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XXI

Raiskij kam verärgert nach Hause. Er aß nicht zum Abend, scherzte nicht mit Marfinka, neckte die Großtante nicht und begab sich sehr bald in sein Zimmer. Auch tags darauf noch war er mürrisch und unzufrieden.

Das Wetter war noch unfreundlicher geworden. Ein durchdringender, feiner Regen ging unaufhörlich nieder. Der Himmel war bedeckt, nicht mit Wolken, sondern mit einer Art Dunst. Über der ganzen Gegend lag ein Nebel.

Auch Wera war nicht bei Laune. Sie war in ein großes Tuch gehüllt, und auf die Frage der Großtante, was ihr fehle, antwortete sie, sie habe in der Nacht Schüttelfrost gehabt.

Es folgte nun eine Flut von Fragen, von Vorwürfen, warum sie niemanden geweckt habe, und von Ratschlägen – sofort sollte sie eine Tasse Lindenblütentee trinken und sich ein Senfpflaster auflegen lassen. Wera weigerte sich jedoch ganz entschieden, eins dieser Mittel anzuwenden, und sagte, sie fühle sich jetzt vollkommen wohl.

Alle drei saßen schweigend da und gähnten; nur ab und zu warf eines wie von ungefähr eine Frage hin, auf die eine lässige Antwort erfolgte.

»Sie sind auch auf der Insel gewesen?« sagte Wera, zu Raiskij gewandt.

»Ja, woher weißt du es?«

»Ich hörte vorhin, wie Jegor darüber klagte, daß Ihre Kleider ganz voll Lehm und Schlamm seien, er habe sie kaum sauber bekommen. ›Er muß wohl auf der Insel gewesen sein‹, meinte er.«

»Du hörst auch alles!« versetzte er. »Ich war nicht allein dort; auch Mark war da, und Koslows Frau.«

»Eine schöne Gesellschaft hast du dir da ausgesucht!« sagte die Großtante. »Sonst ist doch Monsieur Charles immer ihr Begleiter!«

»Auch er war da.«

Sie schwiegen wieder und wollten sich bereits trennen, als plötzlich Marfinka erschien.

»Ach, Tantchen, welche Angst habe ich ausgestanden! Ich hatte einen so schrecklichen Traum«, sagte sie, bevor sie die Großtante noch begrüßt hatte. »Daß ich ihn nur nicht vergesse!«

»Erzähl, rasch, rasch!« sagte Raiskij. »Wir wollen uns mal unsere Träume erzählen! Auch ich habe etwas ganz Merkwürdiges geträumt. Fang du an, Marfinka! Was soll man bei diesem abscheulichen Wetter sonst beginnen? Laßt uns wenigstens Märchen erzählen!«

»Gleich, gleich, warten wir noch ein Weilchen. In fünf Minuten ist auch Nikolai Andrejitsch da, dann erzähl ich.«

»Schon in fünf Minuten?« sagte die Großtante. »Woher weißt du denn das? Und wenn er nun noch schläft?«

»Nein, er wird kommen, ich hab's ihm befohlen!« versetzte Marfinka kokett. »Heute wird ein kleines Mädchen im Dorf getauft, beim Bauern Foma. Ich habe versprochen, es über die Taufe zu halten, und er wird mich begleiten.«

»Für die Taufe im Dorf hast du also dein neues Barègekleid angezogen, und noch dazu bei solchem Regenwetter! Wer wird dich denn so ausgehen lassen? Zieh es aus, meine Liebe!«

»Ich ziehe es gleich wieder aus, Tantchen, ich habe es nur zur Probe angezogen.«

»Du hast es doch neulich schon anprobiert!«

»Lassen Sie doch, Tantchen, sie will sich ihrem Bräutigam in dem neuen Kleid zeigen.«

Marfinka errötete.

»Nein, ihr seid wirklich ... Ich dachte gar nicht daran!« sagte sie, ärgerlich darüber, daß man ihre Absicht erraten hatte. »Ich geh und zieh es sofort aus.«

Raiskij hielt sie bei der Hand fest; sie riß sich los und stürzte aus der Tür. Kaum aber hatte sie diese geöffnet, als Wikentjew ihr entgegentrat und, die Arme weit ausbreitend, sie zurückhielt.

»Kommen Sie rasch! Warum haben Sie sich verspätet?« sagte sie, ganz rot vor Freude, und wehrte ab, als er ihr durchaus die Hand küssen wollte.

»Was für eine abscheuliche Gewohnheit ist das, immer die Handfläche küssen zu wollen?« sagte sie, ihm die Hand entziehend. »Den ganzen Arm renken Sie einem dabei aus!«

»Ja, sehen Sie, Ihr Händchen ist da drinnen so warm und so duftig. Gestatten Sie.«

»Gehen Sie! Sie haben Tantchen noch nicht begrüßt!«

Er küßte der Großtante die Hand und machte dann Raiskij und Wera eine komische Verbeugung.

»Erzählen Sie mal, was Sie heute geträumt haben!« sagte Raiskij zu ihm. »Rasch, rasch!«

»Nein, erst will ich erzählen!« fiel Marfinka ihm ins Wort.

»Ach, nein, ich hatte einen so schönen Traum!« sagte Wikentjew. »Ich träumte, ich sei ...«

»Nein, lassen Sie mich zuerst meinen Traum erzählen«, sagte Marfinka. –

»Erlauben Sie, Marfa Wassiljewna, ich vergesse sonst den ganzen Traum!« rief der dazwischen. »Bei Gott – ich habe ihn beinahe schon vergessen! Ich träumte also ...«

Sie hielt ihm den Mund mit der Hand zu.

»Immer der Reihe nach, immer der Reihe nach!« kommandierte Raiskij. »Marfinka hat das Wort. Legen Sie los, Marfa Wassiljewna!«

»Ich träumte also, ich sei die Großtante. Hör zu, Werotschka, was für ein merkwürdiger Traum! So hören Sie endlich, Nikolai Andrejewitsch, sitzen Sie endlich still! Draußen war es dunkel, und der Mond schien so hell, und die Blumen dufteten, die Vögel sangen ...«

»Wie – in der Nacht?« sagte Wikentjew.

»Die Nachtigallen singen doch immer in der Nacht!« bemerkte die Großtante und warf beiden einen Blick zu.

Marfinka errötete.

»Jetzt habt, ihr mich aus dem Text gebracht – ich erzähle nicht weiter!«

»Nein, nein, erzähl! Erzählen Sie!« riefen alle durcheinander, nur Wera schwieg.

»Nun, also die Vögel ...«

»Die Vögel singen nicht in der Nacht.«

»Schon wieder stören Sie mich, Nikolai Andrejitsch! Ich breche sofort ab – hören Sie? Übrigens, Tantchen, denken Sie sich: er schnarcht, wenn er schläft!« rief sie lebhaft und zeigte auf Wikentjew.

»Woher weißt du denn das?«

Marina hat es mir gesagt, und die wieder weiß es von Semjon.«

»Das kommt von den Skrofeln, er muß Baldriantee trinken«, bemerkte Tatjana Markowna.

»Ich fürchte mich vor Leuten, die schnarchen. Hätt ich das früher gewußt, dann ...«

Sie hielt plötzlich inne.

»Warum sprichst du es nicht aus?« fragte Raiskij. »Wir können ja die Verlobung aufheben. Wenn er dich in der Nacht am Schlafen hindert, das ist ein Grund.«

Marfinka wurde so rot wie eine Kirsche und stürzte aus dem Zimmer.

»Nicht doch, Borjuschka!« sagte die Großtante. »Du siehst doch, sie schämt sich ohnedies schon, daß sie etwas Törichtes gesagt hat.«

Wikentjew lief hinter Marfinka her und brachte sie ins Zimmer zurück.

»Ich werde mir für die Nacht die Nase immer mit Watte verstopfen, Marfa Wassiljewna«, sagte er.

Marfinka war beruhigt und begann ihren Traum zu erzählen.

»Ich träumte also, ich sei ganz leise in das Haus des Grafen geschlichen«, begann sie, »gleich in die Galerie, wo die Statuen stehen. Ich trat ein und versteckte mich, und ich sah, wie der Mond sie alle beleuchtete, während ich ganz im Dunkeln in einer Ecke stand. Mich konnte man nicht sehen, ich aber sah sie alle. Ohne zu atmen, stand ich da und betrachtete sie. Alle sah ich mir an: den Herkules mit der Keule, und die Diana, und die Venus, und auch die mit der Eule, die Minerva. Und dann den alten Mann, den die Schlangen umwinden. Wie heißt er doch? ... Da, mit einemmal«, sie machte ein erschrockenes Gesicht und sah sich nach allen Seiten um, »noch jetzt ist mir ganz ängstlich zumute, so lebhaft träumte ich ...«

»Nun, also – mit einemmal?« fragte die Großtante.

»Ach, es war so schrecklich, Tantchen! Mit einemmal war es mir, als ob die Statuen sich bewegten. Zuerst wandte die eine ganz, ganz langsam den Kopf zur Seite und sah nach einer andern, und auch die wurde ganz langsam lebendig und reichte jener langsam die Hand, es war die Diana, und die andere war die Minerva. Dann erhob sich langsam die Venus, und ohne auszuschreiten, wie schrecklich!, schwebte sie einer Toten gleich auf den im Helm zu, auf den Mars. Und dann krochen und ringelten sich die Schlangen wie lebendig um den alten Mann herum, und er beugte den Kopf zurück, und über sein Gesicht ging ein krampfhaftes Zucken, als wenn er lebte, und ich dachte, er würde jeden Augenblick aufschreien. Und auch die andern schwebten alle aufeinander zu, und einige traten ans Fenster und sahen auf den Mond. Dabei hatten sie alle ganz steinerne Augen, ohne Pupillen. Ach!«

Ein Schauer überlief sie.

»Das ist ja ein sehr poetischer Traum, den will ich niederschreiben!« sagte Raiskij.

»Kinder liefen dahin und dorthin«, fuhr Marfinka fort, »und immer so ganz leise, ohne auszuschreiten. Die Statuen schienen miteinander zu beraten, sie neigten ihre Köpfe vor und flüsterten. Die Nymphen faßten sich bei den Händen, blickten auf den Mond und begannen einen Reigen zu tanzen. Ich zitterte am ganzen Körper, an allen Gliedern vor Angst. Die Eule schlug mit den Flügeln und putzte sich mit dem Schnabel die Federn auf der Brust. Mars umarmte die Venus, sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Und so standen sie da, während alle anderen umhergingen oder in Gruppen dasaßen. Nur Herkules bewegte sich nicht. Plötzlich aber hob auch er den Kopf, richtete sich dann langsam auf und schwebte von seinem Platz fort. So mächtig groß war er, bis an die Decke. Er ließ seine Augen über alle hinschweifen, dann blickte er in meine Ecke. Und plötzlich schüttelte er sich, streckte sich in seiner ganzen Größe und hob die Hand. Alle sahen auf einmal dahin, wo ich stand, sahen auf mich. Einen Augenblick blieben sie ganz starr, und dann stürzten sie dicht geschart gerade auf mich zu.«

»Nun, und Sie, Marfa Wassiljewna?« fragte Wikentjew.

»Ich schrie ganz entsetzt auf.«

»Und dann?«

»Und dann erwachte ich und lag wohl eine halbe Stunde zitternd da und wollte Fedoßja rufen, doch hatte ich Angst, mich auch nur zu rühren, und lag schlaflos bis zum Morgen. Es hatte schon sieben Uhr geschlagen, als ich wieder einschlief.«

»Ein ganz köstlicher Traum, Marfinka!« sagte Raiskij. »So poetisch, so voll Grazie! Hast du nichts hinzugefügt?«

»Ach, Vetter, wie sollte ich mir so etwas ausdenken? Ich sehe alles noch so deutlich vor mir, daß ich es zeichnen könnte, wenn ich das Zeug dazu hätte.«

»Du mußt Mohrrübensaft trinken«, meinte die Großtante, »das reinigt das Blut.«

»Nun, jetzt gestatten Sie mir, meinen Traum zu erzählen«, begann Wikentjew hastig. »Ich träumte, ich ging über den Berg, nach der Kathedrale, und plötzlich kommt mir Nil Andrejitsch entgegen, auf allen vieren, splitternackt.«

»Hör auf, du, was fällt dir ein? In Gegenwart deiner Braut«, fiel Tatjana Markowna ihm ins Wort.

»Bei Gott, es ist wahr.«

»Das schickt sich nicht, das ist unpassend.«

»Erzählen Sie nur, erzählen Sie!« ermutigte ihn Raiskij.

»Und auf seinem Rücken ritt Polina Karpowna, gleichfalls ...«

»Wirst du wohl den Mund halten?« sagte Tatjana Markowna, während sie sich vor Lachen kaum halten konnte.

»Ich bin gleich fertig. Hinterher ging Mark Iwanowitsch mit einem Knüppel in der Faust und trieb ihn an, und voraus schritt Openkin, mit einer Kerze in der Hand, und ein Musikchor.«

Alles schüttelte sich vor Lachen.

»Das hat er sich alles ausgedacht, Tantchen, jetzt eben, in diesem Augenblick, glauben Sie ihm nur nicht!« sagte Marfinka.

»Bei Gott, es ist wahr! Und alle stürzten sich plötzlich, als sie mich erblickten, wütend auf mich, ganz so wie Ihre Statuen, und ich riß aus und schrie und schrie. Semjon kam sogar herein und weckte mich. Bei Gott, es ist wahr, fragen Sie Semjon.«

»Na, dir, mein Lieber, will ich für die Nacht Rhabarber eingeben, oder Fastenöl mit Schwefel. Du hast jedenfalls die Würmer. Und natürlich darfst du kein Abendbrot essen.«

»Ja, das ist ganz recht. Ich werde Sie daran erinnern, Tantchen«, sagte Marfinka.

»Nun, Wera, jetzt erzähl du deinen Traum, du bist an der Reihe!« wandte sich Raiskij an Wera.

»Was habe ich eigentlich geträumt?« sagte sie, sich besinnend. »Ja: ich sah, wie es blitzte, und der Donner rollte so laut, und es schien, als schlage es immer an einer Stelle ein.«

»Wie schrecklich!« sagte Marfinka, »ich hätte laut aufgeschrien.«

»Ich stand irgendwo am Ufer«, fuhr Wera fort, »am Meer, und vor mir lag eine Brücke, die ins Meer hineinging. Ich lief über die Brücke und kam bis in die Mitte, und da sehe ich, daß die andere Hälfte weg ist, der Sturm hatte sie zerstört.«

»Ist das alles?« fragte Raiskij.

»Ja.«

»Auch dieser Traum ist schön, auch er enthält Poesie!«

»Ich träume gewöhnlich nicht, oder ich vergesse, was ich träume«, sagte sie, »heute aber hatte ich Fieber: da haben Sie die Poesie!«

»Du darfst damit nicht scherzen«, meinte die Tante, »hoffentlich kommt das Fieber nicht wieder.«

»Und jetzt erzählen Sie, Vetter, was Sie geträumt haben!« sagte Marfinka zu Raiskij.

»Denk dir: Ich bin die ganze Nacht geflogen!«

»Wieso denn geflogen?«

»So: ich hatte Flügel bekommen.«

»Das träumt man, wenn man wächst«, sagte die Großtante. »Darüber bist du doch eigentlich schon hinaus.«

»Zuerst versuchte ich im Zimmer zu fliegen«, fuhr er fort, »es ging ganz famos! Ihr saßet alle im Saal, auf Stühlen, und ich flog wie eine Fliege, bis an die Decke. Ihr schriet alle auf mich ein, und Tantchen schrie am lautesten. Sie befahl Jakow, mich mit dem Besenstiel herunterzuholen, aber ich stieß mit dem Kopf das Fenster ein, flog hinaus und erhob mich hoch über den Hain ... Wie köstlich war das, was für ein neues, wunderbares Gefühl! Das Herz schlug mir in der Brust, das Blut schien in den Adern zu stocken, die Augen blickten so weit! Ich schwebte abwechselnd höher hinauf oder tiefer hinab, und als ich einmal ganz hoch oben war, sah ich plötzlich, wie hinter einem Gebüsch hervor Mark mit seiner Büchse auf mich zielte ...«

»Dieser Mensch erscheint doch allen im Traum – das reine Schreckgespenst!« sagte Tatjana Markowna.

»Ich sah ihn gestern mit seiner Büchse auf der Insel, und da träumte ich von ihm. Ich schrie ihn, wie ich ihn da unten auf mich zielen sah, aus vollem Halse an. Doch er schien mich nicht zu hören und fuhr fort zu zielen, und schließlich ...?«

»Ach, wie interessant, Vetter, und schließlich?«

»Schließlich erwachte ich!«

»Ist das alles? Ach, wie schade!« sagte Marfinka.

»Du wolltest wohl, daß er mich erschießen sollte?«

»Rede doch nicht so, der ist imstande, es am lichten Tage zu tun«, murmelte die Großtante. »Hat er dir denn schon die achtzig Rubel zurückgegeben?«

»Nein, Tantchen, ich habe sie auch nicht von ihm zurückgefordert.«

»Ihr betet alle nicht andächtig genug, wenn ihr euch schlafen legt«, sagte die Großtante, »darum träumt ihr so törichtes Zeug! Ich sehe schon, ich muß euch allen Glaubersalz eingeben, damit euch solcher Unsinn nicht erst in den Kopf kommt.«

»Und was haben Sie geträumt, Tantchen? Erzählen Sie einmal, Sie sind an der Reihe«, wandte sich Raiskij an sie.

»Ich soll doch hier nicht auch solches Zeug zum besten geben?«

»Doch, doch – erzählen Sie,Tantchen!« drängte Marfinka.

»Darf ich vielleicht erzählen, Tantchen, was Sie geträumt haben?« schlug Wikentjew vor.

»Wie kannst du denn wissen, was ich geträumt habe?«

»Ich errate es eben.«

»Nun, dann rate einmal darauf los!«

»Sie haben geträumt«, begann er, »daß die Bauern alles Getreide auf den Markt gebracht und verkauft und das Geld vertrunken haben. Das war Ihr erster Traum.«

Alles lachte.

»Du bist ein Meister im Erraten!« sagte die Großtante.

»Dann haben Sie geträumt, daß Jakow, Jegor, Prochor und Motjka betrunken auf den Heuboden krochen, ihre Pfeifen anrauchten und den Hof anzündeten.«

»Daß du dich in die Zunge beißt – solch ein Schwätzer! Komm her, ich will dich bei den Ohren nehmen!«

»Drittens haben Sie geträumt, daß die Dienstmägde eines schönen Abends alles Eingemachte und alle Äpfel aufgegessen und sämtliche Zucker- und Kaffeevorräte weggeschleppt haben.«

Wiederum erfolgte eine Lachsalve.

»Weiter: daß Sawelij Marina alle Knochen im Leibe entzweigeschlagen hat.«

»Halt ein, sag ich dir!« rief Tatjana Markowna aufgebracht dazwischen.

»Und endlich träumten Sie«, schloß er so hastig, daß ihm förmlich Schaum vor den Mund trat, »daß die Kreisbehörde den Befehl erließ, die Dorfstraße zu pflastern und mit Trottoirs zu versehen, und daß Ihnen eine Kompanie Soldaten als Einquartierung auf den Hof gelegt wurde ...!«

»Wart, Junge, dich will ich, dich will ich – da, da, da«, rief die Großtante, stand von ihrem Platz auf und nahm Wikentjew beim Ohr. »Solchen Unsinn zu reden – und das will ein Bräutigam sein!«

»Ganz ausgezeichnet hat er das gemacht!« sagte Raiskij ermunternd. Marfinka lachte, daß ihr die Tränen in die Augen traten, und selbst Wera lächelte. Die Großtante setzte sich wieder.

»Wie ihr nur auf all das dumme Zeug kommt!« sagte sie.

»Sie träumen doch sicher auch, Tantchen?« sagte Raiskij.

»Gewiß – doch nicht so unsinniges und so törichtes Zeug wie ihr alle!«

»Nun, was haben Sie zum Beispiel heute geträumt?«

Die Großtante begann nachzusinnen.

»Ich träumte ... wartet einmal ... ja: ich träumte von einem Felde, und darauf lag ... Schnee.«

»Und weiter was?« fragte Raiskij.

»Und auf dem Schnee lag ein Holzspänchen.«

»Ist das alles?«

»Was wollt ihr noch mehr? Da braucht man, Gott sei Dank, wenigstens nicht zu schreien und zu fliegen!«


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