Theodor Fontane
Fünf Schlösser
Theodor Fontane

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3. Kapitel

Dietrich und Johann von Quitzow verheiraten sich. 1394 und 1400

Köne von Quitzow starb 1395. Ein Jahr vorher war es ihm noch vergönnt gewesen, die Hochzeit seines Sohnes Dietrich mitzufeiern, der sich am Montage nach Mariä Heimsuchung, den 6. Juli 1394, mit Elisabeth Schenk von Landsberg, Tochter des Schenken von Landsberg auf Schloß Teupitz, vermählte. Dies umfangreiche Schloß, an der Grenze von Mark und Lausitz, würde zu festlicher Begehung der Hochzeit vollkommen ausgereicht haben, Rücksichten aber, die man auf den ausschließlich in der Prignitz begüterten Anhang der Quitzowfamilie nehmen zu müssen glaubte, bestimmten den Vater der Braut, den alten Apitz von Schenk, die Hochzeit statt auf Schloß Teupitz lieber in Berlin stattfinden zu lassen, und zwar um so mehr, als der Bräutigam, Dietrich von Quitzow, den Wunsch ausgedrückt hatte, die Trauung durch den ihm und seiner Familie seit lange befreundeten Berliner Propst Ortwyn an Sankt Nikolai vollzogen zu sehen.

Schon am Sonnabend, den 4. Juli, hatte sich die zahlreiche Verwandtschaft samt vielen ansehnlichen Freunden, geistlichen wie weltlichen Herren, in Berlin eingefunden. Von seiten der Quitzowfamilie waren es: Kuno von Quitzow auf Kletzke, Wedego von Quitzow auf Rühstädt, Claus von Quitzow auf Stavenow und Lüdeke von Quitzow, Propst zu Havelberg, zu denen sich, um nur die hervorragendsten zu nennen, der Havelberger Bischof Johann von Wepelitz, ferner der Spiel- und Jugendgenosse der Quitzowschen Brüder Kaspar Gans zu Putlitz sowie Hans von Rohr auf Schloß Meyenburg, Matthias Sternebeck und Hinrik Grumbkow gesellten. In gleicher oder noch größerer Zahl war der Anhang der Schenken von Landsberg erschienen, unter ihnen Heinrich und Hans von Schenk, Oheime der Braut, Conrad Abt von Zinna, Lippold von Bredow, Hauptmann der Mark, Otto von Kittlitz, Herr zu Baruth, Hans von Bieberstein, Herr zu Storkow und Beeskow, und viele andere.

Der Brautvater, Apitz von Schenk, hatte, gemeinschaftlich mit den lausitzischen Herren, in einem guten und geräumigen Gasthofe Quartier genommen, da die Zimmer desselben aber trotz ihrer Zahl und Geräumigkeit nicht ausreichten, so war, für den eigentlichen Hochzeitstag, noch ein großes, in der Nähe des Heiligengeisthospitals gelegenes Haus in der Spandauer Straße gemietet worden. Der abendliche, das Fest abschließende Tanz sollte dann, altem Herkommen gemäß, auf dem Rathause gehalten werden. Ebenso lieferte das Rathaus die nötigen Tischgerätschaften. Allerdings bestand auch um diese Zeit schon eine Verordnung, die dem immer mehr überhandnehmenden Aufwand entgegentreten sollte, diese Verordnung aber hatte nur für die Bürgerschaft Geltung, während die höheren Stände davon ausgenommen waren. Jedenfalls säumte Herr Apitz von Schenk nicht, von diesem Recht der Ausnahme Gebrauch zu machen. Alles war durch ihn aufs glänzendste hergerichtet worden, und schon am Sonntagabend erschienen, wie zur Vorfeier, die Brautjungfern in den Zimmern Elisabeths von Schenk, um daselbst von ihr bewirtet zu werden. Damit war die Feier eingeleitet. Eine Art Polterabend.

Am folgenden Tage begann das eigentliche Fest und währte von morgens sieben bis abends elf, also durch sechzehn Stunden hin in unausgesetzter Folge. Woraus sich schließen läßt, daß die Lust- und Vergnügungskräfte damals um nichts schwächer waren als heutzutage.

Begleiten wir das Paar und seine Gäste durch den Tag hin.

Um sieben Uhr früh begrüßte Dietrich von Quitzow seine Braut, um ihr ein Paar Schuh und Pantoffeln zu überreichen. Dann schritt man, nach Sitte der Zeit, zum »Brautbade«, welchem festlich arrangierten Zuge (das Badehaus war auf dem Krögel) alle zur Hochzeit Geladenen sich anschlossen. Voran die Stadtpfeifer mit Zinken und Schalmeien, mit Zimbel und Geige. Vor dem Zuge her bewegte sich die Straßenjugend, aber auch Pickelheringe waren da, die Gesichter schnitten, Kobolz schossen, Rad schlugen und jedes alte Mütterchen, das ihnen begegnete, umarmten. So ging es durch die Spandauer Straße hin. In dem Badehause, das sich in zwei große Räume teilte, badeten alle, dann kehrte man, nach einem in dem Obergeschoß eingenommenen Frühmahl, nach dem Brauthause zurück, wo nun Braut und Bräutigam für die Trauung gekleidet wurden. Als dies geschehen, gab Dietrich seiner Braut den Brautkranz, ein Geflecht aus Rosmarin, das man mit Goldschnur und Goldblättchen geziert hatte. Mit diesem Kranze wurde die Braut geschmückt und empfing nun ein Bund Schlüssel als Zeichen ihrer von heut an zu übernehmenden hausmütterlichen Würde. Hierauf wurden vier Wachskerzen angezündet und von vier Gästen gehalten, zugleich aber füllte man einen Becher mit Wein, den Dietrich seiner Braut zu kredenzen hatte. Diese leerte den Becher bis zur Hälfte, verneigte sich dann und gab ihn an Dietrich zurück, der ihn seinerseits bis auf den letzten Tropfen austrank. Alle Gäste wurden während dieser Zeremonie mit Sträußen und Kränzen bedacht und da diese Kränze meist aus Würzkräutern bestanden, so verbreiteten sie Wohlgeruch durch alle Zimmer.

Und nun schickte man sich zum Kirchgange an. Es war drei Uhr geworden und der Weg bis zur Nikolaikirche nicht weit, um aber der Schaulust der Menge zu genügen, machte man einen weiten Umweg, und so kam es, daß der hochzeitliche Zug erst um vier Uhr vor der Nikolaikirche hielt. Die Trauung verrichtete hier, wie festgesetzt, Propst Ortwyn, und als Braut und Bräutigam ihm ihre Namen angegeben und die Frage, »ob sie sich gegenseitig als Mann und Frau begehrten«, mit »ja« beantwortet hatten, sprach er: »Ego conjungo vos in matrimonio, in nomine Dei patris, filioque et spiritu sancti. Amen.« Dann segnete er den Trauring ein, besprengte ihn über Kreuz mit Weihwasser und überreichte ihn Dietrich, der nun den Ring an den Ringfinger der linken Hand seiner Braut steckte. Darauf folgte zunächst ein Gebet dann Anrede an Brautpaar und Versammlung und hierauf erst die Brautmesse, die von den Lehrern, die damals »Schulgesellen« hießen, gesungen wurde. Dann kehrte man, es war mittlerweile fünf Uhr geworden, in derselben Ordnung, wie man gekommen, nach dem Gasthause zurück, von dem aus man sich, nach stattgehabter Einsegnung des Brautbettes (eine Zeremonie, die die Eheschließung erst perfekt machte), nach dem in nächster Nähe gelegenen Hochzeitshause begab.

Hier waren achtzehn Tische zu je zehn Personen gedeckt, darunter ein Trompeter- und Pfeifertisch, zwei Kindertische, zwei Mägdetische, zwei Jungferntische. In der Mitte der Haupttafel saß das Brautpaar, umgeben von seinen nächsten Anverwandten. Die »Schulgesellen«, die schon während der Trauung die Brautmesse gesungen hatten, hatten jetzt das Geschäft der Vorschneider und Zerleger. Possenreißer waren unter die Spielleute verteilt, und immer, wenn die Musik schwieg, suchten sie die Pausen durch Gesichterschneiden, Verrenkungen und Witzreden zu füllen. Unter beständigem Zutrinken wurden Gesundheiten ausgebracht, und um diese Zeit, wo die Herzen fröhlicher gestimmt und zum Geben geneigt waren, erschienen auch die, denen es nach einem Trinkgeld oder Geschenk verlangte. Zunächst kamen die Köche, dann der Bratenmeister mit einer Schüssel, auf welcher, attrappenartig, ein Braten lag. Eigentlich aber war es eine große Ledertasche, drin jeder der Gäste seine Gabe hineintat. Dem Bratenmeister folgte der Kellermeister mit einem großen Humpen, der zu gleichem Zwecke reihum ging. Und dann kamen die Bratenwender, der Schenk, die Schüsselwäscherinnen und endlich die große Büchse für die Armen.

Um sieben Uhr hatte man abgesessen und erhob sich von den Tafeln, sich nunmehro nach dem Rathause zu begeben und in dem großen Saale daselbst zu tanzen. Es war des Jubels kein Ende. Ganz zuletzt aber wurde, nach alter Sitte, der Braut das Strumpfband abgetanzt und zerschnitten unter die Gäste verteilt.

Erst um elf Uhr nachts begleitete man das junge Paar in Prozession nach seinem Gasthause zurück.

 

Das war 1394.

Sechs Jahre später folgte Johann von Quitzow dem Beispiele seines älteren Bruders Dietrich und vermählte sich mit Agnes von Bredow, Tochter Lippolds von Bredow, Hauptmanns und Verwesers der Mittelmark. Es durfte damals heißen: Felix Quitzowia nube. Die Bekanntschaft mit der reichen, ebenso durch Besitz wie politisches Ansehen hervorragenden Bredowfamilie hatte sich auf der Hochzeit Dietrichs eingeleitet und war seitdem fortgesetzt worden, insonderheit seit 1397, wo beide Brüder einen mehrtägigen Besuch auf dem damals von Lippold von Bredow bewohnten Schloß Neustadt an der Dosse gemacht hatten. Als sie von diesem Besuche heimkehrten, stand es bei Johann fest, um die noch jugendliche Tochter des Hauses werben und in der Bredowfamilie selbst festen Fuß fassen zu wollen, worin er sich durch seinen Bruder Dietrich, dem nichts wünschenswerter erschien als eine derartige Verschwägerung, von Anfang an unterstützt sah. Auch auf Bredowscher Seite zeigte man sich einer Verbindung mit dem mehr und mehr zu Macht und Geltung kommenden Quitzowschen Hause geneigt. Wann die förmliche Verlobung stattfand, wird nicht gemeldet, dagegen wissen wir, daß im August 1400 die Hochzeit in Stadt Brandenburg gefeiert wurde. Die Gäste waren zu großem Teil dieselben wie sechs Jahre früher bei der Dietrich von Quitzowschen Vermählung, nur die lausitzischen Elemente fehlten und wurden durch verschiedene havelländische Familien, unter denen, außer den Bredows selbst, die Rochows und Stechows obenan standen, ersetzt. Die sich über mehrere Tage hin ausdehnenden Festlichkeiten entsprachen im wesentlichen dem, was wir bei Gelegenheit von Dietrich von Quitzows Hochzeit schilderten, und nur in der Mitgift zeigte sich ein Unterschied. Diese war zunächst auf eine hohe Geldsumme festgesetzt worden, als aber die Zahlung derselben an allerlei Schwierigkeiten scheiterte, sah sich Lippold von Bredow bewogen, seinem Schwiegersohne das von Anfang an von diesem bezogene Schloß Plaue zu vollem Besitz zu bewilligen. Über die Tatsache, daß diese Bewilligung mit vielleicht zweifelhaftem Rechte geschah, weil der Erzbischof von Magdeburg sich als rechtmäßigen Herrn des Schlosses betrachtete, geh ich hier hinweg, weil das Hineinziehen oder gar die Betonung solcher nebenherlaufenden, wenn auch relativ wichtigen Dinge den Überblick über den ohnehin an Zersplitterung und unausgesetzten Zickzackbewegungen leidenden Quitzowstoff beständig aufs neue stört. Es kann uns genügen, daß Lippold von Bredow Schloß Plaue tatsächlich abtrat und daß Johann von Quitzow, unmittelbar nach der Hochzeit, wenn auch damals noch nicht als Schloßherr, seinen Einzug in dasselbe hielt.

Dieser Einzug im Sommer 1400 in Schloß Plaue, das von jenem Tag an noch vierzehn Jahre lang von den Quitzows gehalten wurde, war der entscheidende Moment im Leben der beiden Brüder und führte, wie zunächst zu Macht und Größe derselben, so schließlich zu beider Demütigung und Untergang.


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