Theophile Gautier
Der Roman der Mumie
Theophile Gautier

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VI.

Der Pharao war in seinem Palast am linken Nilufer angelangt. In der blauen Durchsichtigkeit der Nacht erhoben sich die Umrisse des Gebäudes noch gigantischer und phantastischer als bei Tageslicht. Es schien ein Bauwerk für die Ewigkeit zu sein, über das die Zeiten dahingingen, wie Wassertropfen über polierten Marmor.

Auf dem Wege zum Palast gelangte man zunächst in den großen Hof, der von dicken Mauern mit zinnenartigen Vertiefungen umschlossen war. Zwischen zwei Säulen hindurch kam man dann auf einen zweiten umfriedeten Platz, innerhalb dessen sich ein riesiger Turm den Blicken zeigte; an ihm vorbei gelangte man zum dritten Hof. Hier befand sich der eigentliche Palast. Zwei wallartige Vorbauten zeigten auf ihren Mauern in Reliefs Darstellungen des über seine Feinde triumphierenden Pharao. Diese beiden Wälle waren noch höher als der Turm. Zwischen ihnen dehnte sich die Front des Palastes aus. Über einem weit geöffneten Tor, an dessen Seiten Sphinxe Wache hielten, befanden sich drei Reihen von Fenstern.

Durch Fanfaren und Trommelwirbel war das Herannahen des Pharao verkündigt worden und die Palastvorsteher, die Diener, Eunuchen und Sklaven eilten, ihn zu begrüßen. Sie knieten im Hofe nieder, um ihn zu erwarten. Gefangene hielten Urnen mit einer Mischung von Olivenöl und Salz, in welcher Dochte hell brannten. Sie standen unbeweglich in einer Reihe, vom Tore des Palastes bis zum äußeren Hof. Nun langte der Zug an und der Schall der Trompeten und Pauken klang tausendfach von den Wänden zurück, so daß die Ibisse erschreckt in die Höhe flatterten.

Die Träger der Sänfte hielten an der Mitteltür zwischen den beiden Wällen an. Sklaven brachten einen Schemel mit mehreren Stufen. Mit majestätischer Bewegung erhob sich der Pharao, blieb einige Minuten stehen, geisterhaft beleuchtet von dem aufgehenden Mond und flackernden Flammen der Lampen, dann stieg er die Stufen hinab und trat in den Palast. Er durchschritt die hohen Hallen und Galerien, die wie der ganze Palast unzerstörbar erschienen in ihrer Architektur. Sie waren wie alles hier aus riesigen Felsenmassen zusammengesetzt. Die Mauern waren abgeschrägt, um widerstandsfähiger zu sein und die einzelnen Quadern fügten sich so fest und eng aneinander, daß sie ein einziger Block zu sein schienen.

Der Pharao gelangte in ein prachtvolles Gemach, in das die Türen zum Harem und in die geheimen Privatgemächer mündeten. Rings an der Decke lief ein Fries von aufrechtstehenden Schlangen, über den Türen und zwischen den Fenstern war die Flügelkugel angebracht. An den Wänden zeigten Abbildungen den Pharao beim Brettspiel oder im Kreise seiner Frauen, wie er in der gewohnten würdevollen Haltung ein junges unbekleidetes Mädchen beim Kinn faßte, oder sich lächelnd im Kreise der ihn umschmeichelnden Frauen umsah, unschlüssig, welcher er den Vorzug geben sollte. Man sah Musikantinnen und Tänzerinnen und badende Frauen abgebildet und alle Gestalten befanden sich in graziösester Stellung, waren von so schönen jugendlichen Formen, wie dies seither selten eine Kunst hervorgebracht hat. An vielen Stellen waren auf kleinen Täfelchen und Bändern die Beinamen des Pharao oder Inschriften, die seine Größe priesen, zu lesen. Zwischen den einzelnen Säulen des Saales standen auf kleinen Stellagen aus vergoldetem Zedernholz Bronzeschalen mit aromatischen Ölen, die einem flackernden Docht Nahrung gaben.

In der Mitte des Saales erhob sich ein runder Tisch aus Porphyr, dessen Füße gebückte Gefangene darstellten. Er war mit Vasen und Krügen bedeckt, aus denen sich eine Fülle künstlicher Blumen in riesenhafter Größe erhoben. Man hatte sich bemüht, das Maß der Blumen mit den Dimensionen des Riesensaales in Einklang zu bringen, da natürliche Blumen hier viel zu klein und armselig erschienen wären.

Im Hintergrund befand sich der Thron des Pharao.

Dessen Füße waren wie die des Tisches geformt. Auch sie stellten exotische Gefangene in verzweifelter Stellung dar, die auf ihren Köpfen den buntgewürfelten Polster trugen, auf dem sich der Besieger der Welt niederließ.

Links und rechts von dem Herrschersitz des Pharao waren die Plätze für die Prinzen aufgestellt.

Langsam und majestätisch schritt der Pharao durch den Saal, ohne ein einziges Mal seine Lider zu heben. Er schien weder die Zurufe der Liebe und Verehrung um ihn her zu hören, noch die knieenden Gestalten der Frauen zu erblicken, welche die Hände nach den Falten seines Gewandes ausstreckten. Er ließ sich auf seinem Thron nieder und nach ihm nahmen die jungen Prinzen, von Antlitz schön wie Mädchen, zu beiden Seiten des Vaters Platz. Diener befreiten sie von ihrem Schmuck, von ihren Gürteln und Waffen, salbten ihre Haare mit wohlriechenden Essenzen, die Arme mit aromatischen Ölen und bekränzten sie mit dem Schmuck duftender Blumenkränze. Schöne unbekleidete Sklavinnen, kaum noch dem Kindesalter entwachsen, mit Lotosblumen im Haar und Alabasterkrügen in der Hand, drängten sich um den Pharao und rieben seine Schultern und Arme mit Palmenöl ein. Andere fächelten ihm mit großen Straußfedern Kühlung zu. Alle ihre Gebärden trugen den Ausdruck größter Unterwürfigkeit, beinahe der Furcht, als wären sie an eine Gottheit gerichtet, die sich aus Mitleid dazu herbeigelassen hätte, unter den Sterblichen zu wandeln. Denn der König war für sie der Sohn der Gottheit, der Schützling Ammon-Ra's, der Liebling Phre's.

Die Frauen des Harems hatten sich aus der knieenden Stellung erhoben und ließen sich nun auf geschnitzten, vergoldeten und bemalten Sesseln nieder; einige von ihnen trugen Tuniken aus leichtem Gewebe, mit Längsstreifen, von denen immer einer matt und einer durchsichtig war, mit kurzen Ärmeln und vom Handgelenk bis zum Ellbogen aneinandergereihte Armreifen. Andere hatten den Oberkörper unbekleidet und trugen Röckchen von hellem Violett, mit lichtroten Glasperlen bestickt. In alle Kleidungsstücke war das Siegel des Pharao eingewebt. Wieder andere trugen enganliegende Gewänder mit blauen, roten und grünen Schuppen benäht. Ebenso reichhaltig wie die Art der Kleidung war die des Kopfputzes. Bald waren die geflochtenen Zöpfe schneckenartig an den Seiten festgehalten, bald das Haar in drei Zöpfe geteilt, deren einer über den Rücken und je einer nach vorne rechts und links herabfiel. Perücken mit stark gekräuseltem Haar, durch Goldfäden zusammengehalten und mit Email und Perlen verziert, lagen gleich Helmen auf den Köpfen junger schöner Mädchen.

Der Pharao griff nach der Schale, die ihm der Mundschenk darreichte und nippte an dem kühlenden Trank. Harfen, Leiern und Doppelflöten wurden angestimmt, zur Begleitung der Siegeshymne, die jetzt aus den Kehlen der vor dem Throne knieenden Sänger erscholl.

Nun wurde das Mahl aufgetragen. Aus den Riesenküchen des Palastes schleppten äthiopische Sklaven die Speisen herbei und stellten sie auf kleinen Tischchen neben den Gästen auf. Schüsseln aus Bronze und kostbarem Holz, aus Ton und Porzellan, in den buntesten Farben emailliert, enthielten ganze Ochsenviertel, Antilopenläufe, Gänse, Fische aus dem Nil, Kuchen aus Sesam und Honig, Pasteten, glänzende Granatäpfel, Weintrauben von der Farbe des Bernsteins. Grüne Papyrus-Girlanden in Blattform zierten die Schüsseln; die Trinkschalen waren mit Blumen umwunden und in der Mitte der Tafel, zwischen einem Berg von knusperigen, mit Hieroglyphen geschmückten Brötchen, erhob sich eine hohe Vase, mit einem Riesenstrauß von Myrthen, Granatblüten, Chrysanthemen, Heliotropen und anderen Blüten, die in Farbe und Duft wetteiferten. Überall waren Blumen angebracht, selbst an den Sockeln der Tische und an den Sitzen der Geladenen rankten sich Lotosblumen empor. Blumen schlangen sich um Arme und Hals der Frauen, die Lampen standen in einer Fülle von Blumen und die Weinkelche funkelten zwischen Rosen und Veilchen hervor. Es war ein Sinnenrausch von Blüten, eine Orgie an Farben und Wohlgerüchen, wie dies kein anderes Volk in gleicher Art kennt. Immer wieder brachten Sklaven neuen Raub aus den Gärten ringsumher herbei, um die schon verwelkten Blüten durch neue zu ersetzen.

Das Mahl war beendet, die Platten der Speisen wurden weggeräumt, ebenso die verschiedenen Gefäße in Vogel- oder Fischform, welche für Saucen und sonstige Zutaten bestimmt waren. Man wusch sich die Hände und dann wurden die Becher für Wein und die gebrannten Getränke gereicht. Mit einem zierlichen Schöpfer nahm der Mundschenk den dunklen und lichten Wein aus zwei großen goldenen Vasen, die vor dem Pharao auf dreifüßigem Gestell standen.

Die Sänger hatten sich zurückgezogen, dafür erschienen nun die Musikantinnen. Auch sie waren in durchsichtige Gewänder gekleidet, die sie unverhüllter erscheinen ließen als badende Nymphen. Um die Haare schlang sich eine Papyrus-Girlande und wallte lang bis zum Fußboden herab. Über den Häuptern schwebten Lotosblumen, große Ohrgehänge hingen in den winzigen Ohren, Halsbänder aus Perlen und Email umschlossen den Hals und an den Gelenken klirrten Armbänder.

Einige spielten Harfe, andere mit übereinander gekreuzten Armen die Doppelflöte. Wieder andere trugen fünfsaitige Leiern oder schlugen auf viereckige Trommeln.

Tänzerinnen traten hervor, schlank, zierlich und biegsam wie Schlangen. Zwischen den schwarzen Wimpern funkelten die großen Augen, zwischen den roten Lippen die weißen Zähne und ihre geringelten Haare hingen lose hinab. Sie nahmen langsam und feierlich Stellungen von träumerischer Grazie ein, dann winkten sie mit Blumenzweigen, schüttelten kleine Klappern oder schlugen mit ihrer zierlichen Faust auf Trommeln oder Tamburins. Ihre Bewegungen, zuerst von wollüstiger Lässigkeit, wurden allmählich freier und feuriger. Sie vollführten Pirouetten und sprangen und wirbelten immer toller durcheinander.

Der Pharao blieb bei allem unbeweglich, er gab nicht das leiseste Zeichen des Wohlgefallens, ja er schien alles, was um ihn herum vorging, nicht zu bemerken.

Die Tänzerinnen zogen sich zurück und bucklige Zwerge mit verkrüppelten Füßen, die durch die Verzerrung ihrer Fratzen den Herrscher zu erheitern suchten, traten in den Raum. Aber ihre komischesten Grimassen vermochten nicht ein Lächeln auf die Lippen des Pharao zu bringen.

Possenreißer sangen mit falschem Baß, von den Klängen einer lärmenden Musik begleitet, drollige Lieder. Aber das königliche Antlitz blieb steinern.

Frauen in enganliegenden Beinkleidern mit fezartiger Kopfbedeckung, schwarze Lederriemen um Hand- und Fußgelenke, begannen mit außerordentlicher Kraft und Gelenkigkeit gymnastische Übungen. Sie bogen sich gleich den Zweigen einer Weide, berührten mit dem Nacken den Boden, ohne ihr Füße dabei zu bewegen, erhoben in dieser Stellung den Körper der Gefährtin, die wiederum in solcher Lage mit Kugeln jonglierte. Die geschickteste unter ihnen ließ sich die Augen verbinden, warf die Kugeln empor und fing sie wieder auf, ohne eine einzige zu Boden fallen zu lassen. Der Pharao blieb unbeweglich und nahm auch an den nun folgenden Kämpfen zweier Sklaven, die mit der linken Hand einen korbartigen Schild hielten und mit Stöcken fochten, keinen Anteil. Männer zielten mit Messern nach dem Zentrum einer Holzscheibe. Der Herrscher blickte nicht hin und stieß selbst das Schachbrett zurück, das Twea, seine Lieblingsfrau ihm bot. Amensa, Taia und Hout-Recha versuchten, sich ihm mit schüchterner Zärtlichkeit zu nähern; er erhob sich wortlos und zog sich in seine Privatgemächer zurück.

Hier stand jener Getreue, der beim Einzug Pharaos neben der Sänfte einhergegangen war. Er sprach: »Gottbegnadeter, ich habe die Reihen des Zuges verlassen und bin dem Schiff gefolgt, das die Frau trug, auf der dein Falkenauge ruhte. Sie ist Tahoser, die Tochter Petamounophs, des Priesters.«

Der Pharao lächelte und sprach: »Es ist gut! – Ich schenke dir Pferde und Wagen, einen Halsschmuck aus Gold, Lapislazuli und Karneolen.« – –

Inzwischen zerrissen die verlassenen Frauen ihre Gewänder, rauften sich die Haare und warfen sich zu Boden, wo die blanken Quadern das Bild ihrer schönen Körper widerspiegelten und sie jammerten: »Oh ihr Götter, verderbt diese gefangenen Barbarinnen! Sicherlich hat eine von ihnen das Herz unseres Herrn gestohlen.«



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