Theodor Fontane
Fünf Schlösser
Theodor Fontane

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9. Kapitel

Der Kampf gegen die Quitzows wird aufgenommen und endet mit ihrer Niederwerfung. Friesack und Plaue fallen

Aller Unmut aber, den das erzbischöfliche Schreiben aussprach, wurde von dem Burggrafen nur zu sehr geteilt, der sich überdies der Erkenntnis nicht länger verschließen konnte, daß er, bei fortgesetztem ruhigen Gewährenlassen, dem Vorwurfe der Schwäche, ja vielleicht dem Verdachte der Zweideutigkeit und des geheimen Einverständnisses mit den Friedensbrechern nicht entgehen werde. Dies alles erzielte, daß man auf erzbischöflicher wie burggräflicher Seite rasch einig wurde, die längst vorher gefaßten Bündnisbeschlüsse (deren dritter Hauptteilnehmer der mehrgenannte Herzog Rudolf zu Sachsen war) in Kraft treten zu lassen, und als wenige Wochen später, am 14. Januar 1414, auch noch ein kaiserliches Schreiben eintraf, das die vier Führer der Fronde: die beiden Quitzows sowie Kaspar Gans zu Putlitz und Wichard von Rochow auf Golzow in die Oberacht erklärte, so schritt man seitens der Verbündeten mit einer für die damaligen Zeitverhältnisse frappierenden Schnelligkeit zur Ausführung ihrer Pläne. Der Erzbischof wollte Revanche nehmen, der Burggraf Ordnung stiften. In vier Kolonnen, deren Zusammensetzung, wie vieles andere, schon bei früheren Zusammenkünften festgestellt und geregelt war, brach man gegen die vier Hauptschlösser der Quitzows und ihres Anhanges auf.

Gegen das von Wichard von Rochow verteidigte Schloß Golzow rückte Herzog Rudolf von Sachsen von Belzig aus. 5. Februar 1414.

Gegen Schloß Beuthen, darin der Quitzowsche Hauptmann Götz von Predöhl (nicht Goswin von Brederlow, wie Wusterwitz irrtümlich schreibt) befehligte, rückte Johann von Torgau mit Bürgern von Jüterbog, Treuenbrietzen und Beelitz sowie mit Mannschaften der Klöster Lehnin und Zinna. 6. Februar.

Gegen Schloß Friesack, das Dietrich von Quitzow verteidigte, rückte Burggraf Friedrich in Person; ferner Balthasar Fürst zu Wenden, Ulrich Graf zu Lindow und Ruppin, Herr Johann von Bieberstein und Ritter Otto Pflug. 6. Februar.

Gegen Schloß Plaue, das Johann von Quitzow verteidigte, rückte Günther von Schwarzburg, Erzbischof zu Magdeburg, mit seinem Kriegsvolk. 7. Februar.

Schloß Golzow fiel zuerst (7. Februar), bei welcher Gelegenheit Wusterwitz schreibt: »Als nun Wichard von Rochow sah, daß er's nicht halten könne, hat er, mit den Seinen, einen Strick am Hals und die Frauen in weißen Badekitteln, unter tiefem und demütigem Fußfall sein Schloß abgetreten, auf daß er seine Güter davon haben möchte.«

Den 10. fiel Friesack, nachdem die »große Büchse« die Mauern des Schlosses niedergelegt und Dietrich von Quitzow seine Flucht bewerkstelligt hatte. Den 26. Februar fiel Plaue, woran sich ein paar Tage später auch die Kapitulation von Beuthen schloß. In drei Wochen war der Widerstand gebrochen, Dietrich von Quitzow flüchtig, Johann von Quitzow gefangen.

Näheres wird seitens des Chronisten nicht berichtet. Nur über Belagerung und Eroberung von Schloß Plaue gibt er ein paar Einzelheiten.

»Als nun Johann von Quitzow«, so schreibt er, »vernommen, daß Schloß Friesack, darauf sein Bruder wohnte, gewonnen und eingenommen sei, zugleich aber wahrnahm, daß die dicken Mauern des Schlosses Plaue, darauf seine Zuversicht stund, durch die ›große Büchse‹Daß man sich bei Niederlegung der Mauern von Friesack und Plaue solcher »großen Büchse« bedient, ist wohl sicher, aber einer bestimmten Namensgebung dieser großen Büchse, wie beispielsweise »Faule Grete«, begegnet man bei gleichzeitigen Geschichtsschreibern nicht. Im Besitze der Braunschweiger, so viel weiß man, befand sich eine große Büchse mit Namen »die Faule Metze«, welche im Jahre 1411, als der Erzbischof Günther von Magdeburg mit den Herzögen Bernd und Heinrich von Braunschweig-Lüneburg die Edlen von Schwicheldt wegen ihrer Raubtaten in der festen Harzburg belagerte, ausgezeichnete Dienste leistete. Vielleicht brachte der Erzbischof von Magdeburg diese Büchse mit, und die »Faule Metze« vor Harzburg und die »Faule Grete« vor Plaue sind ein und dasselbe Geschütz. Metze (von Margarethe) und Grete sind ohnehin dieselben Namen., die man von Friesack herangeschafft hatte, zerschossen seien, nahm er montags nach Matthias Apostoli (26. Februar) die Flucht mit seinem Bruder Henning, Studenten von Paris, und einem Knechte, Dietrich Schwalbe genannt, in Meinung, zu entrinnen. Aber die Bürger von Alt- und Neustadt Brandenburg, die auf der anderen Seite des Schlosses über der Havel waren und daselbst mit ihren Büchsen Stand genommen hatten, als sie sahen, daß Johann von Quitzow flüchtig war, folgten sie ihm, um ihn zu greifen. Derowegen verließ er sein Roß und lief zu Fuß, in Meinung, sich also besser verstehlen und verbergen zu können; aber die Knechte Heinrichs von Schwarzburg, Bruder des Erzbischofs von Magdeburg, haben ihn aufgespürt und mit den anderen beiden gefangengenommen und in der Kirche zu Plaue, darin der Erzbischof zu Magdeburg seine Küche hatte, in den Stock gesetzt... Die aber auf dem Schlosse zurückgeblieben, als sie sahen, daß sie's in keinerlei Wege halten könnten, baten um Frieden und übergaben das Schloß zu Gnaden des Herrn Burggrafen, auf daß sie frei und sicher abziehen möchten. Und hat in weiterer Folge der Herr Burggraf das Schloß auch eingenommen und allda (wie man sagt) 700 Seiten Speck ohne alle anderen Viktualien von Fleisch, Wein, Bier und Met vorgefunden.«

So Wusterwitz. Es gibt aber, neben dieser Wusterwitzschen Lesart, auch noch andere Lesarten über den Fall von PlaueNach einer dieser Lesarten, die die magdeburgische Schöppenchronik gibt, entkamen Hans und Henning von Quitzow unbemerkt und verbargen sich in dem hohen Rohr an der Havel, ja, dem älteren Bruder konnte sogar sein Hengst durch seinen Knecht Lüdeke Schwalbe (Wusterwitz nennt ihn Dietrich) nachgebracht werden. Aber, so heißt es weiter, als Hans von Quitzow sich aus dem Rohr erhob und nach dem Zügel des Hengstes griff, scheute dieser, warf den Kopf und entlief. Dies sah der Schulze von Schmitsdorf (einem magdeburgischen Dorfe), der mit im Belagerungsheer vor Plaue stand, und eilte mit einigen Leuten auf die Stelle zu. Beide Quitzows, Johann und Henning, samt dem Knechte, der das Pferd gebracht hatte, suchten sich durch Ducken im Rohr und dann durch Flucht zu retten, aber sie verirrten sich in dem Havelbruch und wurden gefangengenommen. (Einer dritten Lesart zufolge, die sich in Peter Beckers Chronik von Zerbst findet, bewerkstelligte Hans von Quitzow seine Flucht dadurch, daß er, zur Nachtzeit einen Kahn besteigend, die Havel auf Pritzerbe zu hinunterglitt. Aber der Erzbischof hatte die Havel an beiden Ufern mit Wachposten besetzen lassen. Diese sahen den Kahn, bemächtigten sich desselben und führten Hans von Quitzow als Gefangenen ins magdeburgische Lager.) Unter den verschiedenen Lesarten ist diese dritte die wenigst glaubhafte. Sehr wahrscheinlich war die Havel zugefroren, und Hans von Quitzow entkam, zunächst wenigstens, gerade dadurch, daß er diesen Umstand benutzte., namentlich was die Flucht und Ergreifung Johann von Quitzows angeht; da Wusterwitz aber nicht nur als Zeitgenosse, sondern in seiner Eigenschaft als Brandenburger Kind auch fast als Augenzeuge schreibt so darf man seine Mitteilungen als die glaubwürdigsten ansehen.

In drei Wochen, wie schon hervorgehoben, war der Widerstand der Quitzows gebrochen, ein Ereignis von solcher Bedeutung und Tragweite, daß es nicht verwundern darf, dasselbe, ähnlich wie die Schlacht am Kremmer Damm, in einer Ballade gefeiert zu sehen. Nikolaus Uppschlacht, Bürger zu Brandenburg, war der Verfasser dieser Ballade. Sie selbst aber lautet:

Und Christ im Himmel erbarmte sich,
Da gab er zum Trost uns männiglich
Unseren Markgraf Friederich,
    Einen Fürsten lobesamen.

Das ist ein Fürst von solcher Art:
In ihm sind Kraft und Mut gepaart;
Ob Laien oder wohlgelahrt,
    Alle preisen seinen Namen.

Zu loben ihn uns wohl ansteht,
Ihn, den so lange die Mark erfleht;
Gott selber in seiner Majestät
    Hat ihn uns erwecket.

Seit Kaiser Karl zu Prag uns starb,
Das Land verkam, das Land verdarb,
Bis Friedrich unsre Mark erwarb,
    Das hat die Räuber erschrecket.

Und die ihm wollten widerstehn,
Wie der Kuckuck waren sie anzusehn,
Er war der Adler, sie waren die Krähn,
    Er zerstäubte sie geschwinde.

Nach diesem Vorgesange, der sich huldigend an die Person Friedrichs wendet, beginnt das eigentlich Historische.

Die Quitzowschen schwuren einen Eid:
»Wir machen ihm das Land zuleid«,
Und dazu waren sie wohl bereit
    Mit ihrem Ingesinde.

»Was soll der Nürrenberger Tand?
Ein Spielzeug nur in unsrer Hand,
Wir sind die Herren in diesem Land
    Und wollen es beweisen.

Und regnet's Fürsten noch ein Jahr,
Das macht nicht Furcht uns und Gefahr,
Er soll uns krümmen nicht ein Haar,
    Nach Hause soll er reisen.

Und kommt zu Fuß er oder Pferd,
Mit Büchse, Tartschen oder Schwert,
Uns dünkt es keinen Heller wert,
    Er muß dem Land entsagen.

Und will er nicht, es tut nicht gut,
Wir stehen mutig seinem Mut,
Zehn Schlösser sind in unsrer Hut,
    Er soll uns nicht verjagen.«

Und nachdem so die Quitzowschen in ihrem Trotz und ihrer Auflehnung eingeführt sind, führt uns das Lied zu den verbündeten Fürstlichkeiten und ihrer beginnenden Aktion hinüber.

        Als das die Fürstenschaft vernahm,
In Hasten alles zusammenkam,
Einem jeden wär es Schimpf und Scham,
    Wär er nicht gekommen.

Der Bischof von Magdeburg war zu Hand,
Günther von Schwarzburg ist er genannt,
Nach Plaue hat er sich gewandt
    Und die »Grete« mitgenommen.

Dann zog heran ein Sachsen-Hauf,
Herzog Rudolf allen vorauf,
Nach Golzow nahm er Ziel und Lauf
    Und stellte sich vor die Veste.

Da ließ er schwenken seine Fahn:
»Ich denke, rasch ist gut getan,
Laßt uns an ein Stürmen gahn
    Und jeder tue das Beste.«

Burggraf Friedrich aber vor Friesack zog,
Der Graben war tief, die Mauer war hoch,
Aber die Franken stürmten doch,
    Alle wollten sie Ritter werden.

Ein Hagel von Pfeilen sie flugs empfing,
Da schützte nicht Schiene, nicht Panzerring,
Mancher Pfeil bis in das Herze ging,
    Und viele sanken zur Erden.

Pfeile flogen und Kugel und Stein,
Da riefen die Franken: »Tritt für uns ein,
Maria, woll uns gnädig sein,
    Auf daß der Hochmut erliege.«

Die Heilige Jungfrau, sie war es gewillt,
Sie lieh den Stürmenden ihren Schild,
Ein jeder sah ihr Himmelsbild,
    Und so schritten sie zum Siege.

Das Wetter war kraus und ungestalt,
Es regnete, schneite und war kalt
Die Schlösser kamen in unsre Gewalt
    Weil Gott im Himmel es wollte.

Friesack, Plaue, Rathenow
Und Golzow und Beuthen ebenso,
Sie huldigen Friedrich. Und alle sind froh,
    Daß Recht Recht bleiben sollte.

Die Fürsten lenkten heimwärts ein,
Desgleichen die Städte, groß und klein;
Viele waren geschossen durch Hüft und Bein
    Und hinkten nach Haus an Krücken.

Und nun folgt wieder ein frommer und vor dem neuen Fürsten sich abermals verneigender Nachgesang.

    Ach, reicher Gott, den Fürsten gut
Nimm ihn gnädig in deine Hut
Und woll ihn durch dein heilig Blut
    Erquicken und beglücken.

Auch seiner edlen Fraue zart,
Sein deine Gnaden aufgespart,
Dann sind allbeide wohlbewahrt
    In deinem Himmel droben.

In deinem Himmel, nach dem wir schaun,
Auf den wir all in Hoffnung baun,
Um willen Unsrer Lieben Fraun,
    Die wir rühmen und preisen und loben.

Er aber, der diesen Reigen erfand,
Niklas Uppschlacht wird er genannt
In Brandenburg ist er wohlbekannt,
    Er pries den Fürsten mit Fleiße.

So das Lied, dessen Verfasser, Niklas Uppschlacht, als der erste hohenzollernsche Hofdichter angesehen werden darf. Worin sein Lohn bestanden, wird nicht erzählt. Jedenfalls wird derselbe hinter dem Ehrensolde Tennysons, der für seinen neuesten Hymnus auf das fünfzigjährige Regierungsjubiläum der Königin Victoria 10 000 Lstr. erhalten haben soll, erheblich zurückgeblieben sein. Denn für 10 000 Lstr. kaufte man damals die ganze Mark Brandenburg, Uppschlacht mit eingeschlachtet.


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