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Vorwort

Der Verfasser glaubt, diesem Buche ein Wort voransetzen zu sollen, nicht eine Entschuldigung, daß er das Buch geschrieben, sondern eine Erklärung, warum er das Buch geschrieben.

Der Verfasser ist ein geborner, kein gemachter Republikaner; in republikanischer Freiheit, welche bloß während dem radikalen Freischarenregiment von 1846 bis 1850 beschränkt wurde, wuchs er auf; er liebt daher die Freiheit nicht bloß, sondern sie ist ihm eine Notdurft. Aber er will eine christliche Freiheit, eine Freiheit nicht bloß zum Anlaß dem Fleische, sondern zum Wandel im Geiste; der Apostel Paulus beschreibt die Freiheit, die er meint: »Ihr seid zur Freiheit berufen«, sagte derselbe den Galatern, »allein ergreifet die Freiheit nicht zum Anlaß dem Fleische, sondern durch die Liebe diene einer dem andern! Denn das ganze Gesetz ist in einem einigen Wort verfasset, nämlich in diesem: ›Liebe deinen Nächsten als dich selbst!‹ So ihr euch aber untereinander beißet und fresset, so sehet zu, daß ihr nicht untereinander verzehret werdet! Ich sage aber, wandelt im Geist, so werdet ihr die Lust des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch. Werdet ihr aber durch den Geist getrieben, so seid ihr nicht unter dem Gesetz. Offenbar sind aber die Werke des Fleisches, als wo sind: Ehebruch, Hurerei, Unreinlichkeit, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Neid, Zorn, Zank, Zwietracht, Ketzereien, Mißgunst, Totschlag, Saufen, Fressen usw., von welchem ich euch zuvorsage, daß, die solche Dinge tun, das Reich Gottes nicht erben werden. Die Frucht aber des Geistes ist: Liebe, Freude, Friede, Langmütigkeit, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. So wir im Geiste leben, so lasset uns auch im Geiste einhergehen! Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein, also daß wir uns untereinander ausfordern und einander mißgünstig seien!« Die Liebe zu dieser christlichen Freiheit für alle drängte den Verfasser, Schriftsteller zu werden, und zwar als er bald vierzig Jahre alt war. Was er wollte, wußte er. Er trat in die Schranken für Gott und das Vaterland, für das christliche Haus und die Zukunft der Unmündigen. Er wußte ebenfalls, daß seine Bücher nicht Kunstprodukte sein würden; er ertrug geduldig, wie ein lernbegieriger Schüler eine strenge Schule, die scharfen Zähne der Kritik, die ihn nicht schonte. Gegen die Rezensenten hat er nicht gefochten, nie fechten lassen, er steht in keiner Kameraderie; er nahm es schweigend hin, wenn man mit dem Buche auch seine Person herumzog, den Landpastor lächerlich zu machen suchte. Es redet jeder nach seinen Gaben, hohen oder niedern, und wer Sklave auf einer Galeere, kein Mann mehr, sondern bloß noch eine Nummer ist, der ist ja gar nicht mehr zurechnungsfähig. Der Verfasser lernte von ihnen – aber sein Panier änderte er nicht, mit gleichem Mut und gleicher Freudigkeit wie am ersten Tage trägt er es noch heut und wird es tragen, solange seine Hand es halten kann und solange der Kampf dauert. Das ist's, was dem Verfasser ein Vorwort abnötigt. Freundliche Stimmen baten ihn, die leidige Politik aus seinen Büchern fallen zu lassen, da man derselben satt und jetzt überall Ruhe sei. Statt diesen Bitten Folge zu leisten, strotzt dieses Buch wie kein anderes von sogenannter Politik; darüber glaubt er eine Erklärung geben zu sollen.

Im Kanton Bern, des Verfassers teurem Vaterlande, ist noch keine Ruhe; neu lodert der Kampf, vergiftete, infame Waffen braucht der Feind, Lüge und Verleumdung; um jeden Preis soll der Kanton Bern der Propaganda zurückerobert werden. Der Bürgermeister von Zürich, Escher, erscheint an zu diesem Zwecke veranstalteten Volksversammlungen, auf Verrat und Feigheit setzt die Propaganda ihre Hoffnungen. Aber dieses Treiben und die beteiligten Namen wird die Nachwelt richten. Wenn die Gefahr vor den Toren tobt, legt man die Waffen nicht nieder, wenn der Feind an den Mauern klettert, begießt man nicht Nägeli, pflanzt nicht Kabis. Der Hauptgrund aber, warum der Verfasser auch beim besten Willen von der sogenannten Politik nicht lassen kann, ist der, daß ja die heutige Politik überall ist, daß ja gerade das das bezeichnende Merkmal des Radikalismus oder der radikalen Politik ist, daß dieselbe sich in alle Lebensverhältnisse aller Stände drängt, das Heiligtum der Familien verwüstet, alle christlichen Elemente zersetzt. Wo man im Hause den Fuß absetzt, trittet man auf diese Schlange, diese Landplage Europas.

Wer mit Liebe am Volke hängt, klar in dessen Leben sieht, der muß überall mit der radikalen Politik feindlich zusammentreffen, denn dieselbe ist eigentlich keine Politik, sondern eine eigene Lebens- und Weltanschauung, die alle Verhältnisse einfaßt, der ganzen Menschheit sich bemächtigen will. Durch eine eigentliche Sekte wird sie getragen, vom Fanatismus, welcher den Sektierern eigen ist, werden ihre Anhänger getrieben. Ihre Parole ist: Vorwärts, Fortschritt, ihr Feldgeschrei: Freiheit. Wo war je bei einer Sekte Freiheit? Ist das Leugnen einer höhern Welt, das Wandeln im Fleische, das Beißen und Fressen untereinander Fortschritt, Vorwärts?

Gehen dem Volke die Augen auf über die Natur dieser Sekte und ihr Ziel, dann ist sie auch zugrunde gegangen. An diesem Öffnen schafft der Verfasser mit Fleiß, und an diesem Werke schaffen alle, die es wahrhaft gut meinen mit dem Volke.

Die redlichen Radikalen, welche aber nicht zur Sekte gehören, die Zwecke des eigentlichen Radikalismus nicht verfolgen, weil sie nicht darin eingeweiht sind, deren radikale Politik nicht über die Grenzen der eigentlichen Politik geht, die sind es nicht, denen unser Kampf giltet; ihren Ansichten, wenn wir sie auch nicht teilen, räumen wir ihre Berechtigung ein. Ja, wir sind überzeugt, mit diesen werden wir zur Zeit, wenn die Gerichte einbrechen über die propagandischen Banden, in einem Lager stehen. Dann brechen aber die Gerichte Gottes ein über diese Banden, wenn ihre Larve vollends gefallen ist, die bodenlose Schlechtigkeit dieser Sekte offenbar wird, ihre gottesleugnerische Lehre wie ein verzehrend Feuer gegen alle Güter lecket, gegen jegliche Ordnung.

Gegen diese alles Volksglück zerstörende Sekte hat der Verfasser sein Buch geschrieben, seine Berechtigung dazu lag in der christlichen Liebe und der republikanischen Freiheit, seine Verpflichtung dazu im eigenen Gewissen.

Wie er es aber geschrieben, gut oder schlecht, dem Zwecke entsprechend oder nicht, darüber urteilt, liebe Leser! In Demut läßt der Verfasser das Gericht über sich ergehen.

Lützelflüh, den 12. September 1851.

Jeremias Gotthelf.


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