Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Totengespräch zwischen Prinz Eugen, Lord Marlborough und Fürst Liechtenstein

(1773)

Marlborough: Charon wird nächstens verhungern; kein Mensch setzt mehr auf seinem Kahn über. Seit einigen Tagen haben wir keine Post mehr von der anderen Welt bekommen. Wenn das so weiter geht, wissen wir nicht mehr, was dort vorgeht: das wäre sehr schade.

Eugen: Nicht alle Verstorbenen kommen in die seligen Gefilde, die wir bewohnen; viele gehen in den Tartarus. Und dann wird die Erde nicht immer von Seuche, Pest und Hungersnot heimgesucht. Gedulden Sie sich, es werden schon noch welche kommen.

Marlborough: Die Engländer erhängen sich mit Vorliebe in der späten Jahreszeit, trotzdem sehe ich keinen nahen. Vielleicht ist unseren Landsleuten durch Parlamentsbill verboten, sich aufzuknüpfen.

Eugen: Sie haben kürzlich Lord Chesterfield bekommen, dürfen sich also nicht beklagen. Und ich meinen Verwandten, den König von Sardinien. Man stirbt nicht alle Tage. Lassen wir die Leute leben, damit sie Zeit finden, das Knäuel der Torheiten abzuhaspeln, das sie vor ihrem Tode beendet haben müssen. Doch mir ist, als sähe ich einen Schatten.

Marlborough: Ja, es ist ein Ankömmling; er schreitet auf uns zu.

Eugen: Ich glaube ihn zu erkennen. Sind Sie nicht Fürst Wenzel Liechtenstein?

Liechtenstein: Ja, ich bin's. Ein recht schmerzhafter Tod entriß mich soeben meiner Familie, meinen großen Besitzungen, meinen Ehren und Würden.

Eugen: Das ist das Los aller Menschen. Aber da Sie aus der Ferne kommen, so bezahlen Sie Ihre Eintrittskarte und erzählen Sie uns das Neueste, was sich in Ihrem Lande zugetragen hat.

Liechtenstein: Das ist viel. Alles ist verändert. Die Vergangenheit ist durch die Gegenwart ausgelöscht. Sie würden Europa nicht wiedererkennen; man hat in allen Dingen Fortschritte gemacht.

Eugen: Ich würde Europa nicht wiedererkennen? Sicherlich hat das Kaiserhaus, dessen Macht ich vergrößerte, ja befestigte, große Fortschritte gemacht und ist seit meiner Zeit ungleich mächtiger geworden.

Liechtenstein: Das gerade nicht; denn seit Ihrem Tode haben uns die Türken, Preußen und Franzosen geschlagen, und wir haben ein halbes Dutzend Provinzen verloren; doch sind das Bagatellen.

Eugen: Ich begreife Sie nicht. Wenn Sie soviel verloren, was für Fortschritte konnten Sie dann machen?

Liechtenstein: Wir haben unsere Finanzen vervollkommnet. Mit dem Rest der Provinzen, die uns verblieben sind, haben wir mehr Einnahmen als Karl VI. je mit dem Königreich Neapel, der Lombardei, Serbien, Schlesien und Belgrad. Was das Heerwesen betrifft, so unterhalten wir jetzt 160 000 Mann; soviel konnten Sie zu Ihrer Zeit nicht besolden. Ich für mein Teil habe an der Artillerie gearbeitet. Ich gab 300 000 Taler aus meinem Vermögen hin, um sie in guten Stand zu setzen. Und so rückt denn keine Armee mehr ins Feld, ohne mindestens 400 Kanonen mitzunehmen. Sie verstanden nichts von diesem Gebrauch unserer Artillerie, der unsere Lager zu Festungen macht. Sie hatten kaum 30 Geschütze bei Ihrer Armee.

Eugen: Allerdings. Aber mit diesen paar Kanonen schlug ich den Feind und ließ mich nicht schlagen.

Liechtenstein: Man kann geschlagen werden. Das sind kleine Unglücksfälle, die einem Ehrenmann begegnen können.

Eugen: Ja, aber nicht durch seine Schuld.

Liechtenstein: O, wissen Sie, man urteilt heute weit besser als ehedem. Unser Verstand ist rein mathematisch geworden und fast unfehlbar. Doch ich wage Ihnen nicht zu sagen, was für Urteile man heute fällt.

Eugen: Sagen Sie's nur dreist. Obschon wir tot sind, können Sie uns doch noch belehren.

Liechtenstein: Da Sie's wollen, vernehmen Sie denn: die Welt hat den Ruhm des Feldmarschalls Daun, obschon er oft geschlagen wurde, so hoch gestellt, daß er den Ihren völlig verschattet.

Marlborough: Sind Sie am hitzigen Fieber gestorben und reden Sie noch im Delirium? Ich werde nie glauben, das Andenken Eugens könnte derart herabgesetzt werden, daß man einen geschlagenen Daun über den Helden stellt, der mehr Kaiser war als Karl VI., der weise Feldzugspläne entwarf, der allein durch das Ansehen seines großen Namens die nötigen Summen aufbrachte, um die Truppen mobil zu machen, der dann selbst seine Pläne ausführte, den Feind schlug und weite Provinzen eroberte.

Liechtenstein: Ich habe kein hitziges Fieber; die Welt ist im Delirium. Sie wirft dem Prinzen Eugen vor, er habe dem Hofkriegsrat keine ausführlichen Bericht über seine Erfolge zu geben vermocht.

Marlborough (zu Eugen): Man beschuldigt Sie, kein guter Schreiber gewesen zu sein. Ich glaubte, es kennzeichne die Helden, daß sie große Taten vollbringen und den Müßiggängern die Sorge überlassen, ihre Einzelheiten zusammenzutragen.

Eugen: Fürwahr, ich habe mich wohl gehütet, ausführliche Berichte zu geben. Genug, daß ich die Ergebnisse meiner Operationen meinen Feinden mitteilte, die sämtlich in jenem Kriegsrat saßen. Hätte ich noch lakonischer zu schreiben vermocht, meine Feldzüge wären noch erfolgreicher gewesen.

Marlborough: Genau so hielt ich's mit Königin Anna und ihrem Parlament. Unsere Gebieter waren reine Gliederpuppen. Es reichte völlig hin, sie über die Ergebnisse unserer Operationen kurz und bündig zu unterrichten. Sie konnten weder unsere Absichten und Pläne beurteilen noch die Gründe, weshalb wir lieber dies als jenes taten.

Liechtenstein: Es ist ja auch nicht meine Meinung; ich vermelde Ihnen nur die Denkweise des Publikums, ich bin lediglich Berichterstatter. Doch, Mylord, Sie sind in der gleichen Lage wie Prinz Eugen. Ich fürchte sehr, Sie aufzubringen, wenn ich Ihnen sage, wie man in England denkt.

Marlborough: Nur heraus mit der Sprache! Nach dem eben Gehörten wundert mich nichts mehr.

Liechtenstein: Ich gestehe Ihnen also errötend, daß Leute, die nicht wissen, was eine Kompagnie ist, geschweige denn ein Bataillon, die Behauptung wagen, Sie wären kein großer Feldherr, sondern dankten Ihren ganzen Ruf dem General Cadogan. Sie wären nicht sowohl ein großer Feldherr als ein schlauer Diplomat, verstünden alle Hebel der Intrigue in Ihrem Parlament in Bewegung zu setzen, um den Krieg in die Länge zu ziehen und auf diesem Wege sich die beträchtlichen Summen zusammenzurauben, die Sie aufgehäuft haben.

Marlborough: Mein Fall steht einzig da. Ich war sterblich, aber der Neid meiner Feinde hat mich überlebt. Ja, ich habe mir Cadogan als Gehilfen meiner Arbeit ausgesucht und als geschickten Mann benutzt. Welcher Mensch könnte allein eine Armee in Bewegung setzen? Er braucht Gehilfen. Je mehr er unterstützt wird, um so besser geht die Sache. Ich hatte Freunde, sogar eine Partei im Parlament. Das mußte sein, sonst hätten die inneren Zwistigkeiten und der Mangel an Bestand uns zugrunde gerichtet, und die schönsten Pläne wären gescheitert. Habe ich etwas Geld für Schutzbriefe genommen, so war's in Feindesland, und eine rechtmäßige Steuer, die jeder Höchstkommandierende beanspruchen kann. In meiner Stellung hätte jeder andere ebensoviel oder noch mehr genommen.

Eugen: Wie? Höchstädt, Ramillies, Oudenaarde und Malplaquet haben den Namen des großen Mannes nicht geschirmt, und Viktoria selbst hat ihn vor den hämischen Geschossen des Neides nicht zu schützen vermocht? Welche Rolle hätte denn England ohne diesen echten Helden gespielt, der es hochhielt und zu Ansehen brachte, ja der es auf den Gipfel seiner Größe geführt hätte ohne jene elenden Weiberintriguen, die Frankreich zu seinem Sturze benutzte? Hätte sich Marlboroughs Ansehen nur noch zwei Jahre lang behauptet, dann war Ludwig XIV. verloren.

Liechtenstein: Ich gebe zu: Königin Anna hätte ohne Marlborough, und Karl VI. hätte ohne Eugen eine trübe Rolle gespielt. Ihnen allein verdanken beide Reiche Ruhm und Ansehen. Die vernünftigen Leute sind sich darüber einig, doch auf Erden muß man auf tausend Dummköpfe und hundert Narren einen gescheiten Kopf rechnen. Darum dürfen Sie nicht erstaunen, daß die Nachwelt so wunderliche Urteile über Sie gefällt hat.

Eugen: Man muß gestehen, daß wir kein Glück im Spiel haben. Während es über Alexander, Scipio, Cäsar und Amilius Paullus nur eine Stimme gibt, muß die Welt unseren Ruf zerpflücken, obwohl wir ebenso wie sie Großes vollbrachten, wogegen der ihre sich stets gleichbleibt und jeder Lobredner den von ihm Gepriesenen gern neben sie stellt, um ihn zu ehren!

Liechtenstein: Jene hatten das Glück, daß es in ihrem Zeitalter keine Enzyklopädisten gab.

Marlborough: Was ist das: ein Enzyklopädist? Welch barbarischer Name! Ist es ein Irokese? Ich habe ihn nie gehört.

Liechtenstein: O, das glaub' ich: zu Ihrer Zeit gab es noch keine Enzyklopädisten. Es ist eine Sekte sogenannter Philosophen, die sich in unseren Tagen gebildet hat. Sie dünken sich erhaben über alles, was die Antike in dieser Gattung hervorgebracht hat. Mit der Schamlosigkeit der Zyniker verbinden sie die edle Dreistigkeit, alle Paradoxen, die ihnen in den Sinn kommen, zum besten zu geben. Sie brüsten sich mit Mathematik und behaupten, wer diese Wissenschaft nicht studiert habe, sei nicht recht klug. Folglich besitzen sie allein die Gabe, richtig zu denken. Ihre gewöhnlichsten Reden sind mit gelehrten Ausdrücken gespickt. So werden sie z. B. sagen, das und das Gesetz sei weislich im umgekehrten Verhältnis zum Quadrat der Entfernungen erlassen; die und die Macht, die ein Bündnis mit einer anderen eingehen will, fühle sich durch die Anziehungskraft zu ihr hingezogen, und bald würden beide Völker miteinander assimiliert sein. Schlägt man ihnen einen Spaziergang vor, so ist dabei das Problem einer Kurve zu lösen. Haben sie eine Nierenkolik, so kurieren sie sich nach den hydrostatischen Regeln. Sticht sie ein Floh, so sind es unendlich kleine Größen, die sie belästigen. Fallen sie, so haben sie ihren Schwerpunkt verloren. Ist irgend ein Skribent so dreist, sie anzugreifen, so ertränken sie ihn in einer Sintflut von Tinte und Schmähungen; das Crimen laesae philosophiae ist unsühnbar.

Eugen: Aber welche Beziehung haben diese Narren zu unserem Ruf und dem Urteil, das man über uns fällt?

Liechtenstein: Weit mehr, als Sie glauben; denn sie schmähen alle Wissenschaften, außer ihrer eigenen Rechenkunst. Poesie ist eine seichte Kurzweil, die alten Fabeln müssen aus ihr ausgemerzt werden. Der Dichter soll nur die algebraischen Gleichungen schwungvoll reimen. Die Geschichte soll man von rückwärts studieren, mit der Gegenwart anfangen und bei der Sintflut enden. Die Staatsverfassungen werden von ihnen samt und sonders verbessert. Frankreich soll unter einem Mathematiker als Gesetzgeber Republik werden. Mathematiker sollen sie beherrschen, indem sie alles, was in der neuen Republik geschieht, der Integralrechnung unterwerfen. Diese Republik wird den ewigen Frieden herbeiführen und sich ohne Heer behaupten.

Marlborough: Alles, was ich da höre, ist wundervoll. Aber leiden die Enzyklopädisten nicht vielfach an Visionen von Wilden, Quäkern und Pennsylvaniern?

Liechtenstein: Mit der Behauptung würden Sie sie tief kränken. Sie halten sich auf ihre Originalität viel zugute.

Eugen: Wenn ich nicht irre, war der ewige Friede ein Traum eines gewissen Abbé Saint-Pierre, der zu meiner Zeit tüchtig ausgelacht wurde.

Liechtenstein: Sie haben ihn wohl der Vergessenheit entrissen? denn sie tragen alle einen heiligen Graus vor dem Kriege zur Schau.

Eugen: Man kann nicht leugnen, daß der Krieg ein Übel ist, aber ein unvermeidliches; denn ein Schiedsgericht über die Herrscher gibt es nicht.

Liechtenstein: Der Haß auf die Heere und die Feldherren, die sich mit Ruhm bedecken, hindert sie freilich nicht, einen Federkrieg zu führen und sich öfters Grobheiten wie Marktweiber zu sagen. Hätten sie Truppen, sie ließen sie gegeneinander ins Feld rücken.

Marlborough: Es ist billiger, Tinte als Blut zu verspritzen, aber Injurien sind schlimmer als Wunden.

Liechtenstein: Was die Kriegskunst betrifft, so wage ich vor so großen Helden gar nicht zu sagen, wie sehr sie sie herabzusetzen suchen und in welchen Ausdrücken sie von ihr sprechen.

Marlborough: Reden Sie nur unbesorgt. Da jene Leute alles kurz und klein schlagen, müssen wir dabei doch auch unser Teil abbekommen.

Liechtenstein: Die Leute behaupten, Sie seien nur Räuberhauptleute gewesen, denen ein Tyrann feile Henker anvertraut hätte, um in seinem Namen alle Verbrechen und alle möglichen Greuel gegen unschuldige Völker zu verüben.

Eugen: Das sind Reden betrunkener Fuhrknechte. Sokrates, Aristoteles, Gassendi und Bayle drückten sich anders aus.

Liechtenstein: Sie sind nicht nur nicht betrunken, sondern oft hungrig. Ihr Geldbeutel reicht zum Wohlleben nicht aus. In ihrem Stil heißen solche schönen Reden philosophische Freiheiten. Man soll laut denken, jede Wahrheit herausschreien, und da sie nach ihrer Meinung die einzigen Hüter der Wahrheit sind, so halten sie sich für berechtigt, dreist alle Narrheiten aufzutischen, die ihnen in den Sinn kommen. Des Beifalls halten sie sich für versichert.

Marlborough: Offenbar gibt es in Europa keine Irrenhäuser mehr. Wären noch welche vorhanden, so ginge mein Rat dahin, die Herren dort unterzubringen, damit sie den Narren Gesetze geben – ihresgleichen.

Eugen: Ich würde raten, sie zu Statthaltern einer Provinz zu machen, die Strafe verdient. Nachdem sie dort alles auf den Kopf gestellt hätten, würden sie durch die Erfahrung lernen, daß sie Ignoranten sind, daß Kritisieren leicht, aber Bessermachen schwer ist, und vor allem, daß man Gefahr läuft, viel dummes Zeug zu reden, wenn man von Dingen spricht, von denen man nichts versteht.

Liechtenstein: Dünkelhafte Menschen geben nie zu, daß sie unrecht haben. Nach ihren Grundsätzen irrt der Weise nie; er allein ist erleuchtet. Von ihm soll das Licht ausstrahlen, das den düsteren Nebel verscheucht, in dem das blinde und blöde Volk dahinvegetiert. Und Gott weiß, wie sie es aufklären! Bald enthüllen sie ihm den Ursprung der Vorurteile; bald erscheint ein Buch über den Geist, bald eins über das System der Natur und so weiter ad infinitum. Eine Rotte von Gassenjungen zählt sich, aus Tuerei oder Mode, zu ihren Schülern, äfft sie geflissentlich nach und tritt als Hilfslehrer des Menschengeschlechts auf. Und da es leichter ist, zu schimpfen, als Gründe anzuführen, so ist es bei ihren Schülern Brauch, bei jeder Gelegenheit unanständig über das Militär herzuziehen.

Eugen: Ein Geck findet stets einen größeren Gecken, der ihn bewundert. Aber stecken die Militärs diese Schmähungen ruhig ein?

Liechtenstein: Sie lassen die Köter blaffen und gehen ihres Weges.

Marlborough: Warum aber solche Erbitterung gegen den edelsten Beruf, unter dessen Schirm die anderen friedlich gedeihen?

Liechtenstein: Da sie in der Kriegskunst sämtlich sehr unwissend sind, glauben sie, sie könnten sie verächtlich machen, indem sie sie herabsetzen. Aber, wie gesagt, sie reißen alle Künste und Wissenschaften durchweg herunter, und auf der Trümmerstätte richten sie die Mathematik auf, um jeden anderen Ruhm zu vernichten und allen Glanz auf ihre Person zu lenken.

Marlborough: Aber wir haben doch weder Philosophie, noch Mathematik, noch die schöne Literatur verachtet und uns nur damit begnügt, in unserem Beruf Gutes zu leisten.

Eugen: Ich tat mehr. In Wien beschützte ich alle Gelehrten und zeichnete sie aus, selbst wenn niemand von ihnen ein Aufhebens machte.

Liechtenstein: Das glaub' ich gern; denn Sie waren große Männer, und jene Afterphilosophen sind nur eitle Schelme, die eine Rolle spielen möchten. Das hindert freilich nicht, daß ihre Schmähungen durch ewige Wiederholung das Andenken der Großen schänden. Zieht man dreist Schlüsse, wenn sie auch falsch sind, so hält man sich für einen Philosophen, und wenn man Paradoxe vorbringt, meint man, die Palme davonzutragen. Wie oft hörte ich nicht Ihre größten Taten durch lächerliches Geschwätz herabzerren und Sie als Männer hinstellen, die den Ruhm widerrechtlich an sich rissen in einem Zeitalter der Unwissenheit, dem es an wahren Kennern des Verdienstes gebrach!

Marlborough: Unser Zeitalter ein Zeitalter der Unwissenheit! Ha, ich ertrag' es nicht länger!

Liechtenstein: Das jetzige Zeitalter ist das der Philosophen.

Eugen: Wo man geschlagen wird, Provinzen verliert und sich dem Altertum überlegen wähnt. Mögen Ihre Philosophen sagen, was sie wollen, ich ziehe unser Zeitalter der Unwissenheit dem ihren vor.

Marlborough: Ist auch England von Ihren Enzyklopädisten verseucht?

Liechtenstein: Zum Teil, aber nicht so sehr wie Frankreich.

Marlborough: Hat Frankreich denn Heerführer? Wie kann es welche haben, wenn sie so verunglimpft werden?

Liechtenstein: Das verdienen sie auch; es sind –

Marlborough: Hat England einen großen Heerführer hervorgebracht, der mir nachgefolgt ist?

Liechtenstein: Den Herzog von Cumberland.

Marlborough: Wieviel Schlachten hat er gewonnen?

Liechtenstein: Er unterlag bei Fontenoy, bei Hastenbeck und fiel bei Stade auf ein Haar in Kriegsgefangenschaft, mitsamt seinem Heere.

Marlborough: Sie haben uns zum besten, Fürst. Wie? Ein geschlagener Daun, ein verprügelter Cumberland, das sind die Leute, die man uns vorzieht?

Liechtenstein: Nicht sie allein, sondern auch viele andere, die zwar im Kriege waren, aber keine Heere geführt haben, sie würden weder hinter Cäsar noch hinter Ihnen zurückstehen wollen. Diese Helden in spe haben die edle Dreistigkeit, sich vorzudrängen, und ihr Eigendünkel war so stark, daß das Publikum mitangesteckt wurde. Es prophezeit nichts als ihre künftigen Taten.

Marlborough: Wozu half uns soviel Mühe und Sorge, soviel Anstrengung?

Eugen: O Eitelkeit der Eitelkeiten! O Eitelkeit des Ruhmes! Anhang


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