Theodor Fontane
Fünf Schlösser
Theodor Fontane

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5. Kapitel

Die Krautentochter (nunmehr Frau von Elliot) führt eine unglückliche Ehe

Nicht gleich anfangs zeigte sich der Bruch, ein Jahr nach der Vermählung wurd eine Tochter geboren, Elliot war glücklich, und vielleicht war es auch die junge Frau.

Aber es währte nicht lange. Sosehr Elliot seine Frau liebte, so war es doch eine tyrannisch-launenhafte Liebe, die Zuneigung eines Kindes, das heute mit der Puppe spielt, morgen sie schlägt und piekt und übermorgen sie aufschneidet, um zu sehen, wie's drin aussieht und ob sie ein Herz hat. Es scheint indessen, daß die junge Frau diese Launen ertrug, bis das ridikül eifersüchtige, vor aller Welt sie bloßstellende Benehmen ihres Gatten ihr ein Zusammenleben mit ihm unerträglich machte.

Es war 1781 oder 82, als Elliot, der sich schon vorher in ähnlichen Phantastereien ergangen hatte, plötzlich auf den Einfall kam, seine Frau unterhalte ein Liebesverhältnis mit dem holländischen Gesandten. Der Name desselben wird nicht genannt. Gleichviel. Dieser Gesandte war nicht mehr jung und dachte nicht an Liebesabenteuer. Elliot indessen hatte sich's in den Kopf gesetzt und wollte nur noch Gewißheit haben. Um diese sich zu verschaffen, begann er eines Tages nach dem Schlafengehen (er liebte mitternächtliche Konversationen), seiner Frau Mangel an Zärtlichkeit vorzuwerfen und ihr bei der Gelegenheit die Namen einer ganzen Anzahl von Personen zu nennen, für die sie sich unerklärlicherweise mehr interessiere als für ihn. Und zuletzt nannt er ihr auch den Namen des alten holländischen Gesandten. Sie nahm alles zunächst als einen Scherz, als er aber fortfuhr, sie mit den unziemlichsten und beleidigendsten Fragen zu quälen, riß ihr endlich der Faden der Geduld. »Ob ich ihn liebe? Jedenfalls lieb ich ihn mehr als dich, weil er mich weniger gequält hat als du.« Kaum daß diese Worte gesprochen waren, so sprang Elliot aus dem Bett und lief in nur halbvollendeter Toilette nach dem andern Ende der Stadt, um den holländischen Gesandten wecken zu lassen. Als dieser bestürzt erschien und die Mitteilung einer Nachricht von höchster politischer Dringlichkeit erwartete, fuhr Elliot auf ihn los: »Er unterhalte ein Verhältnis mit seiner Frau, was ihm diese vor einer halben Stunde selber gestanden habe. Die Sache müsse sofort geregelt werden, weshalb er hiermit anfrage, ob er seine Frau zu heiraten gedenke?« Der geängstigte Gesandte versicherte, »daß er Frau von Elliot überhaupt nur zweimal in seinem Leben gesprochen habe; was aber das Heiraten angehe, so steh es bei ihm fest, überhaupt nicht zu heiraten«. Elliot hörte dies mit Befriedigung, war aber weit entfernt dadurch beruhigt zu sein, drang vielmehr in den Gesandten, auf der Stelle mit ihm zu kommen und in Gegenwart seiner Frau dieselbe Versicherung abzugeben. Um allerlei Rücksichten willen, die namentlich in den nahen Beziehungen der Madame de Verelst zur Prinzessin von Oranien ihren Grund hatten, ließ sich der Gesandte bestimmen, dem halb unsinnigen Elliot in seine Wohnung zu folgen und hier in Gegenwart der herbeigerufenen Frau von E. zu wiederholen, »daß ihm beide Male, wo er die Ehre gehabt, mit ihr zu sprechen, ein Heiratsgedanke durchaus ferngelegen habe«. Die schon durch sein Erscheinen, aber viel mehr noch durch diese Versicherung aufs äußerste bestürzte Frau verlangte schließlich nur »ein diskretes Schweigen über das Vorgefallene«, was denn auch Elliot nicht bloß zusagte, sondern sofort auch in einem feierlichen Eide beschwor. Aber natürlich nur, um am nächsten Morgen all seinen Freunden und Freundinnen das nächtliche Vorkommnis unter den ungeheuerlichsten Zusätzen als Anekdote zum besten zu geben. Eine Folge davon war, daß sich die Hofgesellschaft zu größerem Teile von der um ihrer Triumphe willen ohnehin vielbeneideten Frau von Elliot zurückzog.

Bis zu diesem Punkte waren die Dinge gediehen, als Baron Knyphausen, der in einem entfernten Verwandtschaftsverhältnis zu der jungen Frau stand, aus seiner ostfriesischen Heimat an den Rheinsberger Hof, an dem er eine Kammerherrnstelle bekleidete, zurückkehrte. Hier in Rheinsberg fand er neben Madame de Verelst auch das Elliotsche Paar vor und wurde, da die Mißhelligkeiten desselben kein Geheimnis waren, alsbald der Vertraute der unsagbar unglücklichen Frau. Sie sahen sich oft, berieten und planten und unterhielten, als Frau von Elliot den Rheinsberger Hof wieder verlassen hatte, sowohl nach Berlin wie nach Hoppenrade hin eine lebhafte Korrespondenz.

Um dieselbe Zeit etwa, wo diese Korrespondenz geführt wurde, fand die schon vorerwähnte Versetzung Elliots an den Kopenhagener Hof statt, was übrigens ein beständiges und intimes Eingeweihtbleiben in das, was in seinem Berliner Hause vorging, nicht hinderte. Madame de Verelst unterhielt ihn über die fortgesetzten, abwechselnd persönlichen und brieflichen Beziehungen ihrer Tochter zu Baron Knyphausen und entwarf allerlei Pläne mit ihm, diesem Treiben ein Ende zu machen. In Ausführung dieser Pläne war es denn auch, daß von seiten Elliots eine Herausforderung an Knyphausen erging.

Und hiermit war der erste Schritt zu jenem célèbren Rencontre geschehen, das uns auf den nächsten Seiten unter Zugrundelegung einer Anzahl Knyphausenscher Briefe beschäftigen soll. Einiges, was in vorstehendem schon angedeutet wurde, findet darin Bestätigung und weitere Ausführung.

 
Fürstenberg (in Mecklenburg-Strelitz), 4. Juli 1783

Mein hochgeehrter Herr Vater. Sie werden überrascht sein, von diesem unbekannten mecklenburgischen Städtchen aus einen Brief von mir zu erhalten. Aber das Nachstehende wird Aufklärung darüber geben. Als ich letzten Sommer von meinem Besuch bei Ihnen nach Rheinsberg zurückkehrte, fand ich daselbst eine zahlreiche Gesellschaft vor und darunter auch den englischen Gesandten Elliot samt seiner Gemahlin, Frau von Elliot, einer geborenen Baronesse von Kraut. Frau von Elliot, die bis dahin ihrer großen Schönheit unerachtet niemals einen Eindruck auf mich gemacht hatte, rührte mich durch ihr eheliches Unglück, das viel, viel größer war als ihre Schuld, wenn von einer solchen überhaupt gesprochen werden kann. Was stattgefunden hatte, waren Unvorsichtigkeiten, die leider nicht bloß seitens Mr. Elliots, eines ebenso großsprecherischen und eitlen wie leichtsinnigen und charakterlosen Mannes, sondern auch seitens der eigenen Mutter ausgebeutet worden waren, um der jungen Frau zu schaden. Wirklich, Frau von Elliot war das Opfer eines Komplotts, einer Intrige dieser beiden rücksichtslosen Personen, eine Tatsache, die mich empörte. Verfolgungen, auch wenn sie nicht mich, sondern andere treffen, berühren mich stets als Unerträgliches und bestimmten mich auch hier zu Schritten, die mir die Dankbarkeit der jungen Frau, aber freilich auch die Feindschaft ihrer Mutter und ihres Mannes eintrugen. Dieser wurde zum Überfluß auch noch eifersüchtig und gab mir schließlich den Rat, mich um die Angelegenheiten seiner Frau nicht weiter zu kümmern, auf welche Drohung hin ich nur antwortete: »daß ich meinen Eifer von jetzt ab verdoppeln würde«. Dasselbe sprach ich auch gegen die Mutter, eine vom unerträglichsten Herrschsuchtsteufel geplagte Närrin aus, als sich dieselbe veranlaßt sah, einen ähnlich hohen Ton wie der Schwiegersohn gegen mich anzustimmen.

Inzwischen war der Winter herangekommen, und der Prinz Heinrichsche Hof übersiedelte wie gewöhnlich von Rheinsberg nach Berlin. Auch Madame de Verelst bezog wieder ihre Stadtwohnung, ebenso Frau von Elliot. Diese letztere nunmehr jeder Selbständigkeit und jeder Freiheit zu berauben war ein mittlerweile herangereifter Plan. Ich sah klar, daß man gewillt war, die junge Frau, sei's mit sei's ohne Zustimmung, auf ein Elliotsches Schloß zu schaffen, um sich derweilen ihres Vermögens bemächtigen zu können. Und das zu hindern wurde von nun an meine Aufgabe.

Bald nach Neujahr 1783 erfolgte Elliots Versetzung vom Berliner Hof an den Kopenhagener. Er akzeptierte die Versetzung und ließ seine Frau samt einem vierjährigen Töchterchen mit der Weisung zurück, ihm in der schönen Jahreszeit zu folgen. Aber Frau von Elliot war nicht gesonnen, dieser Weisung zu gehorchen. Voll Abneigung gegen ihren Gatten, erbat sie sich meinen Rat in dieser Angelegenheit und führte dadurch einen Briefwechsel herbei, der zunächst den heftigsten Zorn der Mutter erregte. Sie setzte sich denn auch mit Elliot selbst in Verbindung und vereinbarte folgenden Plan. Er, Elliot, solle plötzlich erscheinen, in die Zimmer seiner Frau dringen, ihre Bureaus erbrechen, die sträfliche Korrespondenz an sich nehmen und unter Androhung eines gerichtlichen Verfahrens die Zustimmung der jungen Frau zu jedem von Mutter und Ehemann gewollten Schritt erzwingen. Auch hinsichtlich der vierjährigen Enkelin wurden Bestimmungen getroffen; das Kind sollte für immer bei der Großmutter bleiben und von dieser erzogen werden. Auf all dies ging Elliot ein, erschien wirklich in aller Plötzlichkeit in Berlin, bemächtigte sich der Papiere, zugleich auch des Kindes und schickte das letztere dieselbe Nacht noch in Begleitung eines vertrauten Dieners nach Kopenhagen. Er folgte selbst Tages darauf, ohne seine Frau gesehen zu haben. Nur mit seiner Schwiegermutter, die gegen die dem Programm widersprechende Wegführung ihrer Enkelin protestiert hatte, war er schließlich in eine heftige Streitszene geraten.

So der erste Akt.

Einige Zeit danach erhielt ich einen Brief Elliots, in dem es hieß, es stünde jetzt in seiner Hand, mich der Strenge des Gesetzes oder des Königs in Person zu überliefern, er verzichte jedoch darauf, wenn ich meinerseits nach Dänemark kommen und mich in der Nähe von Kopenhagen mit ihm schlagen wolle. Das war eine sonderbare Zumutung. Ich antwortete ihm, daß er ein Narr wäre, dem nachzulaufen ich nicht die geringste Veranlassung hätte; während seiner Anwesenheit in Berlin hätte sich notwendig die Zeit zu solcher Begegnung finden müssen, das wäre das Korrekte gewesen, jedenfalls korrekter, als per Post abreisen und nachträglich eine solche Bravade in die Welt zu schicken. Auch an Madame de Verelst schrieb ich, unter nur zu gebotenem Hinweise darauf, wie wenig geraten es sei, derlei Familienangelegenheiten an die große Glocke zu hängen.

Elliots Freunde veröffentlichten inzwischen Elliots Brief an mich und behaupteten: »ich habe Satisfaktion verweigert«. Das zwang mich nunmehr, auch meinen Brief zur allgemeinen Kenntnis zu bringen und unter anderm eine Kopie desselben an unseren preußischen Gesandten in Kopenhagen gelangen zu lassen.

All dies ereignete sich im April.

Zwei Monate waren bereits vergangen, als ich plötzlich erfuhr und andere mit mir: Elliot komme nach Berlin, um sich mit mir zu schlagen. Die Sache machte begreiflicherweise Sensation, und im Publikum sprach man eine Zeitlang von nichts anderem. Ich meinerseits ließ die Leute reden und wartete der angekündigten Dinge, bis ich eines Tages in Erfahrung brachte, der Generalfiskal habe Befehl erhalten, ein Rencontre zwischen Elliot und mir unter allen Umständen, ja nötigenfalls mit Gewalt zu hintertreiben. Auf diese Mitteilung hin verließ ich Berlin sofort, um mich behufs ungehinderter Ausfechtung unserer Sache hierher ins Mecklenburgische zu begeben. Es war das um so nötiger, als man seitens der Elliotschen Partei, die sich durch Rücksichtslosigkeit und Lüge auszeichnet, bereits verbreitet hatte, die angedrohte Einmischung des Generalfiskals sei durch mich veranlaßt worden.

So liegt momentan der Streit. Elliot ist brieflich benachrichtigt worden, daß ich mich hier in Fürstenberg befinde. Mehr konnte mir nicht obliegen. Sobald sich Weiteres ereignet haben wird, werd ich nicht säumen, Sie, teuerster Vater, davon in Kenntnis zu setzen.

Ihr G. W. Kn.


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