Theodor Fontane
Fünf Schlösser
Theodor Fontane

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7. Kapitel

Was nach dem Duell geschah

Baron Knyphausen, wie sein letzter Brief es andeutete, befreite sich wirklich aus seinem Baruther Gewahrsam und kam glücklich nach Berlin. Aber freilich ohne seines Aufenthaltes daselbst froh zu werden. Er hatte durch seine Handelsweise niemanden zufriedengestellt.

Die Gerichte zogen ihn vor ihr Forum und trafen ernstlich Anstalt, ihn als einen Duellanten, Friedensbrecher und Raufbold zu bestrafen, während ihm umgekehrt die Bevölkerung, insonderheit aber die vornehme Welt, einen Vorwurf daraus machte, nicht raufboldig genug, vielmehr viel zu schwach und ängstlich gewesen zu sein. Er litt unter jedem dieser Vorwürfe, zumal unter dem zweiten, und die dieser Zeit angehörigen, an seinen Vater gerichteten Briefe geben Zeugnis von einer gewissen Niedergeschlagenheit. Ich fahre fort in Mitteilung dieser Briefe.

 
Berlin, 30. Juli 1783

Mein hochgeehrter Herr Vater. In meinem letzten, aus Baruth datierten Briefe hatt ich bereits die Ehre, Ihnen über mein Duell mit Mr. Elliot und daran anschließend über meine Gefangenschaft in dem kleinen sächsischen Städtchen zu berichten. Gestatten Sie mir, in diesem Berichte fortzufahren. Ich versuchte jedes Mittel in Dresden, meine Freilassung zu bewirken, aber man antwortete mir, »daß man trotz des besten Willens nichts ändern oder beschleunigen könne, da der Kurfürst selbst nicht das Recht habe, dem Gange der Justiz vorzugreifen«. Einem Schreiben unseres Gesandten konnt ich entnehmen, daß es das beste sein würde, Begnadigung nachzusuchen, will sagen Pardonierung um Geld. Ich überlegte mir, daß man mich in jenem Lande nach Willkür taxieren und meine Begnadigung auf etwa 200 Dukaten festsetzen würde. Das war mir zu hoch, und da mich auch Herr von Hertzberg um ebendiese Zeit wissen ließ, »er rate mir, mich anderweitig aus der Sache herauszuziehn«, so beschloß ich Flucht.

Ein Doppelposten hatte mich zu bewachen, indessen war mir um meiner Gesundheit willen gestattet worden, in einer Ausdehnung von etwa hundert Schritt vor dem Hause zu promenieren. Ich benutzte dies als Mittel, mich zu befreien, instruierte meinen ängstlichen, aber durchaus verständigen und zuverlässigen Diener und ließ ihn, als er genau wußte, was zu tun war, abreisen. Am andern Tag fünf Uhr früh erschienen denn auch zwei berittene Leute vor der Stadt, jeder noch mit einem Handpferde neben sich, und gaben sich, während sie ruhig einritten, das Ansehen, als ob sie die Hauptstraße der Stadt und bei der Gelegenheit meine Wohnung passieren wollten, in demselben Augenblick aber, wo sie bis dicht heran waren, schwangen wir uns, Koppi und ich, hinauf und jagten auf das Tor zu. Die Straße war sehr lang, und ehe wir den Ausgang erreichen konnten, sahen wir schon, daß man Miene machte, das Gatter von obenher herabzulassen. Jetzt galt es Eil. Auf die Gefahr hin, mir den Kopf einzuschlagen, prescht ich durch, Koppi mir nach, und nur unsere zwei Leute, die den rechten Augenblick versäumten, wurden gefangengenommen. Sind übrigens inzwischen auf Reklamation unserer Behörden wieder in Freiheit gesetzt worden. Unsere Flucht war also geglückt.

Ich wandte mich nunmehr von Baruth aus direkt nach Britz, wo mir Herr von Hertzberg ein vorläufiges Asyl zugesichert hatte. Daselbst erfuhr ich denn auch, daß meinem Inkognitoaufenthalt in Berlin aller Wahrscheinlichkeit nach nichts im Wege stehen werde, woraufhin ich mich, von Britz aus, in die Stadt begab. Aber sehr zur Unzeit, da bereits am andern Morgen auf eine von Baruth her an das Kammergericht gerichtete Requisition meine Verhaftung erfolgte. Beiläufig eine Dummheit, insoweit das Kammergericht dieser Requisition keine Folge zu geben brauchte, vielleicht nicht einmal durfte. Sechs Tage später erst wurd ich auf Fürsprache des Herrn von Hertzberg und nach eidlicher Versicherung meinerseits, mich wieder stellen zu wollen, aus der Haft entlassen, nachdem ich all die Zeit über in der Hausvogtei (ganz wie Vetter Dodo nach seinem Duell mit Herrn von Bredow) eingesperrt gewesen war. Zwei Landreiter vor meiner Tür.

Ich hatte bei meiner Hierherkunft wenigstens gehofft, vor einem aus der Duellgeschichte hergeleiteten Kriminalprozeß sicher zu sein, aber sehr mit Unrecht; ein schändlicher Kerl, der Generalfiskal, hat mich, auf ich weiß nicht welche Veranlassung hin, denunziert, und so wird denn doch ein Prozeß stattfinden, an dem ich wiederum das am meisten beklage, daß er mutmaßlich große Kosten verursachen wird. In meinem nächsten Briefe werd ich wohl von diesem Prozesse zu berichten haben. Bis dahin und für immer in tiefstem Respekt Ihr ergebener und gehorsamer Sohn George.

 
Berlin, den 15. August 1783

Mein hochverehrter Herr Vater. Meine Verhöre sind beendigt. Bei der Unzahl von Zeugen, die sowohl die Fürstenberger wie die Baruther Affaire gehabt hat, hab ich in bezug auf das Tatsächliche nichts verheimlichen können, aber in bezug auf alles das, was vorausging, habe ich vieles unterdrückt, entstellt und gedreht, um unsren Streit als ein »Rencontre« und nicht als ein »Duell« (worauf härtre Strafen stehn) erscheinen zu lassen. Im übrigen brauch ich Ihnen nicht zu versichern, mein hochgeehrter Herr Vater, wie sehr man bemüht gewesen ist, mich, besonders bei Behandlung des »delikaten Punkts«, in die Enge zu treiben.

Sie haben, so schreiben Sie mir, von den Gerüchten gehört, die betreffs meiner umgehen, und verlangen Aufklärung darüber. Was mir zu sagen obliegt, ist kurz das: all diese Gerüchte sind begreiflich und erstaunen mich nicht. Ich habe, dies bitt ich rundheraus versichern zu dürfen, zu viel Vertrauen und Entgegenkommen, zu viel versöhnlichen Geist und Delikatesse gezeigt, um auf ein volles Verständnis meiner Handelsweise rechnen zu können. Am wenigsten bei dem großen Haufen. Ich begegne hier tagtäglich Personen, auch Gebildeten, die mir ihre Verwunderung darüber ausdrücken, daß ich aus meiner Fürstenberger Situation nicht größeren Vorteil gezogen und die mir günstig gesinnte Bevölkerung nicht einfach zum Angriff gegen Elliot angeregt habe. Wohlan, so viel ist gewiß, daß ich bei solchem Verfahren in meinem vollen Recht gewesen wäre. Doch lag es mir fern, mein Recht in solcher Ausdehnung üben zu wollen. Wieder andere begreifen nicht und tadeln mich bitter, einem solchen Gegner die von ihm so sehr gewünschte »Erklärung« und in ebendieser Erklärung die Verzeihung für all seine Tollheiten gegeben zu haben. Und alle solche Vorwürfe muß ich ruhig hinnehmen. Es gibt eben wenig Personen, die von Generosität eine Vorstellung haben und sich klarmachen, daß ein Ehrenhandel etwas anderes ist und einer andern Beurteilung unterliegt als ein Zivil- und Kriminalprozeß. Eine noch geringere Zahl von Menschen erwägt die Macht des Moments und wie sehr der Moment angetan war, mich wenigstens vorübergehend zugunsten Elliots zu stimmen. Er schoß in die Luft statt auf mich, und das alles, nachdem er mir eine Minute zuvor in Gegenwart meines Sekundanten erklärt hatte, »daß er, wenn ich ihn nicht rehabilitierte, sich selber eine Kugel durch den Kopf jagen müsse«.

Daneben freilich, mein teurer Herr Vater, soll nicht bestritten sein, daß im Laufe dieser Angelegenheit auch meinerseits allerhand Unklugheiten und Unvorsichtigkeiten begangen wurden, Unvorsichtigkeiten, die gewiß zu tadeln sind, aber unter gewöhnlichen Verhältnissen jedenfalls minder tadelnswert erscheinen würden. Ich hatte nur von Anfang an das Unglück, in diesem Ehrenhandel mit einem Menschen engagiert zu sein, der, schon von Natur ein Narr, bei jedem ausbrechenden Streit ein Verrückter, ein Tobsüchtiger wird.

Ich hoffe, mein teurer Vater, daß dies der letzte Kummer ist, den ich Ihnen bereitet habe. Wenn ich Ihnen wieder schreibe, so wird es geschehen, um Ihnen einen Plan vorzulegen, der, denke ich, Ihre Zustimmung finden soll. Ich bitte nur, ein ganz klein wenig meinem Urteil und meiner ruhigen Überlegung vertrauen und ein für allemal davon ausgehen zu wollen, daß meinerseits nichts geschehen wird, was Ihre oder meine Ehre zu kompromittieren imstande wäre. Ihr ergebener und gehorsamer Sohn George.


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