Friedrich der Große
Gedichte
Friedrich der Große

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Den Manen Cäsarions

(August 1745)

Was hör' ich? Gott, welch schreckensvolles Wort:
Cäsarion ist nicht mehr! Cäsarion ist fort!
Du hast den treusten, besten Freund verloren!
Als wenn mich Dolche tausendfach durchbohren,
So zuckt mein Herz
In wildem Schmerz.
Du bist nicht mehr! so wird mir's ewig klingen;
Dir nach zum Nichts wird meine Liebe dringen.
Wie ich Dich im Leben geachtet, geehrt,
So bleibst Du mir inniger Liebe wert.

Wie fest hast Du dem Tod ins Aug' geschaut,
Vor dem doch jedes Menschen Herze graut!
Von Mannesmut gestützt, geführt,
Blieb Deine reine Seele unberührt
Von jenem Hirngespinst von einer Hölle
Und einer dunkeln Zukunft unsrer Seele.
Du hast in Deinen frohen Lebensstunden
Den Halt beim Meister Epikur gefunden;
Wie stolz hast Du im Tod Dich aufgerafft:
Da überbotst Du Zenos Geisteskraft!

Weh mir, dies Herz, das so erhaben schlug,
Was ward aus ihm? Wer sagt mir's? Wer?
Der Geist, der adlige Gedanken trug,
Lebt er wohl noch? O sagt, ist er nicht mehr?
Gott, welch ein Abgrund! Alles ist vernichtet,
Sein Geist und seine Güte! Wenn er lebte,
Gewiß, sein Schatten, sein Gedanke strebte
Aus Nacht und Tod zu mir, ja, er umschwebte
Mein wehes Haupt: er hätt' mich aufgerichtet!

Leidvoll Erinnern, bittrer Kelch der Trauer!
Und bildest dir, törichte Stoa, ein,
Du könntest Menschenseelen auf die Dauer
Wider die Schläge des Geschickes sein?
Wie leidgewappnet glaubt' ich mich,
Wie stark – wie unerschütterlich –
Und nun, was muß ich nun an mir erleben!
Wehrlos bin ich dem Schmerze preisgegeben,
Zerstört, vernichtet fast in Seelennot
Durch Deinen Tod. –

Still, still! Was ist denn der Verstand noch wert,
Wenn er sich gegen das Empfinden kehrt
Und meinen Gram mit Bitternissen mehrt?
Er sagt zu mir, mein Alles sei dahin.
So weit die Welt, so leer! Und ich, ich bin
Verwaist, allein! Ich hab' Dich so geliebt –

Wie schattenhaft verwehten doch die Tage,
Da wir, was uns erfreut, was uns betrübt,
Wie Brüder teilten; da in gleichem Schlage
Dein Herz und meines schlug. Mein Glück war Deins.
Wie waren wir in all und jedem eins,
Im Großen und im Kleinen; ungetrübt und klar
Blieb uns der Freundschaft Himmel immerdar.
Der Frohsinn hat Dich stets begleitet,
Dein Geist, durch schöne Bücher wohl geleitet,
Hat gern gebändigt, ritterlich und zart,
Die Fröhlichkeit, die sich oft wild gebart.

Dich machte Deine edle Sitte wert,
Dich den erlauchten Geistern zu gesellen.
Die Hellas und Paris mit Glanz erhellen,
Ach, und Dein Herz: Dich unter die zu stellen,
Von deren Freundschaft uns die Lieder melden,
Die kleine Schar von hochgesinnten Helden,
Die man um ihrer Treue willen ehrt.
Wüßt' ich die Leier des Horaz zu schlagen,
Fürwahr, das Echo sollte vom Parnaß
Hier dieses Herzens Sehnsucht mit mir klagen,
Das Dir verbunden bleibt ohn' Unterlaß;
Mehr denn Achates warst Du, würd' ich sagen,
Mehr denn ein Pylades, Pirithous;
So in der Liebe feurigstem Erguß
Unsterblich werden sollte im Gesang,
Was Dich geziert Dein Leben lang.

Ich darf die Sonne sehn, und Du nicht mehr!
So ist's denn wahr, nur zu wahr, daß er,
Der Unerbittliche, ohn' Unterschied
Das Schönste in das Nichts herunterzieht.
Ob Wert, ob Unwert! Ehre oder Schande!
Wer fragt danach noch am Cocytusstrande:
Was hat Achill, was Hektor dem Thersites
Voraus? Auch ich geh' schleunigen Schrittes
Der Heimstatt zu, der dunklen; Tage, Stunden
Sind, wie sie kamen, mir im Flug entschwunden.
Halb schon durchmessen ist die Lebensbahn,
Und nah und näher rückt das Ziel heran.
Geduld! Nicht lang mehr währt's, so grüß' ich Dich
Im dunklen Schattenreich, um inniglich
Mit Dir in düstrer Friedensfreistatt dort
Die Freundschaft zu erneun
Und fort und fort
Dir liebend nah zu sein.
Indes solang' in dieser Welt
Das Schicksal mich gefesselt hält,
Bleibt mir Dein Bildnis unvergessen.
So lang gibt's auch kein Glück, das je
Mir lindern mag mein brennend Weh.

Laß unter Deinen Grabzypressen
Mein Haupt mich senken; ungemessen
Laß meine Schmerzenswollust sein!
Dort will ich heiße Herzenstränen
Und Seufzer Dir aus nie gestilltem Sehnen
Und tiefempfundne Lieder weihn,
Mit Myrten dann und Blumen – sieh, es glänzen
Noch meine Tränen drauf – Dein Grab bekränzen.

Und doch, glückselig preis' ich den,
Der heitrer Stirn mit Seelenadel
Dem Tode kann entgegensehn,
Ein Ritter ohne Furcht und Tadel.

Ein Kirchhof.


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