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Zwölftes Kapitel.

Das Schicksal scheint entschlossen, die Familie von Wakefield zu demüthigen. Kränkungen sind oft schmerzlicher, als wirkliches Unglück.

Als wir nach Hause zurückkamen, verging der Abend mit Entwürfen zu künftigen Eroberungen. Debora wendete ihren Scharfsinn an, um zu errathen, welche von den beiden Mädchen die beste Stelle bekommen und die meiste Gelegenheit haben werde, in vornehme Gesellschaft zu kommen. Die einzige Schwierigkeit, die sich unserer Erhöhung entgegenstellte, war, die Empfehlung des Gutsherrn zu erhalten; doch er hatte uns bereits so viele Proben seiner Freundschaft gegeben, daß wir nicht mehr daran zweifeln konnten. Noch im Bette setzte meine Frau diesen Gegenstand fort: »Wahrhaftig, lieber Karl, unter uns gesagt, glaube ich, wir haben heute sehr gute Geschäfte gemacht.« – »Ziemlich gut,« rief ich, weil ich nicht wußte, was ich sagen sollte. – »Was, nur ziemlich gut?« erwiederte sie; »ich glaube, es ist sehr gut. Gewiß werden die Mädchen in der Stadt vornehme Bekanntschaften machen. Ich halte mich überzeugt, daß London der einzige Ort in der Welt ist, wo alle Arten von Ehemännern zu finden sind. Und außerdem, mein Lieber, ereignen sich oft noch weit seltsamere Dinge. Wenn schon Damen von Stande so für meine Töchter eingenommen sind, wie werden es erst Herren von Stande sein! Unter uns gesagt, ich muß gestehen, daß mir Lady Blarney außerordentlich gefällt. Sie ist äußerst höflich und verbindlich. Gleichwohl besitzt Fräulein Caroline Wilhelmine Amalie Skeggs mein ganzes Herz. Als von Stellen in London die Rede war, hast Du da wohl bemerkt, wie ich sie festhielt? Sage mir, mein Lieber, habe ich da nicht gut für meine Kinder gesorgt?« – »Ja,« erwiederte ich, da ich nicht wußte, was ich von der Sache denken sollte, »möge der Himmel nur geben, daß sich Beide heute über drei Monate besser dabei befinden!« Dies war eine von den Bemerkungen, die ich zu machen pflegte, um meiner Frau einen hohen Begriff von meiner Klugheit beizubringen. Ging es den Mädchen gut, so war ein frommer Wunsch erfüllt; begegnete ihnen dagegen etwas Widerwärtiges, so konnten meine Worte für eine Prophezeiung gelten. Diese ganze Unterhaltung war indeß nur eine Vorbereitung aus einen andern Plan, was ich gleich anfangs befürchtet hatte. Es war von nichts Geringerem die Rede – da wir nun doch einmal den Kopf in der Welt etwas höher tragen zu können glaubten – als unser Hengstfüllen, das schon gar zu alt war, auf dem benachbarten Pferdemarkte zu verkaufen und uns ein Pferd anzuschaffen, welches nach Umständen ein Paar Personen tragen könne und sich auf dem Wege nach der Kirche oder bei Besuchen einigermaßen gut ausnehme. Dem widersetzte ich mich anfangs standhaft, doch es half mir nichts; je mehr ich nachgab, desto festern Fuß faßte meine Gegnerin, bis endlich beschlossen ward, uns von dem Hengstfüllen zu trennen.

Da der Jahrmarkt gerade am folgenden Tage Statt fand, war es meine Absicht, mich selber dorthin zu begeben; doch meine Frau überredete mich, ich hätte mich erkältet, und sie war nicht zu bewegen, mich fortzulassen. »Nein, mein Lieber,« sagte sie, »unser Moses ist ein gescheidter Bursche und kann mit vielem Vortheil kaufen und verkaufen. Er hat ja immer alle unsere großen Einkäufe besorgt. Er steht immer da und dingt so lange, bis er einen guten Handel abgeschlossen hat.«

Da ich selber eine gute Meinung von der Klugheit meines Sohnes hatte, so war ich nicht abgeneigt, ihm dieses Geschäft zu übertragen. Am nächsten Morgen sah ich seine Schwestern sehr geschäftig, Moses zum Jahrmarkt auszustaffiren. Sie kräuselten sein Haar, bürsteten seine Schnallen und stutzten seinen Hut mit Nadeln auf. Als die Toilette beendet war, hatten wir endlich das Vergnügen, ihn das Hengstfüllen besteigen zu sehen. Er hielt eine große Schachtel vor sich, worin er Gewürz mitbringen sollte. Sein Rock, aus dem Zeuge gemacht, welches man Donner und Blitz nennt, war ihm zwar etwas zu kurz geworden, aber doch noch zu gut, um ihn ganz abzulegen. Seine Weste war grasgrün, und seine Schwestern hatten ihm das Haar mit einem breiten schwarzen Bande in einen Zopf zusammengebunden. Wir folgten ihm Alle einige Schritte und riefen ihm nach: »Glück auf den Weg! Glück auf den Weg!« bis wir ihn nicht mehr sehen konnten.

Kaum war er fort, als Herrn Thornhills Kellermeister kam, um uns seinen Glückwunsch abzustatten. Er hätte gehört, sagte er, wie sein Herr in sehr lobenden Ausdrücken von uns gesprochen. Das Glück kam nicht allein. Ein anderer Bedienter aus demselben Hause brachte meinen Töchtern eine Karte, worauf die beiden Damen geschrieben hatten, Herr Thornhill habe ihnen so befriedigende Nachrichten über uns Alle mitgetheilt, daß sie nach einigen anderwärtigen Erkundigungen gänzlich zufriedengestellt zu sein hofften. »Ja,« rief meine Frau, »ich sehe jetzt ein, daß es keine leichte Sache ist, in vornehmen Familien Zutritt zu erhalten. Hat man aber einmal Zutritt, so kann man sich, wie Moses sagt, ruhig schlafen legen.« Dieses Witzwort, denn dafür hielt sie es, wurde von meinen Töchtern durch munteres und lautes Lachen bekräftigt. Kurz ihre Freude über diese Nachricht war so groß, daß sie in die Tasche griff und dem Boten sieben und einen halben Pence gab.

Der heutige Tag sollte zu Besuchen bestimmt sein. Bald darauf kam Herr Burchell, der auf dem Jahrmarkt gewesen war. Er brachte meinen Kleinen ein Alphabet von Pfefferkuchen mit, welches meine Frau aufbewahrte, um es ihnen nach und nach buchstabenweise zu geben. Auch meinen Töchtern hatte er ein Paar Büchschen mitgebracht, um darin Oblaten, Schnupftabak, Schönpflästerchen oder auch Geld aufzubewahren, wenn sie welches bekamen. Meine Frau hielt von jeher viel auf einen Geldbeutel von Wieselfell, der, wie sie meinte, Glück bringe; doch das nur beiläufig. Noch immer hegten wir eine gewisse Achtung für Herrn Burchell, obgleich uns vor Kurzem sein rohes Benehmen sehr mißfallen hatte. Auch konnten wir jetzt nicht umhin, ihm unser Glück mitzutheilen und ihn um seinen Rath zu bitten; denn so selten wir auch fremden Rath befolgten, so waren wir doch stets bereit, danach zu fragen. Als er das Billet von den beiden Damen gelesen, schüttelte er den Kopf und äußerte, eine Sache der Art verlange die größte Vorsicht. Dieses Mißtrauen schien meine Frau sehr zu verdrießen. »Ich habe noch nie daran gezweifelt, mein Herr,« sagte sie, »daß Sie stets bereit sind, mir und meinen Töchtern entgegen zu sein. Sie rathen größere Vorsicht an, als nöthig ist, und wenn wir wieder eines guten Rathes bedürfen, so werden wir uns schon an Leute wenden, die selber davon Gebrauch gemacht haben.« – »Von welcher Art auch mein Benehmen gewesen sein mag, Madame,« versetzte er, »so ist davon doch jetzt nicht die Rede. Hätte ich auch selber nicht ganz guten Rath befolgt, so kann ich ihn doch mit gutem Gewissen denen geben, die ihn verlangen.« Da ich befürchtete, diese Antwort möchte aus eine Weise erwiedert werden, die das durch Beleidigung ersetzte, was ihr an Witz mangelte, so gab ich dem Gespräch eine andere Wendung, indem ich meine Verwunderung aussprach, daß Moses noch nicht vom Jahrmarkt zurück sei, da doch die Nacht schon angebrochen. »Sei unbesorgt um unsern Sohn,« rief meine Frau. »Er weiß schon, was er thut, darauf kannst Du Dich verlassen. Er wird seine Henne nicht am regnichten Tage verkaufen, dafür stehe ich Dir. Ich bin erstaunt über die Einkäufe, die er schon gemacht. Davon will ich Dir eine hübsche Geschichte erzählen, daß Du vor Lachen bersten sollst. Aber – so wahr ich lebe! Da kommt Moses ohne Pferd und die Schachtel auf dem Rücken.«

Während sie redete, kam Moses langsam daher gegangen, unter der Last der Gewürzschachtel schwitzend, die er wie ein Hausirer über die Schultern gehängt hatte. – »Willkommen, willkommen, Moses! Nun, mein Junge, was hast Du uns vom Jahrmarkt mitgebracht?« – »Ich habe mich selber mitgebracht!« rief Moses, indem er mit schlauem Blicke die Schachtel auf den Tisch setzte. »Ei, Moses,« rief meine Frau, »das wissen wir; aber wo ist das Pferd?« – »Hab's verkauft,« sagte Moses, »für drei Pfund fünf Schillinge und zwei Pence.« – »Bravo, mein guter Sohn!« erwiederte sie. »Ich wußte schon, daß Du ihnen einen Bart machen würdest. Unter uns gesagt, drei Pfund fünf Schillinge und zwei Pence ist kein übler Tagelohn. Nun so gieb es her.« – »Ich habe kein Geld mitgebracht,« rief Moses. »Ich habe Alles für Waaren ausgelegt, und hier sind sie.« Mit diesen Worten zog er ein Packet aus dem Busen. »Hier sind sie! Zwölf Dutzend grüne Brillen mit silbernen Einfassungen und in Chagrinfutteralen.« – »Zwölf Dutzend grüne Brillen!« wiederholte meine Frau mit matter Stimme. »Und du hast das Hengstfüllen hingegeben und bringst uns nichts weiter zurück, als Zwölf Dutzend lumpige grüne Brillen!« »Liebe Mutter,« erwiederte der Jüngling, »so höre doch nur Vernunft an. Ich erhielt sie um einen Spottpreis, sonst hätte ich sie nicht gekauft. Die silbernen Einfassungen allein sind doppelt so viel werth.« – »Zum Henker mit Deinen silbernen Einfassungen!« rief meine Frau leidenschaftlich aus. Ich möchte darauf schwören, nicht das halbe Geld bekommen wir wieder, wenn wir sie nach dem Werthe des alten Silbers, fünf Schilling die Unze, verkaufen.« – »Mache Dir keine Sorge wegen des Verkaufs der silbernen Einfassung,« rief ich, »denn es ist nichts weiter als Kupfer, nur ein wenig übersilbert.« –»Was?« rief meine Frau, »kein Silber? Die Einfassung kein Silber?« – »So wenig Silber,« versetzte ich, »wie Deine Bratpfanne.« – »So haben wir also unser Hengstfüllen hingegeben,« rief sie, »und nichts dafür erhalten, als zwölf Dutzend grüne Brillen mit kupfernen Einfassungen in Chagrinfutteralen! Der Henker hole eine solche Betrügerei! Der Dummkopf hat sich anführen lassen! Er hätte seine Leute besser kennen sollen!« – »Da hast Du Unrecht, meine Liebe,« erwiederte ich, »er hätte sie gar nicht kennen sollen.« – »Zum Henker mit dem Einfaltspinsel!« erwiederte sie. »Mir solches Zeug zu bringen! Wenn ich sie hätte, wollte ich sie gleich in's Feuer werfen!« – »Darin hast Du wieder Unrecht, meine Liebe,« rief ich. »Wenn sie auch nur in Kupfer gefaßt sind, so wollen wir sie doch aufbewahren; denn kupferne Brillen find doch besser als gar nichts.«

Jetzt war auch dem unglücklichen Moses ein Licht aufgegangen. Er sah ein, daß er von einem listigen Gauner betrogen worden, der ihn seinem Aeußern nach für gute Beute mußte gehalten haben. Ich fragte ihn nun nach den nähern Umständen bei dem Betruge. Er hatte das Pferd verkauft und war auf dem Markt umhergegangen, ein anderes zu suchen. Ein Mann von ehrwürdigem Aussehen, hatte ihn unter dem Vorwande, daß er eins zu verkaufen habe, in ein Zelt geführt. »Hier trafen wir einen andern sehr gut gekleideten Mann,« fuhr Moses fort, »der zwanzig Pfund auf die Brillen geborgt haben wollte. Er gebrauche nothwendig Geld, sagte er, und wolle sie um ein Drittel des Werthes losschlagen. Der erste Herr, der sich sehr freundschaftlich gegen mich stellte, flüsterte mir zu, ich möchte sie kaufen und ein so gutes Anerbieten nicht von mir weisen. Ich schickte zu Herrn Flamborough, den sie eben so listig wie mich beschwatzten, und so ließen wir uns endlich bewegen, die vierundzwanzig Dutzend gemeinschaftlich zu kaufen.«


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