Theophile Gautier
Der Roman der Mumie
Theophile Gautier

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XVII.

Der König begab sich in ein anderes Gemach, um Moses zu empfangen. Er griff nach dem Zepter, bestieg seinen Thron und nahm sein gewohntes majestätisches Wesen an.

Moses erschien, begleitet von einem zweiten Hebräer namens Aaron.

Der Anblick des von seinen Offizieren und seiner Leibgarde umgebenen Pharao war imposant, aber nicht weniger ehrfurchtgebietend war Moses, bei dem die Würde des Alters die königliche Würde ersetzte. Trotz seiner achtzig Jahre war er stark und rüstig und von keinem Gebrechen gebeugt. Von seinem Antlitz ging ein Leuchten aus wie von einer geheimnisvollen Sonne.

Er verbeugte sich nicht, als er nun dicht vor den Thron des Pharao trat und sagte: »Also hat der ewige Gott gesprochen: Der Tag ist gekommen, da du mein Volk von hinnen ziehen lassen sollst, auf daß es Altäre baue und mir opfere in der Wüste.«

Der König sprach: »Wer ist der ewige Gott, auf dessen Geheiß ich euch ziehen lassen soll? Ich kenne ihn nicht und werde euch Israeliten nicht fortlassen.«

Furchtlos entgegnete der Alte dem König: »Der Gott Israels hat sich uns geoffenbart und nun wollen wir drei Tagereisen weit in die Wüste ziehen, um dort Opfer zu bringen, damit er die drohende Pest und Hungersnot von uns abwende.«

Aaron, der daneben stand, nickte mit dem Haupte.

»Warum wollt ihr das Volk von seiner Arbeit zurückhalten? Laßt es so wie bisher seiner Beschäftigung nachgehen«, sprach der Pharao. »Zu eurem Glück bin ich heute in guter Laune, sonst würde ich euch züchtigen, euch Nasen und Ohren abschneiden und euch den Krokodilen vorwerfen lassen. Ihr sollt wissen, daß es keinen höheren Gott gibt, als Ammon-Ra, der von Uranfang der Welt war, Mann und Weib zugleich. Von ihm stammen alle anderen Götter. Erfindet mir daher nichts von einem anderen Gott, um mir damit etwa die Juden aufzuwiegeln und sie von ihrer Arbeit abzuhalten. Euer Opferzug ist nur ein Vorwand, ihr wollt flüchten, das ist alles. Geht!«

Moses, der den Zorn des Pharao nicht noch mehr erregen wollte, winkte Aaron und sie zogen sich zurück.

»Ich habe den Befehl Jehovas befolgt, aber nichts von dem unbeugsamen Pharao erreicht. Was sollen wir nun unserem Volk berichten?« sagte Moses, als die beiden den Palast verließen. –

Von nun an verdoppelte der Pharao seine Strenge gegen die Juden. Er belastete sie mit den härtesten Arbeiten und befahl seinen Aufsehern, keine Rücksicht gegen das unterdrückte Volk walten zu lassen.

Abermals erschienen Moses und Aaron in dem Palast und traten vor den Pharao, um ihn dazu zu bewegen, die Juden ziehen zu lassen.

»Wie wollt ihr mir beweisen,« entgegnete ihnen der König, »daß euch tatsächlich ein Gott zu mir gesandt hat und daß ihr nicht bloß gemeine Betrüger seid?«

Aaron hielt in der Hand einen hölzernen Stab. Er warf ihn vor die Füße des Pharao und das Holz begann sich zu bewegen und verwandelte sich in eine Schlange.

Die Offiziere, die Diener und Sklaven waren sprachlos und starr vor Schrecken ob dieses Wunders. Aber der Pharao blieb unbewegt; ein verachtungsvolles Lächeln umspielte seinen Mund und er sagte:

»Sind das eure ganzen Künste? Man rufe meine Magier und Zauberer herbei!«

Diese traten ein, in weiße Gewänder gehüllt und mit geschorenen Häuptern. Sie hielten in der Hand mit Hieroglyphen bedeckte Stäbe und glichen Mumien, so vertrocknet waren Antlitz und Körper von den vielen durchwachten Nächten und den Kasteiungen.

Sie stellten sich vor dem Throne des Pharao auf, ohne die sich windende Schlange zu beachten. »Seid ihr imstande, eure Stäbe in Schlangen zu verwandeln, so wie es Aaron eben getan hat?« fragte sie der König.

»O Herr, hast du uns nur zu diesem Spiele rufen lassen und uns deshalb aus unserem Studium gerissen«, sprach der Älteste der Magier. »Das Leben ist so kurz und der Born der Weisheit so unerschöpflich, daß ein Weiser, und wenn er noch so alt wird, kaum genügend Zeit hat, seinem Nachfolger das so mühsam erworbene, geringe Wissen mitzuteilen, damit es nicht verloren gehe. Dieses Kunststück hier kann dir jeder Possenreißer zeigen. Laß uns darum zu unserem Studium zurückkehren.«

»Ennana, ich will es!« erwiderte der Pharao.

Der Alte wandte sich seinen Jüngern zu und sprach:

»Werft eure Stöcke zur Erde und sprecht die Zauberformel darüber.«

Zu gleicher Zeit fielen die Stäbe zur Erde und schon regte sich am Boden ein Gewimmel von Schlangen.

Tahoser, die neben dem Thron des Pharao saß, zog erschrocken ihre kleinen Füßchen empor.

Der König sprach zu Moses:

»Du siehst, was du und Aaron imstande sind, können auch meine Magier vollbringen. Wenn du mich überzeugen willst, mußt du ein anderes Wunder ersinnen.«

Moses erhob die Hand und sogleich stürzte Aarons Schlange auf die vielen der Ägypter und verschlang sie alle. Dann verwandelte sie sich von selbst wieder in den ursprünglichen Stab.

Ennana schien erstaunt und murmelte vor sich: »Ich werde die Zeichen noch finden, die mir hier fehlen.«

Er wandte sich an den König und bat ihn, sich mit seinen Jüngern zurückziehen zu dürfen.

Der Pharao entließ alle und kehrte mit Tahoser in sein Gemach zurück. Hier kniete die Tochter des Hohenpriesters vor ihm nieder und flehte: »Oh Herr, laß die Hebräer in die Wüste ziehen und ihre Opfer bringen, denn ihr unbekannter Gott, könnte sonst an dir Rache nehmen und unser Land schwer heimsuchen.«

»Das Spiel der Gaukler hat dich erschreckt, aber hast du nicht gesehen, daß meine Weisen das gleiche Wunder vollbracht haben?« antwortete der Pharao.

»Ihre Schlangen wurden von der des Aaron vertilgt – das ist ein böses Vorzeichen!«

»Das kann mich nicht bewegen! Ich bin der Liebling Phrehs und der Schützling Ammon-Ra's – wenn ich will, kann ich das Volk der Juden vernichten und auslöschen und dann werden wir sehen, ob ihnen ihr Gott helfen wird.«

Tahoser, die sich der Worte Poeris erinnerte, sprach: »Nimm dich wohl in acht, oh Pharao! Laß dich nicht von deinem Stolz verführen! Moses und Aaron haben mich erschreckt. Sie müssen wissen, daß ein mächtiger Gott sie unterstützt, wenn sie den Mut haben, dir zu trotzen.«

»Wenn ihre Götter wirklich so groß und mächtig wären, dann hätte er sie nicht in Knechtschaft und Sklavendienst schmachten lassen. Aber nun wollen wir den Zwischenfall vergessen und von anderen Dingen sprechen. Denke an meine Liebe und daran, daß ich mächtiger bin, als der Gott der Hebräer.«

»Du bist in der Tat der Beherrscher der Völker und diese sind vor deinen Augen nicht mehr als die Sandkörner der Wüste!« sprach Tahoser.

»Und trotzdem kann ich deine Liebe nicht erringen!« lächelte der Pharao.

»Der Ibis fürchtet den Löwen und die Taube den Falken und das Auge das Sonnenlicht. So bist du mir erschienen. Die Sterblichen schrecken immer vor der Gottheit zurück.«

»Du wirst in mir noch den Wunsch wach werden lassen, ein Mann wie alle die anderen zu sein, wie irgend ein Offizier oder Priester, oder gar ein Diener, ein Sklave. Aber da ich nicht die Würde des Königs verlassen kann, werde ich dich zu ihr emporheben, ich werde die königliche Viper um deine Stirne schlingen und dann wird die Königin nicht mehr vor dem König zurückschrecken.«

»Selbst wenn ich neben dir auf deinem Throne sitzen werde, wirst du mich immer zu deinen Füßen sehen. Aber du bist gut und trotz deiner überirdischen Schönheit und deiner unbezwinglichen Macht wird vielleicht mein Herz einmal den Mut finden, neben dem deinen für dich zu schlagen.«

So sprach Tahoser zu Pharao.

Noch immer weilten ihre Gedanken bei Poeri. Aber auf eine Flucht aus diesem Palast zu denken, wäre sinnlos gewesen und der junge Hebräer liebte sie ja nicht wieder. Rachel nahm sein ganzes Herz ein. Die Liebe des Pharao rührte Tahoser, gern hätte sie sein Gefühl erwidert – und vielleicht war sie näher daran es zu tun, als sie es sich selbst eingestehen wollte.



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