Friedrich Gerstäcker
Der Kunstreiter
Friedrich Gerstäcker

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24.

Georgine war angekleidet und saß über einen Brief brütend in ihrer Stube, deren Riegel sie vorgeschoben hatte. Wieder und wieder las sie das Schreiben durch, und dann, als ob ihr der Inhalt keine Ruhe lasse, sprang sie auf und ging mit festverschränkten Armen und raschen Schritten in dem Gemache auf und ab.

»Und wer könnte mich tadeln, wenn ich meinem Willen folgte?« murmelte sie dabei leise vor sich hin. »Liebt das gefangene Tier nicht seine Freiheit und sucht sie wieder zu erlangen, wieviel mehr denn der Mensch, dem die Natur nicht umsonst den kühnen Geist gegeben! – Und bin ich weniger als eine Gefangene in diesem öden, abgelegenen Hause, das ich nur wie der an einen Faden gebundene Vogel verlassen darf, um hierher zurückzukehren, wenn es meinem Herrn gefällt, mich wieder an dem Faden einzuziehen? Gift und Tod!« zürnte sie, und die dunkeln Augen sprühten Feuer, die Lippen preßten sich zusammen, und der kleine Fuß stampfte ungeduldig, wild den Boden.

»Und jetzt gerade – jetzt kommt der Brief, wo Georg – – und ich kann nicht fort. Ohne Geld – ohne Paß, eine Frau allein mit Ihrem Kinde. An den Stäben darf ich rütteln, an den Stäben, die mich halten, und meinem Zorn darf ich Luft machen, heimlich – heimlich, daß es niemand hört, und das ist Georgine – das ist die kühne Reiterin – das ist die Frau, die ihr Schicksal nur deshalb an diesen Georg Bertrand fesselte, weil er noch kühner war als sie, und die sich jetzt von ihm an den Pflug spannen läßt, den Acker für das tägliche Brot als Bäuerin zu lockern.« Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach sie, und rasch den Kopf danach umdrehend, rief sie: »Wer ist da?«

»Ich bin's,« sagte die Wirtschafterin, und zu gleicher Zeit versuchte eine Hand die Tür zu öffnen, was jedoch der noch vorgeschobene Riegel verhinderte.

»Was wollen Sie?«

»Ein fremder Herr ist da,« lautete die Antwort, »der erst nach dem Herrn Baron gefragt hat und dann die Frau Baronin zu sprechen wünschte. Er hat mir seine Karte gegeben, und ich habe ihn solange in das Besuchszimmer geführt, aber es ist dort nicht eingeheizt.«

Georgine ging zur Tür, schob den Riegel zurück und nahm die Karte, die sie leise las: »Baron Hugo von Silberglanz?«

»In des Herrn Barons Zimmer ist es noch warm,« fuhr dabei die Wirtschafterin fort, »aber da hinein durfte ich ihn ja doch nicht bringen, denn da liegen immer so viele Papiere herum, und der Herr Baron hat's auch nicht gern.«

»Nein – versteht sich,« sagte Georgine, die Karte noch immer kopfschüttelnd in der Hand, »schicken Sie mir doch das Mädchen, daß es hier ein wenig aufräumt, und gehen Sie dann zu dem fremden Herrn hinüber und bitten ihn, ein wenig zu verziehen – nachher bringen – Sie ihn hier in mein Zimmer.«

»Soll gleich besorgt werden, gnädige Frau,« sagte die Wirtschafterin, indem sie geschäftig nach ihrem Schlüsselbund griff, »und doch wohl ein bißchen Frühstück besorgen, wenn es ein alter Bekannter ist?«

»Frühstück? – ich weiß es nicht – warten Sie damit, bis ich klingeln und danach verlangen werde – ich kenne den Herrn gar nicht.«

Die Wirtschafterin ging, und Georgine blieb in einem eigenen Zustande von Zweifel und Staunen zurück.

»Baron Silberglanz?« sagte sie leise, »ist das nicht derselbe fade Mensch, der mich in *** mit seinem zudringlichen Wesen verfolgte, und was hätte den hierher zu uns geführt? Soviel ich weiß, kennt ihn Georg gar nicht – und sollte er mich suchen? aber woher wüßte er, daß ich hier bin? – Ha, vielleicht ist er ein Bekannter des Grafen Geyerstein und bringt Aufträge ober Briefe von ihm. – Geyerstein,« sagte sie, sich auf ihr Sofa werfend und den Kopf in die Hand stützend, »dieser rätselhafte Mensch – ernst und kalt in seinem ganzen Äußeren, und doch so herzlich gegen Georg. Und sollten die beiden wirklich – doch welchen Grund könnten sie haben, es mir zu verheimlichen – mir, der Frau des einen – aber in welcher Verbindung stehen sie dann zusammen?«

Das Hausmädchen kam herein, räumte die Stube auf und verließ das Zimmer wieder, während Georgine ihren Gedanken nachhing, bis sie durch Stimmen auf dem Gange zu sich selber gebracht wurde. Es war der Fremde, den ihr die Haushälterin zuführte.

»Bitte, treten Sie nur hier ein, Herr Baron; die gnädige Frau erwartet Sie schon.«

»Danke, lieb Frau,« sagte der Fremde, »ich finde mich jetzt schon zurecht.« Und er klopfte leise an die Tür.

»Herein!«

Die Tür öffnete sich, eine elegant gekleidete, sehr schmächtige Gestalt, die den Paletot schon draußen abgelegt hatte, glitt herein und schloß sie augenblicklich wieder, und die feine, schwächliche Stimme des zierlichen Männchens sagte: »So habe ich mich nicht geirrt – Glück ist heute meinen Augen widerfahren, denn sie dürfen die holde Georgine, die Königin der Amazonen, wieder schauen. Gnädige Frau, ich lege mich nicht nur in der leeren Phrase Ihnen zu Füßen« – und den Worten die Tat folgen lassend, hüpfte er auf Georgine zu, ergriff ihre Hand, die er an das zierliche Schnurrbärtchen drückte, und ließ sich vor ihr auf ein Knie nieder.

»Herr von Silberglanz!« sagte Georgine, die ihn jedoch mit der noch immer gehaltenen Hand emporhob, »das ist in der Tat eine Überraschung – aber bitte – Sie vergessen, daß wir hier nicht in der Residenz, sondern auf dem Lande sind, und Sie es außerdem nicht mit der holden Georgine, sondern mit der Pächtersfrau, Baronin von Geyfeln zu tun haben. Ich bedaure übrigens, daß Sie meinen Mann nicht zu Hause treffen, dem doch jedenfalls Ihr Besuch gilt.«

»Soll ich aufrichtig gegen Sie sein, schöne Frau,« sagte Herr von Silberglanz, indem er aufstand, sich sein rechtes Knie mit dem Hute abwischte und den angebotenen Stuhl neben Georginen einnahm, ohne jedoch ihre noch immer gefaßte Hand los zu lassen, »wollen Sie mein ganzes Herz offen, ohne ein Fünkchen Falschheit vor sich ausgelegt haben?«

»Ich bin kein Anatom, bester Baron,« sagte Georgine, ihm ihre Hand langsam entziehend, »und doch wäre es vielleicht von Interesse,« setzte sie lächelnd hinzu, »einmal das Herz eines vollständig zivilisierten Herrn genau studieren zu können, wenn man nur eben auch wüßte, daß man nicht angeführt würde.«

»Göttliche Frau . . .«

»Ich bitte Sie ernstlich, keine dieser überschwenglichen Anreden mehr, wenn Sie wollen, daß ich Ihnen länger zuhören soll. Sie wissen, daß ich jetzt in anderen Verhältnissen lebe – also, was wünschten Sie mir zu sagen?«

»Teuerste – gnädige Frau,« sagte Herr von Silberglanz bestürzt, »Sie werfen mich nicht allein aus der siebenten Etage aller meiner Himmel, nein, von einem ordentlichen Turme hinunter. Ich kam mit so fröhlichem Herzen . . .«

»Das zu verlieren Sie bis jetzt noch keine Ursache gehabt haben.«

»Sie geben mir neue Hoffnung!« rief von Silberglanz belebt. »So hören Sie denn – aber verraten Sie mich nicht – daß ich keineswegs Ihres Gatten wegen – den ich gar nicht die Ehre habe persönlich zu kennen, sondern nur allein Ihretwegen hierher gekommen bin.«

»Meinetwegen?« rief Georgine, mit Recht erstaunt. »Woher wußten Sie überhaupt, daß Sie mich hier treffen würden?«

»Durch Herrn von Zühbig, den Sie hier gastlich aufgenommen.«

»Ich dachte mir, daß der Herr nicht würde schweigen können.«

»Er wäre mehr als grausam gewesen, hätte er es getan. Aber er sagte uns mehr – er sagte uns, daß Sie sich, holde Frau, nicht glücklich in Ihren neuen Verhältnissen fühlen, und da – brach mir das Herz; da konnte ich nicht widerstehen, ich mußte Sie aufsuchen, mußte das selber von Ihren Lippen hören, und Ihnen meine Hilfe anbieten – im Falle Sie dieselbe gebrauchen wollten.«

»Aber woher wußte Herr von Zühbig etwas derartiges?« fragte Georgine erstaunt, »ich habe mit dem Herrn nur im Beisein meines Mannes gesprochen, und keine derartige Klage ist über meine Lippen gekommen.«

»Und muß dem Menschenkenner nur alles mit dürren Worten gesagt werden?« fuhr Herr von Silberglanz fort, »genügt nicht oft ein unbewachter Blick, ein halb unterdrückter Seufzer, selbst eine verzögerte Antwort auf eine dahin zielende Frage?«

»Also aus reiner Teilnahme für mich sind Sie gekommen?« lächelte Georgine. Und wäre Herr von Silberglanz wirklich solch ein Menschenkenner gewesen, wie er eben beschrieb, er hätte das halb höhnische Lächeln, das um die Lippen der jungen Frau spielte, verstehen müssen und nicht zu seinen Gunsten deuten können. So aber fuhr er mit seiner süßesten Stimme fort: »Nur Ihretwegen, holde Georgine, die ganze Reise; nur deshalb, um von ihren Lippen die Bestätigung zu hören und Ihnen meine Hilfe anzubieten oder das Gegenteil zu erfahren und – selig in dem Bewußtsein, Sie glücklich zu wissen – wieder heimzufahren.«

»Und wie glauben Sie, daß mein Mann eine solche Einmischung in seine Rechte aufnehmen möchte?« sagte Georgine, die indessen aufgestanden war und die Tür geöffnet hatte, um sich zu überzeugen, daß die Wirtschafterin nicht mehr draußen stehe – aber der Gang war leer, und sie nahm ihren Platz wieder ein.

»Er ist verreist – ich bin ihm unterwegs begegnet,« erwiderte Herr von Silberglanz rasch, »er wird sogar, wie ich unten im Dorfe hörte, vor drei, vier Tagen nicht wieder zurückkehren.«

»Das ist allerdings so und hat sich zufällig getroffen. Sie aber mußten doch darauf rechnen, ihn hier zu treffen.«

»Ich habe Glück, gnädige Frau,« schmunzelte Herr von Silberglanz, »wirklich ganz schmähliches Glück, bei allem, was ich angreife, darauf verlaß ich mich stets, und es hat mich noch nie betrogen. Außerdem kennt mich Ihr Herr Gemahl gar nicht persönlich, denn wenn ich Sie in *** aufsuchte, wußte ich es immer so einzurichten, daß er abwesend war. Aber es hätte auch nichts gemacht, wenn ich ihn wirklich zu Hause fand. Um irgend eine Anrede wäre ich nicht verlegen gewesen; konnte ich mich doch den ganzen Weg hierher darauf vorbereiten, und einmal hätte sich schon die Gelegenheit geboten, Sie allein zu sprechen; ich wäre wenigstens nicht eher wieder fortgegangen. So aber half mir mein altes Glück, und Sie können mir ungestört Ihr Herz ausschütten.«

»Und wenn ich Ihnen nun einfach sage, daß sich jener Herr von Zühbig vollständig geirrt?«

»Dann glaube ich es Ihnen nicht!« rief von Silberglanz schnell. »Ihr bleiches Antlitz, das sonst in Jugendfrische und Gesundheit gerötet war, sagt Nein. Ihre matten Augen, der wehmütige, schmerzkündende Zug um den Mund, das alles spricht lauter, als Sie es selbst bestätigen könnten, für meine Behauptung, und wollen Sie jetzt noch leugnen, daß ich recht habe?«

»Und wenn Sie recht hätten,« sagte Georgine bitter, »was könnten Sie mir helfen?«

»Was ich Ihnen helfen könnte?« rief Silberglanz erstaunt, »ich liebe Sie – sehen Sie mich nicht so finster an, göttliches Weib – ich bin rein toll vor Liebe, sage ich Ihnen – nicht ruhen und schlafen habe ich können, als ich gehört habe. Sie wären unglücklich – keinen Frieden hat's mir gelassen, bis ich im Wagen saß und zu Ihnen durfte. Und was ich Ihnen helfen kann? – ich habe Geld – ich bin reich – mit Geld ist alles zu machen in der Welt. – Was wollen Sie mehr?«

Georgine wandte den Kopf von ihm ab und biß ihre Unterlippe; ihr Stolz empörte sich gegen die Liebesbewerbung dieses Menschen, und doch mußte gerade er – gerade jetzt, in diesem Augenblicke ihr nahen, wo ihre Fesseln sie ärger drückten als je. Sie fühlte dabei, daß sie ihrer Bewegung nicht länger Meister war – sie mußte Zeit gewinnen, und aufstehend ging sie zur Tür und zog die Glocke.

»Was wollen Sie tun?« rief Herr von Silberglanz erschreckt, denn ein ähnliches Glockenzeichen in solchem Moment bildete eine von den Erinnerungen seines Lebens, bei denen er gerade nicht mit Vorliebe weilte.

»Sie sind so weit gefahren,« antwortete Georgine ruhig, »ich kann Sie doch nicht ohne Frühstück lassen.«

»Aber ich gebe Ihnen mein Wort . . .«

»Es ist alles vorbereitet – ich danke Ihnen vorderhand für Ihr freundliches Anerbieten – lassen Sie mir Zeit, darüber nachzudenken.«

»Aber wenn Monsieur Bertrand zurückkehren sollte?«

»Sie meinen den Baron von Geyfeln?«

»Ja – gewiß – versteht sich – wenn der Baron zurückkehren sollte?«

»Sie sind ja um keine Ausrede verlegen,« lächelte Georgine. »Frühstück für den Herrn,« sagte sie dann laut, als die Wirtschafterin die Zimmertür öffnete, »aber was ist denn, Sibylle, Sie haben ja geweint?«

»Ach, denken Sie sich nur das Unglück, gnädige Frau,« sagte die Alte, sich die Tränen trocknend, »den armen Tobias unten im Dorfe haben sie eben aus dem Bache gefischt, in den er gestern abend gefallen und ertrunken ist.«

»Den Tobias? Wer war das?«

»Ach, es war wohl ein leichtfertiger, alter Mensch, der sich den bösen Trunk angewöhnt hatte und nicht davon lassen wollte, und wenn man's recht bedenkt, ist es vielleicht ein Glück für ihn und uns alle, daß ihn der liebe Herrgott zu sich genommen hat; wenn es nur nicht auf eine gar zu traurige Weise geschehen wäre. Und dann waren wir doch miteinander Geschwisterkind, und gestern noch hat ihn der gnädige Herr aus dem Hofe schaffen lassen, weil er im Trunke heraufgekommen war und sich wohl unanständig oder unehrerbietig betragen hatte.«

»Das tut mir recht leid, Sibylle,« sagt« Georgine, »jetzt aber seien Sie so gut und schicken Sie das Frühstück für den Herrn herauf – Sie haben doch das blaue Zimmer heizen lassen?«

»Ach du mein Himmel, das habe ich in dem Schreck ganz vergessen!«

»Dann müssen Sie es hier hereinschaffen. In die eiskalte Stube können wir den Herrn nicht führen.«

»Soll gleich alles besorgt werden!« rief Sibylle, die in dem Augenblicke selbst den armen Tobias über das Frühstück vergaß. Im nächsten schoß sie auch schon wieder den Gang entlang, und Herr von Silberglanz atmete freier. Vergebens suchte er aber das Gespräch auf den früheren Gegenstand zurückzulenken; Georgine wich ihm entschieden aus, und bald wurden draußen wieder Schritte laut, denn die Hausmagd kam mit den bestellten Speisen, deckte den Tisch mit zwei Kuverts und blieb, auf Georginens Befehl, im Zimmer, falls noch etwas gebraucht werden sollte, bis ihr Gast gegessen und getrunken hätte. Georgine selber nippte nur an einem Glase Wein, das Herr von Silberglanz für sie eingeschenkt.

Erst wie er abgegessen, verließ die Magd das Zimmer wieder, um das Geschirr fortzutragen, und Georgine wandte sich jetzt an ihren Gast: »Herr von Silberglanz,« sagte sie, und so kalt und ruhig sie dabei blieb, bebte doch ihre Stimme und verriet die Aufregung, in der sie sich befand, »ich muß Sie jetzt bitten, mich zu verlassen und heute nicht zu mir zurückzukehren.«

»Dein ganzen Tag nicht – und wollen Sie meinen Tod?«

»Lassen Sie jetzt ihre Übertreibungen,« unterbrach ihn die Frau, und ihre Brauen zogen sich finster zusammen. »Sollte ich noch in den Fall kommen, Ihren Beistand in Anspruch zu nehmen, so müssen Sie dabei wie ein Mann, nicht wie ein junger verliebter Geck handeln, und vor allem dürfen wir hier keinen Verdacht erregen. Sind Sie in eigener Equipage gekommen?«

»Nein, mit einem Lohnkutscher von der letzten Eisenbahnstation.«

»Desto besser. Haben Sie irgendeinen vernünftigen Vorwand, sich heute den Tag über hier im Orte aufzuhalten?«

»Vortrefflichen,« lautete die rasche Antwort, »ich erkundige mich nach den Kornpreisen und sehe mir das Getreide an, kaufe auch, wenn ich es zu einem annehmbaren Preise bekommen kann, und adressiere es an eine Firma in ***.«

»Sehr gut. Auf wie lange haben Sie Ihren Kutscher gemietet?«

»Auf unbestimmte Zeit; ich kann ihn gleich wieder fortschicken, oder ihn und seine Pferde so lange behalten, wie und wohin ich sie brauche. O, wenn ich hoffen dürfte . . .«

»Meinen Sie es ehrlich und aufrichtig mit mir?«

»Können Sie zweifeln, holdeste der Frauen?« rief Herr von Silberglanz, und schien nicht übel Lust zu haben, sich wieder auf ein Knie vor ihr niederzulassen; Georginens Ernst aber hielt ihn zurück.

»Wollen Sie mir nur meiner selbst, nicht anderer eigennütziger Absichten wegen helfen?« fuhr die Frau fort.

»Aber, teuerste Georgine.«

»Antworten Sie mir klar und deutlich auf die Frage.«

»Ich beschwöre Sie.«

»Ja oder nein!«

»Ja denn; können Sie etwas anderes glauben?«

»Gut,« erwiderte die junge Frau, indem ein tiefer Seufzer ihre Brust hob, »ich will es wagen.«

»Befehlen Sie über mich.«

»Jetzt nicht. Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe. Beschäftigen Sie sich heute ausschließlich mit dem Getreide in Schildheim. Morgen früh aber vor Tage schicken Sie Ihren Kutscher mit dem Gepäck nach Hottweil, der nächsten Eisenbahnstation. Ich selber werde Ihnen heute abend spät noch eine Kiste und einen Koffer hinuntersenden, die er mitnimmt.«

»Sie machen mich zum Glücklichsten der Sterblichsten!« rief von Silberglanz, der über diese rasche Wendung wie den kaum geahnten, seine kühnsten Hoffnungen überschreitenden Erfolg selber so erstaunt war, daß er keine Worte fand, seine Bereitwilligkeit auszudrücken. »Und morgen?«

»Morgen früh um zehn Uhr kommen Sie wieder zu mir, das Weitere zu erfahren,« erwiderte Georgine, die kalt und besonnen Ihren Plan überdachte. »Ich weiß nicht, wie weit ich selber imstande sein werde, bis dahin meine Vorkehrungen zu treffen. – Aber noch eins: Nehmen Sie heute die Gelegenheit, einen Spaziergang in den Wald zu machen. Dort lassen Sie sich die Zaubereiche zeigen und merken sich genau den nächsten Weg dorthin. Einen Führer finden Sie überall.«

»Schön, sehr schön; es soll alles pünktlich ausgeführt werden; aber Ihre Pläne, gnädige Frau! Wollten Sie nur die Güte haben, mir in etwas – in der größten Kleinigkeit Ihre Pläne mitzuteilen, daß ich meine eigenen Maßregeln . . .«

»Morgen,« erklärte Georgine bestimmt. »Mein Kopf brennt mir; bitte, lassen Sie mich jetzt allein, daß ich Zeit habe, mich zu sammeln, lieber Baron.«

»Ihr Wille ist mir Befehl!« rief von Silberglanz, der dem lieben Baron nicht widerstehen konnte. »Holde Georgine, Sie haben mich in Ihrer Hand – Sie können mich um den kleinen Finger wickeln – Sie können alles, alles mit mir machen – ich kenne Hugo von Silberglanz nicht mehr – Hugo von Silberglanz ist ein anderer Mensch geworden – er ist eigentlich gar kein Mensch mehr, er ist ein Gott – er geht nicht mehr auf der Erde, er fliegt – er schwimmt in einem ganzen Ozean voll Wonne.«

Er hatte Georginens Hand ergriffen und bedeckte sie mit seinen Küssen; aber es war kein Liebesblick, der dabei aus ihren Augen auf ihn fiel. Wieder zuckte der schmerzlich-böse Zug um ihre Lippen, und ihm ihre Hand endlich entziehend, deutete sie mit einer bittenden Bewegung nach der Tür; von Silberglanz vermochte jetzt auch nicht länger ihrem Wunsche zu widerstreben. Gern wäre er freilich noch kühner geworden, aber der Frau ernste Haltung entmutigte ihn wieder – er mußte ihr erst Zeit lassen. Morgen – morgen sollte er seinen Triumph feiern, und mit einem schmachtend süßen Blick auf das von ihren Gefühlen erregte, wirklich wunderschöne Weib griff er seinen Hut auf und verließ rasch das Zimmer und das Gut.

 


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