Paul Grabein
In der Philister Land
Paul Grabein

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XVII.

Der Auftritt im Amtszimmer des Direktors hatte, wie nicht ausbleiben konnte, schwerwiegende Folgen gehabt. Noch am selben Tage, noch ganz unter dem Eindruck der aufregenden Szene, im tiefsten Innern leidenschaftlich aufgewühlt, hatte sich Hellmrich hingesetzt und dem Provinzialschulkollegium seinen Austritt aus dem Amt mitgeteilt. Er beeilte sich so, denn er wollte nicht, dass man ihm den Stuhl vor die Tür setzte. In seiner aufgeregten, überreizten Gemütsverfassung glaubte er ja nicht anders, als dass nun nach diesem Auftritt mit seinem Vorgesetzten seine Karriere für immer ruiniert sei. Man würde ihm wegen schwerer Insubordination einfach die Qualifikation zur Ausübung des Lehramtes absprechen. Und Direktor Höpfner hatte sich vielleicht jetzt schon beim Schulrat melden lassen, um die Disziplinaruntersuchung gegen ihn zu veranlassen. Da hiess es, das Prävenire spielen! So hatte er denn in einem sofort abgesandten Einschreibebrief bei der zuständigen Behörde um seine Entlassung aus dem Staatsdienst nachgesucht. Gleichzeitig hatte er Direktor Höpfner ganz kurz von diesem Schreiben in Kenntnis gesetzt und ihm zugleich mitgeteilt, dass er sich auf Grund der heute ihm widerfahrenen Behandlung genötigt sei, seine Tätigkeit an der Anstalt sofort einzustellen.

So war denn der entscheidende Schritt geschehen. Hellmrich war aus der Schullaufbahn ausgeschieden, er hatte damit auf die staatliche Anstellung verzichtet – er war nun ohne Beruf und vorläufig ohne jede Aussicht auf eine anderweitige Stellung.

Diese Tatsache lastete mit wuchtiger Schwere auf Hellmrichs Seele. Und dazu kam bald noch ein nagendes Gefühl der Reue, dass nur er allein in einer überhitzten Auffassung der Lage sich all' das Unglück angerichtet hatte. Durch eine Unterredung mit Professor Pflog, seinem alten, väterlichen Freund, der am dritten Tage nach dem Vorfall in einer Konferenz von dem Ausscheiden Hellmrichs Kenntnis erhalten hatte und nun in freundschaftlichem Interesse sich sofort zu dem jungen Kollegen persönlich bemüht hatte, war Hellmrich belehrt worden, dass trotz des schweren Konflikts mit dem Direktor doch wohl keineswegs eine Amtsentsetzung Hellmrichs zu befürchten gewesen wäre. Er wäre wohl mit einem disziplinarischen Verweis davon gekommen, und man hätte ihn nur im Interesse der Disziplin an eine andere Anstalt überwiesen. Denn auch der Direktor hätte sich ja nicht einwandsfrei benommen, und er sei so wie so oben nicht zum allerbesten angeschrieben, denn es seien schon zahlreiche Beschwerden aus dem Elternkreise, darunter von mehreren höheren Staatsbeamten, wegen mancher Macht-Übergriffe von seiner Seite eingelaufen. Es sei also jammerschade, dass Hellmrich so übereilt gehandelt habe.

Das hatte natürlich Hellmrich aufs tiefste betroffen. Er zermarterte sich nun mit Selbst-Vorwürfen, und die Mutter tat das Ihre dazu, seine seelische Gebrochenheit vollkommen zu machen: Nun habe er es glücklich mit seinem Starrsinn, mit seiner ewigen Streitsucht, so weit gebracht, dass er brotlos dastehe – ein halbes Jahr vor Ablauf seiner Probezeit, wo er nun so bald fest im Amt, mit einem gesicherten Einkommen hätte sitzen können. Das sei also die Frucht unsäglicher Opfer! Dazu habe man ihn viele Jahre lang studieren lassen und den letzten Pfennig hergegeben, damit er nun alle Mühe und Sorgen so danke! O, er richte sie allesamt zu Grunde mit seinem Eigensinn, mit seiner Leidenschaftlichkeit!

Hellmrich fühlte sich zu elend und auch zu sehr im Unrecht, um sich gegen diese aufgeregten Anklagen der nun wieder in schwerste Existenzsorgen gestürzten Mutter zu verteidigen. Nur seine treue Helferin, Schwester Lisbeth, fiel weinend der Mutter um den Hals, wenn sie den Bruder dann so stillschweigend, nur mit einem unsagbar traurigen Leidensblick, hinausgehen sah. Die Mutter möchte ihn doch schonen; er sei ja schon so innerlich zerstört, und, was er getan habe, das sei doch im Grunde aus einem Gefühl ehrlicher Entrüstung gegen schmähliche geistige Unterdrückung geschehen. Aber die tiefgereizte Frau schalt auch die Tochter: Gewiss, sie solle nur dem Bruder noch die Stange halten und ihn noch immer mehr bestärken in seiner Starrköpfigkeit! Aber, sie wisse ja längst, dass sie von ihren ältesten Kindern nicht mehr verstanden und respektiert würde. Und sie brach in leidenschaftliches Schluchzen aus, das die Tochter, selber tief unglücklich, sich vergeblich zu stillen bemühte. So spielte sich fast Abend für Abend in trostloser Weise im Hellmrichschen Hause ab.

Auch noch andere bitterernste Folgen des Schulkonflikts stellten sich bald ein, die die ganze Familie in Mitleidenschaft zogen. Die Eltern der Privatschüler Hellmrichs wagten nicht mehr, ihren Sohn der Hand des bei dem Schulmonarchen in tiefste Ungnade gefallenen, ja, wie es hiess »geschassten« Lehrers, anzuvertrauen; sie kündigten ihm die Privatstunden, und so fiel denn im Budget der Familie eine beträchtliche Summe aus, mit der man seit längerer Zeit fest gerechnet hatte. Dass Frau Hellmrich hierüber ganz verzweifelt wurde, war bei ihrem Nervenzustand nur natürlich, und um so schonungsloser tadelte sie jetzt den Leichtsinn ihres Sohnes, der erst vor ein paar Wochen für den verbummelten Liederjahn aus Jena – sie meinte Heinz Rittner – seine ganzen Ersparnisse, fast 200 Mark, hergegeben hatte, um ihn nach Amerika zu spedieren.

Wenn Hellmrich auch alles stillschweigend ertrug, das verwundete ihn doch zu tief, dass ihm jetzt auch noch eine gute Tat vorgeworfen wurde, die er zur Rettung eines Menschenlebens getan, und zu einer Zeit, als er seine eigene jetzige Notlage ja noch gar nicht ahnen konnte. Und gereizt sprach er gegen die Mutter, indem er doch wenigstens Gerechtigkeit von ihr verlangte und ihre kränkenden Worte über Rittner zurückwies. Diese »Störrigkeit« des Sohnes, der nach ihrer Meinung allen Grund zur tiefsten »Zerknirschung« hatte, erbitterte aber die krankhaft gereizte Frau nur noch mehr, und ihr Verhältnis zu ihm wurde damit immer trauriger.

Hellmrich, der seine Mutter innig liebte und sich den Seinen gegenüber im stillen schon schuldbewusst genug fühlte, litt unsagbar unter dem allem. Und als so Wochen auf Wochen unter fortwährendem Grübeln über das Geschehene hingingen, ohne dass sich ein Hoffnungsschimmer zeigte, da rangen sich unter bitteren Schmerzen allmählich Anschauungen und Entschlüsse in seinem Inneren durch, die bisher seinem Wesen fremd waren: Wie sehr sich auch sein ganzes Empfinden immer noch dagegen sträuben wollte, er musste doch erkennen, dass der Mensch nun einmal nicht stets seinen Impulsen nachgeben darf, und seien sie noch so edel. Ein vollkommenes Verwirklichen seiner Ideale, ein nie abweichendes Beharren auf seinen Grundsätzen – es war nun einmal nicht denkbar, wenigstens nicht für Menschen, die in Abhängigkeit von anderen waren. Das Leben war offenbar nur eine Reihe von Kompromissen, und es ergab sich gar häufig ein Konflikt der Pflichten, wo zumeist die Pflicht gegen andere, die auf einen angewiesen waren, die höhere und ausschlaggebende sein musste. Wenn er mit dieser, nun in schwersten Seelenkämpfen errungenen Erkenntnis rückwärts schaute, in sein Leben, so musste er sich sagen: Er hatte oftmals gefehlt in seinem Jugendwahn, dass es das oberste Gesetz sei, stets zu tun, was im Moment das Herz eingab. Sich beherrschen zu lernen, dem Verstand zu gehorchen, sich schweigend in die Verhältnisse zu schicken – es war oft schwerer, als den Mund mit dem Herzen durchgehen zu lassen; es war die Art des wirklich gereiften Mannes, und er musste mit aller Kraft nach dieser Reife streben, wollte er im Lebenskampf bestehen. So stählte sich unter den schweren Schlägen des Schicksals seine bisher immer noch jugendlich weiche, schnell entflammbare Seele zu der des gesinnungsvollen, aber verständig abwägenden und ruhig handelnden Mannes. – – –

Bei seinen vielfachen Versuchen, sich irgendwie wenigstens eine vorläufige Erwerbstätigkeit zu schaffen, war Hellmrich auch zu Professor Berndt gekommen, dem Physiker, seinem ehemaligen Universitätslehrer in Berlin, in dessen Laboratorium er auch die letzte Zeit vor seinem Examen wieder gearbeitet hatte. Er hatte damals Gelegenheit gehabt, diesem persönlich etwas näher zu kommen, namentlich dadurch, dass er ihm freiwillig bei gewissen Versuchen half, die der Gelehrte in Verfolg einer ihn schon seit lange beschäftigenden Forschung anstellte. Dem Professor war damals die geschickte, sachverständige Hilfe Hellmrichs sehr willkommen gewesen. Im Vertrauen darauf hatte sich daher dieser jetzt zu Professor Berndt begeben und gefragt, ob nicht für ihn vielleicht eine Beschäftigung als Assistent möglich sei. Er hatte dabei offen von seinem Konflikt mit dem Direktor berichtet, und der ihm wohlwollend gesinnte Gelehrte hatte daraufhin versprochen, sein Möglichstes tun zu wollen. Im Moment sei allerdings keine Vakanz vorhanden.

Zu Ostern erhielt nun aber Hellmrich einen Brief des Professors, der ihm mitteilte, dass sein zweiter Assistent fortgehen wollte. Für den Posten sei allerdings nur ein geringer Betrag ausgeworfen; aber wenn Hellmrich damit fürs erste gedient sei, so würde er sich sehr freuen, ihn als Mitarbeiter zu gewinnen. Hellmrich griff ohne Besinnen zu. Freilich, wenn er bedachte, dass er nun, wo seine Probezeit gerade abgelaufen wäre, unter Umständen schon mit einem doppelt so hohen Anfangsgehalt hätte fest angestellt werden können, so erschien ihm diese Position und Bezahlung ja bitter. Aber er musste froh sein, dass er überhaupt eine Stellung gefunden, die ihn wenigstens seinen Lebensunterhalt selbst verdienen liess, obschon er damit für seine Familie kaum der Rede wert etwas beisteuern konnte.

So trat denn Hellmrich die Assistentenstellung an, und wenn sie ihn freilich auch materiell nicht befriedigen konnte, so tat sie dies doch um so mehr in anderer Weise. Nun konnte er doch wieder ganz wissenschaftlicher Arbeit leben! Professor Berndt zog ihn in ehrenvoller Weise, in vollstem Vertrauen auf seine Tüchtigkeit und Verschwiegenheit, zu seiner grossen Forschungsarbeit heran und übertrug ihm die selbständige Untersuchung eines ganzen Gebietes von Erscheinungen. Es handelte sich um eine Forschung, um Versuche, die, wenn sie gelangen, geradezu bahnbrechend nicht nur auf physikalischem Gebiet sein mussten, sondern die auch eine Bedeutung für die medizinische Wissenschaft gewinnen konnten, welche in ihren gewaltigen Wirkungen noch gar nicht abzusehen war. Hellmrich gab sich mit vollstem Eifer dieser Arbeit hin, und seiner ausgesprochenen Begabung für diesen Zweig der Wissenschaft gelang es sogar, eine sehr schätzenswerte Verbesserung an einem der notwendigsten Versuchsinstrumente zu ersinnen, die Professor Berndt in der »Zeitschrift für experimentelle Physik« unter sehr anerkennenswerten Worten für Hellmrichs wertvolle Mitarbeit anzeigte – eine Publikation, die den Namen des jungen Assistenten in den Kreisen der gelehrten Fachgenossen plötzlich bekannt machte. –

Ein Jahr war so dahingegangen, und nichts hatte sich im äusseren Leben Hellmrichs geändert. Auch kein Ereignis von grösserer Bedeutung hatte sich inzwischen im Kreise seiner Familie begeben. Doch ja – etwas war geschehen, das in das Seelenleben Hellmrichs tief hineingegriffen hatte. Seine Mutter, deren Korrespondenz mit der Hofrätin Gerting nach der Beilegung jenes ersten Konflikts zwischen den Verlobten sehr ins Stocken geraten war, hatte über ein halbes Jahr lang nichts mehr aus Jena gehört, sodass man in Hellmrichs Haus allgemein glaubte, dass alles bei Gertings zum Besten stehe. Dass Simmert inzwischen auch Referendar geworden sei, wusste man, und so erwartete man eigentlich eines schönen Tages die Anzeige der Vermählung des jungen Paares zu erhalten.

Hellmrich hatte, nachdem der Zwist zwischen den Verlobten wieder beseitigt war, zwar erklärt, nichts mehr von Lotte hören zu wollen. Es war ihm damals als ein Zeichen von Charakterlosigkeit erschienen, dass sie nach dem Vorgefallenen Simmert noch weiter ihre Liebe schenken konnte. Aber trotzdem war Charlotte für ihn in Gedanken keineswegs tot. Gar oft ertappte er sich darüber, sich Lotte als junge Frau vorzustellen, wie sie im Hause schaltete und waltete, und wenn er dann ein Bild reizvoller Anmut und lockenden häuslichen Behagens vor sich sah, dann zeigte ihm ein weher Schmerz im tiefsten Herzen, dass er sie noch immer nicht vergessen hatte.

Da war nun eines Tages, ganz unerwartet, wieder einmal ein Brief der Hofrätin an Frau Hellmrich eingetroffen. Sie hatte darin die alte Freundin herzlich um Verzeihung gebeten für ihr langes Schweigen; aber es sei zu viel auf sie eingestürmt, und sie habe am liebsten über all das Traurige zu niemandem sprechen mögen. Aber mal müsse Henriette es ja doch erfahren, was geschehen sei, und so wolle sie ihr denn heute alles mitteilen: Lotte sei nicht mehr verlobt. Kurz vor Weihnachten, gerade während ihr ahnungsloses, unglückliches Kind Tag und Nacht emsig an einer wundervollen Chaiselongue-Decke für ihren Verlobten gestickt habe, hätte ihr dieser ganz unvermutet, ohne jeden Anlass, den Ring zurückgeschickt!

Sie seien alle wie vom Schlage gerührt gewesen, so völlig unerwartet sei das gekommen. Noch ein paar Tage vorher hatte er ja erst an Lotte geschrieben, aufmerksam, voll zärtlicher Liebesversicherungen – wie überhaupt immer seit jenem Konflikt vor Jahr und Tag. Und nun auf einmal das! Sie hätten es ja gar nicht glauben können, wenn es da nicht schwarz auf weiss in seinem Brief gestanden hätte, dass sie nicht zusammenpassten, dass er sich in seinen Gefühlen getäuscht habe. Er könne Charlotte keine wirkliche Liebe, er könne ihr das Glück nicht bieten, das ein so herzensgutes, liebes Geschöpf wie sie verdiene. Und da wolle er als ehrlicher Mensch nicht sie und sich selbst länger täuschen, er wolle sie nicht beide unglücklich machen! Deshalb schicke er ihr, wenn auch blutenden Herzens, den Ring wieder und bäte um seine Freiheit.

Lotti, das unglückselige, arme Geschöpf, sei völlig zusammengebrochen unter diesem brutalen Schlage; sie habe die erste Zeit wirklich gezweifelt, dass ihr Kind das überstehen würde. Dazu hatte sie also damals dem Verlobten alles verziehen und vergessen, dass er nun kaltherzig sich von ihr abwandte! Wochenlang habe sie keine Nahrung zu sich genommen und sei nicht aus dem Hause gegangen; denn ihr todwundes Herz hätte die mitleidslosen oder gar schadenfrohen Blicke der Mitmenschen nicht zu ertragen vermocht. Und auch später, als sie das Allerschwerste überwunden, – es habe ihr allerdings ein Stück Lebenskraft und Jugend gekostet – habe sie hartnäckig erklärt, dass sie in Jena nicht bleiben könne. Sie müsse, solle sie das Leben noch weiter ertragen können, hinaus, weit weg, wo sie niemand kenne, und sie müsse Arbeit haben, um sich zu betäuben.

Alles Zureden habe nichts geholfen, und so habe sie denn ihre Lotti, ihr Herzenskind, mit seinem Leid allein in die Welt hinausziehen lassen müssen. Sie habe sie nach Leipzig auf ein Seminar gebracht, wo sich Lotti auf das Lehrerinnen-Examen vorbereiten wollte. Da sässe nun das arme Geschöpf jetzt bald ein halbes Jahr, einsam und verlassen in der Fremde und quäle sich den müden Kopf mit Dingen ab, mit denen sie sich seit ihrer Schulzeit nicht mehr abgegeben habe – sie, früher der umschwärmte, verhätschelte Liebling der Gesellschaft, die einst so vielbeneidete Braut mit einer glänzenden Zukunft! O, es könnte einem das Herz zerreissen! Aber Lotte ertrüge ihr Schicksal wie eine Heldin, ohne jemals mit einem Worte zu klagen. Von früh bis spät sässe sie über ihren Büchern. Sie habe einen eisernen Willen, alle Schwierigkeiten zu überwinden – wie sie ihn dem zarten Geschöpf niemals zugetraut hätte – und habe nur noch den Ehrgeiz, das Examen rechtzeitig zu erreichen. –

Das also war aus Lotte geworden!

Mit tiefer Bewegung hatte Hellmrich ihr Schicksal vernommen. Wie leid, wie unendlich leid tat sie ihm! Wie schnitt es ihm in die Seele, dass sie nun, in ihrer fröhlichen, lachenden Jugendlust gebrochen – o, wie strahlend, wie bezaubernd war sie doch in ihrem taufrischen Jugendreiz gewesen! – langsam dahinwelken, frühzeitig altern sollte über ihren verstaubten Büchern und später in der Tretmühle des Unterrichts. Arme Lotte! Was sie ihm auch getan, es war jetzt vergessen – nichts als ein namenloses Mitgefühl, eine brüderliche Liebe zu der Unglücklichen beseelte ihn. Nun war sie ihm ja im Leid so verwandt geworden! Sie wie er – sie beide trugen nun an einem stillen Schmerz, der nie vernarben würde; sie beide gingen einen Dornenweg im Leben, aber nicht wie kleinmütig Verzagte, sondern aufrecht und stark. Was sie getroffen, aus eigener Schuld oder Schicksalsfügung, sie wollten es mit Fassung ertragen, wollten Trost und Lebenszweck suchen in ehrlicher, stillen Frieden spendender Arbeit!

Und so ging ihnen beiden die Zeit dahin, einförmig und ohne Freuden; aber im Innern gewannen sie, was mehr wert war als Lachen und Lustbarkeiten.



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