Theodor Fontane
Fünf Schlösser
Theodor Fontane

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6. Kapitel

Die Krautentochter wird Ursach eines Duelles zwischen Mr. Elliot und Baron Knyphausen

Soweit Knyphausen in seinem ersten, die Duellfrage berührenden Schreiben.

Als er vierzehn Tage später einen zweiten Brief an seinen Vater richtete, hatte das Duell bereits stattgefunden, nachdem demselben ein seltsames Vorspiel, ein Überfall, vorausgegangen war.

Ich gebe diesen Brief, der im wesentlichen (alle Briefe sind französisch geschrieben) des folgenden Inhalts ist.

Baruth in Sachsen, 18. Juli 1783

Mein hochgeehrter Herr Vater. Der letzte Brief, den ich an Sie richten durfte, war von Fürstenberg im Mecklenburgischen aus datiert. Ich schrieb Ihnen damals, daß ich Elliot von meiner Anwesenheit in dem genannten Grenzstädtchen Mitteilung gemacht und dieser Mitteilung hinzugefügt hätte, »ich befände mich daselbst, um auf ihn zu warten«. Übrigens will ich Ihnen, mein hochgeehrter Herr Vater, gleich an dieser Stelle bemerken, daß mir Fürstenberg, als zu nah an der preußischen Grenze gelegen, zur Ausfechtung unserer Sache nicht sonderlich geeignet erschien, weshalb ich schon damals den Plan hegte, meinem Gegner, bei seinem Eintreffen, einen Zweikampf auf schwedisch-pommerschem Grund und Boden zu proponieren. Auf solchem waren Störungen kaum zu gewärtigen.

So waren vierzehn Tage vergangen, als ich eines Abends erfuhr, daß Elliot in Rostock gelandet und von dort aus, nach einem Souper in Strelitz, auf Rheinsberg zu gefahren sei. Von Rheinsberg aus aber, nach erfolgter Weigerung des Prinzen, ihn zu sehen oder zu begrüßen, hab er sich nach Hoppenrade begeben, um zunächst seiner Schwiegermutter, der Madame de Verelst, einen Besuch zu machen.

Ich erwartete hiernach eine baldige Nachricht von Elliot oder einem seiner Vertrauten und saß andern Tages bei Sonnenuntergang ruhig in meinem Zimmer und las, als ich einen Kutschwagen die Straße heraufkommen und vorfahren sah. Ich rief meinem Diener zu, die Türe zu schließen, »ich wolle niemand empfangen«; aber im selben Augenblicke sah ich auch schon einen Wütenden, etwa im Zustand eines türkischen Opiumrauchers, in mein Zimmer eindringen. Es war Elliot, der, mit einem spanischen Rohr in der Hand, ohne weiteres auf mich losstürzte. Durch eine Seitenbewegung wich ich aus, ergriff ihn und warf ihn ohne sonderliche Mühe zu Boden. Und würd ihn erwürgt haben, wenn ihn nicht einer seiner Kammerdiener mir aus den Händen gerissen hätte. Jetzt wieder frei, zog er ein Pistol, das er mir auf zwei Schritt Entfernung entgegenhielt. Es war ein regelrechter, von drei Komplicen unterstützter Mordanfall. Ein ihn begleitender Irländer, den er mir später als seinen Sekundanten vorstellte, war mit zwei Pistolen und einem Degen bewaffnet; ebenso führten seine zwei Leute Pistolen und Hirschfänger. In diesem bedrohlichen Moment erschienen der Wirt und einige Bürger auf dem Hausflur, um mich zu schützen, fragten mich, was es sei, und machten Miene, über die Eindringlinge herzufallen. Ich hinderte dies und sagte, »daß ich alles mit dem Herrn allein abzumachen hätte«. Darauf forderte mich Elliot auf, ihm bis vor die Stadt zu folgen und mich dort mit ihm zu schlagen. Ich erwiderte, dies gehe nicht wohl an, weil ich ohne Sekundanten sei, den dritten Tag aber wollten wir uns auf neutralem Boden, in Schwedisch-Pommern, treffen und daselbst unsern Streit unter Innehaltung herkömmlicher Formen ausfechten. Er wollte jedoch von einer solchen Vertagung nichts wissen und fragte mich, und zwar der Umstehenden halber auf deutsch, »ob ich keine Courage hätte?«

Dies zeigte, daß er mich aufs Äußerste treiben wollte. So nahm ich denn die Herausforderung an. Er ging nun auf das Stadttor zu, zunächst von seinen drei Begleitern und im weiteren von etwa 500 Personen jeden Alters und Standes gefolgt. Als ich ein paar Minuten später ebenfalls aufbrechen wollte, fand ich den Burgemeister vor meiner Tür, welcher mich beschwor, mich nicht mit Mördern einzulassen, »er werde Elliot und seine Bande verhaften lassen«. Ich lehnte diesen Beistand indessen abermals ab und erschien auf dem Rendezvous mit zwei Pistolen und meinem Diener, einem guten, nur leider wenig encouragierten Menschen, der vor Furcht halb tot war. Es dämmerte schon, aber trotz der Dunkelheit, die herrschte, sah ich doch deutlich die halb komischen Vorbereitungen, die Elliot getroffen hatte: vier Degen waren feierlich in die Erde gesteckt, acht Paar Pistolen lagen davor und daneben einige Kleidungsstücke, deren sich Elliot entäußert hatte. Ich fragte ihn, »was das alles solle«, worauf er mir wutschäumend antwortete: »Mich aus der Welt blasen. Er hoffe, daß es die Pistolen tun würden, wenn aber nicht, so wären auch noch die Degen da.« Niemals in meinem Leben war ich kälteren Blutes, und so sagt ich ihm denn in aller Ruhe. »Der Umstand, daß ich noch zurechnungsfähig sei, gäbe mir einen Anspruch, die Sache zu regeln. Einen Sekundanten hätt ich nicht, und so wollten wir denn einfach Stellung nehmen und zweimal auf fünfzehn Schritt Distance schießen.« Er aber wollte von einer solchen Reglung nichts wissen und schrie nur immer: »In des Teufels Namen nein, nein. Wir wollen freieres Spiel haben. Ich meinerseits werde erst auf zwei Schritt Distance schießen.« Es war alles Torheit; indessen mocht er's halten, wie er wollte, war ich doch sicher, daß er nicht ungestraft bis auf zwei Schritt herankommen würde. So stimmt ich denn zu und nahm meine Position.

Elliot hatte jedoch mittlerweile mit seinen Pistolen in der ungeeignetsten Weise herumgefuchtelt und sich dadurch neben dem Unwillen der Umstehenden auch allerlei Schimpfreden einer Gruppe von Personen zugezogen, unter denen zufällig einige Beurlaubte der königlichen Armee waren. Er bemerkte dies, und rasch erkennend, daß ihn im Fall eines Konflikts mit der erregten Volksmenge meine Fürsprache nicht retten werde, schlug er mir, einlenkend, nunmehr vor, die Sache, da's ohnehin schon dunkel sei, für heute ruhen zu lassen und an einem der nächsten Tage erst wieder aufzunehmen.

Es handelte sich nun für mich vor allem darum, einen Sekundanten zu beschaffen. Ein Herr von Maltzahn hatte mir, nach einer früheren Verabredung, diesen Dienst leisten wollen, war aber behindert worden, weshalb ich mich denn gezwungen sah, eine Estafette nach Berlin zu schicken, um mich des Beistandes eines dort lebenden Offiziers, des Capitains Koppi, zu versichern, der mir schon einige Zeit vorher für den Fall, daß Maltzahn nicht könne oder wolle, seine Bereitwilligkeit ausgedrückt hatte. Koppi kam auch, forderte jedoch hundert Louis für seinen Dienst und ließ sich einen Schuldschein darüber ausstellen, nachdem ich ihm erklärt hatte, daß mir die Summe für den Augenblick nicht zur Verfügung stehe.

Der Generalfiskal hatte mittlerweile nicht aufgehört, die Sache zu verfolgen, ja mir wurde Mitteilung, daß er damit umgehe, mich in Fürstenberg verhaften zu lassen. Einer solchen Verhaftung mich zu entziehen, ging ich weiter landeinwärts und ließ Elliot, unter Angabe der Gründe, weshalb ich den Ort gewechselt hätte, wissen, daß ich ihn zu der zwischen uns festgesetzten Zeit in dem Städtchen Penzlin erwarten würde. Wer aber nicht kam, war Elliot. Erst am fünften Tage ließ er mir sagen, daß er Anfang August in Lübeck sein werde. Zu gleicher Zeit erfuhr ich, daß er in hauptstädtischen Kreisen in echt Elliotscher Weise mit der Versicherung von Haus zu Haus gegangen sei, mich in Fürstenberg »malträtiert« zu haben. Ich beschloß nun, auf jede Gefahr hin inkognito nach Berlin zu gehn und ihn am selben Tage noch, oder doch am folgenden, zum Duell zu zwingen. Es gelang mir auch, unentdeckt in die Stadt zu kommen, woselbst ihm Capitain Koppi dieselbe Nacht noch meine Herausforderung zutrug, in der ich ihm zwischen einer Berliner Vorstadt und der sächsischen Grenze die Wahl ließ. Er wählte Baruth, und zwar für den nächsten Tag. Und hier kam es denn auch wirklich zum Duell. Wir wechselten zwei Kugeln auf fünfzehn Schritt. Als dieser doppelte Kugelwechsel ohne Resultat geblieben war, verlangte Elliot mich zu sprechen und sagte mir: »daß der Überfall in Fürstenberg ihm unendlichen Schaden tue, so sehr, daß er weder aufs neue seinen Posten antreten noch auch nach England zurückkehren könne, wenn ich dem Gerüchte, daß er mich à la mode d'un assassin angegriffen habe, nicht in einer Erklärung entgegenträte«. Nach meiner Weigerung, eine solche Erklärung abzugeben, schritten wir zum dritten Gang. Ich hatte wieder den ersten Schuß und verwundete ihn an der Hüfte. »Geben Sie mir das Papier«, rief er mir zu, »so schieß ich in die Luft.« Ich antwortete: »Nein, mein Herr; schießen Sie zunächst; nachher werd ich mich erklären.« Er legte auf mich an, gab aber seinem Pistol plötzlich eine veränderte Richtung und schoß in die Luft. Dadurch war ich entwaffnet und gab ihm nunmehr eine noch viel weiter gehende Erklärung, als die war, die er von mir gefordert hatte.

Noch an Ort und Stelle ließ er mich wissen, daß er nach Berlin gehe, daselbst das Scheidungserkenntnis in Empfang zu nehmen, und knüpfte daran die Frage, »ob ich gesonnen sei, seine Frau zu heiraten?« Ich antwortete, »daß dies nicht der Platz sei, darüber zu verhandeln«, worauf wir uns trennten. Er kehrte danach auch wirklich nach Berlin zurück, was er in seiner Eigenschaft als fremder Gesandter konnte, wohingegen ich erst abwarten mußte, wie man den ganzen Hergang aufnehmen werde. So begab ich mich denn zunächst in die Stadt Baruth hinein, um von dort aus nach Dessau weiterzureisen. Aber ehe ich noch Pferde vom Postmeister erhalten konnte, wurd ich schon durch einige Gerichtsdiener arretiert, die gemeinschaftlich mit sechzehn Bürgergardisten mein Haus umstellten. Am Tage danach erschien ein Unteroffizier mit sechs Mann, der aus der nächsten sächsischen Garnisonstadt zu meiner weiteren Bewachung abkommandiert worden war. Ich schickte sofort einen reitenden Boten an unseren Dresdener Gesandten, aber alles geht hier langsam, und so verbrauch ich denn viel Geld, und zwar um so mehr, als ich nicht bloß für mich, sondern auch noch für meinen Sekundanten aufzukommen habe.

Man rät mir Flucht und ich werd es, aller Mißlichkeit unerachtet, versuchen. Sobald etwas in diesem Sinne geschehen ist, schreib ich aufs neue. Heute bitt ich nur noch, von dem, was sich in vorstehendem auf das Duell und meine Baruther Internierung bezieht, Abschrift nehmen und diese Kopie meines Briefes an Herrn von Gaudi gelangen lassen zu wollen.

Unter der Versicherung tiefsten Respekts, hochgeehrter Herr Vater, Ihr ergebenster und gehorsamster Sohn George.


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