Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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An meine Schwester Amalie unter ihrem Fenster in der Nacht, als ich nach Schlesien abreiste

(August 1772)

         O Schlaf, du Vater süßer Ruh,
         Du Neudurchkrafter der erschöpften Glieder,
Dein mohnschwer Füllhorn halt nicht länger zu,
Ergieß es auf der Schwester teure Lider.
         Laß gaukeln um ihr Lager her
         Die angenehmsten Traumesszenen,
Daß träumend sie vernimmt das Stimmenmeer
Der Nymphenschar Apolls, der lieblichen Sirenen,
         Wie sie zu wunderbaren Klängen,
         Im Chorgesang, im stilgerechten,
         Die Skalen durcheinanderflechten,
         Durchwirkt von köstlichen Gesängen
         Voll Harmonie und edler Kunst.
         Daß keines bösen Traums Bedrängen
Ihr Blut aus der gewohnten Wallung bringe.
         Daß ihr Gesundheit, wacht sie auf,
         Und Frohmut, mit vermählter Gunst,
         Ihr Wesen wonniglich beschwinge,
Bis daß der Tag vollendet seinen Lauf.
         Mich, Teure, vom Geschick geplagt,
Ruhlos in Arbeit, ruhlos hin und her gejagt,
Geübt, mich ohne Ende abzumatten,
Erfreut's, wenn Morpheus mir noch mehr der Ruh versagt,
         Will er sie Dir dafür erstatten,
         Wird mein Verlust so Dein Gewinn,
Empfängt mein Wachen und mein Sorgen Wert und Sinn.
         So sei denn Dir in Deinem Frieden,
         Dem Weltlärm fern, von Mißmut frei,
         Der Seele Ruhe stets beschieden,
Gesegnet sei Dein Tag, wie Deine Nacht es sei,
         Und ein Gedanke schwebe stets herbei:
         Daß, liebe Schwester, nie und nirgends ich
         Ob ich zu Deinen Knieen, ob Dir ferne,
         Der Zärtlichkeit mich zu entwöhnen lerne,
         Die mich bis an mein Grab erfüllt für Dich.


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