Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Epistel an d'Alembert, als in Frankreich die Enzyklopädie verboten und seine Werke verbrannt wurden

(Februar 1760)

Ein Richterkreis in Stola und Soutane
Hat Eure Schriften, hören wir, geächtet,
Die uns ein Schlüssel sind zum Weltenplane.
Mit dieser geistesschwachen Untat knechtet
Er alle Wahrheitsforschung der Vernunft,
Das dichterische Schaffen wird entrechtet.
Hat Irrwahn, Irrtum, Dummheit – diese Zunft
Von Richtern über das gesunde Denken.
Denn in Paris jetzt seine Unterkunft?
Darf sich so schamlos, um es zu beschränken,
Der Haß, die Willkür einer Höllenbrut
Dem Baal ergebner Pfaffen darauf lenken?
So tobte einst der grausen Ahnen Wut:
Bartholomäusnacht sank auf die Zinnen,
Und ganz Paris ertrank in Bürgerblut.

Barbaren, Ihr! Was wagt Ihr zu beginnen?
Könnt Ihr, die unsrer Tage Schandfleck sind,
Durch Blindheit wild, Euch nie darauf besinnen,
Daß, was Ihr auch für frevle Ränke spinnt,
Vernunft und Wahrheit doch dem Phönix gleichen.
Der aus der Asche neuen Flug beginnt?
Nicht alle Nebel aus den Irrlichtreichen –
Synoden und Konzile auch genannt –
Vermochten Galilei, abzuweichen
Vom Wahrheitsweg; kein Scheiterhaufenbrand,
Den Eure Folterknechte angerichtet,
Kein Lärmen Eurer Lehrer war imstand,
Daß Ihr den Gegner jemals ganz vernichtet.
Was aber ließ Euch zu Verfolgern werden?
Warum auf jene weisen Geister richtet
Ihr Eure Wut mit krampfigen Gebärden –
Sie, die im tiefsten Denken uns enthüllen
Den rätselvollen, letzten Sinn der Erden?

O Zeit! O Sitten! Meer von Frevelwillen!
Ich rühre nicht an jenen Höllenschlund,
Den Eures Irrwahns Fabelbilder füllen;
Nichtswürdige, Euer Frevel macht Euch kund,
Begünstigt doch selbst Gottes Stellvertreter
Und Peters Erbe den Verschwörerbund:
Scheusale portugiesischer Verräter,
Auf deren feigen Anschlag ihren Stahl
Zum Königsmord gezückt die Missetäter.
Die Tat bezeugt es! Und der Erdenball
Erbebte unter ihr, indes der Weise,
Der sie vernimmt, nur seufzt in stiller Qual.
Wie? Rom zieht schützend seiner Freistatt Kreise
In diesem unterwürfigen Jahrhundert
Um das Verbrechen? Gibt ihm Trank und Speise?
Zu Aufruhr und zu Bürgermord ermuntert
Ein Orden noch, des Stifter Ignaz war?
Wagt Ihr's noch immer, fragt man sich verwundert,
Entmenschte Christen, die mit Gift sogar
Die Hostien zu tränken sich nicht scheuten,
Und lügt, der Heide sei der Tugend bar?
Belud er sich wie Ihr mit Grausamkeiten,
Daß Ihr ihn jetzt verklagt der Barbarei?
Wie viele mußten nicht zum Holzstoß schreiten,
Bedenkt es wohl, durch Glaubenstyrannei!
Nur Tugend fordert Gottes güt'ges Walten,
Nicht Menschenblut und Opferangstgeschrei.
Sah' Plato Euch die Siegesfeste halten,
Erblickte er der Scheiterhaufen Pracht,
Die schuldlos hingemordeten Gestalten –
Er würde glauben, eine Höllenmacht
Gebiete Euch, solch Opfer darzubringen.

Wie lange noch währt diese Greuelnacht?
Wie lang' noch wird der Glaube so geschändet?
Von diesen tonsurierten Finsterlingen
Wird soviel Wut und Rachgier aufgewendet,
Die Weisheit und Vernunft ersticken sollen,
Weil sie, Marktschreier falscher Frömmigkeit,
Von Furcht ergriffen aller Wahrheit grollen.
Die Schurken zittern in der Dunkelheit:
Die schuldbefleckt des Himmels Sache führen,
Schreckt jeder Strahl: er wäre ja bereit,
Die Schande ihres Treibens aufzuspüren!
Laßt weiter diese Geißeln unsrer Welt,
Den Würmern gleich, den Schlamm zur Wohnung küren;
Laßt diesen Dünkel, der zur Demut sich verstellt,
Gebete leiernd stets die Weisheit schmähen!

O d'Alembert! In Euer Sinnen gellt
Ihr Toben nur wie ein Geschrei von Krähen,
Das sich zuletzt als leerer Schall erweist.
Ein Windhauch kommt und läßt ihn schnell verwehen.
Dringt unentwegt mit Eurem hohen Geist
Zu ehernen und ew'gen Wahrheitsgründen!
Indes Ihr so bis zu den Sternen reist,
Um ihr Geheimnis uns zu künden,
Gebt Ihr die Feinde der Verachtung preis
Und könnt Euch rein dem trüben Streit entwinden.
Ob ihre Frechheit andre aufzustacheln weiß,
Ob Euch der Schwachkopf vor die Schranken ladet,
Ihr sollt, durch herrliches Geschick begnadet,
Erleuchten fort und fort den Erdenkreis!

Apollo im Kampfe mit einem Drachen: d'Alemberts Kampf gegen Aberglauben und Fanatismus.


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