Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Wider die Krittler

An Algarotti

Du liebenswerter Sproß aus fernem Süd,
In dem aufs neu der hohe Geist erblüht,
Gesittung und Geschmack, die einst beglückt
Das alte Rom und herrlich es geschmückt:
Sag an, was treibt uns, bissig einen jeden,
Selbst Freunde, zu bekritteln und zu kränken?
Begierig fahnden wir nach ihren Schäden
Und suchen selbst das Lob mit Gift zu tränken.
Ist's wohl der Eigenliebe wechselnd Wesen,
Das gern des Geistes Maske sich erlesen,
Das lüstern stets nach fremden Schwächen späht
Und selber sich vor ihnen eitel bläht?
Hat Gott, der doch als unser Schöpfer gilt,
In unser Herz geprägt ein heimlich Bild,
Das der Vollendung hehre Züge trägt
Und unsern Sinn stets zum Vergleich erregt?

Doch soll kein Lob dies Laster mehr verklären,
Nur Eigenliebe konnte es gebären.
Der Höfling schmeichelt seines Feindes Schwächen
Und sucht galant ihm so den Hals zu brechen.
Gewissenhaft verschmäht er offnen Tadel
Und sticht den Gegner mit geheimer Nadel,
Ist auch noch stolz auf seinen scharfen Geist,
Drum fürcht' ich sein Gemüt und Wort zumeist.
Denn wär' er gütig, würden seine Reden
Nicht jeden so mit Spott und Hohn befehden.
Er würde mild vor fremden Fehlern stehn
Und sie in Lieb' und Güte übersehn.
Doch alle Freundschaft muß auf Erden sterben,
Wenn jene Krittler scheltend sie verderben.

Von jeher war es der Natur Bestreben,
Ein andres Antlitz jedem Ding zu geben.
Burrhus sieht es von vorn, von rückwärts sieht's Sejan,
Daher entsteht der tausendfache Wahn.
Ich fürchte, des Soldaten rauher Sinn
Neigt nicht zu Wissenschaft und Weisheit hin.
Und manch verbissener Pedant verzeiht
Dem Geldmann nicht die brave Tätigkeit.
Ein Rechtsgelehrter sagt wohl frank und frei,
Daß der Soldat ein Menschenfresser sei.
Ihr Jünger Don Quichotes, die ihr verblendet
Noch stolz auf eure schwachen Taten seid,
Ihr seht nicht, wie Natur doch allezeit
Zu vielen Zwecken jedes Ding verwendet.
Jedem ist sein Geschick und sein Talent bestellt,
Ihr Unterschied bedingt das Wohl der Welt.

Wenn jeder wollte Rechtsgelehrter werden,
Wer möchte dann nach unsern Feldern schaun,
Wer erntete mit Schweiß und mit Beschwerden
Das Korn und suchte Äcker zu bebaun!
Wähnt ihr, ein Advokat wird euch beschützen,
Sobald ein Fürst, den Augenblick zu nützen,
Mit Krieg und Not das ganze Land bedrängt
Und Heer um Heer auf eure Staaten lenkt?
Es braucht der Staat den Rechtsmann und den Krieger,
Und ohne sie verfällt er dem Besieger.
Er gliche sonst dem unbemannten Schiff,
Das steuerlos der Sturm zerschellt am Riff.
Man preise drum und tadle nicht zuviel
Die Vorsehung und ihrer Farben Spiel.
Und nur das krasse Laster sei verdammt,
Dem der Gemeinschaft ärgster Feind entstammt.

Mir fällt hier ein, wie ich ein Gleichnis hörte
In Jahren, als man mich noch Fabeln lehrte:
Einst war im Jugendalter der Natur
Voll Einsicht eine jede Kreatur.
Vernunft erleuchtete das Tiergeschlecht,
Zu reden war sogar der Pflanzen heilig Recht,
Vollkommen jedes Ding von Anbeginn,
Und Blatt und Blüte raunten tiefen Sinn.
In einem Garten einst in jener Zeit
– Sein Name sank wohl in Vergessenheit –
Sprach dünkelhaft verächtlich zu dem Wein
Die Rose: »O, wie mußt du elend sein!
Beschnitte nicht der Mensch dein reich Geäst,
Und hielten kletternd die gekappten Ranken
Nicht zärtlich die barmherz'ge Ulme fest,
Du müßtest kriechend auf dem Boden kranken.
Dein unbegnadet Holz trägt keine Blüten,
Dein Laub ist schattenlos, duftlos die Frucht,
Doch wenn die Sonnenstrahlen mich beglühten,
Mir selbst Aurora nicht zu gleichen sucht.
Des Weihrauchs Schwall, des seltnen Balsams Düfte
Beleben nicht so süß wie ich die Lüfte.
Ich schmücke hell das Haar der schönen Frauen,
Man ruft mich stets zu allen Festen hin,
Und wunderherrlich kannst du mich beschauen
Als aller Gärten stolze Königin.«

»Ich gelte mehr als du«, so sprach der Wein.
»Wie oft in deiner Schönheit jungem Schein
Zerreißt ein rauher Wind dein prächtig Kleid:
Kaum blühst du auf, bist du dem Tod geweiht.
Ich schätzte höher deine Himmelsgaben,
Wäre dein Stiel nicht so an Dornen reich
Und würde lieber uns mit Früchten laben,
Dann wärest du mir erst an Nutzen gleich.
Sieh meine leckern Trauben blau und golden,
Wer gab' um deine Kelche meinen Saft?
Er quillt gepreßt aus meinen vollen Dolden,
Treibt Sorgen fort und bietet neue Kraft.
Mein Laub umschmückt, wo Liebesfeste brannten,
Den Thyrsus und die Stirnen der Bacchanten.
Dein Blühn vergeht, ich daure allezeit.«

Ein grober Distelstrauch belauschte diesen Streit.
Er hatte breit das ganze Feld bedeckt
Und sprach, den wüsten Busch hoch aufgereckt:
»Nicht hab' ich euren Duft, der Früchte Schatz,
Doch mein Gewächs gedeiht an jedem Platz,
Und was ihr tragt an Frucht- und Blütengut,
Nimmt sich der Mensch als schuldigen Tribut.
Wir aber fühlen uns in Freiheit reich,
Und so verachtet meine Distel euch.«

Ja wurzelten sie nicht im Erdenschoß,
Sie schlügen wütend aufeinander los.
Da schwebte leicht in hoher Luft vorbei
Der Aar des Zeus und hörte ihr Geschrei.
»Du wüste Distel«, rief er, »schweige jetzt,
Du Schandgewächs, das nur der Esel schätzt!
Lerne von mir, dich weniger zu adeln,
Nur der Vollkommne hat das Recht zu tadeln.«
Auch zu den andern fing er an zu reden:
»So hört doch auf mit euren bissigen Fehden!
Statt so mit bittern Worten euch zu kränken,
Soll jeder an des andern Nutzen denken.
Jeder füllt seinen Platz, die Rose und der Wein,
Der Dinge Ordnung schließt sie alle ein.
Drum laßt nicht überkühn die Wünsche steigen.«

Ja, die Vollendung ist nur Göttern eigen.
Denn Gut und Böse werden Hand in Hand
Sich immer teilen in dies Erdenland.
Die schöne Welt hat Wüsten dürr und hart;
Der Sommer sengt, in Eis der Winter starrt.
Und zeigt uns nicht der krause Erdenball
Meer, Berge, Wälder, Schluchten überall?
Wind, Feuer, Luft sind wildem Streit ergeben,
Denn Kampf ist erst der Elemente Leben.
Und wer den Tag nur licht und fröhlich sieht,
Verkennt Natur und träumt als Sybarit;
Doch täuscht sich auch, wer nur mit Schlechtem mißt.
Man nehme drum die Welt so, wie sie ist.

Die Mahnung des Königs, mit der das Gedicht ausklingt, die Welt zu nehmen, wie sie ist, wird veranschaulicht durch den in sein Schicksal ergebenen Orientalen, der sich andächtig vor der aufgehenden Morgensonne neigt.


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