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Zweiunddreißigstes Kapitel.

Schluß.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, sah ich meinen ältesten Sohn an meinem Bette sitzen, welcher gekommen war, um meine Freude durch einen neuen Glückswechsel zu erhöhen. Nachdem er mir die Verschreibung zurückgegeben, die ich am Tage vorher ausgestellt hatte, sagte er mir, daß der Kaufmann, welcher in London fallirt, in Amsterdam verhaftet worden sei und sich mehr baares Geld in seinem Besitze gefunden, als er seinen Gläubigern schuldig sei. Ich freute mich fast eben so sehr über den Edelmuth meines Sohnes, als über dies unerwartete Glück; doch hegte ich noch einiges Bedenken, ob ich sein Anerbieten billigerweise annehmen könne. Als ich noch darüber nachdachte, trat Sir William herein, dem ich meine Zweifel mittheilte. Er war der Meinung, daß ich dieses Anerbieten um so unbedenklicher annehmen könne, da mein Sohn bereits in Folge seiner Heirath ein beträchtliches Vermögen besitze. Er kam indeß eigentlich in der Absicht, um mir mitzutheilen, daß er schon gestern Abend die Erlaubnißscheine zur Trauung gefordert habe und sie stündlich erwarte. Er hoffe daher, daß ich mich nicht weigern werde, noch diesen Morgen Alle glücklich zu machen. Während dieses Gesprächs trat ein Diener mit der Nachricht ein, daß der Bote zurückgekehrt sei, und da ich mich unterdessen angekleidet hatte, ging ich hinunter und fand die ganze Gesellschaft in so froher Stimmung, wie Wohlstand und Gemüthsruhe sie nur zu geben vermag. Doch mißfiel mir ihr Gelächter in einem Augenblick, wo sie sich auf eine feierliche Handlung vorbereiten sollten. Ich machte sie auf das ernste und anständige Benehmen aufmerksam, welches man bei einer so wichtigen Veranlassung annehmen müsse, und um sie darauf vorzubereiten, las ich ihnen zwei Homilien vor und eine von mir selbst verfaßte Casualpredigt. Doch sie blieben noch immer ausgelassen und waren nicht zu zügeln. Selbst auf dem Wege nach der Kirche setzten sie allen Ernst so gänzlich bei Seite, daß ich mich oft versucht fand, mich unwillig nach ihnen umzusehen. In der Kirche entstand eine neue Verlegenheit, die nicht leicht zu beseitigen schien. Man stritt darüber, welches Paar zuerst solle getraut werden. Meines Sohnes Braut bestand darauf, die künftige Lady Thornhill müsse den Anfang machen, doch diese lehnte es eben so hartnäckig ab, indem sie versicherte, sie werde sich um keinen Preis eine solche Unhöflichkeit zu Schulden kommen lassen. Beide Parteien führten diesen Streit mit gleicher Hartnäckigkeit und gleicher Höflichkeit. Ich mußte unterdeß mit aufgeschlagenem Buche dastehen. Endlich wurde mir der Streit so lästig, daß ich es zuschlug und ausrief: »Ich sehe wohl, Keiner von Euch hat Lust zum Heirathen, und daher halte ich es für das Beste, wir gehen wieder nach Hause, denn ich werde hier heute doch wohl nichts zu thun haben.« – Dies brachte sie sogleich zur Vernunft. Der Baronet und seine Braut wurden zuerst getraut, und dann mein Sohn mit seiner liebenswürdigen Gefährtin.

Schon am Morgen hatte ich meinem ehrlichen Nachbar Flamborough und seinen Töchtern eine Kutsche geschickt, und als wir in den Gasthof zurückkehrten, kamen eben die beiden Fräulein Flamborough an. Herr Jenkinson reichte der ältesten den Arm, und mein Sohn Moses führte die zweite. Seitdem habe ich bemerkt, daß ihm das Mädchen sehr gefällt, und meine Einwilligung und mein Segen sollen ihm nicht fehlen, wenn er sie verlangt. Kaum waren wir in den Gasthof zurückgekehrt, als viele meiner Pfarrkinder, die von meinem Glücke gehört, sich einfanden, um mir zu gratuliren. Unter diesen befanden sich auch die, welche mich einst mit Gewalt aus den Händen der Gerichtsdiener befreien wollten und damals harte Vorwürfe von mir erhielten. Ich erzählte dies meinem Schwiegersohne Sir William, und er ging hinaus und machte ihnen Vorwürfe über ihr Benehmen. Als er aber sah, daß sein strenger Tadel sie sehr betrübte, schenkte er Jedem eine halbe Guinee, um seine Gesundheit zu trinken und sich wieder zu erheitern.

Bald darauf wurden wir zu einem stattlichen Hochzeitsmahle gerufen, welches der Koch des Gutsherrn Thornhill zubereitet hatte. Hinsichtlich dieses Herrn muß ich noch bemerken, daß er sich gegenwärtig als Gesellschafter bei einem Verwandten aufhält, wo er ziemlich wohl gelitten ist und er sich nur in dem Falle, wo die Tafel schon besetzt ist, gefallen lassen muß, an einem Nebentische zu speisen; denn man macht nicht viel Umstände mit ihm. Seine Zeit wendet er ziemlich gut an; sucht seinen Vetter zu erheitern, der etwas schwermüthig ist. Und lernt überdies das Waldhorn blasen. Meine älteste Tochter denkt indeß noch immer mit Betrübniß an ihn; auch sagte sie mir sogar – was ich aber sehr geheim halte, – wenn er sich bessere, sei sie nicht abgeneigt, sich wieder mit ihm auszusöhnen.

Doch wieder zur Sache; denn ich bin kein Freund von Abschweifungen. Als wir uns zu Tische setzen wollten, schien es, als sollte das frühere Complimentiren wieder beginnen. Es entstand die Frage, ob meine älteste Tochter als längst verheirathete Frau nicht über den beiden jungen Bräuten sitzen müsse? Doch mein Sohn Georg machte diesem Streit durch den Vorschlag ein Ende, daß die Gesellschaft ohne Unterschied des Ranges ihre Plätze einnehmen sollten, und zwar jeder Herr bei seiner Dame. Dies wurde von Allen gebilligt, nur nicht von meiner Frau, die etwas unzufrieden zu sein schien, da sie erwartet hatte, oben an zu sitzen, und der Gesellschaft von allen Gerichten vorzulegen. Dessenungeachtet ist es unmöglich, unsere frohe Laune zu schildern. Ich weiß nicht, ob wir jetzt mehr Witz besaßen, als gewöhnlich; aber so viel weiß ich, daß wir mehr als gewöhnlich lachten, was am Ende auf Eins hinauskommt. Eines Scherzes erinnere ich mich noch besonders. Als der alte Herr Wilmot auf die Gesundheit meines Sohnes Moses anstoßen wollte, der eben nach einer andern Richtung hinsah, antwortete dieser: »Ich danke Ihnen, mein Fräulein!« Hierauf winkte der alte Herr der übrigen Gesellschaft zu und machte die Bemerkung, Moses denke wohl an seine Geliebte. Ueber diesen Spaß lachten die beiden Fräulein Flamborough so sehr, daß ich fast glaubte, sie würden sterben.

Sobald das Mittagsmahl geendet war, sprach ich den Wunsch aus, daß nach meiner Gewohnheit der Tisch möge weggenommen werden, um meine ganze Familie einmal wieder um ein freundliches Kaminfeuer versammelt zu sehen. Meine beiden Kleinen saßen auf meinen Knien und die Uebrigen bei ihren Bräuten. Nun hatte ich diesseits des Grabes nichts mehr zu wünschen. Alle meine Leiden waren vorüber und meine Wonne unaussprechlich. Nur der Wunsch bleibt mir noch, daß meine Dankbarkeit im Glück noch größer sein möge, als meine frühere Ergebung im Unglück.


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