so Du die Frau sähest, die so viel um ihrer Keuschheit Willen erlitten hat? Der aber sprach: Ja, sicher, über alle Freuden der Welt hinaus würde ich mich freuen! Da nahm sie sogleich das Tüchlein ab, mit welchem sie das Haupt umbunden hatte, und da erkannte er sie und umhalste sie mit großer Freude und führte sie darnach mit sich heim, und verbrachten sie von nun an ihre Tage seliglich mit einander.

Neunte Erzählung.
Vom König Herodes, der eine schöne Tochter hatte.

*

Herodes war ein gewaltiger Kaiser zu Rom, der hatte eine schöne Tochter, die ihm gar lieb war, der dienete ein Ritter lange Zeit. Das verstand die Jungfrau gar wohl, und er ging eines Tages zu ihr und sprach zu ihr: edle Jungfrau, wollet mir meine Rede nicht übel vermerken, ich sagte Euch gern eine Kleinigkeit von meiner Noth, die ich wohl nicht mehr allein für mich tragen mag. Die aber sprach: sagt mir ohne alle Furcht was Ihr wollt. Da sprach der Ritter: lange Zeit habe ich mein Leid geduldig ertragen, das ich Euch nun zu wissen thue, da mein einziger Wunsch, daß die Treue, die ich Euch lange bewährt habe, mit Treue vergolten werde. Ich trage aber in meinem Sinn, in das Land Hispania zu reiten, und will meinen Leib und mein Gut dort in die Schanze schlagen, damit ich durch meine Tapferkeit so viel verdiene, daß ich Eurer würdig werde, da ich mich dermalen noch unfähig fühle, Euere Hand erhalten zu können. Nun möchte ich aber von Euch versichert seyn, daß Ihr in meinem Dienst sieben Jahre auf mich wartet, und so es der Fall wäre, daß ich in dieser Zeit nicht wieder in dieses Land zurück käme, so würde das ein Zeichen meines Todes seyn, und thuet sodann mit mir nach Euerem Gefallen. Die Rede gefiel aber der Jungfrau gar wohl, und sie war bereit in seinen Wunsch zu willigen und versprach ihm das bei ihrem Worte. Darnach schickte sich der Ritter zu seinem Zuge an und zog seine Straße. Nicht lange darauf kam aber der König von Apulien mit großem Gefolge und bat um die Hand der Jungfrau; ihr Vater aber verhieß sie ihm, sandte nach seiner Tochter, und fragte sie um ihren Willen. Die aber sprach: mein Vater, Du sollst wissen, daß ich Gott gelobt habe, in sieben Jahren keinen Mann zu nehmen, und nach der Zeit geschehe, was Gott über mich beschließen will. Da das ihr Vater hörte, so wollte er es ihr nichts dawider einwenden, und sagte es dem Könige von Apulien: der war aber bereit die sieben Jahre auf sie zu warten, und schied unter dieser Bedingung von dannen. Und da die Zeit kam, daß die sieben Jahre nun schier ein Ende nehmen sollten, da schickte er sich wiederum mit allem seinen Gefolge feierlich zu seiner Fahrt an und zog seine Straße auf dem Wege gen Rom. Nun kam aber der Ritter unserer Geschichte auf dieser Fahrt zu dem König, und sie ritten mit einander dahin: es begab sich aber eines Tages, daß es gar sehr regnete und der Ritter hatte einen guten Mantel und einen Hut. Allein der König ward durch und durch naß, da er weder Mantel noch Hut hatte, und da das der Ritter gewahr wurde, da sprach er: Ihr seyd nicht sehr klug gewesen, daß Ihr Euer Haus nicht mit Euch genommen habt, da wäret Ihr nicht naß geworden. Wie das der König hörte, da däuchte ihm die Rede wunderlich, und er sprach: ich höre wohl, daß Du sonderbar redest, da mein Haus wohl etwas zu groß seyn dürfte, also daß ich es nicht mit mir hinwegführen mag. Und sie ritten also ihres Weges dahin und kamen an eine große Lache: da ritt der König voran hindurch, und wie er hinein kam, war die Lache so tief, daß das Pferd mit ihm bis auf den Grund ging, und er sich gar sehr besudelte. Wie das der Ritter sah, ritt er ganz trocken um die Lache herum und sprach zu dem König: Ihr habt unweise gehandelt, daß Ihr Euere Brücke nicht mit Euch hierher geführt habt, dann hättet Ihr Euch jetzt nicht beschmutzt. Die Rede schien Jenem ganz unnütz zu seyn, und er sprach zu ihm: Du bist ein Thor und willst mich als solcher tadeln: wie möchte ich meine Brücke mit mir führen? Die ist ja eine halbe Meile lang und von Steinen gemauert. Jedoch verantwortete er sich weiter nicht gegen ihn und sie ritten weiter. Da konnten sie aber kein Haus finden, wo sie etwas hätten zu essen bekommen können, und der Ritter bat den König bei sich zu Tische, und sie setzten sich auf die Erde nieder, und der Ritter gab dem König Käse und Brot, welches er in einem Ranzen bei sich geführt hatte, und gab ihm auch aus einer Flasche zu trinken. Wie nun der König zur Genüge gegessen hatte, da sprach der Ritter: Ihr thut gar nicht wohl, daß Ihr nicht aller Wegen Vater und Mutter mit Euch führt. Da sprach der König: meine Mutter ist so alt, daß ich sie ihrer hohen Jahre wegen nirgends mitnehmen kann, und mein Vater ist schon seit langer Zeit todt, so daß ich ihn auch nicht bei mir haben kann. Während dieser Zeit langten sie in der Stadt Rom an, und der Ritter beurlaubte sich daselbst vom König, worauf ihn derselbe fragte, wohin er jetzo zu ziehen gedenke. Da versetzte er: es sind nun bereits sieben Jahre, daß ich in einem Netze gefangen gelegen habe, so ich es nun also wieder finde, wie ich es verlassen habe, so führe ich es mit mir in meine Heimath, und wird es mir in allen Stücken lieb und werth seyn, so es aber zerrissen ist, so laß ich es, wo es ist, und achte sein fürder nicht mehr. Nach dieser Rede ritt der König in die Stadt hinein, und wie ihn der Ritter nicht mehr sehen konnte, da ritt er ihm auch nach und kam heimlich in den Palast zu der Jungfrau und führte sie von dannen. Nun begab es sich aber, daß der König beim Kaiser zu Tische saß und der König anhub und sagte, er habe einen wunderlichen Ritter zum Gefährten gehabt, der seltsamer Rede gepflogen habe, und er erzählte, wie er gesprochen habe, da es so sehr regnete, es sey von ihm nicht weise gewesen, daß er sein Haus nicht mit sich geführt habe, weil er sodann nicht naß geworden seyn würde, wie er ihm dann geantwortet, sein Haus sey wohl viel zu groß, als daß er es mit über Land nehmen könne. Da fragte ihn der Kaiser, was er angehabt habe, und der König sagte, er habe einen Mantel getragen und einen Hut auf seinem Haupte gehabt. Da sagte der Kaiser: sicherlich ist er weise gewesen, da er meinte, warum Ihr nicht auch einen Mantel und einen Hut bei Euch führet. Da erzählte der ihm weiter, wie er geredet hatte, da er sich in der Lache beschmutzt hatte; da antwortete ihm aber der Kaiser und sprach: der Ritter hat damit gemeint, warum er seinen Diener nicht vorausgeschickt habe, denn dann würde er sich nicht beschmutzt haben. Da sagte ihm Jener endlich noch, wie sie mit einander, nachdem sie gegessen, gesprochen hätten, und er gesagt habe, er thue nicht weise, daß er nicht allwegen Vater und Mutter mit sich nehme, wenn er über Land reite. Das deutete ihm der Kaiser auch und sprach: er hat damit gemeint, er solle nicht ausziehen, wenn er nicht Wein und Brot bei sich führe. Als er also gesprochen hatte, lobte er den Ritter um seiner Weisheit Willen und fragte jenen, wo er ihn gelassen habe. Da sagte der König, er habe sich nahe bei der Stadt mit folgenden Worten bei ihm beurlaubt, es seyen nun sieben Jahre, daß er in einem Netze gefangen liege, er wolle also zu demselben hinreiten, und wenn er es noch in eben dem Zustande finden werde, als er es hingelegt habe, so wollte er es mit sich hinweg führen, so es aber zerrissen und zerbrochen sey, so wolle er es liegen lassen und sein nicht mehr achten. Da das der Kaiser hörte, schrie er mit lauter Stimme: weh mir über mein Herzeleid. Dieses Netz ist meine Tochter, ich fürchte, ich habe sie verloren. Er eilte also hinweg und sandte nach ihr, allein sie ward nicht gefunden, denn sie war schon lange mit dem Ritter von dannen gezogen. Wie aber die Boten kamen und das dem Kaiser sagten, da sprach derselbe: merkt auf, dieser Ritter hat mich und Euch betrogen, darum sehet Euch nach einem andern Weibe um. Da schied der König traurig von dannen und der Ritter behielt die Jungfrau in allem Frieden.

Zehnte Erzählung.
Von dem Kaiser Lucio.

*

Einst herrschte der gewaltige König Lucius zu Rom, der eine schöne Tochter hatte, die ihm gar lieb war. Nun war ein Ritter an seinem Hofe, der alle seine Dienste der Jungfrau weihete; nun kam es aber eines Tages, daß er sie allein in einem Fenster sitzen fand, und er sprach also zu ihr: edle Jungfrau, lange Zeit habe ich meine Liebe für Euch dem Wind und Wetter ausgesetzt, und Ihr habt das Alles nicht bedenken wollen. Nun will ich aber auch mein Gut um desselbigen Willen auf's Spiel setzen, damit ich Euere Gunst verdienen möge, und bitte Euch, daß Ihr mir saget, was ich darum thun soll, auf daß Ihr mir gestattet, daß ich eine Nacht bei Euch schlafen darf. Da vertröstete sich die Jungfrau auf ihre Kunst und forderte tausend Mark. Des war der Ritter froh und brachte ihr das Geld. Da führte ihn die Jungfrau verstohlen in ihre Kammer und hieß ihn sich niederlegen, und so wie er in das Bett kam, da schlief er ein und schlief die ganze Nacht hindurch. Am Morgen aber stand die Jungfrau auf und weckte den Ritter; der aber erschrak sehr, daß er also Alles verschlafen hatte, und bat die Jungfrau, daß sie sich wieder zu ihm legen solle, die aber wollte ihm solches nicht gewähren. Da dung er mit ihr um die andere Nacht und gab ihr abermals tausend Mark, und da er des Nachts in ihr Bett kam, entschlief er abermals und Alles ging wie zuvor. Da sie ihn aber des Morgens früh aufweckte, erschrack er gar sehr und that sehr kläglich und bat die Jungfrau, daß sie sich wieder zu ihm legte. Das versagte sie ihm aber gar zorniglich, und da er merkte, daß ihm all sein Bitten nichts half, dung er wiederum um die dritte Nacht für tausend Gulden, und schied also traurig von ihr und ging zu einem Kaufmann und bat ihn, er solle ihm tausend Mark auf seine Habe leihen. Das wollte der Kaufmann jedoch nicht, aber Eins, wenn ihm das gefiele, wolle er für ihn machen, daß er ihm das Versprechen gäbe, wenn er innerhalb drei Tagen ihm die tausend Mark nicht entrichten könne, ihm alsdann ein schwer Stück Fleisch von seinem Leibe schneiden zu lassen, wo er es nur haben wolle, und er solle ihm einen Brief darüber geben, der mit seinem Blute geschrieben sey. Dieses Pfand und Gelübde nahm der Ritter an und gab ihm darüber einen Brief, so wie er begehrt hatte. Hierauf gab ihm der Kaufmann das Geld, und er ging mit demselben gen Hofe und begab sich zu der Jungfrau. Unterwegs aber begegnete ihm ein weiser Philosophus, der sprach also zu ihm: es nimmt mich Wunder, daß Ihr also einfältig seyd, dem zu trauen, der Euch schon zweimal betrogen hat. Da fragte ihn der Ritter, wie er das meine. Da sprach jener: die Jungfrau, bei welcher Ihr zwei Nächte geschlafen habt, hat einen Brief in ihrem Bette, durch welchen Ihr alle Nächte eingeschlafen seyd, und doch geht Ihr abermals zu ihr. Nun rathe ich Euch aber ungebeten, wenn Ihr nicht verderben wollt, daß Ihr diese Nacht, wenn Ihr Euch schlafen legen sollt, unter das Kopfkissen in dem Bette greifen möget, da findet Ihr einen Brief, den ziehet heraus und werft ihn von Euch, so weit Ihr könnt; darauf leget Euch nieder und thut, als ob Ihr auf der Stelle eingeschlafen wäret, da wird sich die Jungfrau sogleich zu Euch legen. Wie das der Ritter vernahm, dankte er dem Meister gar sehr und ging zu der Jungfrau und gab ihr das Geld. Da wies sie ihn in ihre Kammer und hieß ihn sich niederlegen. Das that er, vergaß aber das nicht, was ihn der Meister gelehrt hatte, und wie die Jungfrau das gewahr worden war, daß er eingeschlafen sey, da legte sie sich zu ihm, er aber griff sie an und drückte sie an sich und sprach: Frau, es ziemt sich, daß ich mein Geld nicht also unnütz verlieren soll. Des erschrack die Jungfrau gar sehr und bat ihn mit heißen Zähren, er solle sein Geld alles wieder nehmen, sie aber in Frieden lassen. Des wollte er sie aber nicht erhören und sprach: nicht allein mein Geld, ja alle Habe Eueres Vaters nähme ich darum nicht an. Und alsbald überwältigte er sie und vollbrachte seinen Willen an ihr. Aber in demselben Augenblicke ward auch das Herz der Jungfrau so verwandelt, daß er ihr gar hold wurde, und sie behielt ihn eine ganze Woche bei sich in ihrer Kammer, ohne daß Jemand darum wußte. Aber mitten unter diesen Freuden vergaß er das Gelübde, welches er dem Kaufmanne gethan hatte, und als er daran gedachte, da erschrack er sehr und begann kläglich zu weinen. Da fragte ihn die Jungfrau, warum er also thue und was ihm geschehen sey. Da sagte er ihr, wie er sich gegen den Kaufmann verpflichtet und wie er nun den Tag versäumt habe, und das sey die Ursache seiner Klagen. Da tröstete ihn die Frau und sprach: gehe zu ihm und biete ihm sein Geld an, und ist es, daß er es nicht nehmen will, so frage ihn, was er denn von Dir haben will und komme dann zu mir, daß ich es Dir geben kann. Das that der Ritter und ging zu dem Kaufmann und bat ihn, er solle sein Geld nehmen, der aber wollte ihn schlechterdings nicht erhören und sprach, er wolle sich an seinen Brief halten und nicht anders thun, und führte ihn sogleich vor den Richter. Nun war aber das Recht des Gesetzes, daß wozu sich einer willig verbunden hatte, das mußte er also ausrichten. Es hatte aber die Frau Boten ausgesandt, die nachsehen und sich erkundigen sollten, wie es ihm erginge. Die kamen aber zu ihr zurück und sagten ihr, er stehe gefangen vor Gericht. Das erschreckte sie sehr und sie legte eilig Mannskleider an, setzte sich auf ein Pferd und ritt zu dem Gerichte und ward von Jedermann für einen Ritter gehalten. Da ging sie zu dem Kaufmann und fragte ihn, ob er Geld nehmen und sich seines Zornes gegen den Ritter abthun wolle. Das wollte der Kaufmann aber nicht erhören, und da die Frau vernahm, daß ihr kein Gut bei ihm helfen möge, da sprach sie: wohlan, da sich dieser Ritter des verbunden hat, so soll er seinem Versprechen also nachkommen. Nun wisset Ihr wohl, daß des Gesetzes Recht ist, wer eines Menschen Blut vergießt, dessen Blut soll wieder vergossen werden. Nun hat sich dieser Ritter verbunden, daß, so er den gesetzten Tag versähe, man ihm dann ein schwer Stück Fleisch von seinem Leibe schneiden könnte, wo Ihr es haben wolltet. Nun ist der Ritter bereit seinem Gelübde nachzukommen, aber Du mußt das so machen, daß Du sein Blut nicht vergießest. So Du aber doch sein Blut vergießen wirst, so wird billig erkannt, was Du ihm dafür schuldig bist. Da das der Kaufmann vernahm, hätte er sein Geld gern genommen. Da sprach aber die Frau: nein, das geschieht nun nicht, da Du es vorher nicht hast annehmen wollen, und rief den Richter darum an, daß er sage, was Rechtens wäre. Der entschied aber allerseits, daß der Kaufmann schneiden dürfe, vom Blutvergießen aber nicht die Rede seyn könne, und der Ritter also billig zu entlassen sey. Wie jene das vernahm, dankte sie dem Richter und zog also von dannen, ritt wieder an ihren Hof, legte das Gewand von sich und kleidete sich wieder in ihre Kleider, als ob sie gar nicht fort gewesen wäre. Während der Zeit kam auch der Ritter zu ihrem Hofe und begab sich zu der Frau; die fragte ihn, wie es ihm gehe, ob er sich mit dem Kaufmann vertragen hätte, und er hub an und sagte ihr Alles, wie es ihm vor dem Richter ergangen war und wie ein Ritter gekommen sey, der allen Leuten unbekannt gewesen wäre, der habe ihn mit seiner Weisheit vom Tode errettet. Da fragte ihn die Frau, warum er ihn nicht mit an den Hof gebracht hätte, er aber sagte, er sey allsogleich von dannen gezogen, und sie wüßten nicht, wohin er gekommen sey, Eines aber wisse er, daß er alle seine Tage nie einen klügeren Ritter gesehen habe. Da sprach sie: so Du den Ritter sähest, ist es Dir so, als ob Du ihn dann erkennen würdest? Er aber sagte: ja wohl. Da eilte sie in ihre Kammer und legte die Kleider wieder an, die sie vorher angehabt hatte, und trat also vor ihm hin. Da erkannte er, daß sie es gewesen sey, und empfing sie und sprach: gesegnet ist der Tag, wo Du geboren wardst. Darnach brachte es die Jungfrau mit ihrer Klugheit zu Wege, daß sie ihr Vater dem Ritter zum Weibe gab, und sie brachten ihre Tage in Seligkeit zu.

Eilfte Erzählung.
Von Gallicus, dem Kaiser zu Rom.

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Einst herrschte der gewaltige Kaiser Gallicus zu Rom, der setzte zu einem Rechte fest, daß wer von fremden Landen an seinen Hof käme, dem werde sogleich ein gebratener Fisch vorgesetzt, und Jedermann solle darauf merken, ob er den Fisch auf der einen Seite bis auf die Gräten verzehre und ihn dann auf die andere Seite umkehre, wer das thue, der solle alsbald gefangen gesetzt werden und den dritten Tag solle man ihn ohne Gnade aufhenken. Allein die drei Tage lang, während welchen er im Gefängnisse lag, konnte er alle Tage, was für eine Bitte er wollte, an den König thun, ausgenommen für sein Leben, die wurde ihm gewährt. Also kamen ihrer Viele um ihren Hals, und eines Tages kam ein Graf an den Hof, der seinen Sohn mit sich brachte. Der ward von Allen männiglich empfangen, und sogleich wurde ihm nach dem Gesetze des Kaisers ein gebratener Fisch aufgetragen, und davon aßen sie beide, der Vater und der Sohn. Und da sie die eine Seite des Fisches gegessen hatten, da kehrte ihn der Graf auf die andere Seite um, und da das die Diener sahen, hinterbrachten sie es alsbald dem Kaiser. Der aber befahl, man solle ihn fahen. Wie das der Sohn sah, ging ihm des Vaters Leid sehr zu Herzen, und er verlangte, man solle ihn für seinen Vater sterben lasse. Das gewährte ihm der Kaiser und ließ ihn ins Gefängniß legen, den Vater aber ledig. Wie das geschehen war, sprach jener: Ihr wisset wohl des Kaisers Gebot, daß ich dreierlei vor meinem Tode bitten kann. Darum begehre ich, daß Ihr zu dem Kaiser gehet und ihn bittet, daß er mir seine Tochter mit einem Pfaffen sende und sie mir zum Weibe gebe. Da gingen die Boten hin und sagten es dem Kaiser; der konnte nicht gegen sein Gesetz thun und mußte es gestatten und gab ihm seine Tochter, und diese schlief die Nacht bei ihm. Darnach am andern Tage begehrte er, daß ihm der Kaiser alle seine Habe geben solle, und da ihm solches gewährt worden war, theilte er Alles unter das Hofgesinde, davon wurden sie ihm aber gar hold und günstig. Darnach am dritten Tage, da er nun sterben sollte, sandte der Kaiser zu ihm daß er seine dritte Bitte thun solle, er müsse sogleich sterben. Da sprach er: weil ich denn sterben soll, so bitte ich, daß der Kaiser einem Jeden, der da spricht, er habe es von meinem Vater gesehen, daß er den Fisch umkehrte, beide Augen ausstechen lasse. Wie das dem Kaiser gesagt worden war, fragte er überall herum auf dem Hofe, wer es gesehen habe. Da leugneten sie es Alle und sagten, Keiner habe das gesehen. Wie das des Kaisers Tochter vernahm, da sprach sie: weil es denn ihrer Keiner gesehen hat, daß sein Vater den Fisch umgewendet, so ist der Sohn billig zu entlassen. Und da der Kaiser die Weisheit des Knaben vernahm und wie ihm seine Tochter günstig war und auch alles Hofgesinde, da nahm er ihn gütig auf, machte ihn zum Erben über all sein Gut, und so ward er nach dem Tode seines Schwiegervaters zum Kaiser gemacht und herrschte gewaltig und weislich über das Reich bis an sein Ende.

Zwölfte Erzählung.
Von einem klugen Meister der schwarzen Kunst.

*

Es lebte zu einer Zeit in Rom ein gar kluger Meister der schwarzen Kunst, der hatte einen jungen Schüler, der Tag und Nacht mit allem Fleiße darnach aufstellte, wie er jenem das Buch stehlen möge, worin alle seine Kunst geschrieben war. Nun begab es sich aber eines Tages, daß der Meister vom Hause weggeritten war, da nahm der Jüngling das Buch und zog damit seine Straße. Wie nun der Meister zu Hause kam und vernahm, daß der Schüler mit seinem Buche fort war, da brachte er es mit seiner Kunst zu Wege, daß er an die Straße kam, welche der Jüngling gezogen war, und eilte ihm behendiglich nach, und als er ihn sicher eingeholt hatte, da ersah ihn der Jüngling. Der aber erschrack sehr und eilte mit dem Buche unter eine Brücke. Da ging der Meister oben darüber hin und ward sein Buch also los, mit welchem ihm sein Knecht entlief.

Dreizehnte Erzählung.
Eine schöne Rede von Diocletiano, Domiciani Sohn. Ist eine besondere Redaction des Volksbuches von den sieben Meistern: das Zeichen &square; deutet an, daß diese oder jene Geschichte auch in demselben zu finden ist.

* &square;

Einst war der gewaltige Kaiser Domicianus in Rom, der hatte gar ein schönes Weib, die ward von ihm mit einem Sohne schwanger, der ward Diocletianus genannt. Da nun der Knabe sieben Jahre alt war, da ward des Kaisers Frau gar krank, so daß sie wohl verstand, daß sie nicht wieder genesen konnte. Da sandte sie nach dem Kaiser, und als derselbe zu ihr kam, da sprach sie: Herr, ich spüre wohl, daß ich von diesem Gebreste nicht davon kommen kann, ich muß sterben. Nun habe ich eine Bitte an Dich vor meinem Tode, und solche gewähre mir. Da sprach der Kaiser: Frau bitte, was Du willst, es sey Dir gewährt. Da sprach sie: ich weiß, daß Du nach meinem Tode eine andere Frau nehmen wirst, und bitte ich Dich, daß Du nicht gestattest, daß sie Gewalt über meinen Sohn habe. Das verhieß ihr der Kaiser sogleich, und nach dieser Rede starb sie. Da klagte der Kaiser sehr und wollte lange Zeit kein anderes Weib wieder nehmen. Nun dachte er aber eines Nachts darüber nach, wie er mit seinem Sohne leben sollte, und am andern Morgen rufte er alle seine Edelleute zusammen und fragte sie um Rath, wie er seinen Sohn unterrichten lassen solle. Da riethen sie ihm sieben Philosophen an, die Meister wären in aller Kunst, die in dieser Welt sey, die seyen zu Rom, und denselben solle man den Knaben anbefehlen. Darin ward ihnen gefolgt, der Kaiser sandte nach ihnen, und als sie kamen, befahl er ihnen seinen Sohn auf ihr Wort, daß sie den Knaben also unterrichteten, daß er nach seinem Tode das Reich weislich regieren möge, das verhießen sie ihm und waren des gar froh, daß sie den Knaben in ihrer Pflege haben sollten. Da es nun also geschehen war, da nahmen sie den Knaben und führten ihn mit sich hinweg. Nun wendeten die Meister aber solchen Fleiß auf den Unterricht des Knaben, daß, als sieben Jahre um waren, sie ihn versuchen wollten, wie er ihnen auf ihre Fragen antworten könnte. Da rieth einer von ihnen, der hieß Tantillus, daß man in jedem Winkel seines Bettes ein Lorbeerblatt legen solle. Also geschah es, und da er erwachte, da blickte er gleich über sich in die Höhe. Da fragten ihn die Meister, was er gesehen habe. Da sprach er, entweder die Höhe oder der Boden ist niedrig geworden, oder die Erde unter meinem Bette ist höher gewachsen, denn sie zuvor gewesen ist. Wie das die Meister hörten, da sprachen sie: sollte der Knabe leben bleiben, wird er groß an Weisheit werden und uns weit übertreffen. Während der Zeit hatten die Herren seines Landes mit dem Kaiser also geredet: Herr, Du weißt wohl, daß Du nur einen Sohn hast, es könnte möglich seyn, er stürbe eher denn Du. Darum gefällt es uns wohl, daß Du wieder ein Weib nimmst, damit Dein Reich nicht ohne Erben bleibe. Des ließ er sich überreden, und es ward ihm von einer schönen lieblichen Jungfrau gesagt, die nahm er zum Weibe, und vergaß nun alsbald seiner ersten Frau, und sie lebten also lange Zeit mit einander in großen Freuden. Nun konnte aber die Frau während der Zeit gar nicht schwanger werden, und das wurde ihr gar leid. Nun hörte sie auch, wie der Kaiser einen Sohn in der Fremde hätte, und dachte darauf, wie sie es zu Wege brächte, daß sie ihn sehen könne. Und sie bat den Kaiser eines Nachts gar eifrig um eine Gunst, die er ihr gewähren solle, und sie überredete ihn, daß er ihr solches zusagte. Da sprach sie: ich habe vernommen, Du hast einen Sohn in der Fremde, auf den habe ich nun meinen Sinn gestellt, da ich selber keine Kinder haben soll. Ich bitte Dich also, daß Du nach ihm sendest, auf daß ich seiner ansichtig werde. Das ward ihr gewährt. Der Kaiser sandte also einen Brief an die Meister, sie sollten nicht ablassen, den Knaben mit zu Hofe zu bringen. Wie nun die Meister des Kaisers die Botschaft vernommen hatten, begaben sie sich alle an einen geheimen Ort und lugten nach den Gestirnen, ob die Zeit darzu gut wäre, daß sie mit dem Knaben an den Hof zögen. Da sahen sie an dem Firmaments, daß, so sie den Knaben in dieser Zeit hinbrächten, würden sie alle geköpft und der Knabe auch getödtet werden. Des wurden sie gar sehr betrübt, und da der Knabe zu ihnen kam und sie fragte, warum sie so traurig wären, da sagten sie ihm, wie sein Vater nach ihm gesendet habe, und wie sie darüber nach den Gestirnen geschaut hätten: da sähen sie aber nichts Anders, als daß, wenn sie mit ihm zu Hofe zögen, sie alle sterben müßten. Da lugete er selber auch nach den Sternen, und sah, daß sie Recht hatten, allein er sah auch an einem kleinen Sterne, daß, so er sich sieben Tage lang, nachdem er zu seinem Vater gekommen wäre, des Redens enthielte, so würden sie zwar alle zum Galgen geführt werden, aber doch mit großer Mühe freigemacht, daß er nicht getödtet würde. Und da er das sah, da zeigte er den Meistern den kleinen Stern auch und sagte ihnen, wie ein jeder von ihnen einen Tag vom Tode freimachen werde. Wie das die Meister hörten, da freueten sie sich des gar sehr, daß ihr Jünger zu solcher Weisheit gelangt wäre. Darnach bereiteten sie sich nicht erst lange, sondern ritten gen Rom zum Kaiser. Wie das der Kaiser vernahm, da ritt er seinem Sohne mit großer Heeresmacht entgegen, und als er zu ihm kam, küßte er ihn und fragte ihn, wie er sich befunden habe. Darzu schwieg er und gab ihm keine Antwort. Des wunderte sich der Kaiser gar sehr, und sie ritten doch nach der Veste, und als sie in dieselbe gekommen waren, da ging ihm die Kaiserin entgegen, empfing ihn und führte ihn bei der Hand in ihre Kammer und setzte den Knaben neben sich und sprach: o mein lieber Diocletiane, Du sollst wissen, daß mich große Liebe darzu gebracht hat, daß ich mich nach Dir gesehnet habe, wiewohl ich Dich niemals gesehen habe. Um derselben Liebe Willen rede mit mir, und so wollen wir fröhlich mit einander leben, wenn Niemand bei uns ist, der es sieht. Das achtete der Knabe aber Alles nicht und kehrte sein Angesicht von ihr. Da also ihre Rede bei ihm nichts helfen wollte, zeigte sie ihm ihre Brust und entblößte ihren Leib und sprach: siehe an, was für einen schönen Körper ich habe, mit welchem ich Dir zu Diensten seyn will, den Du billiglich mit Liebe aufnehmen solltest. Das achtete er aber Alles nicht und wollte von ihr hinweggehen. Da sprach sie: weil Du denn mit mir nicht reden willst, so nimm hier diese Schreibtafel und thue mir damit Deinen Willen kund. Das that er und nahm die Tafel und schrieb darauf, das soll nicht geschehen, daß ich jemals eine solche That thue, womit ich meinen Vater seiner Ehre beraube und die Liebe zwischen Euch Beiden störe, darum begehret solches nicht und überhebet mich einer solchen Bitte. Wie sie das gelesen hatte, was auf der Tafel geschrieben stand, da riß sie ihre Kopfbinde vom Haupte und zerkratzte sich das Gesicht unter den Augen und schrie laut nach Hilfe. Und wie der Kaiser das Klaggeschrei seiner Frau hörte, lief er schnell in ihre Kammer und viele Ritter folgten ihm nach, daß sie sähen, was der Frau zugestoßen wäre. Und wie er zu seiner Frau kam, da fragte er sie, was ihr wäre. Da sagte sie ihm, jener habe ihr ihre Ehre rauben wollen, und da sie ihm das nicht habe gestatten mögen, habe er sie mit Gewalt überfallen, und so zeigte sie ihm ihr Gewand und ihr Angesicht, das ganz zerrissen war. Das erzürnte den Kaiser sehr und er befahl seinen Schergen, daß sie ihn hinführten und ihn aufhingen. Da ward ihm aber gerathen, man solle ihn lieber ins Gefängniß legen, weil man keinen Menschen ungerecht tödten dürfe. Darin folgte er auch, und der Knabe ward in einen Kerker geführt und des Morgens vor Gericht gebracht: da ward geurtheilt, man solle ihn tödten. Man führe ihn also hin zum Galgen und es weinte Jung und Alt, und sie sprachen: wehe, das ist des Kaisers einziger Sohn, soll der also getödtet werden, das ist sehr schlimm. Und da man ihn also dahin führte, da begegnete ihm sein erster Meister, und da er zu ihm kam, da legte ihm der Knabe sein Haupt an seine Brust und sprach: gedenke meiner, so Du zu meinem Vater kommst. Da sprach der Meister zu den Schergen, sie sollten innehalten und nicht eilen den Knaben zu tödten, er hoffe zu Gott, er wolle ihn frei machen. Des waren Alle froh und warteten darauf, ob der Kaiser den Tod seines Sohnes widerrufen werde. Da eilte der Meister zu dem Kaiser, und da er zu ihm kam, da kniete er nieder und grüßte ihn. Da sprach der Kaiser mit großem Zorn: saget an, habe ich Euch nicht meinen Sohn zur Wohlredenheit überantwortet, der ist nun stumm, und darzu habt Ihr ihn so erzogen, daß ich befohlen habe ihn zu tödten, und also soll es mit Euch auch geschehen. Da sprach der Meister: das weiß Gott, daß er in unserer Pflege wohl geredet hat, und es ist für uns unglaublich so etwas zu hören, da er solche Dinge vorher nie gepflegt hat. Aber Eins sage ich Euch, so Ihr Eueren Sohn nach der Aussage Eueres Weibes tobtet, so wird es Euch übler ergehen, wie dem Ritter, der seinen Vogelhund tödtet nach dem Worte seines Weibes, der ihm sehr lieb war, was ihm nachher sehr gereuet hat. Da bat ihn der Kaiser, daß er ihm sage, wie das geschehen sey. Da sagte der Meister: ich sage es Euch nicht, es sey denn, daß Ihr den Tod Eueres Sohnes widerrufet, so daß er heute nicht getödtet wird: denn wenn ich es Euch so sage, so wird der Knabe nun getödtet. Darum schicke hin und befiehl, daß man ihn nicht tödte, und lege ihn in einen Kerker, und was Ihr nachher zu thun gedenkt, das machet. Des folgte ihm der Kaiser und befahl, daß man ihn gefangen setze und nicht tödte. Da hub der Meister an und sagte:

Von einem Ritter.

&square; *

Es lebte einstmals ein edler Ritter, der hatte nur einen einzigen Sohn, den hatte er so lieb, daß er ihm drei Ammen anschaffte, die sein pflegeten. Er hatte aber auch einen Falken und einen Vogelhund, den er gar lieb hatte. Es hatte aber der Hund die Tugend, daß, wenn der Ritter zu einem Strauß ausreiten wollte und es ihm wohl gelingen sollte, er vor ihm herlief, wenn er zu Rosse saß, und sprang und war gar fröhlich, sollte es ihm aber übel ergehen, so fiel der Hund dem Pferde in den Zügel und hielt ihn fest und schrie. Daran erkannte der Ritter wohl, ob er reiten oder daheim bleiben solle, und darum war ihm der Hund desto lieber. Nun geschah es aber einstmals, daß der Ritter zu einem Turniere ritt, und eines Tages gingen die Ammen alle aus dem Hause, so daß Niemand darinnen blieb, nur der Hund lag bei dem Kinde, das in einer Wiege lag. Da kroch eine gräßliche Natter herbei und wollte das Kind tödten, das ersah aber der Falke, und er flatterte so sehr hin und her, daß er den Hund aufweckte, und als der Hund die Natter erblickte, machte er sich auf und lief gegen sie an, und sie stritten so lange mit einander, bis der Hund die Natter tödtete. Es hatte aber die Natter den Hund gebissen, daß er blutete, und die Erde bei der Wiege gar blutig war; von dem Streite aber den sie mit einander gehabt, hatten sie die Wiege umgestürzt, allein dem Kinde war doch kein Leid geschehen. Wie nun der Hund die Natter getödtet hatte, da legte er sich zu der Wand nieder und leckte seine Wunden. Darnach kamen alsbald die Ammen wieder nach Hause, und da sie sahen, daß die Wiege umgestürzt da lag und der Hund am Maule blutig war, da meinten sie, er habe das Kind getödtet und liefen alle davon. Da begegnete ihnen aber die Frau vom Hause und fragte sie, was ihnen wäre. Da sagten sie, während sie ausgewesen wären, da wäre der Hund gekommen, der dem Herrn so lieb sey, und habe das Kind getödtet. Wie das die Frau hörte, eilte sie klagend nach Hause, aber die Ammen machten sich weiter auf die Flucht. Während der Zeit kam der Ritter und fand seine Frau weinend, die noch nicht hinein gekommen war, und er fragte sie, was ihr wäre. Da sagte sie ihm, sein Hund, der ihm so lieb wäre, habe ihr Kind gebissen und getödtet. Darüber erschrack der Ritter gar sehr und eilte zornig in sein Haus, und wie der Hund ihn kommen hörte, da lief er ihm entgegen und spielte um seine Füße herum. Da ward der Ritter voller Zorn, zuckte das Schwert und stach den Hund zu Tode, und dann ging er hin und wollte das Kind beschauen. Da fand er es aber gesund und wohlgemuth in der umgestürzten Wiege und sah die Natter todt und zerrissen bei derselben liegen. Da merkte er wohl, daß der Hund dieselbe um des Kindes Willen getödtet und dem Kinde das Leben erhalten hatte, und darum gereuete es ihm sehr, daß er dem Worte des Weibes geglaubt und dem Hunde seine Treue vergolten hätte. Wie das der Kaiser hörte, ward er dem Sohne wieder ein wenig gnädiger gesinnt, allein darnach am andern Tage kam seine Frau und fragte, warum er die Hinrichtung seines Sohnes widerrufen hätte, und sprach: wollt Ihr der süßen und schmeichlerischen Rede der Meister folgen, so wird es Euch ergehen, wie einem schönen Schweine, welches nur durch Jucken, das ihm so lieblich deuchte, getödtet ward. Da fragte sie der Kaiser, wie das gekommen wäre, und sie sprach: nur so Ihr schafft, daß der getödtet werde, welcher meine Ehre also gefährdet hat, anders sage ich es Euch nicht. Wie das der Kaiser hörte, verlangte es ihn sehr darnach das zu wissen, und er verhieß ihr, daß er ihn tödten lassen wolle, da sagte sie also:

&square; † (72) *

Vor Zeiten war hier in der Nähe in einem Walde ein gar schönes Wildschwein, das war so stark, daß ihm Niemand widerstehen konnte. Nun hütete einmal ein Hirt in demselben Walde, und auf einmal sah er das Schwein von fern, wie es auf ihn los kam. Darüber erschrack er gar sehr und kletterte schnell auf einen Baum. Da kam das Schwein unter den Baum und fraß die Aepfel, die von dem Baume herabgefallen waren. Wie das der Hirt sah, da schüttelte er den Baum, daß der Aepfel viele herabfielen, und wie sich das Schwein mit den Aepfeln gesättigt hatte, legte es sich unter den Baum und schlief. Wie das der Hirte merkte, stieg er leise vom Baume herab und juckte es am Bauche. Das gefiel dem Schweine gar wohl, und so schlief es dabei ganz fest ein. Als aber der Hirt das ersah, da nahm er ein breites Messer und stach ihm damit die Kehle ab, so daß es zur Stelle todt war. Also kam das Schwein durch Jucken um seinen Hals. Darum hütet Euch, daß es Euch nicht auch so ergehet, und schonet seiner nicht. Wie das der Kaiser vernahm, da befahl er, daß man seinen Sohn zum Tode führe, und also geschah es. Indessen verzog man damit so lange, daß der andere Meister vor den Kaiser kam und also sprach: Herr, wenn dem so ist, daß Ihr der Rede Eueres Weibes glaubet, so wird Euch geschehen, wie einem Ritter, den sein Weib um den Hals brachte. Darum widerruft den Tod Eueres Sohnes auf einige Zeit, und ich sage Euch, wie das geschah. Das that der Kaiser und widerrufte den Tod seines Sohnes; des war männiglich froh, und sie kehrten wieder um und führten ihn in den Kerker. Da hob der Meister an und sprach:

Von Julio dem Kaiser.

&square; * † (73).

Einst herrschte der gewaltige Kaiser Julius zu Rom, der ließ eine Glocke in seinem Palaste aufhängen, und setzte als Gesetz fest, daß, wer des Abends auf der Gasse betroffen würde, nachdem man dieselbige Glocke geläutet hätte, der darnach des Morgens ohne Gnade gehangen werden sollte. Es war aber ein Ritter in derselbigen Stadt, der hatte gar ein schönes Weib, die heimliche Buhlschaft mit einem Andern trieb. Nun begab es sich eines Abends, daß selbiger ihr Buhle an ihr Haus kam und ihr das durch einen Schrei zu wissen that, den sie wohl verstand. Und wie sie seine Ankunft vernommen hatte, stand sie leise auf und ging herab zu ihrem Buhlen, und wie ihr Mann erwachte und sie nicht in ihrem Bette fand, stand er leise auf, machte die Hausthüre zu und sperrte sie aus und legte sich dann zu Bett. Wie nun die Frau an die Thüre kam und merkte, daß das Haus zugeschlossen war, da erschrack sie gar sehr und bat ihren Mann mit heißen Zähren, daß er ihr aufmachen sollte. Der wollte es ihr aber nicht gewähren. Während dieser Zeit läutete man aber mit der Glocke. Wie das die Frau hörte, so that ihr das gar wohl, als sie merkte, daß sie der Mann nicht einlassen wollte, und sie sprach: ich merke wohl, daß Du nichts Anderes willst, als daß ich sterben soll, und von den Hütern der Stadt ergriffen und geschmäht werde, das soll aber nicht geschehen, denn ich will mir den Tod selbst in diesen Brunnen suchen. Es stand aber ganz nahe am Hause eine sehr schöne Cisterne: und wie die Frau das gesagt hatte, nahm sie einen großen Stein und warf denselben in den Brunnen, als wenn sie es selbst gewesen sey, und eilte dann wieder zur Thüre. Wie das der Ritter hörte, erschrak er gar sehr und eilte aus dem Hause und beugte sich schnell über den Brunnen, indessen war aber die Frau in das Haus gewischt und schlug die Thüre hinter sich zu. Wie das der Ritter hörte, eilte er nach der Thür und fing sie an fleißig zu bitten, daß sie ihn einließe. Das wollte sie aber nicht erhören und erhob ein großes Geschrei: o Du Bösewicht, wie hältst Du Deinen Treuschwur an mir, denn wenn ich wähne, Du seyest zu Hause, da gehst Du andern Weibern nach, das soll Dir aber nicht ungestraft hingehen. Während der Zeit aber kamen die Hüter der Stadt und fanden den Ritter vor dem Hause, fingen ihn und führten ihn zu dem Richter. Des andern Tages aber ward er vor Gericht geführt, und was er auch reden mochte, es half ihm Alles nichts. Er ward dem Tode überantwortet und darnach aufgehängt. Also brachte ihn sein Weib um den Hals, darum sehet Euch vor und glaubt Euerem Weibe nicht zu viel, auf daß Ihr von ihr nicht betrogen werdet. Wie das der Kaiser vernommen hatte, ward er wieder ein wenig besänftigt; als er aber wieder zu seiner Frau kam, da fand er sie gar zornig, daß er seinen Sohn nicht getödtet hatte, und sie sprach: Ihr sollt wissen, daß Ihr diesen Sohn zu Euerem Schaden aufsparet, denn es wird Euch geschehen, wie einem Ritter, welchem sein eigener Sohn das Haupt abschlug. Wenn dem nun so ist, daß Ihr wollt, daß ich Euch sage, wie dieß geschah, so verheißt mir, daß Ihr ihn noch tödten wollt. Das sagte er ihr zu da hob sie an und sprach also:

Von Tito dem Kaiser.

&square; * † (74).

Man liest von Tito dem Kaiser, daß er zwei Hofmeister hatte, denen er gar wohl trauete, und ihnen alle seine Schätze anempfahl. Nun war der eine gar geitzig und hatte an einer heimlichen Stelle ein Loch in den Thurm gebrochen, das Niemand bemerkte, und kam dann mit seinem Sohne und stieg hinein und stahl viele Güter, indessen sein Sohn Wache halten mußte. Das hatte er aber lange Zeit getrieben und war gar reich davon geworden. Darnach nahm aber der andere Hofmeister wahr, daß des Schatzes von Tage zu Tage immer weniger wurde, und kam deshalb in große Sorge und dachte bei sich: ich muß doch von der Sache etwas mehr in Erfahrung bringen, ehe ich Jemandem etwas davon sage, und ging und schaute sich allenthalben um, ob er irgendwo etwas verändert oder eine Stelle fände, wo man hineinkommen könnte, und kam zuletzt zu dem Loche, welches der Hofmeister durch die Mauer gemacht hatte. Wie er das gefunden hatte, da bedachte er sich nicht lange, sondern ließ ganz im Geheimen eine Grube in die Erde machen, die eine Mannshöhe tief war. Wie das fertig war, füllte er sie mit Pech an und ging von dannen. Darnach kam am andern Abend der andere Hofmeister nach seiner alten Gewohnheit an den Thurm, führte seinen Sohn mit sich und stieg in das Loch, fiel aber dadurch bis an den Hals in die Grube. Da überkam den Hofmeister große Furcht und er warnte den Sohn, daß er ihm nicht nachkäme. Wie das der Sohn vernommen hatte, stieg er vorsichtig neben der Mauer hinab und schauete, wie dem Vater wäre. Da sah er aber, daß er mit dem Leben nie aus der Grube davon kommen möge. Darum dachte er also bei sich: wenn man meinen Vater hier also findet, das ist uns Allen eine Schmach, und besann sich kurz, zog sein Schwert und schlug seinem Vater das Haupt ab, nahm es mit sich von dannen, und ließ den Leichnam des Vaters liegen. Als man denselben nun des Morgens in der Grube fand, da konnte ihn Niemand erkennen. Da befahl der König, daß man ihn an einem Roßschweife durch die Stadt schleifte, da weinten aber Alle, die in dem Hause waren; das merkten aber die, welche mit ritten, und also ward er erkannt. Das möchte Euch von Euerem Sohne auch wohl geschehen, darum richtet darnach, ob Ihr das wollt. Und wie das der Kaiser vernahm, da befahl er, daß man ihn am andern Morgen früh zum Tode führe. Darüber erschracken aber Alle männiglich, und es war ihnen sehr leid, darum hielten sie doch so lange mit der Hinrichtung ein, bis daß der dritte Meister zu dem Könige kam. Der sprach: Herr, wenn dem also ist, daß Ihr nach der Rede Eueres Weibes Eueren Sohn tödten lasset, so wisset, daß Ihr gewiß also von ihr werdet betrogen werden, wie der Ritter mit der Elster von seiner Frau betrogen ward: und so Ihr hören wollt, wie das geschah, so widerruft den Tod Eueres Sohnes bis auf morgen. Also geschah es, und des waren sie männiglich froh und führten ihn wieder in den Kerker. Da sprach der Meister also:

&square; † (75) *

Man liest von einem Ritter, der einst in einer Stadt seinen Sitz hatte, daß er ein schönes und seines Weib hatte, die aber heimlicher Buhlschaft pflog. Nun begab es sich aber einmal, daß der Ritter über das Meer nach dem heiligen Grabe fuhr, und während er da draußen war, da sandte die Frau nach ihrem Buhlen, der kam zu ihr, und sie lebten gar fröhlich mit einander. Nun hatte der Ritter eine Elster, die redete so deutlich wie ein Mensch, und da sie sah, daß jene also mit einander lebten, das verdroß sie sehr und sie sprach zu der Frau mit solchen Worten: Du thust gar Unrechts daß Du Deinem Herrn die Treue brichst: wisse, daß ich ihm nichts verschweigen werde, so er zurück kommt. Wie das die Frau hörte, da befahl sie ihren Jungfern, daß sie Fenster und Thüre zusperrten, so daß es finster wurde, als wenn es Nacht wäre: dann nahm sie Wasser in ein Becken, stellte sich über das Vogelhaus und sprengte das Wasser auf den Vogel, als wenn es regnete; das merkte sich die Elster gar wohl. Kurze Zeit nachher kam der Ritter, und sobald ihn der Vogel erblickte, da sagte er ihm alle Mähr, die er gesehen hatte. Darüber erschrak der Ritter gar sehr und frug fleißig nach, wie es um die Sache stehe. Da leugnete aber die Frau Alles und sprach: willst Du die Wahrheit inne werden, so frage sie nur, wenn es geschehen ist, dann magst Du ihr glauben. Und wie er sie fragte, da sprach sie: es wäre in der dritten Nacht geschehen und habe gerade sehr geregnet. Alsbald sprach die Frau: nun kannst Du wohl einsehen, daß sie nicht die Wahrheit spricht, denn daß es dieselbige Nacht ganz heiter gewesen ist, wirst Du wohl wissen. Wie das der Ritter hörte, da dachte er nicht anders, denn die Elster habe gelogen, und schlug es sich ganz aus den Sinn. Darnach aber über etliche Tage fand er ein Becken auf einem Balken über dem Vogelhause stehen, in welchem noch Wasser war. Da erinnerte er sich wieder an das, was ihm die Elster gesagt hatte, und dachte, wenn das geschehen ist, so müssen es die Jungfern wissen, und ging zu ihnen und zwang sie mit Schlägen und mit Drohungen, bis daß sie ihm Alles verriethen, wie sie mit dem Vogel gethan hatten, und also kam die Wahrheit an den Tag. Wie das der Kaiser hörte, da ward er dem Sohne wieder etwas gnädiger gesinnt, und wie er des Abends zu seiner Frau kam, da strafte sie ihn gar sehr mit Worten, warum er den Tod seines Sohnes widerrufen hätte, und sprach: es wird Euch also geschehen, wie einem Gärtner, der einen Hasen lange zu seinem Schaden aufgezogen hatte, daß er ihn zuletzt sogar um seinen Hals brachte, und das geschah also:

Von Aureliano dem Kaiser.

&square; *

Einst war ein gewaltiger Kaiser, Namens Aurelianus, zu Rom, der hegte große Liebe zu Baumgärten, und er hatte einen Baum gepflanzt, der ihm gar lieb war, und setzte darzu einen Wächter, der den Baumgarten hüten und pflegen sollte. Nun hatte aber der Gärtner einen Hasen von Jugend auferzogen, den er gar lieb hatte und sein wohl pflegte. Nun kam es aber eines Tages, daß er das Gemach, darin er täglich lag, durchgrub und in den Garten kam und da großen Schaden anrichtete und manchen Baum verdarb, davon der Gärtner in große Noth kam. Wie nun der Herr kam, da ward er sehr erzürnt, als die besten Bäume angefressen und verderbt waren. Da fragte er ihn, wie das also hätte geschehen können, und jener konnte sich nicht anders ausreden, als daß er sagte, er habe einen Hasen jung aufgezogen, der sey eines Nachts herausgekommen und habe diesen Schaden gethan. Wie das der Kaiser vernahm, da ward er sehr zornig und befahl, daß man ihn hinge, und dem geschah also. Darum sehet Euch wohl vor, daß Ihr Euern Sohn nicht auch zu Euerem Schaden erzieht. Als das der Kaiser hörte, befahl er, daß man seinen Sohn am Morgen des andern Tages zum Tode führen solle. Wie das geschah, da kam der vierte Meister zum Kaiser und sprach: wollt Ihr immer noch der Aussage Eurer Frau glauben? Wenn das geschieht, dann glaubt mir, wird Euch geschehen, was dem Meister Yppocras geschah. Wenn Ihr das hören wollt, so widerruft den Tod Eures Sohnes auf morgen und ich sage Euch, was da geschah. Das that aber der Kaiser, und des waren Alle männiglich froh, und jener sprach also:

&square; *

Man liest, daß Yppocras gar ein bewährter Arzt war, so daß man zu seinen Zeiten in der ganzen Welt von ihm sprach. Nun geschah es, daß der Königssohn von Frankreich gar siech auf den Tod lag und Boten an ihn mit reichen Geschenken schickte, daß er sich es gefallen ließe zu ihm zu kommen. Nun war aber Yppocras alt, so daß er vor Alter nicht gut über Land reisen mochte, jedoch hatte er einen Neffen, der auch gar klug in der Arzneikunst war, den sandte er ihm und den nahmen die Boten mit sich. Und wie er hinkam, da freuete sich der König über alle Maßen, und er wendete allen seinen Fleiß und alle seine Arzneien an, also daß jener in kurzer Zeit gesund und wohl ward, darum er von Allen männiglich gelobt ward. Und da das geschah, daß des Königs Sohn nun wieder wohl geworden war, da schickte er ihn mit reicher Vergeltung wieder heim. Als aber Yppocras vernahm, wie sein Neffe Alles so gut gemacht hatte und darum so gut gelobt wurde, so mochte er das nicht leiden und fürchtete, er möchte ihn in seiner Kunst übertreffen, und trachtete täglich, wie er ihn vom Leben brächte. Er sprach also eines Tages zu ihm: wohlan, wir wollen ein wenig auf's Feld lustwandeln gehen. Das war der Neffe zufrieden und ging mit ihm. Wie sie nun aber an einen heimlichen und einsamen Ort kamen, der ihm gut darzu deuchte, da zeigte er seinem Neffen ein Kraut und hieß ihn es ausgraben. Der that es, während er sich aber nach dem Kraute bückte, da zuckte jener heimlich sein Schwert und schlug ihm das Haupt ab, ließ ihn liegen und ging seine Straße wieder heim. Kurz darauf ward Yppocras gar siech bis auf den Tod, so daß er sich nicht helfen konnte, und ließ sich zu einem Fasse tragen, das ganz voll Wein war. Daran wollte er aber seine Meisterschaft bewähren, mit der er sich doch selbst nicht helfen konnte, und legte ein Kraut hinein und ließ hernach das Faß überall anbohren, und wie viel man auch Löcher bohrte, doch kam kein Tröpflein heraus. Das wunderte aber Alle männiglich sehr, allein er sprach: Ihr seht wohl, wie viel ich vermag, doch kann ich mir selbst nicht helfen, und mit diesen Worten verschied er. Also bedenkt Euch wohl, daß Ihr Euer Kind nicht nach der Rede Eures Weibes tödtet, denn Ihr wißt nicht, wenn Ihr dasselbe bedürft, daß es vielleicht auch Euer Leben vor dem Tode fristen mag. Wie das der Kaiser hörte, widerrief er den Tod seines Sohnes und ward ihm gnädig. Als er aber am Abend zu seiner Frau kam, da fand er sie gar zornig, daß er den Tod seines Sohnes widerruft hatte, und sie sprach: so das Laster an Euerem Sohne ungerochen bleibt, so wisset, daß Euch geschehen wird, wie einem Ritter, der seinem Sohne allen Muthwillen gestattete, und das will ich Euch sagen.

*

Es war in einer Stadt ein Mann, der hatte einen Sohn, welchen er sehr zärtlich erzog. Der hatte sich nun in seiner Jugend das Stehlen angewöhnt, so daß Alles verloren war, was in seine Hände kam, und so man ihn bei seinem Vater verklagte, vergütete der Alles, was der Sohn gestohlen hatte, strafte ihn aber nicht. Das trieb aber der Sohn so lange fort, bis der Vater davon verarmt war, zuletzt vergriff er sich gar an einem Großen, so daß weder er noch der Vater genug hatten es wieder zu bezahlen. Darum ward er vor Gericht gebracht und überführt, und da man ihn zum Galgen führte, da rief er seinen Vater und bat ihn, er solle ihn noch zu guter Letzt küssen. Das that der Vater und ging zu ihm, und wie er zu ihm kam, da biß er ihm Mund und Nase ab. Also lohnte er ihm seine Treue. Darnach wisset Ihr Euch nunmehr zu richten. Am andern Morgen aber früh befahl der Kaiser, daß man seinen Sohn zum Galgen führe, und als das geschah, da kam der fünfte Meister und sprach: mich wundert es, daß Ihr den Worten Eueres Weibes so lange glaubt, die nichts Anders als böse Wollust darzu treibt. Wollt Ihr aber die rechte Mähr inne werden, so müßt Ihr thun, wie es ein Ritter machte, den auch Wollust zu solcher Bosheit trieb. Darum widerruft den Tod Eueres Sohnes bis auf morgen, und ich sage Euch, wie das geschehen ist. Das that der Kaiser und es frevele sich Alles männiglich, er aber hub an und sprach also:

Von einem Ritter.

* † (76).

Man erzählt von einem Ritter, der ein gar schönes junges Weib hatte, das ihm sehr lieb war. Nun diente derselbigen Frau ein anderer Ritter lange Zeit, und trieb das so lange, bis ihm die Frau auch günstig ward. Kurze Zeit nachher begehrte die Frau eines Tages von ihrer Mutter, daß sie nach dem Ritter senden solle, denn sie könne sein nicht entrathen, oder sie müsse sterben. Wie nun die Mutter der Tochter Ernst vernahm, da sprach sie: liebe Tochter, es paßt sich nicht für Dich, daß Du das thust. Aber willst Du Dir ihn nicht aus dem Sinne schlagen, so thue eins, d. h. erzürne Deinen Mann zuvor, um dessen Zorn zu kennen es Dir aber besonders zu thun seyn muß, da Du also bisher wohl mit ihm ausgekommen bist. Der Rath gefiel aber der Tochter gar wohl, und sie fragte also ihre Mutter, wie sie das angreifen solle. Da sprach die Mutter: Du weißt wohl, Dein Mann hat einen Vogelhund, der ihm selber lieb ist, den mußt Du tödten, und sieh dann zu, wie es ihm gefällt. Den Rath vollbrachte die Tochter und tödtete den Hund, und da das der Mann gewahr ward, so sagte er weiter nichts als: ich und Du wir können fürder nicht zusammen seyn. Darnach kam die Tochter und sagte der Mutter, was ihr der Mann zur Antwort gegeben hatte, und begehrte dabei, daß sie nun nach dem Ritter senden solle. Da sprach die Mutter: folge Du meinem Rathe und versuche ihn baß. Du weißt wohl, er hat einen Baum in seinem Garten, der ihm gar lieb ist, den mußt Du abhauen, und siehe dann zu, wie es ihm gefällt. Der Mann aber sprach nichts weiter, als er es sah, als: daß Dir solches fürder nicht mehr widerfahre, denn ich würde zornig werden. Die Tochter ging nun hin und sagte es ihrer Mutter, und begehrte, daß sie nach dem Ritter sende. Da sprach die Mutter: versuche ihn noch zum dritten Male, und darnach vollbringe ich Deinen Wunsch. Du weißt wohl, daß er morgen viel Gäste haben will, so thue also, als ob Du von Tische noch etwas laufen wolltest, und binde dabei das Tischtuch an einen Schlüssel und ziehe es mit dem Essen und mit Allem, so darauf ist, vom Tische nach Dir, und sieh zu, wie es ihm gefalle. Darnach am andern Morgen vollbrachte die Tochter der Mutter Rath. Des schämte sich der Mann vor den Gästen und ward davon sehr erzürnt, und gleich nachdem die Gäste fort waren, da befahl er, daß man schnell ein warmes Bad bereite, darin mußte sich die Frau baden. Dann sandte er nach einem Bader und hieß ihr aus allen Adern Blut lassen, so lange, bis die Frau gar ohnmächtig ward und als todt hinfiel. Darnach ließ er sie auf ein Bett legen in einer Kammer, da kam ihre Mutter und tröstete sie und sprach, sie solle munter und lustig seyn, und ob sie den Ritter haben wolle, sie wolle jetzt nach ihm senden. Da sprach die Tochter: nein, ich bedarf sein nicht, wenn ich auch ganz gesund wäre, übrigens siehst Du wohl, daß ich nur wenig mehr zu wünschen habe, dieweil ich beinahe todt bin. Da sprach die Mutter zu der Tochter: gehab Dich wohl, also ist Alles wohl gerathen. Darum sehet zu und glaubt Euerem Weibe nicht zu viel, da sie nur das Uebermaaß der Wollust zu solcher Thorheit getrieben hat. Wie das der Kaiser hörte, da befahl er, daß man den Sohn wieder in den Kerker legte, und ward ihm wiederum etwas gnädiger; des Abends aber, da er heim kam, da fand er die Frau gar zornig, daß er den Tod seines Sohnes widerruft hatte, und sie sprach: ich sage Euch, es geschieht Euch von Eueren sieben Meistern gleichwie einem König geschah in Frankreich, und das will ich Euch sagen:

* † (78).

Valentinus war einst ein gewaltiger König in Frankreich, in dessen Reiche waren sieben weise Meister, die wurden des eins, daß sie ihre Kunst an dem Könige versuchen wollten, und so machte ein Jeder, daß der König einen Tag krank war, und alle Tage an einem neuen Gebrechen, als heute blind, morgen krumm, übermorgen auszehrig. Des ward der König sehr betrübt und sandte aus nach allen den Weisen, die in seinem Lande waren, und fragte sie um Rath über seine Gebreste. Deren konnte ihm aber keiner rathen, da Hub die Kaiserin selber an und sprach: Ihr habt in der Stadt sieben Meister, nach denen schicket, und so die kommen, so laßt Euch rathen. Des ward der König froh und schickte nach ihnen, und sie kamen. Da sprach sie: Herr, Ihr sollt wissen, daß die sieben Meister Ursache an Eurer Krankheit sind, und ich will Euch das also beweisen. Macht es so und schlaget Einem das Haupt ab, und sehet dann zu, was Euch darnach künftig geschieht. Darin folgte der König und ließ den einen zur Stunde enthaupten, und sobald das geschah, da ward ihm ein Tag weniger, so daß er alle Wochen einen Tag gesund ward. Wie das der König gewahr ward, da ließ er sie alle tödten, und sobald das geschehen war, da ward der König erlöst von aller Krankheit. Also achteten auch die sieben Meister nicht darauf, ob sie Euch um den Hals brächten, wenn sie nur den Sohn erhielten. Wie der Kaiser das hörte, da befahl er, daß man den Sohn am Morgen zum Tode führen solle. Des erschraken Alle männiglich sehr, hielten aber doch so lange mit der Vollziehung seiner Befehle ein, bis der sechste Meister zu dem Kaiser kam. Der sprach: Herr, wenn dem so ist, daß Ihr der Rede Eueres Weibes folgt und ihr glaubt, so wisset, daß Ihr von ihr betrogen werdet, also wie es einem Ritter geschah, der seinem Weibe auch gar wohl trauete, und will ich Euch sagen, wie das geschah.

*

Honorius herrschte einst gar gewaltig in Rom, in dessen Reiche war ein Ritter, der ritt eines Tages von einer Stadt zur andern, und kam von ohngefähr zu einem Dorfe, das ganz in Feuer stand. Nun sah er in einem Hause eine Natter, die that gar wehmüthig und kläglich, weil sie ringsum vom Feuer umgeben war. Darüber erbarmte sich der Ritter und befahl seinem Knechte, daß er der Natter heraushelfen solle. Der aber redete ihm ab und wollte es nicht thun. Da nahm der Ritter den Spieß seines Buben, hob sie damit aus dem Feuer heraus und zog sodann seine Straße. Nun war der Ritter aber müde, darum hielt er auf einem Anger an bei einem kühlen Brünnlein und ruhete da. Und als sie eine kleine Weile da niedergesessen hatten, da sahen sie die Natter, welcher der Ritter aus dem Feuer geholfen hatte, die schnell auf ihn los fuhr. Wie sie aber die Diener daran hindern wollten, verbot es ihnen der Ritter, und als sie zu ihm kam, lief sie ihm an den Mund hinan und legte ihm eine Wurzel hinein. Sobald aber das geschehen war, da däuchte es ihm, wie wenn Jemand zu ihm spräche: schlinge das hinunter, aber sage es Niemandem. Als er aber solches verstanden hatte, da schlang er sie hinunter, und somit ging die Natter wieder ihres Weges. Darnach besann sich aber der Ritter nicht lange, sondern ritt heim zu seinem Hause. Nun begab es sich aber einstmals, daß er zu seinem Vergnügen des Abends in einem Baumgarten speisete, und seine Frau mit ihm, da hörte er auf einmal ein großes Geschrei von Sperlingen, die einen Streit in einem Baume ausmachten und sich einen Richter gesetzt hatten. Einer aber von ihnen klagte, wie sie mit andern Sperlingen in eine Scheune gekommen wären, darin hätten sie ausgedroschenen Hirsen gefunden, den hätten sie alle gegessen, das hätten ihm andere nicht gegönnt, wiewohl sie den Hirsen nicht gesäet hätten, und ihm darum ein Auge ausgebissen. Und da die andern vernommen hatten, daß dem Sperlinge Unrecht geschehen war, da machten sich alle über ihn her und bissen ihn, daß er todt vom Baume fiel. Das verstand aber der Ritter durch die Kraft der Wurzel Alles ganz wohl, und wie er dem Streite also fleißig zuhörte, das nahm die Frau Wunder und sie begehrte, daß er ihr sage, was die Sperlinge meinten, seit er ihnen so fleißig zuhöre. Darauf antwortete der Ritter und sprach: ich habe nur dem Sperlinge zugesehen, der jetzt von den andern zerbissen worden ist, aber was sie damit meinen, das ist mir unbekannt. Indessen ließ die Frau nicht ab mit Bitten und bat noch emsiger, als zuvor, und als sie sah, daß ihr der Ritter die Wahrheit nicht bekennen wollte, da verschwur sie Essen und Trinken bis auf den Tag, da er ihr die Wahrheit sagen würde, machte sich kurz darauf krank und ließ sich beichten und absolviren. Darüber ward der Ritter gar betrübt. Nun kam es aber eines Tages, daß er also traurig in seinem Hofe herumging, da hörte er einen Hahn, der sprach zu dem andern: ich meinte, wir hätten einen Herrn, nun sehe ich aber wohl, daß wir keinen haben, denn mein Herr läßt sich von seiner Frau nach Herzenslust über den Löffel barbiren. Die soll nun gar krank seyn, aber ihre Krankheit werde ich täglich wohl inne, wenn ich jeden Tag zwei meiner Weiber weniger habe, und ist es der Fall, daß sie die Krankheit nunmehr noch acht Tage hat, so bleibt mir kein Weib mehr im Hofe. Wäre aber mein Herr ein richtiger Mann, so nähme er zwei starke Knüttel, und schlüge sie an ihr entzwei, ich wollte wetten, sie würde gesund. Das verstand der Ritter Alles gar wohl und dachte bei sich: sicherlich will ich Euch folgen, und damit ritt er hinaus ins Feld. Und wie er in den Wald kam, da schnitt er sich zwei starke Knüttel ab, und kam damit des Abends heim und ging zu seiner Frau und bat sie, daß sie aufstünde und mit ihm äße. Das schlug sie ihm aber ab und sagte zorniglich, sie wolle nicht essen. Darüber ward der Ritter erzürnt und schlug sie ohne Erbarmen so lange, bis er die Knüttel an ihr zerbrochen hatte, sie aber wollte doch noch nicht mit ihm essen. Und wie der Hahn das Geschrei hörte, da kam er geflogen und schaute zu, und als er sah, daß sein Herr beide Knüttel zerschlagen hatte, da schrie er: stich sie mit den Stümpfen. Wie das der Ritter vernahm, folgte er ihm und stach sie, daß das Blut herausrann, und wie die Frau des Ritters Ernst ersah, da stand sie auf und aß mit ihm. Also ward der Ritter von dem Hahne gewarnet: darum sehet Euch vor, daß Ihr von Eurer Frau nicht auch betrogen werdet. Wie das der Kaiser vernahm, da ward er seinem Sohne wiederum etwas gnädiger, und als er des Abends zu seiner Frau kam, da fand er sie zornig, weil er den Tod seines Sohnes widerruft hatte, und sie sprach: es wird Euch also geschehen, wie es einem Ritter ging, der von seinem Sohne getödtet ward, und das geschah also:

Von einem frommen Ritter.

*

Vor Zeiten war gar ein frommer Ritter, der hatte einen Sohn, der ihm gar lieb war. Aber der Sohn suchte auf allen Wegen seines Vaters Tod herbeizuführen. Nun begab es sich aber, daß dem Ritter eines Nachts träumte, wie er in einem Brunnen großes Gut finden sollte. Des war der Ritter froh und machte sich des Morgens früh auf und nahm seinen Sohn mit sich und sagte ihm seinen Traum, und sie gingen also zu dem Brunnen. Wie nun der Ritter dahin kam, da stieg er in den Brunnen und fand darinnen einen unermeßlich großen Schatz. Nun dachte aber der Sohn bei sich darüber nach, wie er es machen müsse, daß ihm das ganze Gut allein verbleibe, faßte einen Entschluß, nahm einen großen Stein und warf ihn auf seinen Vater. Damit tödtete er denselben in dem Brunnen, und bemächtigte sich des ganzen Gutes. Also möchte es Euch von Euerem Sohne auch geschehen, so Ihr ihm nicht zuvorkommt. Als das der Kaiser hörte, befahl er, daß man den Sohn am Morgen früh zum Tode führe. Darüber erschraken Alle männiglich, jedoch ward damit so lange gezögert, bis daß der siebente Meister zum Kaiser kam. Der sprach aber zu ihm: wollt Ihr noch immer der Rede Eures Weibes glauben, die mehr Eueren Schaden sucht, als Euer Frommen und Nutzen, von der Ihr wohl möget betrogen werden, wie ein Ritter, der sein Weib mit gen Preußen führte. Wenn Ihr aber hören wollt, wie das geschah, so widerruft den Tod Eueres Sohnes bis auf morgen. Das that auch der Kaiser, und darob freuete man sich männiglich und führte den Sohn wieder in den Kerker. Da sagte der Meister also:

Von Gordianus dem Kaiser.

*

Einst herrschte zu Rom der gewaltige Gordianus, in dessen Reiche war aber ein edler Ritter, der nahm ein schönes Weib, die ihm gar lieb war, und lebten sie also etliche Zeit fröhlich mit einander. Nun kam es aber dem Ritter in den Sinn, daß er nach Preußen reiten wollte, und er sagte das seinem Weibe. Die ward davon sehr betrübt, und da sie seinen Ernst vernahm, da begehrte sie mit fleißigen Bitten, daß er sie mit sich reiten ließe, und trieb das so lange, bis der Ritter überredet ward, daß er ihr das gestattete. Da schickte sich die Frau in allen Sachen dazu an und ward fertig mit ihrem Manne. Als sie aber dahin kamen, da wurden sie von Allen männiglich für zwei Ritter gehalten, und als sie nun zur Schlacht auszogen, da kämpfte die Frau gar ritterlich neben dem Manne manchen Tag. Jedoch begab es sich zuletzt eines Tages, daß die Heiden die Oberhand gewannen und unter andern den Ritter samt seinem Weibe gefangen nahmen: die legten sie gar schwer in einem Thurme gefangen, darin sie lange Zeit mit großem Leide lagen. Wenn aber der Ritter klagte, zeigte sich die Frau weit fester. Nun kam es, daß des heidnischen Königs Geburtstag kam, den er alle Jahre mit großer Freude beging, und als der gekommen war, da befahl er, daß man alle Gefangenen los ließ und ins Bad führte. Wie das der Ritter inne ward, da erschrak er darüber dermaßen, um seiner Frauen Willen, und hätte sich das Bad gern erspart, auf daß man seinen Gesellen auch desselben überhoben hätte. Das wollte ihm aber der König nicht gewähren, und ließ sie ins Bad führen. Alsbald erkannte man, daß der eine Ritter ein Weib war und nicht ein Mann, und die Mähr kam auf der Stelle zum König. Der sandte gleich nach der Frau, die war aber ausnehmend schön, und fragte sie nach Allem, wie das gekommen war. Da sagte sie ihm Alles, und als der König das hörte, da dachte er täglich darüber nach, wie er den Ritter tödten möchte. Endlich kam er darauf hinaus, daß er den Ritter fangen und an eine Säule in seiner Kammer mit Riemen binden ließ, und legte sich dann vor dessen Weibe zu dem Weibe, also daß es der Ritter mit ansehen mußte. Nun hatte aber der König einen Topf mit Wein bei sich vor dem Bette stehen, und so es ihm gelüstete, trank er daraus und umarmte darnach die Frau. Das sah der Ritter Alles wohl. Nun ermahnte der Ritter die Frau, wie er merkte, daß der Heide schlief, bei ihrer Treue, sie solle ihn losmachen. Das schlug sie ihm aber zorniglich mit Worten ab, der Ritter aber nahm Alles gütlich hin. Nun begab es sich aber, daß Beide einschliefen, der Heide und die Frau, da sah der Ritter, wie sich eine giftige Spinne in den Topf hinabsenkte. Des freuete sich der Ritter sehr und merkte auf das, was da kommen sollte. Und gleich darauf, wie es Gott wollte, erwachte der Heide, griff nach dem Topfe und trank, und sobald er getrunken hatte, da platzte er und starb eines jämmerlichen Todes. Wie das die Frau ersah, da erzürnte sie sich gar sehr gegen den Ritter, als wenn er daran Schuld sey, stand vom Bette auf und nahm des Heiden Schwert, und machte sich damit über den Ritter und verwundete ihn gar sehr. Nun kam es aber von ohngefähr, daß sie einen Hieb auf die Riemen that, mit welchen der Ritter gebunden war, so daß der Ritter frei ward. Darüber freuete er sich gar sehr, aber die Frau erschrack, daß sie nicht wußte, was sie beginnen sollte. Da beruhigte sie der Ritter also, daß sie mit ihm von dannen ziehen durfte. Das that die Frau, und damit kehrte der Ritter tugendsam nach Hause zurück und kam ohne alles Leid aus dem Lande und fuhr heim. Wie aber seine Freunde seine Ankunft vernahmen, wurden sie dessen über die Maßen froh und kamen ihm alle entgegen und empfingen ihn und fragten ihn, wie es ihm ergangen wäre. Und als sie alle an dem Tische saßen und aßen und sich seiner und seines Weibes freuten, da sagte er ihnen seine Gefahren auf seinem Abenteuer, gerade wie wenn es einem Andern geschehen wäre, und fragte sie darüber, was eine solche wohl werth wäre, die also übel thue an ihrem Manne. Da redete ihr Jeder auf seine Weise, welcher Strafe eine solche verfallen sey. Da sprach er: sehet, dieses Abenteuer ist mir widerfahren, deshalb richtet über sie, wie Ihr versteht, meinetwegen ist sie sicher. Da vereinigten sich aber seine Freunde dahin, daß sie sie in ein Gewölbe sperrten und ihr nichts zu essen gaben, bis daß sie Hungers darin starb. Darum bedenket Euch gar wohl, was Ihr thun wollt, damit Ihr Euch davor hütet, daß Ihr nicht auch von Ihr betrogen werdet, da ich mich versehe, daß sie nichts Anderes im Sinne gehabt hat. Darum, daß Ihr mit der Sache zu einem Ende kommen möget, so schicket nach Euerem Sohne und höret seine Rede selbst, denn daß er bisher als stumm erfunden worden ist, das ist durch seine Weisheit geschehen, da er diese Sachen alle wohl durch seine Kunst gewußt hat, ehe er hierher kam. Wie das der Kaiser hörte, ward er sehr froh über diese Rede und sandte nach seinem Sohne und fragte ihn nach dieser Mähr, wie das gekommen sey, daß ihn seine Mutter solcher Sachen geziehen habe. Da hub er an und erzählte von Anfang bis zu Ende, wie seine Mutter an ihm gehandelt und was sie von ihm begehrt hatte, gerade wie oben geschrieben steht. Wie das der Kaiser hörte, da ward er davon sehr erzürnt und befahl also in seinem Zorne, daß man sie zum Tode führe, und des waren Alle männiglich froh, aber die Frau ward um ihrer Untreue Willen getödtet und die sieben Meister um ihrer Weisheit Willen gar sehr gelobt.

Vierzehnte Erzählung.
Von einem Opfer und von Alexander dem König.

† (19).

Valerius erzählt uns im dritten Buche, daß, als der große König Alexander an einem Altäre opferte, ein edles Kind dabei war, und da man das Rauchfaß mit glühenden Kohlen herum trug, da fiel eine glühende Kohle dem Knaben auf den Arm, und wie auch Feuer und Kohle brannte, das Kind zuckte von der Hitze nicht mit seinem Arme, sondern hielt ihn still, auf daß das Opfer nicht gestört würde. Aber Alexander wollte das Kind mit noch mehr Hitze versuchen, und hieß es mehr brennen, allein das Kind blieb standhaft und fest.

Fünfzehnte Erzählung.
Von einem Bilde und einem Apfel und der Welt Reich.

† (21).

Es sagt uns ein Meister von der Natur, Alexander geheißen, daß Virgilius in der Stadt Rom einen edlen und schönen Palast gebaut hatte, in der Mitte desselben aber stand ein Bild, das hieß der Römer Göttin, und hatte einen goldenen Apfel in der Hand. In dem Umgange aber inwendig im Palaste stand das Bild eines Abgottes eines jeglichen Landes, das dem römischen Reiche unterthänig war, und ein jegliches Bild hatte eine Glocke in der Hand, die war von Holz, oder eine Tafel. Wenn nun aber eines der Reiche, deren Abgott zu Rom war, sich wider die Römer setzen wollte, alsbald läutete desselbigen Landes Abgott an der Tafel und kehrte dem Abgotte der Römer den Rücken zu. Darnach kam dann noch ein Ritter auf einem ehernen Rosse oben aus der Höhe des Palastes, der der Tempel der Römer war, und schüttelte einen Speer und lugte nach dem Reiche oder Lande des Abgottes, der sich bewegt hatte. Dabei erkannten die Römer, daß dasselbe Land wider sie sey und die Leute in Untreue wider sie dächten, und machten sich dann auf mit einem starken Heere und verwüsteten das ganze Land und brachten es unter sich.

Sechzehnte Erzählung.
Von einem Förster und von seinem Sohn, den ein Kaiser tödten wollte.

† (26).

Es war einmal ein König, der hieß Hannibal, der ein gewaltiges Reich, aber nur eine Tochter hatte, die ihm gar lieb war. Da geschah es, daß er mit seinen Rittern und seinem Gesinde auf eine Jagd ritt, und es entstand ein großer Nebel in einem finstern Walde, der schied den König von seinem Gesinde, weil er einem Hirsche nachsetzte, und wie der König zu dem Hirsche kam, da fand er weder diesen noch sein Gesinde, denn sie suchten ihren Herrn in einem Theile des Waldes, und er sie im andern. Wie er nun also allein in der Irre war, da nahm die Nacht zu, und dieweil er also herumritt und nicht wußte, wohin er sich wenden sollte, da sahe er ein Licht in der Ferne, spornte sein Roß darauf zu, und kam an ein Häuslein in dem Walde, klopfte an und bat um Gottes Willen um eine Herberge. Es war aber die Nacht gar finster, und der Hausherr, ein Förster, kannte den Herrn nicht und fragte, wer er wäre und wo er hin wolle, und warum er so spät im Walde herumreite. Da antwortete ihm sein Gebieter: ich bin ein einzelner Mann und bin durch Zufall in diesem Walde irre gegangen, darum bitte ich Dich, daß Du mich heute beherbergest. Da antwortete der Förster und sprach zu ihm: gehet in Gottes Namen herein, was ich habe, theile ich gern mit Euch. Da ging der Herr hinein und der Wirth empfing von ihm sein Roß und stellte es in einen Stall und deckte den Tisch und setzte ihm auf, daß er genug hatte. Unter andern Reden fragte jener aber den Förster, wer der Herr des Waldes wäre. Da antwortete er ihm: mein Herr, der König, ich aber bin sein Diener und hüte seinen Wald, und das ist meine Hausfrau, die kommt schier nieder. Da nun nach dem Essen Schlafenszeit war, da bettete er den König in eine Kammer, und im ersten Schlafe hörte der König eine Stimme, die sprach dreimal: nimm hin. Von der Stimme schrak aber der König aus dem Schlafe auf und sprach: was ist das, daß ich höre: nimm hin, und habe doch nichts empfangen? Da entschlief der König zum andern Male, und es kam eine Stimme und sprach dreimal: gieb wieder. Er erschrak aber und sprach: was ist das? zum Ersten hörte ich: nimm hin, und bekam doch nichts, und nun höre ich: gieb wieder, ob ich gleich nichts empfangen habe. Und er entschlief zum dritten Male, und derweile bekam die Försterin gar ein schönes Kind, ein Knäblein. Zum dritten Male drang aber eine Stimme zu ihm und sprach dreimal: fliehe, in dieser Nacht ist ein König geboren worden, der nach Dir regieren wird. Wie das der König hörte, da schüttelte ein Grausen alle seine Glieder, und er sprach zu sich: was ist das, daß ich höre: fliehe? Wo soll ich hinfliehen oder warum? Und da er also bei sich dachte, da hörte er die Stimme des neugebornen Kindes und merkte, daß es ein männliches Kind war, und dachte bei sich nach und sprach: ich glaube nicht, daß das Kind nach mir regieren wird, und so lange ich lebe, will ich schon Einhalt thun, daß dem nicht so geschieht. Wie nun der Morgen kam, da setzte er sich auf sein Roß und rief den Förster zu sich und sprach: Lieber, ich muß Dir sagen, daß ich der Kaiser Dein Herr bin. Wie das der Förster vernahm, da erschrak er sehr, so daß er zur Erde nieder fiel, und bat ihn um Gnade, daß er ihm vergäbe, so er ihn in der Nacht beleidigt hätte. Da sprach der Kaiser: fürchte Dich nicht, ich danke Dir, daß Du mir in der Noth durch eine Herberge zu Hilfe gekommen bist, sondern sage mir vielmehr, ob Deine Hausfrau heute Nacht ein Kind bekommen hat. Da antwortete der ihm und sprach: Herr, wohl hat sie ein männliches Kindlein zur Welt gebracht. Und der König sagte zu ihm: zeige mir das Kindlein, und als jener ihm das Kind gezeigt hatte, da sah der König das Kind gar fleißig an und erblickte an seiner Stirn ein Zeichen, das er sich wohl merkte, und sprach zu dem Förster: das Kind will ich mir aufziehen und zum Sohne annehmen, nach fünf Wochen werde ich nach ihm senden. Da sprach der Förster: Herr, ich bin des nicht würdig, daß Ihr mein Kind erziehet, allein Gott vergelte es Euch, daß Ihr Euch also demüthigt. Also kam des Königs Gesinde und begleitete ihn in seinen Palast. Nach einem Monate aber rief der König drei seiner geheimsten Diener herbei und sprach: bei dem Eide, den Ihr mir geschworen habt, reitet hin zu dem Förster im Walde, wo ich einst auf der Jagd übernachtet, und bringt mir das Kindlein, dessen seine Frau in der Nacht, da ich da war, genaß, und wenn Ihr das Kind dann fest habt, so tödtet es still und heimlich, daß solches Niemand gewahr werde, und bringt mir sein Herz her und unterlasset das nicht bei Euerem Leben. Da sprachen die Diener: Herr, Euer Wille soll erfüllt werden. Und alsbald ritten sie zu dem Förster in den Wald und baten ihn um das Kindlein, sie wollten es dem Kaiser bringen, auf daß es allda erzogen werde. Der Förster aber that wie ein einfältiger und unschuldiger Mann, und überantwortete ihnen sein Kindlein. Sie ritten aber darnach durch den Wald und redeten also zusammen: hier ist eine passende Stelle, das Kind nach des Kaisers Gebot zu tödten. Alsbald setzten sie das Kind auf die Erde und sahen es ernstiglich an, und es sprach einer zum andern: o weh, was für eine Sünde wäre es, das Kind zu tödten, welches also schön und unschuldig ist. Und sie sprachen alsdann alle zusammen, daß es große Sünde sey: also wollen wir uns wohl bedenken, wie wir das Kind am Leben erhalten und es bei dem Kaiser verantworten mögen, daß wir recht gethan haben. Da antwortete ihrer einer und sprach: liebe Gesellen, hier im Walde sind viele junge Schweinlein, von denen tödten wir eins und bringen sein Herz dem Kaiser, und wir sprechen, das sey des Kindes Herz, und also werden wir verschont und auch das Kind stirbt unserwegen nicht. Da sprachen die andern Gesellen: der Rath gefüllt uns gar wohl; laßt uns aber einander schwören, daß Keiner solches verrathe. Das geschah also, und hierauf legten sie das Kind in einen hohlen Baum und das Ferkelherz brachten sie dem Kaiser. Der nahm aber das Herz und warf es ins Feuer und sprach: gebt Acht, ob der nach mir regieren wird, sehet zu, was ihn nun vorwärts bringen und wozu ihm sein Traum frommen mag. Am andern Tage aber, da das Kind in den Baum gelegt worden war, da ritt ein Graf, Namens Leupold, auf der Jagd in diesen Wald, in welchem das Kind war, und ein Hirsch sprang auf und lief gerade nach dem Baume zu, in welchem das Kind lag, und es folgten ihm viele Hunde nach. Wie die aber das Winseln des Kindes in dem Baume hörten, da standen sie und bellten den Baum an, und kümmerten sich weiter nicht mehr um den Hirsch. Wie das der Gras Leupold sah, so wunderte ihn das und er ritt mit den Seinigen zu dem Baume, und sie lauschten dem Klagen des Kindes und sie sahen es eingewickelt in ein Tüchlein, und er sprach zu einem seiner Diener: machet schnell und bringt mir das Kind. Der Graf aber nahm das Kind in seinen Schooß und brachte es mit nach Hause. Es hatte aber der Graf kein Kind von seiner Frau, und sprach also zu ihr: liebe Frau, wir wollen zu unsern Leuten sprechen, daß das Kind unser sey, ich hoffe, wir werden Freude daran erleben. Da antwortete sie: Herr, das gefällt mir gar wohl. In wenig Tagen war aber der Ruf in allen ihren Landen erschollen, die Gräfin habe ein Kind bekommen: des freueten sich gar manche der Ihrigen. Das Kind aber wuchs heran und Alle hatten es lieb, als es aber sieben Jahre vollendet hatte, da ward es bis zum zwanzigsten Jahre in die Schule geschickt. Darnach hieß der obgenannte Kaiser einen Hof zusammenrufen, und es wurde dazu geladen edel und unedel, reich und arm; dahin kam auch der Graf Leupold, und dem diente der Knabe wie sein eigner. Nun sah aber der Kaiser den Knaben gar scharf und fleißig an und erblickte an ihm das Zeichen an der Stirn, das er sich in dem Hause gemerket hatte, wo er geboren war, und erkannte das Zeichen gar wohl. Er sprach aber nach Tische also zum Grafen: lieber Graf Leupold, wessen Sohn ist der Jüngling, der vor uns da aufwartet? Da antwortete ihm der Graf: Herr, es ist mein Sohn, den mir mein Weib geboren hat. Der Kaiser aber sprach wiederum: saget mir bei Euerem Eid die Wahrheit, und der Graf sagte: wollet Ihr einmal daran zweifeln, ich weiß selbst nicht, wessen Sohn er ist. Der Kaiser aber sprach: wie ist er zu Dir gekommen, oder von wem? Da antwortete ihm der Herzog: Herr, es sind nun zwanzig Jahre, daß ich im Walde jagte und zufällig in einem Baume ein Kind fand, das in Tücher gewickelt war. Der Kaiser aber hörte die Rede mit an und rufte heimlich diejenigen zu sich, welche er zu dem Förster nach dem Kinde gesendet hatte, und sprach: Ihr Lieben, gedenkt Ihr noch der Zeit, da ich Euch hin zu dem Förster in den Wald nach seinem Sohne sandte. Nun saget mir die Wahrheit bei Euerem Leben: wie erging es Euch mit dem Kinde? Da antworteten sie und sprachen: Herr, wir übten Barmherzigkeit mit dem Kinde, dieweil wir uns der Sünde fürchteten, und tödteten an seiner Statt ein kleines Schwein, deren viele da waren, und brachten Euch sein Herz, und das Kind legten wir in den hohlen Baum. Da sprach der Kaiser: das ist der, welcher nach mir Kaiser werden und regieren soll. Aber wohl vermag ich mich dem entgegen zustellen und ihn zum Tode zu bringen. Er sprach aber zu dem Grafen: das Kind soll bei uns am Hofe bleiben. Der Kaiser aber dachte von Tag zu Tag darüber nach, wie er das Kind zu Tode brächte und es vertilgte. Nun war aber die Kaiserin mit ihrer Tochter in einem andern Lande fern von dem Kaiser, der rief also den Jüngling zu sich und sprach: mein Sohn, Du mußt zur Kaiserin reiten und ihr einen Brief von mir bringen, denn ich habe lange Zeit von ihr und meiner Tochter nichts gehört. Der Jüngling sprach: Herr, ich bin bereit Euer Gebot zu erfüllen. Und alsbald rief jener seiner Schreiber einen und befahl ihm folgenden Brief zu schreiben: Frau, sobald Ihr diesen Brief erblickt und ihn leset, bei Euerem Leben, unterlasset dann nicht, was Ihr jetzo vernehmet, sondern vertilgt alsbald den Boten, der Euch diesen Brief übergiebt, mit einem bösen Tode, verschiebt es aber nicht bis auf den dritten Tag, sondern erfüllt mein Gebot, denn so Ihr das nicht thut, so müßt Ihr für ihn sterben. Er versiegelte hierauf den Brief mit seinem besonderen Insiegel und überantwortete den Brief dem Jünglinge, auf daß er sich auf den Weg mache. Der Jüngling übernahm die Botschaft gar fleißiglich und begab sich auf den Weg. Er ritt aber schon drei Tage lang, und am dritten Tage kam er zu einem Ritter fast müde von dem weiten Weg. Der Ritter aber nahm den Jüngling gut auf, weil er des Kaisers Bote und ein schöner wohlgestalteter Knabe war, und gab ihm zu essen und zu trinken, und nach dem Essen hieß er ihn ausruhen und schlafen gehen, weil er wohl sah, daß er müde war. Der Jüngling aber ward in ein Schlafgemach geführt, legte sich nieder und entschlief alsbald vor Müdigkeit. Der Ritter wollte nun sehen, wie er gebettet sey, und er erblickte die Brieftasche und nahm den Brief heraus und las die Aufschrift und sah, daß er mit des Kaisers Insiegel versiegelt und an die Kaiserin gerichtet war. Da begann er nachzudenken und zu überlegen, ob er den Brief aufbräche und sähe, was in dem Briefe geschrieben stände. Der Ritter aber brach den Brief geschickt auf, weil das Insiegel dick aufgedrückt war, und las darin und fand, daß es auf den Tod des Jünglings abgesehen war, und daß man ihn tödten solle, sobald man den Brief sähe und gelesen habe; des war der Ritter sehr betrübt, daß der Knabe seinen Tod in dem Briefe mit sich führe, und dachte bei sich, was das für eine große Sünde wäre, daß man einen so jungen und wohlgezogenen Knaben also in den Tod sende. Indessen das geschieht nicht wider Gottes Willen, und er hieß alsbald einen andern Brief schreiben, dergestalt: liebe Frau und meine Kaiserin, Ich befehle Dir bei Todesstrafe, daß Du den Boten, der Dir diesen Brief giebt mit Freuden aufnimmst und unsere eingeborne liebe Tochter ihm binnen drei Tagen zu seiner Hausfrau giebst, alle Edelleute und Ritter und Knechte zur Hochzeit ladest und sie herrlich und löblich begehest, so gut Du kannst; thuest Du aber das nicht, so lasse ich Dich eines bittern Todes sterben. Hierauf schloß der Ritter den Brief und hing das nehmliche Siegel wieder an ihn, so daß man es nicht merken konnte, und steckte ihn wieder in die Brieftasche. Hierauf weckte er den Jüngling, und es blieb der Knabe über Nacht bei dem Ritter. Wie aber der Morgen kam, segnete er den Ritter, nahm Urlaub und ritt seines Weges. Als er aber zur Kaiserin kam, da ward er schön und wohl empfangen und grüßte sie vom Kaiser und überantwortete ihr den Brief. Als aber die Frau den Brief gelesen hatte, und ihn begriffen, da küßte sie den Boten und sprach zu ihm: sey willkommen mein liebes Kind, ich will meines lieben Herrn Gebot gern erfüllen. Alsbald ließ sie alle ihre Leute zu sich laden, Edelleute und Bürger, die in ihrem Lande waren, sie sollten alle an diesem Tage zur Kaiserin zur Hochzeit ihrer Tochter und ihres Eidams kommen. Alle aber, die das hörten, kamen an dem Tage zur Kaiserin, und zwischen der Jungfrau und dem Jünglinge ward eine große eheliche Heirath angestellt und begangen. Nach der Hochzeit wurden aber den jungen Brautleuten große Gaben und Kleinodieen verehrt, und damit fuhren sie alle wieder heim. Der Jüngling aber blieb bei seiner Frau und bei der Kaiserin, und es kam darnach der Kaiser schier zu der Kaiserin und hörte schon vorher, wie schön seine Frau die Hochzeit ausgerichtet hätte. Das that ihm aber sehr leid und er wunderte sich darüber, und als die Kaiserin vernahm, daß ihr Herr, der Kaiser, in der Nähe sey, da sprach sie zu ihrem Eidam: mein Sohn, Du mußt Deinem Herrn, dem Kaiser, und Deinem Schwiegervater entgegen reiten. Da antwortete der und sprach: Frau, ich bin bereit zu thun, was Ihr mir gebietet. Und sie ritten mit einander, und da sie dem Kaiser begegneten, da empfing die Frau ihren Herrn, und der Herr küßte die Frau und umpfing sie, als er aber den Knaben erblickte, da erschrack er gar sehr und ward betrübt und sprach zu der Frau: Ihr seyd ein Kind des Todes. Da antwortete sie und sprach: Herr, ich bitte um Euere Gnade, was habe ich wider Euch gethan, oder wie habe ich den Tod verdient? Da antwortete der Kaiser: Frau, ich habe Dir bei Todesstrafe verboten und befohlen in meinem Briefe, daß Du den Jüngling binnen drei Tagen, daß Du den Brief gesehen, tödten sollest. Warum bist Du meinem Briefe und Gebote nicht gehorsam gewesen? Da antwortete die Frau: Herr, ich habe den Brief noch, den Ihr mir gesendet habt: nach dem habe ich gethan und anders nicht, da er besagt, daß ich bei Deiner Huld und bei meinem Leben dem Jünglinge unsere Tochter geben solle. Ist das schon geschehen? sprach der Kaiser; die Frau antwortete: ja Herr, sie schlafen alle Nächte bei einander. Da sprach der Kaiser: Frau, jetzt zeige mir den Brief, den ich Dir gesandt habe, und wie der Kaiser den Brief gelesen hatte und sein Insiegel daran sah, sprach er: o eine wie große Thorheit ist es von uns, wenn wir etwas anders ordnen wollen, denn es Gott beschlossen hat: es geschieht doch. Und alsogleich küßte er den Jüngling aus Liebe und nahm ihn zu seinem Sohne an, der Jüngling aber ward nach dem Tode seines Schwiegervaters Kaiser und lebte löblich nach der Gerechtigkeit.

Siebzehnte Erzählung.
Von einem Kinde, einem Hirten und einem Wolfe.

† (50).

Es herrschte einst ein Kaiser zu Rom, der hieß Lucius, der setzte ein Gesetz ein, daß wer ein Kind für Geld oder Lohn aufzöge, wenn dann das Kind in seiner Gewalt zu Schaden käme, der solle dafür sein Leben verlieren. Nun geschah es, daß die Kaiserin ein Kind gebar; das vernahm ein Ritter, der bat die Kaiserin gar fleißig, daß sie ihm vergönnte das Kind zu erziehen. Da sprach die Kaiserin zu ihm: ich empfehle Dir das Kind, allein Du mußt Dich wohl hüten, denn wird das Kind bei Dir beschädigt, so verlierst Du Dein Leben. Da sprach er zu der Frau: so ist es mir recht. Der Ritter aber nahm das Kind und führte es mit sich und überantwortete es seiner Frau zum Aufziehen, und die Frau nahm sich des Kindes an und zog es mit aller Zärtlichkeit auf, und das Kind ward Allen männiglich lieb und genehm. Nun geschah es zu einer Zeit, daß ein Jahrmarkt war und die Frau mit ihrem Herrn auf den Jahrmarkt ritt, und sie ließen das Kind daheim in der Wiege liegen und empfahlen es dem Hausgesinde. Wie nun der Herr und die Frau aus dem Hause waren, da gingen die Dirnen und das andere Gesinde auch aus dem Hause und vergaßen des Kindes in der Wiege und ließen es ohne Obhut in dem Hause bei offener Thüre. Nun war aber bei dem Dorfe ein böser Wolf, der demselben schon vielen Schaden gethan hatte: wie der sah, daß Niemand da war und die Thür offen stand, da ging er hinein und zog das Kindlein aus der Wiege und eilte mit ihm dahin in den Wald. Das ersah ein Hirt, der da in der Nähe auf dem Felde hielt, der eilte dem Wolfe nach und stieg auf einen Baum und schaute dem Wolfe nach, wo er hinlief. Dann aber stieß er in sein Horn, da kamen Leute und eilten ihm nach, einige zu Fuß und etliche zu Pferde, und wie der Wolf die Verfolgung sah und merkte, und auch das Laden der Läufe und das Bellen der Hunde hörte, da fürchtete er sich sehr und ließ das Kindlein fallen, und wie die Leute das Kindlein fanden, waren sie des gar froh, doch am meisten der Ritter und die Frau, allein das Kindlein war doch an der Stirne beschädigt, so daß es blutete. Nachdem aber ward es ganz und gar wieder heil. Nun geschah es aber, daß der Kaiser nach seinem jungen Sohne sandte, den er gern sehen wollte, und der Ritter bereitete sich nach des Kaisers Gebot und machte sich auf zu ihm, fürchtete sich aber sehr und nahm das Kindlein mit sich. Wie aber der Kaiser das Kindlein erblickte, da sah er eine Narbe an des Kindes Stirn, und er sprach zu dem Ritter: mein Lieber, was ist das, das ich an des Kindes Stirn sehe. Da antwortete er: Herr, es begab sich einmal, daß ich mit meiner Frau auf dem Markt ritt und das Kind meinem Hausgesinde befahl, und also sagte er Alles zusammen dem Kaiser, wie es verwahrloset worden wäre und es ein Wolf fortgeschleppt hätte, und wie es von den Leuten wäre erlöset worden, die der Hirt mit seinem Blasen aufgebracht hätte, und davon rühre der Schaden her. Da sprach der Kaiser: Dir empfahl ich mein Kind und nicht Deinem Hausgesinde, darum hast Du wider mein Gebot gethan. Der antwortete aber: Herr, ich sehe ein, daß ich wider Euer Gebot gethan habe, und darum bitte ich Euch um Gnade. Da antwortet der Kaiser: weil Du denn bekennst, daß Du wider mein Gebot gethan, und um Gnade bittest, darum so vergebe ich Dir, befleißige Dich aber fürder solches zu vermeiden. Das verhieß ihm der Ritter und that auch also, der Kaiser aber bewirthete ihn auch darnach wohl und brachte ihn zu hohen Würden und Ehren.

Achtzehnte Erzählung.
Von einem schwarzen Rosse.

† (53).

Es war einst ein Mann zu Rom gewaltig, der hieß Antiochus, und es war in denselbigen Zeiten auch ein Ritter, der Leontius hieß. Derselbige Ritter hatte aber ein kleines Gütchen nahe bei der Besitzung des vorhin genannten Römers, welches sein Gebieter gern gehabt hätte. Nun dachte der immer darüber nach, wie er dem Ritter sein Land abgewänne und Herr desselben würde, und rief den Ritter zu sich und sprach mit ihm und sagte: gehe hin, verschaffe mir ein schwarzes Roß, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Jagdhorn, also daß ich heute über acht Tage Alles in meinen Händen habe, thust Du das nicht, so hast Du Dein Land verloren. Wie das der Ritter vernahm, da ward er gar traurig, denn er wußte nicht, wo er das hernehmen sollte, und kam heim zu seiner Hausfrau, die unsere liebe Frau gar lieb hatte. Die sprach zu ihm: gehe hin zu dem ersten besten Priester und beichte, und wenn Du selbiges gethan hast, dann bleib bei einer Messe, und Gott wird Dir seine Hilfe verleihen. Der Ritter aber beichtete Alles lauter und rein, und damit ritt er durch den Wald traurig hin und her, zuletzt kam er an einen Graben, an dem sahe er einen Mann sitzen, der einen Stab in der Hand hielt. Derselbige alte Mann aber sprach zu ihm: mein Lieber, von wannen kommst Du, oder wo willst Du hin? Da antwortete er: Herr, ich komme aus der Kirche und wo ich hin will, das weiß ich gar nicht. Da sprach der alte Mann zu ihm: nimm diesen Stab und folge diesem Wege hier, kehre Dich aber weder zur rechten noch zur linken Seite, da wirst Du von ferne eine Feste erblicken, die gar schwarz aussieht, und wenn Du dahin kommst, so gebiete den Leuten daselbst von meiner Seite, daß man Dir gebe was Du bittest, und sprich also: der des Stabes Herr ist, der gebeut, daß man mir gebe ein schwarzes Roß, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Jagdhorn, und wenn Du das Alles hast, so gehe nicht hinauf, wenn sie Dich auch hinauf laden, und blase auch nicht auf dem Horne, lasse auch den Hund nicht laufen, noch den Falken fliegen, sondern bringe es Alles zusammen Deinem Herrn und überantworte mir meinen Stab wieder, wenn ich Dich darum bitte. Der Ritter aber nahm den Stab und ging drei Tage lang, am dritten Tage sah er aber eine schwarze Burg in der Ferne. Wie er aber in die Nähe derselben kam, da begegneten ihm vier Wappner, wohl gewaffnet und sprachen zu ihm: Herr, wohl bekomme es Dir, gehe in die Veste hinauf und lasse Dir eine Mahlzeit gefallen. Der aber antwortete: mit nichten, ich komme nicht in das Haus, allein der Herr dieses Stabes gebeut, daß Ihr mir ein schwarzes Roß, einen schwarzen Hund, einen schwarzen Falken und ein schwarzes Jagdhorn gebet. Da antworteten sie: wir müssen dem Herrn unterthänig seyn, und sie gaben ihm allsogleich das, was er gebeten hatte, und sprachen zu dem Ritter: es wird Dir gut seyn, wenn Du Dich auf das Roß setzest und in das Horn stößest. Da antwortete der Ritter: das thue ich nicht. Hierauf nahm er das Roß und den Hund an eine Hand, den Falken an die andere, das Horn aber um den Hals und kam also zu dem alten Manne gegangen und gab ihm seinen Stab wieder und dankte ihm, der alte Mann aber verschwand aus seinen Augen. Nachdem ging aber der Ritter zu dem König und gab ihm das Alles zusammen, was er von dem Ritter gefordert hatte. Wie aber der König hörte, daß der Ritter gekommen sey und ihm das Alles gebracht habe, da freuete er sich sehr, und da er also da saß, da hörte er die Hunde bellen, und er fragte, was das wäre. Da antworteten sie ihm und sprachen: Herr, es ist ein Hirsch, dem jagen die Hunde nach. Da sprach der König: führt mir mein schwarzes Roß her, daß ich mich darauf setze, und den schwarzen Hund und auch den schwarzen Falken setzet auf meinen Arm und das schwarze Horn hängt mir um den Hals. Wie er aber den Hirsch ersah, da bließ er in das Horn und sprengte mit dem Rosse davon und der Hund jagte ihm nach. Der Hirsch aber lief geraden Weges in die Hölle, der Hund mit samt seinem Herrn, der den Falken trug und das Horn am Halse hatte, die jagten dem Hirsche nach in die Hölle hinein, und darnach wurden sie nimmermehr gesehen ewiglich.

Neunzehnte Erzählung.
Von einem Weibe, einem Drachen und einem Löwen zu den Zeiten Antonii.

† (55).

Ein Kaiser hieß Antonius, derselbe regierte gewaltiglich. In dessen Reiche war ein Ritter, der wollte in eine Stadt reiten. Nun wiederfuhr es ihm, daß er sich verirrte in einer wilden Wüste, und es lag daselbst auf einer Seite ein fürchterlicher und gefährlicher Drache und auf der andern ein Löwe. Nun wollte sich aber der Ritter aus dieser Fahrniß und dieser Straße retten und seinen Weg wieder zurück reiten, da sah er ein großes breites Gewässer, gleich wie ein Meer, und er wußte nicht, wo er sich hinwenden sollte. Wie er aber also hin und her dachte, da sah er einen Engel stehen, der hatte in einer Hand ein bloßes Schwert, in der andern aber hielt er eine Krone und sprach: verschmähe und widerstehe, zertritt den Drachen, widerstehe den Löwen und verschmähe das Meer, dann machst Du ein Ende dem Zorne des Thieres, der Treulosigkeit des Wurmes und dem Strome des Meeres, und das geschieht erbärmiglich.

Zwanzigste Erzählung.
Von einer Stadt am Meere und unseres Herrn Marter.

† (67).

Es war eine Stadt am Meere, die viel von giftigem Gethier zu leiden hatte: unter andern Thieren gab es aber da einen ungeheuren und ungeschlachten Drachen, der alle Tage zur Stadt kam, und die Bürger der Stadt gaben ihm alle Tage ein Thier oder einen Fisch. Nun gingen sie aber zusammen zu Rath, wie sie einen Plan fänden, damit sie die Stadt möchten von dem Jammer freimachen, der in ihr war, und besonders von dem Drachen. Nun kam zuletzt ein Mann von fernen Landen, der ihnen einen Rath gab, sie sollten einen Löwen fangen und denselben an einen Baum hängen, und wenn die andern Thiere den Löwen sähen, dann flöhen sie und absonderlich der Drache. Nun fingen die Bürger zufällig einen Leuen und tödteten ihn, und als er todt war, da hefteten sie ihn mit eisernen Nägeln an einen hohen Baum, also daß man ihn allerwegen sah. Wie nun der Drache zur Stadt kam und den Löwen erblickte, alsbald entwich er von der Stadt und alle die andern giftigen Thiere folgten ihm nach, und also ward die Stadt erlöst.

Einundzwanzigste Erzählung.
Von Octaviano und einem Thurme mit Bildern.

† (100).

Octavianus regierte zu Rom gewaltig und reich, und war doch also zu begierig auf Gold und Silber, dessen er begehrte. Es war aber ein Meister zu Rom, der hieß Virgilius und war vollkommen in der schwarzen Kunst. Nun baten ihn die römischen Bürger, daß er etwas machte, damit sie ihre Feinde erkennten, auf daß sie sich vor ihnen bewahren möchten. Da baute er einen hohen Thurm und in der Höhe des Thurmes ringsum so viele Bilder, als Länder Rom untertänig waren, in der Mitte des Thurmes aber machte er ein Bild, das hielt einen güldenen Apfel in der Hand, und ein jegliches Bild kehrte sein Antlitz gegen das Land, da es hingehörte. Und wenn sich dann ein Land in seiner Gesinnung umkehrte, so daß es den Römern widerstrebte, dann läutete das Bild eine Glocke, und die andere läutete auch. Etliche sprachen, daß der Römer Gott Panteon seinen Rücken dem Bilde des Landes zugekehrt habe: wenn dann die Römer das sahen, dann versorgten sie sich mit Heeresmacht und bezwungen sie dann wieder. Also mochte sich denn kein Land vor den Römern verbergen der Bilder wegen, die da waren. Darnach machte Meister Virgilius noch um der armen Leute Willen zu ihrem Troste ein großes Feuer, das stets brannte, daß sie sich erwärmen konnten, und bei dem Feuer einen Springbrunnen, daß sie sich daran laben mochten oder neben dem Feuer baden. Daselbst machte er auch ein Bild, das allda stand, und an dessen Stirn stand geschrieben: wer mich schlägt, an dem nehme ich alsbald Rache. Das Bild stand aber lange da, zuletzt kam jedoch einer, der die Überschrift las: wer mich schlägt. Der dachte bei sich: was für eine Rache willst Du denn nehmen? Ich glaube, eher könnte ich Dir darum eine Maulschelle geben, daß ich unter Deinen Füßen einen großen Schatz fände. Und darum willst Du, daß Dich Niemand schlage, damit Du nicht fallest. Der ließ also nicht davon, sondern er schlug das Bild an den Hals, so daß es umfiel, und alsbald verschwand das Wasser und das Feuer erlosch und er fand nirgends einen Schatz. Die armen Leute wurden aber gar betrübt von dem Falle des Bildes und sprachen: verflucht sey der, welcher um seines Geizes Willen das Bild zerstört und uns unseres Trostes beraubt hat. Darnach kamen drei Könige, die den Römern viel Ungemach anthaten und sprachen unter sich selbst: wie mögen wir uns an den Römern rächen? allein wir mühen uns umsonst, denn so lange der Thurm da steht mit den Bildern, so lange schaffen wir nichts und mögen auch wider die Römer nicht streiten. Da standen drei Ritter auf und sprachen: was giebt man uns, daß wir den Thurm mit seinen Bildern brechen? Da antworteten ihnen die drei Könige: vier Fässer voll Gold, und die Ritter sagten: es geschehe also. Die drei Ritter aber nahmen das Gut, vier Fässer voll Gold, und fuhren gen Rom, und an dem ersten Thore gruben sie auswendig eine große Grube und Tiefe und legten darein einen großen Schatz Goldes, bei dem andern Thore einen zweiten Schatz, und bei dem dritten auch noch einen kleinen. Als sie nun das in der Stille gethan hatten, gingen sie in die Stadt vor den Kaiser. Der kam ihnen aber entgegen und grüßte sie und sprach zu ihnen: von woher seyd Ihr? Sie antworteten aber und sprachen: Herr, wir sind von fernen Landen und sind Ausleger der Träume, und es mag uns nichts Anderes träumen, denn wo Gold und Silber verborgen liegt: das vermögen wir wohl mit unserer Kunst zu finden. Nun haben wir gar viel von Euerer Frömmigkeit gehört und wir sind zu Euch hergekommen, ob Ihr unserer Dienste bedürfet. Der Kaiser sprach: ich will Euch versuchen. Sie antworteten aber dem Kaiser: Herr, wir nehmen den halben Theil Silber oder Gold, was wir finden durch unsere Kunst. Nach dem Abendessen sprachen sie zu dem Kaiser: Herr, wollt Ihr, so legen wir uns schlafen, und dem ältesten von uns wird in der Nacht ein Traum kommen, und denselbigen Traum sagen wir Euch morgen. Der Kaiser sprach: nun gehet in Gottes Namen und Gott gebe Euch einen guten Traum. Die gingen aber für sich und vertrieben sich die Nacht mit Freuden und Spott, und des Morgens früh kamen sie vor den Kaiser: Herr, ich sah, sprach der Aelteste, in meinem Traume, daß vor dem vordersten Thore der Stadt sich eine tiefe Grube befindet, darin ist ein Faß mit Gold verborgen. Der Kaiser sprach: gehen wir still hinaus und versuchen wir, ob dem also ist: und da sie hinauskamen und mit graben begonnen, da fanden sie Alles, wie der Ritter gesagt hatte. Der Kaiser aber ward froh und hielt sie in großen Ehren und Obhut und nahm das Gut in seine Kammer, und die Hälfte gab er ihnen. Nun sprach der andere Ritter: ich will heute auch versuchen, was mir träumt. Des Morgens früh sprach er, er habe auch einen Traum gesehen, es liege unter dem andern Thore auch ein Bottig mit Gold und Silber: da ward auch nachgegraben und er ward gefunden. Der dritte aber that auch also, wie die zwei andern gethan hatten. Darnach sprachen sie alle drei zu dem König: Herr, wir haben alle drei in dieser Nacht nur einen Traum gehabt. Herr, es liegt unter dem Thurme, wo die Götter sind, so großes Gut, daß dessen eine Unmasse ist. Da antwortete der Kaiser: das thue ich nicht, daß ich den Thurm mit den Bildern um des Goldes Willen zerstöre. Sie antworteten ihm und sprachen: Herr, wir werden so klüglich graben, daß wir der Grundfeste nicht schaden, und das muß bei Nacht geschehen, daß solches der Pöbel nicht inne wird, denn er würde uns sonst den Schatz verschleppen. Der Kaiser sprach: nun so gehet hin und thuet Euer Bestes, wie Ihr nur könnt, morgen komme ich mit meinen Rossen zu Euch nach dem Schatze. Die drei Ritter aber gingen bei der Nacht mit Freuden dahin und begonnen an der Grundfeste des Thurmes zu graben und untergruben sie und zündeten darunter ein Feuer an und zogen damit ihre Straße. Nun waren sie kaum eine Meile von der Stadt Rom entfernt, als der Thurm mit den Bildern zusammen brach. Des Morgens in der Frühe kamen aber die Bürger von Rom und hörten und sahen, daß der Thurm eingestürzt sey, und klagten dem Kaiser ihr Herzeleid und sprachen mit ihm. Der Kaiser aber sagte ihnen, wie die mit ihm gethan hätten. Da antworteten ihm die Römer und sprachen: durch Deinen Geitz sind wir unserer Ehre beraubt, darum soll Deine Bosheit wiederum auf Dein eigen Haupt fallen, und sie nahmen ihn mit und gossen ihm zerlassenes Gold in den Mund, daß er voll davon ward, und sprachen zu ihm: nach Gold hat Dich gedürstet, nun trinke Gold, und sie begruben ihn also lebendig in die Erde.

Zweiundzwanzigste Erzählung.
Von dem König, der St. Peter und St. Paul mit Gewalt nehmen wollte.

† (76).

Es war einst ein hoffärtiger König, der war ein Heide und wollte die Leichname St. Peters und St. Pauls aus Rom wegtragen und stehlen oder mit Gewalt erobern. Wie der von Hause auszog und in einer Stadt übernachtete, da sprach er zu seinem Hofmeister: suche mir ein schönes Weib, die heute Nacht bei mir schlafe, was ich ihr geben soll, will ich herzlich gern geben. Das hörte der Marschall und ward gleich gar begierig das Geld zu gewinnen, führte also sein eigenes Weib wider ihren Willen in das Bett des Königs. Wie aber der Morgen kam, da sprach der König zu dem Marschall: thue das Fester auf, damit ich sehe, wie schön die Frau ist, die heute bei mir gelegen hat, und gieb ihr dann tausend Gulden. Wie aber das Fenster aufgethan war und der König erkannt hatte, daß sie des Marschalls Hausfrau war, da sprach er zu ihm: o Du böser Mann, wie hast Du Deine Hausfrau dadurch beschimpft, daß Du sie für Geld zu mir gelegt hast. Jetzt packe Dich schnell aus meinem Reiche, denn wo Du länger darin bleibst, mußt Du eines bösen Todes sterben. Wie der das hörte, floh er aus dem Königreiche und ward nicht mehr darin gesehen, und alle Zeit, so lange der König lebte, hielt er die Frau in Ehren und in Lust. Darnach versammelte aber der König ein großes Heer und zog gen Rom und umstellte die Stadt mit seinem Heere, bis ihm die Römer die Leichname St. Petri und Pauli geben würden, auf daß er von der Stadt abzöge. Nun waren zu der Zeit sieben Meister in der Stadt, zu selbigen kamen die Bürger und sprachen zu ihnen: was thun wir, die Stadt ist in Gefahr, daß sie verloren und zerstöret werde. Es geht fast nicht anders, als daß wir ihm die Leichname St. Peters und St. Pauls geben. Da sprach der erste Meister: ich will die Heiligen und die Stadt einen Tag vor ihm bewahren. Der andere sprach: ich halte sie den andern Tag, und so wollten sie sie alle, jeder einen Tag fristen. Der König wollte aber die Stadt stürmen, der erste Meister hub an mit dem Könige um einen Sohn zu dingen und zu reden, also daß der König diesen Tag der Stadt mit Sturm nichts anthun konnte. Also redeten sie alle, jeder einen Tag, bis auf den letzten Meister; zu dem kamen die Bürger und sprachen: o lieber Meister, der König hat geschworen, er wolle die Stadt morgen gewinnen, geschieht das, so müssen wir alle sterben. Nun hilf uns, so wie Deine Gesellen gethan haben. Da antwortete er ihnen: fürchtet Euch nicht, am morgenden Tage mache ich, daß der König mit seinem ganzen Heere entflieht. Der Meister aber legte einen wunderlichen Rock an, daran waren Pfaufedern und Glöcklein und Farben von andern Vögeln. Damit ging er, versehen mit zwei bloßen Schwertern, auf einen hohen Thurm der Stadt, so daß ihn der König mit seinem ganzen Heere wohl sehen konnte, und auf dem Thurme bewegte er sich hin und her, gerade als wenn er fliegen wollte, und die Federn glänzten sehr und die zwei Schwerter hielt er in seinem Munde fest. Das sahen aber etliche im Heere, die sprachen: Herr, sehet Ihr nicht ein wunderlich Ding auf dem Thurme stehen? Er aber antwortete und sprach: ich sehe es wohl, was es aber ist, das weiß ich nicht. Da sprachen sie: es ist der Christen Gott, der vom Himmel herab gefahren ist, der wird uns alle mit den zwei Schwertern niederschlagen und tödten, so wir länger hier liegen. Wie das der Herr vernahm, da fing er an sich zu fürchten und sprach zu ihnen: es giebt nur einen Weg, daß er uns nicht schlage, so wir nehmlich die Stadt räumen. Damit machte sich der König mit allem seinem Volke auf und zog von dannen. Die Römer aber waffneten sich und folgten ihm nach und erschlugen den König und einen Theil seiner Schaaren, und also ward der König durch die Weisheit der klugen Meister überwunden.

Dreiundzwanzigste Erzählung.
Von St. Daniel, der eine Säule sah.

† (83).

Daniel sah eine Säule, deren Haupt war gülden, die Brust und die Arme silbern, der Bauch und die Gemächte von Glockenspeise, ihre Schienbeine eisern, die Füße eines Theils von Erz, andern Theils von Eisen. Diese Säule sah auch Nebucadnezar, der König, und verstand sie nicht, Gott gab es aber Daniel zu verstehen. Und ein Stein ward gelöset aus seinen Händen und flog an die Füße der Säule, des Erzes und Eisens, und zerschlug die Säule ganz und gar. Das ist aber das Bild des Laufes der Welt.

Vierundzwanzigste Erzählung.
Von einer Säule, die zu Jerusalem war.

† (91).

Man liest in der meisterlichen Historia, die da heißet Scholastika, daß zu Jerusalem eine Säule stand, die war von Glockenspeise gegossen, auf selbiger Säule war unseres Herrn Bild, und an desselbigen Bildes Gewand war unten nach jüdischer Sitte ein Saum, und tief unten bei der Säule wuchs ein Kraut, das so lang und so hoch war, daß es das Bild beinahe berührte, und das war gar bitter. Wer aber das Bild berührte, auch nur unten am Saume, und siech war, was für ein Siechthum oder Gebreste er hatte, der gesundete im Augenblick.

Fünfundzwanzigste Erzählung.
Von zwei Brüdern, die großen Krieg mit einander hatten.

† (94 s. d. Gest. Rom. c. 39, Bd. I., p. 68. sq.)

Man liest in der Römer That, daß zwischen zwei Brüdern ein großer Krieg war, so daß der eine Bruder beinahe alle Lande und alle Habe des andern allzumal verwüstete. Das hörte der Kaiser Julius und es that ihm gar leid und brachte ihn auf wider den Bruder, der den andern also schädigte. Nun verstand aber derselbige Verwüster des Kaisers Zorn wohl und fürchtete seine Bestrafung und ging zu seinem Bruder und bat ihn um seine Huld und Versöhnung wegen Allem, das er ihm gethan hatte, und verhieß ihm Entschädigung und bat ihn, daß er zwischen dem Kaiser und ihm Friede machte. Nun sprachen aber, die dabei standen, daß jener das nicht um seinen Bruder verdient hätte, sondern nur Pein. Da antwortete ihnen der Bruder, der den Schaden hatte, und sprach: den Fürsten muß man lieb haben, der im Streite gütig ist, wie ein Lamm und im Frieden böse, wie ein Leu. Da dem nun so ist, daß mein Bruder viel wider mich hatte und es um mich nicht verdient hat, so will ich ihm doch bei dem Kaiser Gnade auswirken, wenn ich vermag, denn das Unrecht, das er mir gethan hat, ist genug an ihm gerochen. Also ward zwischen seinem Bruder und dem Kaiser Versöhnung und Friede bestätiget.

Sechsundzwanzigste Erzählung.
Von einer Brücke und bösen Thieren darunter.

† (96).

Es war einmal ein Mann, der sollte aus einem Lande ins andere gehen, der kam an eine Brücke, über die er gehen mußte. Der sah vor sich einen schrecklichen Löwen, an seiner rechten Seite einen Drachen und an der linken ein großes Meer. Wie er aber das Dreies also gesehen hatte, da wollte er nicht fürbaß gehen, sondern wieder umkehren. Da stand am Wege ein Engel, der hatte in der einen Hand ein Schwert und in der andern eine Krone. Der sprach zu ihm: verschmäh, widersteh, zertrete, des Meeres Glück, des Thieres Zorn, des Drachen Untreue, die brich elendiglich und alsbald, ich gebe Dir dazu ein Kreuz, damit Du Alles machen kannst. Der Mensch aber, sobald er den Engel erblickt hatte und dieses gehört, da überwand er Alles und entfloh ihm, denn er tödtete den Löwen und zertrat den Drachen, von dem Löwen aber nahm er die Krone für den Sieg.

Siebenundzwanzigste Erzählung.
Von Brunnen, die wunderbar waren.

† (97).

St. Ysidorus schreibt in seinem Buche von der Auslegung der Wahrheit, daß zwei Brunnen in Sicilia seyen der eine machte unfruchtbare Thiere fruchtbar und der andere fruchtbare Thiere unfruchtbar. Bei dem ersten Brunnen sollen wir uns unsern Herrn Christum denken, der einen unfruchtbaren Menschen, das ist den Sünder, fruchtbar macht mit den Werken der Barmherzigkeit. Der andere Brunnen ist der böse Geist, der einen guten Menschen zu einem bösen Ende bringt, daß er unfruchtbar ist an guten Werken. In Italia, das ist Welschland, da ist ein Brunnen, der das Gesicht der Augen bessert und die kranken Augen heilt zu besserem Sehen. Am Tage scheint er, in der Nacht brennet er. Also ist Christus unser Herr, der heilt die Wunden der Sünder, und am Tage scheint er, das heißt in diesem Leben wirkt er die Werke der Barmherzigkeit, in der Nacht brennt er, das ist im Gewissen wider die Sünde. In Afrika ist ein Brunnen, die brennenden Fackeln auslöscht und die erloschenen anzündet. Also thut unser Herr Christus. Die brennenden Fackeln, das sind die Weisen dieser Welt und die Herren, die sich erleuchtet und witzig dünken, die verlöscht er. Und die erloschenen, das sind die Einfältigen und Armen, die erloschen sind gegen die Welt, die entzündet er. In Ydacia ist ein Brunnen, der seine Farben vier Stunden im Jahre verändert, drei Monate ist er blutfarbig, drei Monate grün, drei Monate klar. Also ist unser Herr Christus, der nicht nur mehr denn einmal gelitten hat um des menschlichen Heiles Willen und seine Farbe verwandelt hat, denn da er geboren ward, da war er klar, blutfarbig aber ward er, da er beschnitten ward und am Kreuze weinte. In Boecia sind zwei Brunnen, der eine macht dem Menschen Klugheit und Gedächtnis, der andere macht ihn vergessend. Der erste Brunnen bezeichnet unsern Herrn Christum, der dem Menschen Tugend giebt, der andere Brunnen aber macht den Menschen vergessend aller guten Werke, die er von Gott empfangen hat: das ist der böse Geist. In Campanien sind zwei Gewässer, eins ist ein Mann und vertreibt den Unsinn, das andere ist sein Weib und vertreibt Unehrbarkeit der Weiber. Das erste Wasser bezeichnet Christum, der da vertreibt Unsinn und Thorheit der Sünde, das andere ist die andächtige Andacht und andächtiges Gebet.

Achtundzwanzigste Erzählung.
Von sieben Bäumen und von sieben Todsünden.

† (99 s. a. Gest. Rom. c. 46 oben Bd. I. p. 75.)

Ein Meister, der Tullius heißet, sagt uns, daß er im Mai in einen Wald ging: in dem standen sieben Bäume voller Blätter, die waren schön anzusehen, von denen nahm er so viel Aeste, als er kaum ertragen konnte. Da kamen zu ihm drei Männer und führten ihn aus dem Walde, und an dem Ausgange des Waldes, da fiel er in eine tiefe Grube, daß er von der Schwere seiner Bürde ganz und gar versank. Bei dem Walde aber denke man sich die Welt, die voll ist von mancherlei Bäumen, das sind die Todsünden. In dem Walde sind dreierlei, Welt, sieben Bäume und sieben Todsünden. Von allen diesen nimmt ein jeglicher Mensch so viel Aeste auf sich, daß er sie kaum ertragen kann noch entbehren mag, d. h. daß er nicht zu der Gnade Gottes kommen kann, so lange er in den Sünden ist. Nun kamen drei Männer, die waren Hüter des Waldes, das sind drei Feinde, der Leib, die Welt und der Teufel, und helfen ihm die Sünde vollbringen, bis daß er seine Seele verliert und in die Grube versenkt wird, d. i. in die Hölle, von der Schwere seiner Bürde, d. i. seiner Missethat und tödtlicher Sünde.

Neunundzwanzigste Erzählung.
Von einem Kaiser, der hieß einem Schergen ein edles Weib verderben.

† (101).

Valerius sagt, daß ein Scherge ein edles Weib um einen Ehebruch halber verderben sollte, und der stieß sie in einen Kerker. Allein da sie der Thurmwärter aus Barmherzigkeit nicht gleich verderben lassen wollte, so ließ er durch seine Gütigkeit ihre Tochter zu ihrer Mutter aus- und eingehen, doch gab er wohl Acht, daß sie nicht Speise und Trank zu ihr trug, und wollte, daß sie also vor Hunger umkäme. Nach vielen Tagen wunderte es aber den Frohnknecht, wie das zugehen möchte, daß die Frau so lange ohne Speise leben möchte und er vernahm, daß sie die Tochter nährte mit der Milch aus ihren Brüsten. Diese unerhörte Güte an der Tochter und die Noch an der Mutter machte den Richter geneigt zur Barmherzigkeit, und er erflehte der Frauen Lösung und Gnade.

Dreißigste Erzählung.
Von drei Sirenen, die viele Schiffer ertränkten.

Man liest, daß drei Sirenen auf einer Insel waren oder aus einem Werder, die sangen die allersüßesten Weisen. Die eine sang mit menschlicher Stimme, die andere bließ auf einem Rohre und die dritte spielte auf einer Leier. Die Sirenen hatten aber ein weibliches Antlitz, Flügel und Krallen aber wie ein Vogel, und alle Schiffer, die vor ihnen vorüberzogen, die versenkten sie, und die, so in den Schiffen schliefen, die ertränkten und zerrissen sie. Nun geschah es, daß ein Herzog aus Noth vor ihnen vorüberfahren mußte, da befahl er, daß man ihn an den Segelbaum binden sollte und seine Ohren ganz und gar verstopfen, und also kam er hin vor die Sirenen mit allen den Seinen, und die Sirenen ertränkte er im Meere.



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