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XX

›Da habe ich mich nun nach der Leidenschaft gesehnt‹, dachte Raiskij, ›habe mich danach gedrängt – und nun weiß ich gar nicht, ob das wirklich die Leidenschaft ist! Ich betaste mich, um dahinterzukommen, ob ich wirklich von der Leidenschaft beherrscht bin – wie man sich sonst betastet, um festzustellen, ob man nicht eine Rippe gebrochen oder sich irgendein Glied ausgerenkt hat. Und mein Herz – das klopft ganz ruhig; fast scheint es, daß ich gar nicht, fähig bin, eine Leidenschaft zu empfinden.‹

Trotz alledem wollte ihm jedoch Wera nicht aus dem Sinn.

»Wenn sie mich nicht liebt, wie sie selbst sagt, und wie aus allem ersichtlich ist: Warum hat sie mich dann zurückgehalten? Warum hat sie mir erlaubt, sie zu lieben? Ist das Koketterie, oder Laune, oder was sonst? Ich muß entschieden dahinterkommen«, flüsterte er vor sich hin.

Er suchte sie mit den Augen im Garten und bemerkte sie am Fenster ihres Zimmers.

Er trat vor das Fenster.

»Darf man dich besuchen, Wera?« fragte er.

»Ja, aber nicht auf lange.«

›Nicht auf lange!‹ dachte er, während er zu ihrem Zimmer hinaufstieg. ›Warum sagt sie das erst? Warum schickt sie mich nicht einfach fort, wenn sie meiner überdrüssig ist?‹

Er trat bei ihr ein und nahm ihr gegenüber Platz.

»Du sagtest: nicht auf lange. Warum?«

»Weil ich bald wegfahre, nach der Insel. Natalja wird dort sein und Iwan Iwanowitsch und Nikolai Iwanowitsch.«

»Das ist der Priester?«

»Ja, er will dort fischen, und Iwan Iwanowitsch will auf Hasen jagen.«

»Ich möchte mitkommen.«

Sie schwieg.

»Oder soll ich nicht?«

»Kommen Sie lieber nicht, Sie würden unsern kleinen Kreis stören. Der Priester wird gleich anfangen, Gott weiß was für gelehrte Reden zu halten, Natalja wird verlegen sein, und Iwan Iwanowitsch wird die ganze Zeit über schweigen.«

»Gut, ich komme also nicht«, sagte er, stützte sein Kinn auf die Hand und betrachtete sie. Sie saß eine Weile untätig da, dann nahm sie eine Mappe aus der Schublade des Schreibtisches, zog einen kleinen Schlüssel hervor, den sie an einer Schnur um den Hals trug, öffnete die Mappe und schickte sich an zu schreiben.

»Du willst Briefe schreiben?«

»Ja, zwei kurze Briefe, ich muß Natalja Iwanownas Einladung beantworten. Der Kutscher wartet.«

Sie schrieb ein paar Worte und schloß den Brief.

»Hören Sie, Vetter – rufen Sie doch jemanden durchs Fenster herauf!«

Er erfüllte ihren Wunsch. Marina kam herauf und erhielt den Befehl, den Brief dem Kutscher Wassilij zu übergeben. Dann legte Wera die Hände in den Schoß.

»Und der zweite Brief?« fragte Raiskij.

»Der hat noch Zeit.«

»Ah! Also ein Geheimnis!«

»Vielleicht.«

»Wie lange wirst du noch diese Geheimnisse vor mir haben, Wera?«

»Habe ich welche? Dann werde ich sie wohl ewig haben.«

»Wenn du mich genauer kennen würdest, würdest du sie mir anvertrauen, so viel du ihrer auch hast.«

»Warum?«

»Es ist für mich ein Bedürfnis, sie zu kennen – ich liebe dich.«

»Es ist aber für mich nicht Bedürfnis, sie zu erzählen.«

»Aber das ist doch die einzige Möglichkeit, mich loszuwerden, wenn ich dir schon so unerträglich bin.«

»Sie haben Ihr Benehmen in letzter Zeit ein wenig geändert, und ich will Sie nun nicht mehr loswerden.«

»Du hast mir sogar gestattet, dich zu lieben.«

»Ich habe versucht, es Ihnen zu verbieten. Und was ist dabei herausgekommen?«

»Und da hast du nun beschlossen, mich in Zukunft laufen zu lassen?«

»Ja, ich wollte Sie gewähren, lassen, ich dachte, es wird so eher vergehen, als wenn ich irgendwie eingreife. Und das scheint auch zuzutreffen. Sie haben mich ja selbst darüber belehrt, daß Widerstand die Leidenschaft nur aufstachelt.«

»Ei, wie schlagfertig du bist!« sagte er und sah sie listig an. »Und warum hast du mich denn zurückgehalten, als ich abreisen wollte?«

»Sie wären doch nicht abgereist; die Geschichte mit dem Reisekoffer hat mir alles gesagt.«

»Du meinst also, meine Leidenschaft sei verflogen?«

»Es war nie eine Leidenschaft da: alles nur Eitelkeit und Einbildung. Sie sind ein Künstler, sind gleich in jede Schöne verliebt.«

»Aber du bist die Schönste der Schönen, bist die verkörperte Schönheit! Du bist der Abgrund, in den ich willenlos hineinstürze, der Kopf schwindelt mir, mein Herz ist beklommen, – ich lechze nach dem Glück und, wenn es nicht anders ist: nach dem Untergang. Denn auch im Untergang liegt ein Glücksempfinden.«

»Das haben Sie alles schon einmal gesagt, und das ist nicht gut.«

»Warum nicht?«

»So – es ist nicht gut!«

»Ja – warum denn nicht?«

»Weil es übertrieben, mithin unwahr ist.«

»Wenn es aber doch wahr, wenn es aufrichtig ist?«

»Dann ist's um so schlimmer.«

»Warum?«

»Weil es dann unsittlich ist.«

»Ei sieh doch, Wera – nun redest du ja ganz so wie Tantchen!«

»Ja, diesmal bin ich mit ihr einer Meinung.«

»Unsittlich!«

»Ja, unsittlich. Sie wandeln auf den Wegen Don Juans, und der kann doch auf Sittlichkeit keinen Anspruch machen.«

»Nenne mich unsittlich, wenn ich es verdiene, Wera, aber wirf keinen Stein auf das, was du nicht verstehst. Der echte, wahre Don Juan ist edel und rein; er ist ein humaner, fein empfindender Künstler, ein Typus, ein chef-d'oeuvre ein Meisterwerk unter den Menschen. Es gibt natürlich nicht viele von diesem Typus. Ich bin überzeugt, daß auch an Byrons Don Juan ein Künstler verlorengegangen ist. Dieser Zug nach jeder sinnlich wahrnehmbaren Schönheit, vor allem nach der Schönheit des Weibes, als des edelsten Produkts der Natur, bekundet die höchsten menschlichen Instinkte und die Hinneigung zu jeder anderen, nicht sinnlich wahrnehmbaren Schönheit, zu den Idealen des Guten als der Schönheit der Seele, der Schönheit im Leben. Und endlich findet sich unter diesen edlen Instinkten bei fein empfindenden Seelen auch das Bedürfnis nach der großen, allumfassenden Liebe. In der Menge, im Schmutz, in der Enge des Lebens verkümmern und vergröbern sich diese feinen natürlichen Instinkte. In mir steckt ein wenig von diesem reinen Feuer, und wenn es nicht bis zuletzt rein blieb, so liegt das ... an mancherlei Ursachen ... auch an den Frauen selbst.«

»Vielleicht verstehe ich das Wesen des Don Juan nicht ganz, Vetter, ich will's Ihnen einmal glauben, aber warum gaben Sie sich dieser Leidenschaft für mich so lebhaft hin, während Sie doch wissen, daß ich sie nicht teile?«

»Nein, das weiß ich nicht.«

»Ach, hoffen Sie vielleicht noch immer?« sagte sie verwundert.

»Ich sagte dir, daß die Hoffnung in mir nicht sterben wird, solange ich nicht weiß, daß du nicht frei bist, daß du einen andern liebst.«

»Wohlan, Vetter – nehmen wir einmal an, ich könnte Ihre Leidenschaft teilen: was dann?«

»Dann wäre beiden Seiten das Glück gesichert.«

»Sind Sie so fest überzeugt, daß Sie es mir geben könnten?«

»Ich? O Gott, o Gott!« begann er mit flammenden Augen. »Ich würde mein ganzes Leben hingeben, wir würden nach Italien fahren, du würdest meine Frau sein.«

Sie blickte ihn eine Zeitlang an.

»Wie oft haben Sie andern Frauen dieses Glück schon angeboten?« fragte sie.

»Gewiß, ich bin schon Frauen begegnet; aber einen so tiefen Eindruck habe ich noch nie empfangen.«

»Und wie oft haben Sie diese selben Worte schon gebraucht? Sicherlich doch jeder Frau gegenüber, der sie einmal begegnet sind?«

»Was sollen diese Fragen, Wera? Wohl möglich, daß ich diese Worte schon mancher gegenüber gebraucht habe, doch niemals habe ich sie so wahr und aufrichtig empfunden.«

Sie sahen einander prüfend und forschend an.

»Wer hat dich in der Schule gehabt, Wera?« fragte er.

»Genug«, unterbrach sie ihn. »Sie haben sich in diesen wenigen Worten ganz offenbart. Sie würden mir für ein halbes, vielleicht auch für ein ganzes Jahr oder noch länger das Glück geben – bis zur nächsten Begegnung eben, bis eine Schönheit, die noch neuer und eindrucksvoller wäre, von Ihrer Seele Besitz nähme. Ich könnte dann meiner Wege gehen! Ist es nicht so – wie?«

»Woher weißt du das? Wie kommst du zu dieser Annahme? Warum urteilst du so rasch und leicht über mich? Woher hast du diese Gedanken, woher kennst du den Gang, den die Entwicklung einer Leidenschaft nimmt?«

»Ich weiß nichts von irgendeiner Entwicklung der Leidenschaft, ich weiß und kenne nur so einiges von Ihrem Wesen, das ist alles.«

»Was weißt du denn, und von wem weißt du es?«

»Von Ihnen selbst.«

»Von mir? Wann hätte ich dir etwas gesagt?«

»Wie kurz doch Ihr Gedächtnis ist! Haben Sie mir nicht selbst erzählt, welchen tiefen Eindruck die Schönheit der Belowodowa auf Sie gemacht hat, und wie sehr Sie sich, leider vergeblich, bemüht haben, in ihr den Strahl ... oder den Keim ... von irgend etwas zu wecken? Genau weiß ich Ihre Worte nicht mehr, jedenfalls aber war es sehr poetisch ausgedrückt.«

»Die Belowodowa! Das war eine Statue – schön, aber kalt, ohne Seele. Nur ein Pygmalion hätte sich in die verlieben können.«

»Und Natascha?«

»Natascha? Habe ich dir auch von Natascha etwas gesagt?«

»Das haben Sie also schon vergessen?«

»Natascha war eine edle, doch dabei farblose, schüchterne Natur. Sie lebte, solange die Strahlen der Sonne sie beschienen, solange das Feuer der Liebe sie erwärmte, beim ersten rauhen Hauch jedoch welkte sie hin und verging. Sie wurde geboren, um so bald wie möglich zu sterben.«

»Auch von Marfinka sprachen Sie, auch in die hätten Sie sich beinahe verliebt!«

»Das sind alles so leichte Eindrücke, die einen oder zwei Tage andauern, wie sie etwa auch ein schönes Bild auf mich ausübt. Ist es denn ein Verbrechen, den Reiz der Schönheit zu empfinden, so wie man die Wärme der Sonne empfindet? Sich auf eine oder einige Wochen einem Eindruck hinzugeben, ohne daß man ihn tiefer Wurzel schlagen läßt?«

»Und den stärksten Eindruck taxieren Sie etwa auf ein halbes Jahr, nicht wahr?«

»Nein. Wenn du zum Beispiel meine Leidenschaft erwidern würdest, würde mein Eindruck sich zu einem dauernden gestalten, wir würden heiraten, es wäre ein Bund fürs Leben. Das Ideal eines vollkommenen Glückes ist für mich nicht unvereinbar mit dem Ideal des Familienlebens.«

»Hören Sie, lieber Vetter, überlegen Sie einmal, welche Ihrer früheren Leidenschaften die stärkste war, und stellen Sie sich vor, daß die Frau, die diese Leidenschaft in Ihnen hervorrief, jetzt Ihre Gattin wäre.«

»Sag mir nur das eine: wer hat dich in der Schule gehabt? Du weichst immer wieder der Beantwortung dieser Frage aus. Wer war dein Lehrmeister?«

»Wer sonst als – Sie selbst? Ich habe alles das aus der Unterhaltung mit Ihnen geschöpft.«

»Du bist ein herrliches Geschöpf, Wera, du bist entzückend! In deinem Verstand ruht ebensoviel Schönheit wie in deinen Augen! Du bist ganz Poesie und Grazie, du bist das edelste Gebilde der Natur! Du bist die verkörperte Idee der Schönheit, bist die Schönheit selbst – und da soll man nicht sterben vor Liebe zu dir? Bin ich vielleicht ein Stück Holz? Selbst Tuschin, auch der schmilzt hin.«

Sie machte eine unwillige Bewegung.

»Nun, lassen wir das! Du liebst mich nicht. Noch kurze Zeit, und der Eindruck wird schwinden, ich werde abreisen, und du wirst nie mehr von mir hören. Reich mir die Hand, sag mir kameradschaftlich: Wer war dein Lehrmeister, Wera? Wer ist dieser Apostel? Ist es derselbe, der die Briefe auf dem blaßblauen Papier schreibt?«

»Vielleicht ist er's. Verzeihen Sie, Vetter, Sie erinnern mich da zur rechten Zeit, daß ich noch einen Brief zu schreiben habe.«

»Das ist es nun, das Glück, so nahe ist's und läßt sich doch nicht fassen!« sagte er.

»Sie können doch auch ohne mich noch glücklich werden, mit einer andern.«

»Mit wem? Sprich! Wo sind sie, diese Frauen?«

»Sie müssen sich eben an jene halten, die ihr Herz auf einen Monat, auf ein halbes Jahr, auf ein Jahr vermieten; aber nicht an mich!« versetzte sie.

»Du glaubst mir nicht, und du verstehst mich nicht. Wer wird mir glauben, wer mich verstehen?«

Er versank in Nachdenken, während sie einen Briefbogen nahm, mit dem Bleistift ein paar Worte darauf schrieb und das Papier zusammenfaltete.

»Soll ich Marina rufen?« fragte er.

»Nein, es ist nicht nötig.«

Sie barg den Brief in ihrem Kleid an der Brust, nahm den Schirm, nickte ihm zu und ging.

Ohne jemandem im Hause ein Wort zu sagen, ging Raiskij nach dem Mittagessen zur Wolga hinunter. Er wollte möglichst unbemerkt zur Insel gelangen und suchte nach einer Stelle am Ufer, von der aus er bequem über den diesseitigen Arm des Stromes gelangen könnte. Eine Überfahrt war an dieser Stelle nicht vorhanden, und er spähte umher, ob er nicht in der Nähe einen Fischer erblickte.

Er ging wohl eine halbe Werst am Ufer entlang und stieß endlich auf ein paar Knaben, die von einem alten, morschen, bis zur Hälfte mit Wasser gefüllten Kahn aus ihre Angeln ausgeworfen hatten. Für ein Zehnkopekenstück waren sie mit Freuden bereit, ihn hinüberzubringen, und eilten nach der Hütte ihres Vaters, um die Ruder zu holen.

»Wo sollen wir anlegen?« fragten sie.

»Ganz gleich, wo ihr wollt.«

»Dort kann man aussteigen«, sagte der eine und zeigte auf eine Stelle am Inselrand.

»Ja, da wird's gehen. Da hat auch der Herr mit der Dame vorhin angelegt.«

»Welcher Herr?«

»Wer soll ihn kennen! Irgendeiner von oben, aus der Stadt.«

Raiskij stieg aus dem Boot und begann auszuschauen. ›Ob es wohl Wera war?‹ dachte er.

Wenn sie es war – dann würde er ihr Geheimnis bald erfahren.

Sein Herz begann heftig zu schlagen. Ganz bedächtig und vorsichtig schritt er durch das Riedgras und scheute sich selbst zu husten.

Plötzlich vernahm er ein Plätschern im Wasser, schob das Ried zur Seite und erblickte – Uljana Andrejewna.

Ganz verdeckt vom Gebüsch, saß sie am Ufer. Die nackten Beine hingen ins Wasser hinab, und sie wusch ihr aufgelöstes Nixenhaar in den Fluten. Raiskij ging weiter, bog um einen Vorsprung und sah – Monsieur Charles, der, bis an den Hals im Wasser stehend, sich durch ein Bad erfrischte.

Raiskij entfernte sich, ohne von Monsieur Charles bemerkt worden zu sein. Er schritt zwischen den Heckenrosen weiter, nach den kleinen Seen zu, an denen er die Gesellschaft, von der Wera gesprochen, vermutete. Alsbald vernahm er Schritte in der Nähe und versteckte sich. Mark war es, der an ihm vorüberging.

Raiskij rief ihn an.

»Ah, willkommen! Wie geht's?« sagte Wolochow. »Vor wem verstecken Sie sich denn?«

»Ich verstecke mich nicht, ich hätte Sie doch sonst nicht angerufen!«

»Ich sage nicht, daß Sie sich vor mir verstecken – aber vielleicht vor sonst jemandem. Sagen Sie's doch offen: Sie suchen Ihre schöne Kusine, nicht wahr? Das ist aber nicht anständig. Sie haben Ihre Wette verloren und wollen nicht zahlen.«

»Woher wissen Sie denn, daß sie hier ist?«

»Ich habe eben am See auf Enten gejagt – und da sah ich die Herrschaften alle beieinander. Der Pope ist da, und Tuschin, und die Frau des Popen, und ... Ihre Wera«, sagte er zum Schluß mit Ironie. »Gehen Sie nur hin, rasch!«

»Ich will nicht, ich gehe nicht dahin.«

»Genieren Sie sich vor mir durchaus nicht, ich sehe ja, wie die Dinge liegen. Sie wollten von weitem einen schüchternen Blick auf sie werfen, nicht wahr? Sie langweilen sich, das Haus kommt Ihnen so verlassen vor, wenn sie nicht da ist.«

»Unsinn! Ich wollte einfach einen kleinen Ausflug machen.«

»Rücken Sie heraus mit den dreihundert Rubeln!«

Raiskij begab sich wieder zum Anlegeplatz, an dem die Knaben ihn mit dem Boot erwarteten. Mark schritt hinter ihm her. Sie kamen an der Stelle vorüber, wo Monsieur Charles gebadet hatte. Raiskij wollte schweigend vorübergehen, doch da kam ihm aus dem Gebüsch schon der Franzose entgegen, während von der anderen Seite auf einem schmalen Fußweg Uljana Andrejewna mit aufgelöstem, nassem Haar sich nahte.

Sie wollten sich rasch verstecken, doch Mark rief ihnen zu: »Charmé de vous voir tous les deux! Entzückt, Sie beide zu sehen! Habe die Ehre, mich zu rekommandieren!«

Monsieur Charles kam aus dem Gebüsch heraus.

»Monsieur Raiskij – Monsieur Charles!« stellte Mark mit spöttischer Miene die beiden vor.

»Uljana Adrejewna – bitte, treten Sie doch näher, verstecken Sie sich nicht! Es sind ja lauter Bekannte, Sie brauchen keine Angst zu haben.«

»Wer hat denn Angst?« sagte sie, während sie zögernd vortrat und Raiskijs Blick zu vermeiden suchte.

»Wie naß Sie beide sind!« versetzte Wolochow.

»Der widerwärtigste Mensch auf der Welt!« flüsterte Uljana Andrejewna Raiskij zu, während sie Mark einen haßerfüllten Blick zuwarf.

»Na, leben Sie wohl, ich muß gehen«, sagte Mark. »Was macht denn Freund Koslow? Warum haben Sie ihn nicht mitgenommen? Er hätte Sie beide überhört. Und Ihr Bad hätten Sie auch in seiner Gegenwart nehmen können, er sieht ja doch nichts. Er hätte Ihnen hier am Ufer, unter diesem Baum, etwas aus Homer vordeklamiert«, schloß er seine Rede, warf Uljana Andrejewna und Monsieur Charles einen unverschämten Blick zu und ging davon.

»Il faut que je donne une bonne leçon à ce mauvais drôle! Ich muß diesem üblen Bürschchen einmal die Leviten lesen!« prahlte Monsieur Charles, als Mark aus dem Gesichtskreis entschwunden war.

Dann traten alle drei den Heimweg an.

Ich danke dir recht herzlich«, sagte Koslow zu Raiskij, »daß du meiner Frau bei dem kleinen Ausflug Gesellschaft geleistet hast.«

»Diesmal gebührt dein Dank Monsieur Charles«, sagt« Raiskij.

»Merci, merci, Monsieur Charles!«

»Bien, très bien, eher collègue!« antwortete Charles und klopfte Leontij auf die Schulter.


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