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Neuntes Buch.


1. Sage von Herraudh und Bôsi.

Hring war ein König geheissen, der über Ostgautland herschte; er war ein Sohn des Königes Gauti, eines Sohnes Ôdhin's, der einst König über Swîthiodh war, und von dem die berühmtesten Herschergeschlechter hier in den Nordlanden abstammen. König Hring war der Bruder Gautrek's des Milden vom Vater her, und auch sein mütterliches Geschlecht war vornehm. König Hring hatte zum Weibe Sylgja, die Tochter Sæfari's, der Iarl über die Smâlande war; sie war eine schöne und wohlgesinnte Frau. Ihre Brüder hiessen Dagfari und Nâttfari Sylgja bedeutet Spange, Sæfari Seefahrer, Dagfari Tagfahrer, Nâttfari Nachtfahrer, Herraudh kampfblutig, Siodh Geldbeutel., und sie waren Hirdhmannen König Harald's Hilditönn, der damals über Danmark und die meisten Reiche der Nordlande herschte. Hring und Sylgja hatten einen Sohn, der Herraudh hiess; er war gross von Gestalt, schön von Antlitz, stark an Kraft, wohl geübet in allerhand Künsten, so dass nur wenige Männer sich ihm gleichstellen konnten. Er war bei allen Menschen beliebt, doch bei seinem Vater fand er wenig Gunst und Zuneigung, und davon war die Ursache, dass der König noch einen anderen Sohn von einer Kebse hatte, welchen er mehr als Herraudh liebte, er hiess Siodh. Diesen hatte er in seiner Jugend erzeuget, und er war ein erwachsener Mann, als Herraudh noch ein Kind war. Der König gab ihm ein grosses Lehen, und er war ein Rathgebe des Königes und sammelte die Steuern ein, und er war gesetzt über alle Bussen und Einkünfte, und er schien den meisten frech in den Forderungen, aber zähe, wenn er die Geldtruhe aufschliessen und löhnen sollte; übrigens war er dem Könige hold und wollte immer seinen Vortheil, und so entstund aus seinem Namen das Sprichwort: »derjenige wird ein Beutelmantel Siodhfeldr. für andere genannt, der am meisten auf ihren Vortheil siehet und am besten aufpasset.« Siodh richtete sich dazu Gürteltaschen ein, die seitdem Geldbeutel genannt wurden, um das Silber darin aufzubewahren, das er als Steuern für den König einnahm; aber was er über das Angesetzte nahm, das barg er in kleine Taschen, und nannte das sein »Vortheilchen« und verwandte es zur »Beköstigung«, aber die Pfänder landaurar besagt eigentlich res promercales, verkaufbare Sachen. blieben dennoch uneingelöset. Des Wohlwollens der Menschen erfreute sich Siodh nicht, aber der König begünstigte ihn sehr und liess ihn aller Dinge walten.

Ein Mann hiess Thwari und er wohnte nicht weit entfernt vom Sitze des Königes; man nannte ihn auch Brynthwari. Er war lange ein grosser Wiking gewesen in den früheren Jahren seines Lebens, und einst war er auf einer Heerfahrt einer Schildmaid Vgl. oben die Schilderung der Brâwallaschlacht, S. 305. begegnet, die Brynhild hiess. Sie war die Tochter König Agnar's von Nôagardh. Sie kämpften mit einander, und Brynhild empfieng Wunden, die sie kampfunfähig machten. Thwari nahm sie also zu sich und mit ihr eine grosse Menge Geldes. Er liess sie vollständig heilen, und sie war seitdem ganz benarbet und ungelenk, und davon erhielt sie den Zunamen Baga, d. h. die Steife oder Schwerfällige. Thwari hielt Brautlauft mit ihr, und sie sass mit Helm und Brünne auf der Brautbank Die Bank, auf welcher die Braut sass, während die Weihe vollzogen ward. Es ward ihr dabei ein Hammer (Thôr's Symbol) auf die Schooss gelegt.; doch ihre Ehe war eine einträchtige. Thwari gab da die Heerfahrten auf und sie lagen dem Landbau ob. Sie hatten zween Söhne, von denen der ältere Smidh hiess. Er war nicht gross von Gestalt, friedsam, in allen Fertigkeiten wohl geübet und so geschickt, dass er zu allem eine geeignete Hand hatte. Der jüngere hiess Bôsi; er war gross von Gestalt, stark an Kraft, dunkelfarbig und nicht sehr schön; kurz er glich seiner Mutter in der Gemüthsart und im Aeusseren. Dazu war er munter und scherzhaft, ausdauernd, wenn er etwas anfieng, aber nicht sehr nachsichtig gegen den, mit dem er es zu thun hatte. Seine Mutter liebte ihn sehr, und sie waren in vielen Dingen von gleicher Gesinnung. So ward er denn auch nach seiner Mutter benannt und Bögu--Bôsi Bögu ist Gen. von Baga. geheissen. Er hatte in der That viele Eigenschaften, mochte man auf seine Worte oder Werke sehen, nach denen er mit Recht diesen Beinamen trug.

Ein altes Weib hiess Busla, und sie war einst Thwari's Kebse gewesen. Sie verstund sich auf mancherhand Zauber und so erzog sie die Söhne Thwari's. Smidh war ihr um vieles folgsamer als Bôsi, und so lernte er manche ihrer Zauberkünste. Auch gegen Bôsi erbot sie sich ihn darin zu unterrichten; aber er sagte: er wolle nicht, dass einst in seiner Sage erzählt werde, er habe sich irgendwie mit solchen Dingen abgegeben, und man könnte wohl gar seine Mannhaftigkeit davon herleiten.

Herraudh, der Sohn des Königes, und die Söhne des Bauern waren fast von gleichem Alter, und da sie sich wohl mit einander vertrugen, so war Bôsi immer in dem Gehöfte des Königes und Herraudh beschäftigte sich viel mit ihm. Siodh tadelte es, dass Herraudh dem Bôsi Kleider von sich gab; denn seine eignen waren immer zerrissen; auch schien er ein grober Gesell bei den Spielen, aber Niemand wagte vor Herraudhe darüber zu schelten, denn er vertheidigte ihn immer. Nun verlangte Siodh, dass die Hirdhmannen des Königes ihn durch Schläge vom Spiele forttreiben sollten; sie versuchten es zwar, aber sie empfiengen nicht Gold für Stein Sprichwort; man vgl. dazu die Sage von Gebe-Ref, oben S. 409. Der Sinn ist hier: sie kamen dabei nicht gut weg..

Nun geschah es einst, dass der König Ball Der Ball war eine Holzkugel. spielte, und es ward mit Eifer gespielt. Sie warfen nun den Ball nach Bôsi, aber er warf ihn so stark zurück, dass einem Manne des Königes die Hand aus dem Gelenke gieng. Tages darauf zerschmetterte er einem Manne das Schenkelbein. Am dritten Tage griffen ihn zween Männer an, viele andere jedoch stupften ihn: da schlug er dem einen ein Auge aus mit dem Balle, dem anderen aber brach er den Hals: da sprangen sie nach ihren Waffen und wollten Bôsi tödten; aber Herraudh trat zu ihm mit denen, die er gewonnen hatte, und es war nahe daran, dass sie sich geschlagen hätten, bevor noch der König dazu kam. Auf die Beschuldigungen Siodh's hin verbannte der König jedoch den Bôsi; aber Herraudh verhalf ihm zur Flucht, so dass man ihn nicht greifen konnte.

Bald darauf forderte Herraudh von seinem Vater Heerschiffe und tapfere Männer zum Geleite, denn er wolle, wie er sagte, aus dem Lande fort, um sich grösseren Ruhm zu erwerben, wenn das Schicksal solches ihm gönne. Der König theilte diese Forderung, Siodhe mit; dieser aber sagte, er glaube, die Schatzkammern würden leer werden, bevor noch Herraudh so ausgerüstet wäre, wie es ihm gefiele; der König bestund jedoch darauf, dass man sich darum bemühen solle, und so musste es geschehen, wie der König wollte. So ward Herraudh mit vielen Kosten zu seiner Fahrt ausgerüstet; Siodh aber war sehr übel gelaunet, wie denn die Brüder selten einer Meinung waren. Man gab ihm fünf Schiffe, aber sie waren meist alt. Dafür hatte er tapfere Männer bei sich und grosses Gut an Gold und Silber. So segelte er denn aus Gautland ab und südwärts nach Dänemark.

Eines Tages als sie mit starken Winde am Lande hin segelten, stund ein Mann auf einer Klippe und verlangte mitzufahren. Herraudh erwiderte, dass er keinen Haken zu ihm hin machen könne, aber die Mitfahrt sei ihm zugestanden, wenn er in das Schiff gelangen könne. Da sprang der Mann von der Klippe herab und gelangte auf das Schiff beim Rade des Steuerruders, und der Sprung war fünfzehen Ellen weit. Als sie nun den Bôsi erkannten, empfieng ihn Herraudh sehr freundlich und machte ihn zum Steuermann im Vordergransen seines Schiffes. Hierauf segelten sie nach dem Lande der Sachsen und heereten, wohin sie kamen. Sie machten gute Beute und fuhren so fünf Jahre hindurch.– Nun müssen wir uns wieder zurück nach Gautland wenden.

Als Herraudh fort war, besichtigte Siodh einmal die Schatzkammer seines Vaters: da waren die Kisten und so auch alle Taschen leer. Da sprach er ein Mal über das andere: »Ich erinnere mich wohl, dass der Blick in diesen Beutel sonst ein anderer war.« Darauf verliess Siodh die Heimat, um die Steuern und Abgaben für den König, seinen Vater, einzusammeln, und er war da frech in den meisten Forderungen. So kam er auch zu Thwari und verlangte hier Steuer zur Ausrüstung der Landwehr wie an anderen Orten. Thwari behauptete, er sei seines Alters wegen nicht heerfahrtpflichtig, und darum habe er auch nicht Landwehrsteuer zu leisten. Siodh erwiderte aber, er habe grössere Steuern zu geben als andere Männer; denn er sei die Ursache, dass Herraudh aus dem Lande gefahren sei. Dazu verlangte er noch Bussen für die Männer, die Bôsi verstümmelt hatte. Thwari jedoch sagte, dass jeder Mann selbst die Verantwortung für sich zu übernehmen habe, wenn er zum Spiele oder Ringkampfe gehe, und dass er für solches mit seinem Gelde nicht herausrücke. So entstund Zwiespalt zwischen ihnen, Siodh brach das Vorrathshaus Thwari's auf, führte hinweg zwo Goldkisten und anderes Gut mehr in Waffen und Kleidern und damit trennten sie sich. Siodh fuhr heim, nahm grosse Beute an Geld mit sich und stattete dem Könige Bericht ab über seine Verrichtungen. Der König tadelte ihn, dass er den Bauer Thwari so beraubt habe, und meinte, dass er das wohl würde zu büssen haben. Siodh aber sagte, dass er danach nichts frage.

Nun ist von Herraudh und Bôsi zu sagen, dass sie Anstalt trafen von ihrer Heerfahrt heim zu kehren. Vor ihrer Ankunft noch vernahmen sie, dass Siodh Thwari'n beraubet habe; Herraudh wünschte nun für Bôsi Frieden zu gewinnen und ihn mit dem Könige zu versöhnen, wenn es irgend möglich wäre; da überfiel sie jedoch ein so starker Wind, dass ihre Schiffe von einander getrennt wurden. Alle Schiffe, die Herraudh von heim hatte, giengen zu Grunde, nur zwei von den erbeuteten brachte er bis zu den Klippen der Elf, aber Bôsi ward mit nur einem Schiffe nach Windland Wendenland, Land der Ostslawen. verschlagen; daselbst aber lag auch Siodh mit zweien Schiffen vor Anker. Er war den Ostweg Seeweg in die östlichen Länder, Finnland, Russland u. s. w. hergekommen und er hatte für den König allerhand Kostbarkeiten erworben. Als Bôsi jedoch seine Gegenwart erfuhr, hiess er seine Mannen sich waffnen. Er trat vor Siodh und fragte ihn, wie er es zu büssen gedenke, dass er den Bauer Thwari beraubet habe? Siodh nannte ihn einen frevelhaft Dreisten, dass er es wage eine solche Frage an ihn zu richten, da, er in dem Banne des Königs sei, und »ihr dürfet zufrieden sein, sagte er, dass ihr nicht mehr zu entbehren habet!« Bôsi hiess ihn da sofort seine Waffen ergreifen, es kam zum Kampfe zwischen ihnen, und der endete so, dass Bôsi Siodhen erschlug; denen aber, die von dessen Leuten noch übrig waren, gewährte er Frieden, das Schiff jedoch nebst allem, was darauf war, nahm er für sich. Sobald ihm nun Fahrwind kam, segelte er nach Gautland hin, wo er Herraudhen fand, seinen Fôstbruder. Er gab ihm Kunde von der Begegnung mit Siodh und ihrem Ausgange, Herraudh aber meinte, dass das die Freundschaft mit dem Könige kaum bessern würde. »Aber, fragte er, weshalb kamst du zu mir her, da du mir so nahe geschlagen hast d. h. da du einen Mann erschlagen hast, der mir nahe verwandt war und den ich folglich rächen sollte.?« »Ich wusste, entgegnete Bôsi, dass es mir nicht frommen würde dich zu meiden, solltest du die Absicht haben, dir Uebles zuzuziehen d.h. wolltest du ihn rächen, so würdest du mich aufsuchen; es hülfe also mir nichts dich zu meiden, wenn du mit mir kämpfen und unsern Bund so brechen wolltest.; aber ich glaubte bei dir vollste Sicherheit zu finden.« »Nun, sagte Herraudh, an Siodh ist nicht viel verloren, das darf ich sagen, obgleich er mein Verwandter war. So will ich denn zu meinem Vater fahren und sehen, ob ich euch versöhnen könne.« Bôsi meinte zwar, er erwarte keine grosse Nachsicht von dem Könige, aber Herraudh sagte, man müsse den Versuch machen. So gieng er zu seinem Vater, trat vor ihn und begrüsste ihn würdig; der König jedoch empfieng ihn unfreundlich, denn er hatte bereits von dem Zusammentreffen Bôsi's und Siodh's Kunde erhalten. Herraudh sagte zu seinem Vater: »Du wirst in Aussicht nehmen müssen bei diesen Verhältnissen Busse anzunehmen. Meinen Genossen Bôsi hat das Unglück getroffen Siodh zu erschlagen, deinen Sohn. Obgleich nun dazu gültige Ursache vorhanden war, so wollen wir doch dir einen Vergleich anbieten und so viel Geld als du bestimmen willst, und dazu unseren Beistand in allen Treuen und solche Dienste, wie du sie von ihm verlangen magst.« Zornig antwortete darauf der König: »Du bist sehr eifrig, Herraudh, diesem Unholde Beistand zu leisten. Viele dürften meinen, es stünde dir besser an deinen Bruder und unsere Schmach zu rächen.« Herraudh entgegnete: »Um Siodh war es eben nicht sehr Schade, und ich weiss auch nicht, ob er mein Bruder war oder nicht, obgleich du viel auf ihn hieltest. Mich scheinest du aber nicht sehr hoch zu schätzen, da du auf meine Bitte hin den Vertrag nicht annehmen willst. Und doch glaube ich dir einen Besseren zu stellen für alle die Dienste, die er dir leistete.« Darauf erwiderte der König grimmvoll: »Deine ganze Fürbitte verschlimmert nur alles. Sobald ich den Bôsi in meiner Hand habe, soll er hangen, und zwar höher, als je ein Dieb nach der Menschen Wissen hieng.« Da ward auch Herraudh zornig und sagte: »Auch das werden viele sagen, dass du deine Ehre nicht zu wahren weisst. Und da du mir nichts zu Gefallen thun willst, so magst du dich darauf verlassen, dass über uns, mich und Bôsi, das Gleiche ergehen soll, und ich werde ihn wie mich selbst vertheidigen. Mein Leben möge mit meiner Mannhaftigkeit zugleich enden, aber viele werden doch sagen, dass der Sohn einer Dienstmagd theuer genug bezahlt sei, wenn du uns dafür giebst.« Sehr zornig gieng da Herraudh von dannen, und er hielt nicht an, bevor er zu Bôsi kam, und er sagte ihm, wie Vater und Sohn sich getrennt hatten.

König Hring liess nun sein Heer zusammen rufen und die Schlachthörner blasen. Er zog wider die Fôstbrüder, und es kam da sogleich zum Kampfe zwischen ihnen; es hatte aber der König an Volke mehr als noch einmal so viel, ja man sagt, dass er seinen Gegnern dreimal überlegen gewesen sei. Die Fôstbrüder giengen kühn vor und erschlugen manchen Mann, dennoch erlagen sie der Uebermacht, wurden gefangen, in Fesseln geworfen und in ein finsteres Gefängniss gebracht. Der König war so ergrimmt, dass er sie sogleich wollte tödten lassen; Herraudh jedoch hatte viele Freunde, und sie wollten ihn gern alle durch ihre Einrede frei machen. So ward zuerst die Beute getheilt, und die Todten wurden begraben. Viele waren bei dem Könige zur Berathung versammelt; sie riethen, dass er mit Herraudh einen Vertrag eingehn sollte, und er ward vor den König geführt. Der König bot ihm Frieden an, und viele redeten zum Besten; aber Herraudh weigerte sich beharrlich den Frieden anzunehmen, wenn dem Bôsi nicht Leben und Glieder gesichert würden. Das wollte der König jedoch nicht zugestehn, und so sagte Herraudh, er werde jeden tödten, der dem Bôsi an das Leben rathe, und selbst des Königes. werde er nicht schonen, so wenig als eines anderen Mannes. Der König sagte, es sei nicht übel, dass der drohe, der für sich zu bitten habe, und er war so erzürnt, dass er nicht mehr mit Worten gegen ihn ankommen konnte. Er befahl Herraudhen in das Gefängniss zurückzuführen und dass man morgen beide tödten solle. Den meisten schien die Sache nun hoffnungslos.

Denselben Abend kam die alte Busla zum Bônden Thwari und sie fragte ihn, ob er für seinen Sohn nicht Geld dem Könige zu bieten gedächte; er sagte jedoch, er wolle sein Geld nicht verschleudern, denn er wisse, dass er dem, der sterben solle, das Leben nicht erkaufen könne; und dann fragte er sie, wohin denn nun ihre Zauberkunst gekommen sei, dass sie dem Bôsi keine Hülfe leiste, worauf sie erwiderte, sie könne eben so wenig betteln als er.

Aber noch in derselben Nacht kam Busla in die Herberge, worin der König schlief, und erhub da die Bitte, die seitdem »Buslubitte« genannt ward. Sie ward weit berühmt seit der Zeit, und es sind manche Worte darin, die Christenleute nicht im Munde zu haben brauchen, und es ist diess der Anfang:

Hier liegt Hring, der Herscher der Gauten,
der eigensinnigste aller Männer;
deinen Sohn du gedenkest seilbst zu morden:
weit hin wird es die Welt erfahren!

Hör' du Busla's Bitte, sie ist bald gesungen
über dein Haupt und des Hirnes Decke!
      Schädlich ist ihr Schall für jeden,
      verderblichst aber dir mein Wort. 2--4 lauten auch:

über die Welt hin soll man weit sie hören,
schädlich allen, die den Schall vernehmen,
verderblichst dem, den ich drängen will.

Schrate Böse Geister. dich scheuchen, Schauer dich fasse,
es fallen auf dich die Felsen nieder,
zu enge dir werde der Erde Raum,
der Wind sich dir wende und das Wetter schlimmre:
      wenn du Bôsi nicht Bergung zusagst,
      und wider Herraudh nicht den Hass du lässest!

Die Brust ich dir zerbrechen will,
dass Schlangen dir hassgrimm das Herz zernagen ;
die Ohren dir seien für immer taub,
die Augen dir hülle für immer Nacht Auch: deine Augen müssen dir aus dem Haupte springen.,
      wenn du Bôsi nicht Bergung zusagst,
      und wider Herraudh nicht den Hass du lässest!

Beim Segeln dir das Segel reisse,
beim Rudern dir das Ruder breche,
es reissen die Taue, die Rahen bersten,
mitten durch der Mast zersplittre:
      wenn du Bôsi nicht Bergung zusagst,
      und wider Herraudh nicht den Hass du lässest!

Wenn du reitest, reisse der Zaum dir,
dein Hengst erlahme, sein Huf zerbreche,
und der Heerweg wie die Haudrerstrasse
trage dich in der Trolden Hand:
      wenn du Bôsi nicht Bergung zusagst,
      und wider Herraudh nicht den Hass du lässest!

Auf dem Lager dir sei wie in lohenden Halmen,
aber auf dem Hochsitz wie in Haft der Wogen;
der Uebel jedoch dich das ärgste treffe,
willst du beim Weibe Wonne suchen:
      treten da sollst du Trügewege.
      Willst du mein Wort noch weiter hören?

Da sagte der König: »Schweig du, böse Hexe! und sieh, dass du fortkommst, sonst werde ich dich für deine Fürbitten verstümmeln lassen.« »Wir werden, da wir uns einmal getroffen haben, uns nicht eher trennen, sagte sie, als bis ich meinen Willen erreichet habe.«

Der König wollte sich da vom Lager erheben, aber er war fest im Bette und seine Kammerdiener erwachten nicht. Da liess Busla das andere Drittheil ihrer Bitte erschallen; doch ich nehme Anstand alle Worte mitzutheilen, der Anfang jedoch lautet:

Trolden und Albe und Trughexen
deine Burg dir brennen, und der Bergriesen Söhne;
Hrîmthursen die Frostriesen; hier = alle Teufel. hassen dich, Hengste schlagen dich,
Strohhalme stechen dich Das geringste sei dir verderblich., Sturm dich betäube:
      wenn du Bôsi nicht Bergung zusagst,
      und wider Herraudh nicht den Hass du lässest!

Und als die »Bitten« der Reihe nach gesungen waren, sagte der König zu ihr: »Ehe du mehr Verwünschungen auf mich häufest, da will ich dem Herraudh lieber das Leben schenken und Bôsi möge das Land verlassen; aber sobald ich ihn wieder fassen kann, lasse ich ihn greifen und tödten.« »Da muss ich dir noch näher rücken«, sagte sie, und begann sofort den Syrpuspruch syrpa besagt eine Sammlung von allerhand Dingen, hier sind es Verwünschungen., worin der stärkste Zauber steckt, und man darf ihn nach Sonnenuntergang nicht sprechen. Gegen das Ende hin lautet er also:

Sieh du hier der Männer sechs,
sage mir ihre Namen
alle ungebunden,
ich will sie dir zeigen.
Kannst du nicht sie rathen,
so dass recht es dünke,
ei, dann sollen Hunde
bei der Hel dich nagen,
aber deine Seele
sinke tief in Qualen!

»Rath nun diese Namen Diese Namen sind mit einer Geheimschrift (Zauberrunen) geschrieben, deren Geltung man nicht mehr kennt. Ich lasse sie weg, da diese Zeichen in keiner Druckerei zu finden sind., fuhr sie fort, aber wohl gemerkt, richtig, sonst soll dich all das Uebele treffen, das ich dir angewünschet habe, und diese sechs Männer können dir das Schlimmste zufügen, wenn du nicht meinen Willen thust.« Der König wusste kaum, was er auf diese Fürbitten des Weibes antworten sollte. »Was ist dein Wille?« sagte er endlich. »Lege ihnen eine gefährliche Sendung auf, antwortete sie, so dass es zweifelhaft bleibt, ob sie ihr Leben erhalten, und sie mögen da selbst verantwortlich sein.« Da hiess der König sie fortgehn, aber sie wollte nicht, bevor er ihr einen Eid geschworen hätte das Versprochene zu halten; nur dann solle die Buslubitte ihn nicht treffen. Der König schwur ihr den Eid, und sie gieng von dannen.

Früh am Morgen erhub sich der König und liess zur Versammlung blasen, und es wurden Herraudh und Bôsi dahin geführt. Der König befragte da seine Rathgeber, was er mit ihnen machen solle. Die meisten baten ihn Herraudh's zu schonen. Da sprach der König also zu Herraudh: »Du hegest zwar geringe Achtung gegen mich, dennoch bewillige ich auf die Bitte meiner Freunde, dass Bôsi Sicherung seines Lebens und seiner Glieder haben soll. Aber er soll das Land verlassen und nicht zurückkommen ohne mir das Greifenei zu bringen, welches mit Goldbuchstaben beschrieben ist; dann wollen wir uns gegenseitig vertragen, sonst aber sollen ihn alle Männer einen Schurken nennen. Herraudh aber fahre wohin er will; er folge dem Bôsi oder unternehme eine andere Fahrt, denn unter so bewandten Umständen mögen wir nicht bei einander leben.« So wurden denn die Fôstbrüder ihrer Bande entlediget; sie begaben sich zum Bauer Thwari und blieben bei ihm den Winter hindurch. Als der Frühling kam, rüsteten sie sich zu ihrer Fahrt, und sie hatten ein Schiff und darauf vier und zwanzig Männer. Sie nahmen ihren Weg ganz nach der Anweisung der Busla, segelten gen Osten und kamen nach Biarmaland; hier legten sie bei einem öden Walde an.

Ueber Biarmaland herschte zu dieser Zeit König Hârek. Er war vermählt und hatte zween Söhne, von denen der eine Hrœrek, der andere Siggeir hiess. Sie waren gewaltige Kämpen und Hirdhmannen Godhmund's, des Königes von Glæsiswellir, und auch Landwehrmänner desselben. Die Tochter König Hârek's hiess Edda, und sie war schön von Antlitz und in den meisten Dingen wohlerfahren.

Die Fôstbrüder lagen also vor Biarmaland bei dem Walde, der Wînuskôg hiess. Sie schlugen ihr Zelt am Lande auf, da wo eine verborgene Stelle war, fern von allen Wegen der Menschen. Am Morgen sagte Bôsi zu seinen Leuten, dass er und Herraudh in das Land hinein gehn wollten, um den Wald zu durchforschen und zu sehen, ob sie etwas erfahren könnten. »Ihr aber sollet unser hier einen Monat harren; kommen wir bis dahin nicht zurück, so seglet wohin ihr wollt, denn dann sind wir nicht mehr am Leben.« Den Männern schien die Unternehmung sehr bedenklich zu sein; aber die beiden bestunden auf ihrem Willen. Die Fôstbrüder giengen also in den Wald und hatten nichs weiter zur Nahrung, als was sie schossen, Thiere und Vögel, aber zuweilen hatten sie gar nichts als Beeren und Baumrinde; auch schädigte der Wald sehr ihre Kleider.

Eines Tages kamen sie zu einem Hause. Draussen stund ein Mann und spaltete Holz. Er begrüsste sie und fragte sie nach ihrem Namen. Sie nannten sich und fragten ihn, wie er heisse. Er nannte sich Hôketil und bot ihnen Nachtherberge an, wenn sie bei ihm bleiben wollten. Sie nahmen das Erbot gern und mit Dank an, und er führte sie in die Stube, und es war wenig Hausvolk da. Die Hausfrau war bejahrt, aber sie hatte eine schöne Tochter, und die nahm den Gästen die Kleider ab und reichte ihnen trockenes Gewand. Darauf ward ihnen ein Bad gerüstet und dann der Tisch gebracht, und man gab ihnen gutes Bier zum Trunke, die Tochter des Bônden aber schenkte. Bôsi blickte sie oft freundlich an und trat mit seinem Fusse ihr auf den Rist, und dasselbe Spiel spielte sie ihm. Als die Nacht kam, führte man die Fôstbrüder zu dem für sie bereiteten Lager draussen an der Seitenthüre der Halle; der Bônde schlief in einem eigenen abgeschlossenen Gemache, seine Tochter aber mitten in der Halle Ueber das altnordische Haus, seine Gelässe und Einrichtungen vgl. man: Karl Weinhold, Altnordisches Leben, S. 226, 233. Hier werden zwei Schlafgemächer erwähnt, die lokrekkja des Bônden und die stafnsæng für die Gäste. Zu anderer Zeit schlief in dieser die Tochter.. Als die Leute entschlafen waren, stund Bôsi auf, gieng zum Lager des Mädchens und zog ihr die Decke ab. Sie fragte wer da wäre. Bôsi nannte sich und sagte, er wolle zu ihr unter die Decke, denn auf seinem Lager sei es ihm nicht behaglich. Zugleich gab er ihr einen Goldring und stieg zu ihr in das Bette. Sie vertrugen sich trefflichst mit einander, und als die zärtlichen Kämpfe vorüber waren, gab ihr Bôsi über seine Fahrt Aufschluss und fragte sie, ob sie nicht wisse, wie man zu dem Greifenei, das mit Goldbuchstaben beschrieben sei, gelangen könne; sie seien darnach ausgesandt. Sie erwiderte, sie wolle ihn nicht minder belohnen für den Goldring als für die gute Nachtunterhaltung, und ihm sagen, was er wissen wolle. »Aber wer war so ergrimmt wider dich, dass er dich gerne todt sähe und dich in's Verderben sandte? Nicht alles darf man anschauen; aber wer nichts unternimmt, wird nicht berühmt, und es giebt viele Dinge, die sich oft zum Glücke wenden, obgleich sie ihre Gefahren haben.«

»Hier im Walde, fuhr sie fort, steht ein grosses Gehöfte, und es gehöret dem Könige Hârek, der hier über Biarmaland herschet. Daselbst ist ein mächtiger Gott, der Jómali der finnische Gott Jumala. heisset, und er hat viel Gold und viele Kleinode. Ueber das Gehöfte gebeut die Mutter des Königes, die Kolfrosta heisset; sie ist durch ihren Opfereifer so mächtig, dass nichts in ihre Nähe kommt, ohne dass sie es merke. Sie weiss durch ihre Zauberkünste voraus, dass sie nicht diesen ganzen Monat aus leben soll, deshalb nahm sie eine andere Gestalt an, fuhr ostwärts nach Glæswellir leuchtende Fluren, Eisgegend. Der Name bezeichnet sonst auch Siberien hier ein östliches Finnenland. und entführte daselbst die Hleidh, die Schwester König Godhmund's, denn sie will, dass diese nach ihr hier Hofgydja sei dem Tempel (Hof) vorstehende Priesterin.. Es ist aber Schade um Hleidh, denn sie ist die sittigste aller Jungfrauen, und es wäre besser, wenn das unterbliebe.« »Aber was ist denn in dem Hofe besonders gefährlich?« fragte Bôsi. »Ein Greif ist da, sagte sie, so grimm und boshaft, dass er alles tödtet, was vor ihn kommt. Er blicket immer starr nach der Thüre hin und erkennt alles, was herein kommt, und kein Wesen, das vor seine Klauen kommt oder von seinem Gifte getroffen wird, darf hoffen sein Leben zu erhalten; unter diesem Greife liegt das Ei, nach dem du ausgesandt bist. Ferner ist ein Knecht in dem Hofe, welcher die Nahrung der Gydja zu besorgen hat; sie bedarf eine zweijährige Kuh zu einer Mahlzeit. Endlich giebt es noch einen Stier im Hofe, der bezaubert und als Opfer dargebracht worden ist, und er ist mit Eisenbanden gebunden. Er muss die Kuh bespringen, und da theilt sich sein Gift ihr mit, und es werden dann alle bezaubert, die von ihrem Fleische essen. Solches Fleisch soll auch zur Nahrung zubereitet werden für die Hleidh, die Schwester Godhmund's des Königes, und sie wird dann eine eben solche Zauberin, wie die Hofgydja bisher war. Nun zweifle ich aber, dass du diese Ungethüme besiegen werdest, da du es mit solcher Zaubermacht zu thun hast.« Bôsi dankte ihr für diesen Bescheid, und sie schliefen nun bis der Tag anbrach.

Als der Morgen kam, gieng er zu Herraudhe und sagte ihm, was er gehört hatte. Sie blieben drei Nächte hier und dann giengen sie weiter; die Tochter des Bônden gab ihnen noch die Richtung nach dem Hofe des Gottes an und wünschte ihnen alles Wohlergehn bei der Trennung. So zogen sie nun ihres Weges.

An einem Morgen früh sahen sie, dass ein Mann daher schritt, gross von Gestalt und in eine graue Juppe gehüllt. Er führte eine junge Kuh, und daran erkannten sie, dass er der Knecht sei. Sie blieben bei ihm stehn, und Bôsi schlug ihm einen Kolbenschlag, der ihn tödtete. Darauf erschlugen sie die Kuh, zogen ihr die Haut ab und stopften diese mit Moos und Heide aus. Nun legte Herraudh die Juppe des Knechtes an und zog den Kuhbalg hinter sich her, aber Bôsi warf seinen Mantel über den Knecht und trug ihn auf seinem Rücken hinweg bis sie des Hofes ansichtig wurden. Jetzt nahm Bôsi seinen Spiess, stach ihn von unten durch den Knecht, so dass die Spitze zwischen den Schulterblättern herauskam, und gieng mit ihm so auf den Hof zu. Herraudh trat in der Kleidung des Knechtes in den Hof, (die Hofgydja lag noch im Schlafe), führte die Kuh in den Bansen und löste den Stier. Dieser sprang sogleich auf die Kuh, aber der Moosbalg brach zusammen, der Stier stiess sein Haupt wider die Mauer und brach sich die Hörner ab. Herraudh ergriff ihn sogleich bei den Ohren und bei der Mähne und zerbrach ihm das Halsgelenke; da erwachte die Hofgydja und sprang auf ihre Füsse.

Indessen kam Bôsi herein und trug den Knecht aufrecht an der Geerstange. Der Greif kam sogleich herbei, stürzte sich von oben herab aus dem Neste und trachtete den Ankömmling zu verschlingen und er verschlang den Knecht von oben bis zur Mitte. Da stiess Bösi den Spiess vorwärts, und er drang dem Greif durch den Hals bis in das Herz. Der Greif schlug seine Fänger in den Hintern des Knechtes, aber mit seinem Flügelbeine schlug er Bôsi an das Ohr, so dass er die Besinnung verlor. Der Greif fiel auf ihn, und sein Todeskampf war nicht leicht. Herraudh wandte sich wider die Gydja, und es war ihr Kampf ein sehr harter. Das Weib hatte spitzgeschnittene Fingernägel, und damit riss sie ihm das Fleisch ab bis auf die Knochen. Sie kamen endlich im Kampfe dahin, wo Bôsi lag, und wo der Boden sehr blutig war. Da glitt das Weib aus und fiel auf den Rücken nieder; sie rangen jedoch fort, und bald lag er, bald sie unten. Bôsi gewann da seine Besinnung wieder, rasch ergriff er das Haupt des Stieres und stiess damit gegen die Nase des Weibes, aber Herraudh riss ihr den Arm aus dem Achselgelenke, und so begann ihr die Kraft zu entweichen; aber ihr Todeskampf bewirkte ein grosses Erdbeben.

Herraudh und Bôsi giengen nun im Gehöfte umher. Zuerst besuchten sie das Nest des Greifes. Hier fanden sie das Ei, und es war ganz mit Goldbuchstaben beschrieben; auch war da Goldes so viel, dass sie genug daran zu tragen hatten. Dann kamen sie in das Gemach, in dem Jómali stund. Sie nahmen ihm seine goldene Krone, die mit zwölf Edelsteinen geschmückt war, und einen Halsschmuck, drei hundert Mark werth. Von den Knien aber nahmen sie ihm eine so grosse Silberschale, dass sie keine vier Männer hätten austrinken können. Sie war voll von rothem Golde; aber der Seidenstoff, womit das Gemach Jómali's rings behangen war, war mehr werth als drei Ladungen des reichsten Dromundes Dromund heisset den Skandinaviern a) der Dromedar, b) das Handelsschiff der griechischen und asiatischen Kaufleute., welcher im griechischen Meere geht. Alles diess nahmen sie an sich, das Ei, das Gold, die Krone, den Halsschmuck, die Trinkschale und die Wanddecken. Zuletzt trafen sie im Gehöfte auf ein ganz verborgenes Gemach. Es war durch eine Steinthüre fest verschlossen, und sie brauchten den ganzen Tag sie zu zerbrechen und den Eintritt zu gewinnen. Als sie eintraten, sahen sie auf einem Stuhle ein Weib sitzen, nie hatten sie ein schöneres gesehen. Ihr Haar war um die Stuhllehne geschlungen. Es war schön wie geschlagenes Stroh oder leuchtende Goldfaden. Mitten um ihren Leib gieng eine starke Eisenfessel, die sie auf dem Stuhle festhielt. Helle Thränen liefen ihr die Wangen hinab, als sie aber die Männer sah, fragte sie, was die Ursache des Geräusches sei, welches den ganzen Morgen hindurch gewährt habe. »Dünket euch euer Leben so werthlos, dass ihr euch hieher wagtet in den Bereich der Ungethüme? Wisset, die hier walten, die werden euch sogleich tödten, sobald sie euer gewahr werden?« Sie erwiderten, damit würde es wohl Zeit haben, und fragten sie, wie sie heisse, und warum sie hier so stark gefesselt sei? Sie entgegnete, sie heisse Hleidh und sei die Schwester Godhmund's, des Königes von Glæsiswellir; »aber die Zauberin, die hier waltet, brachte mich durch Zauber hieher und sie will, dass ich hier im Hofe Blôtgydja sei, sobald sie todt ist; aber ich will eher den lohenden Scheiterhaufen besteigen.« »Würdest du dem Manne gut sein, fragte Herraudh, der dich aus diesen Banden löste?« »Ich weiss, sagte sie, dass Niemand im Stande sein wird diess zu vollbringen.« »Würdest du freiwillig meine Gattin werden, wenn ich dich von hier wegführte?« »Ich kenne keinen so leiden Mann unter den Menschen, dem ich nicht lieber Gattin sein wollte, als hier im Hofe Blôtgydja; aber wie heissest du?« »Herraudh heisse ich, sagte er, und ich bin der Sohn Hring's, des Königes von Ostgautland; aber die Hofgydja brauchst du fortan nicht mehr zu fürchten, denn ich und Bôsi haben ihr über die Hirnschale ein Lied gesungen; aber das magst du glauben, dass ich aller Ehren werth mich erachten darf, wenn ich dich von hier löse.« »Ich habe nicht mehr dagegen einzusetzen als mich selbst, sagte sie, wenn es nur der Wille meiner Mage ist.« »Ich werde nicht bei deinen Magen um dich anhalten, sagte Herraudh, Ausflüchte jedoch gestatte ich hier nicht, aber zwingen soll dich nichts zur Ehe mit mir, denn ich meine dir völlig gemäss In Bezug auf Abstammung, Adel u. s. w. gleich. zu sein, aber lösen will ich dich so wie so.« »Ich kenne keinen Mann von allen, die ich gesehen habe, erwiderte sie, den ich lieber wählen würde.« Hierauf löste er sie und sagte, sie könne nun thun, was sie wolle, mit ihm heim fahren, und dann halte er Brautlauft mit ihr, oder ostwärts nach Glæsiswellir ziehen, dann aber sehe sie ihn nie mehr. Sie wählte mit ihm zu fahren, und so gelobte jedes dem andern Treue.

Hierauf trugen sie alles, Gold und Kleinode, aus dem Gehöfte, warfen Feuer in die Gebäude und brannten alles auf, so dass nur ein Haufen Asche übrig blieb. Darauf fuhren sie mit dem Gute hinweg, das sie da erworben hatten, und machten nirgends Rast, bevor sie wiederum zu dem Bônden Hôketil kamen. Auch hier weilten sie nicht lange, gaben jedoch dem Bauer und der Bäuerin grosses Gut. Das Gold und die Kleinode luden sie hier auf Saumrosse und führten alles zu ihrem Schiffe. Ihre Mannen wurden froh, als sie sie wiedersahen.

Bald nun segelten sie von Biarmaland ab, da ihnen guter Wind kam, und sie kamen glücklich heim nach Gautland. Sie hatten zwei Jahre auf ihrer Fahrt zugebracht. Sie traten nun vor den König und Bôsi überreichte ihm das Ei. Man machte einen Schnitt durch die Schale und fand in dem Ei zehen Mark rothen Goldes. Der König gebrauchte die Schale seitdem als Trinkbecher. Ferner gab ihm Bôsi die Schale, die er von den Knieen Jómali's genommen hatte, und so kam die Sühne zwischen ihnen zu Stande.

Zu dieser Zeit kamen zu König Hring Dagfari und Nâttfari, die Brüder der Königin, und sie waren her gesandt von Harald Hilditönn, um den König Hring um Beistand anzugehn, denn es sollte die Brâwallaschlacht geschlagen werden, die grösseste, von der man in den Nordlanden zu sagen weiss, wie die Sage von Sigurdh Hring, dem Vater Ragnar's des Rauhbehoseten Rauhhose bedeutet sein Beiname Lodhbrôk.– Ueber die Brâwallaschlacht s. oben S. 286 ff. behauptet. König Hring bat Herraudhen an seiner Statt in den Kampf zu ziehen und er versprach seine Braut ihm inzwischen zu bewahren, und damit sollte alles ausgeglichen sein, was zwischen ihnen vorgekommen wäre.

Herraudh that nun, was sein Vater verlangte, und er nebst Bôsi zog samt den Brüdern und fünf hundert Mannen zu König Harald hin. In dieser Schlacht fiel König Harald und mit ihm fünfzehen Könige, wie in seiner Sage erzählt wird, und viele Kämpen, die grösser waren als die Könige. Auch Dagfari und Nâttfari fielen, aber Herraudh und Bôsi wurden beide verwundet, aber beide entkamen aus der Schlacht; in Gautland jedoch hatte inzwischen ein Kampf Statt gefunden, während sie abwesend waren.

Wir haben uns nun zunächst nach Glæsiswellir zu wenden. König Godhmund vermisste bald seine Schwester und er fuhr beides zu Lande und zu See um sie aufzusuchen, konnte jedoch nirgends eine Spur von ihr entdecken. Bei Godhmund waren damals die Brüder Siggeir und Hrœrek. Der König verlangte, dass Siggeir sich verpflichte nach der Hleidh zu forschen, und finde er sie, solle sie sein Weib werden; aber Siggeir sagte, er glaube, sie werde nicht leicht aufzufinden sein, wenn die Hofgydja in Biarmaland nichts von ihr wisse. Mit fünf Schiffen fuhren sie von dannen und bis sie nach Biarmaland kamen. Sie fanden den König Hârek und sagten ihm, warum sie gekommen seien. Der König rieth ihnen nach dem Hofe des Gottes zu fahren, und sie würden nicht vergeblich dort liegen, wenn Jómali oder die Gydja von ihr Kunde hätte Hârek, Godhmund, Siggeir, Hrœrek sind Skandinavier, die sich unter Finnen niedergelassen haben. In Folge davon sind sie Verehrer des finnischen Gottes geworden und haben ihre heimischen Götter aufgegeben, wogegen Gauten und Schweden kein Bedenken tragen einen finnischen Tempel zu plündern und zu verwüsten. Man weiss übrigens, dass im achten Jahrhundert die heidnischen Götter auch bei den Heiden nicht viel mehr galten.. Bald darauf fuhren sie zu dem Hofe, fanden jedoch daselbst nur einen Aschenhaufen und sahen keinen Fetzen von irgend einem derer, die im Hofe hätten sein sollen. Nun fuhren sie den Wald entlang und kamen zu dem Gehöfte des Bônden. Sie fragten hier, ob man etwa wisse, wer den Hof verwüstet habe. Der Bauer sagte, er wisse davon nichts, aber, setzte er hinzu, zween gautische Männer haben lange am Wînuwalde gelegen, der eine hiess Herraudh, der andere Bôsi, und es dünke ihn sehr wahrscheinlich, dass diese die That vollbracht hätten. Zu diesem Bescheide fügte die Bôndentochter noch folgendes hinzu: sie habe sie auf dem Wege angetroffen, als sie zu dem Schiffe gegangen seien, und Hleidh sei mit ihnen gegangen, die Schwester Godhmund's von Glæsiswellir, und sie habe zu ihr gesaget, man möchte sie bei diesen suchen, wenn Jemand nach ihr suchen wollte.

Hierauf sammelten die beiden Brüder aus ganz Biarmaland Volk, und brachten drei und zwanzig Schiffe zusammen. Sie segelten darauf nach Gautland und kamen dahin zu der Zeit, da die Fôstbrüder in der Brâwallaschlacht stritten, und König Hring war mit wenigen Mannen allein zu Hause. Sie liessen dem Könige die Wahl, entweder die Jungfrau auszuliefern oder zu kämpfen. Der König wählte den Kampf. Sie wurden bald handgemein, und es fiel König Hring und der grösseste Theil seiner Leute. So nahmen sie denn die Maid nebst grossem Gute und vielen Kleinoden, fuhren hinweg und rasteten nirgends, bis sie heim nach Glæsiswellir kamen. König Godhmund war sehr froh, dass er seine Schwester wieder hatte, dankte den Brüdern sehr und ihre Fahrt erschien sehr ruhmreich. Siggeir warb nun um Hleidh, aber sie war ihm abgeneiget und sagte, es gebühre sich, dass sie dessen Gattin werde, der sie aus den Klauen der Ungethüme befreiet habe; der König jedoch sagte, er habe das zwar wohl verdienet: »ich jedoch habe auch ein Wort zu deiner Vermählung mitzusprechen, und ich mag es keinem ausländischen Häuptlinge gönnen dich zu haben, wenn du dich nicht freiwillig meinen Beschlüssen fügen willst.« So musste es denn geschehen wie der König wollte. Sie mögen sich nun zur Brautlauft rüsten, aber es könnte sein, dass die Sache doch einen anderen Ausgang nähme, als sein Gebot es wollte.

Herraudh und Bôsi kamen heim einen halben Monat darauf, als Siggeir und Hrœrek davon gesegelt waren. Die nun folgende Befreiung der Hleidh hat grosse Aehnlichkeit mit der Befreiung der Rezia durch Hüon (man vergleiche nur Wieland's Oberon, Gesang 5), nur ist hier alles reicher und ursprünglicher. Jetzt bedurften sie nun eines Freundes zur Berathung, und Bôsi suchte deshalb seinen Vater auf. Dieser sagte nun, sie würden zu spät kommen, wenn sie grosses Volk sammelten, und er und Busla meinten, sie würden die Königstochter eher durch List und raschen Angriff erlangen. Sie nahmen diesen Rath an, rüsteten nur ein Schiff und wählten dreissig Männer aus. Smidh sollte mitfahren, und die ganze Leitung des Schiffes ward ihm übertragen; auch gab er ihnen sonst manche gute Räthe. Sobald sie also damit zu Stande gekommen waren, segelten sie ab.

Nun war Smidh so vom Winde begünstiget, dass er immer hinreichenden Fahrwind hatte, sobald er steuerte, und ihre Fahrt gieng rascher von Statten, als man es hätte für möglich erachten sollen. Sie kamen früher, als man erwarten konnte, nach Glæsiswellir und legten bei einem öden Walde an. Smidh machte hier ihr Schiff unsichtbar. Herraudh und Bôsi giengen an das Land und kamen zu einem kleinen, aber wohlgehaltenen Gehöfte, wo ein Bauer mit seinem Weibe hauste. Sie hatten eine schöne und kluge Tochter. Der Bauer bot ihnen Nachtherberge an, und sie waren damit wohl zufrieden. Das ganze Hauswesen war hier wohl eingerichtet. Als die Nacht kam, trug man die Tische vor sie und reichte ihnen Bier zum Trunke, und zwar gutes. Der Bauer war wortkarg und blöde, aber dennoch trank er mit ihnen, die Tochter aber war die freundlichste von allen im Hause und sie schenkte den Gästen. Bôsi war sehr munter mit ihr und machte ihr einige Zeichen, und sie that ebenso gegen ihn.

Als nun die Zeit kam, führte man die Gäste zum Lager; sobald aber die Lichter gelescht waren, gieng Bôsi dahin, wo das Mädchen lag, und zog ihr die Decke weg. Sie fragte, wer da sei, und Bôsi nannte sich. »Was willst du hier?« fragte sie. »Mit dir kurzweilen«, erwiderte er, und gab ihr einen Goldring. Darauf schlüpfte er unter die Decke zu ihr, und sie kurzweilten die Nacht hindurch. Dabei fragte sie ihn, was für ein Mann er wäre; er sagte ihr die Wahrheit und fragte dann, was es im Lande Neues gebe. »Das Neueste ist nun, erwiderte sie, dass die Brüder Hrœrek und Siggeir die Hleidh geholt haben, des Königes Schwester; den König Hring aber haben sie in Gautland erschlagen, und sie sind nun durch diese Fahrt so berühmt geworden, dass es im ganzen Ostlande nicht ihres gleichen giebt; und der König hätte auch bereits seine Schwester dem Siggeir vermählt, hätte sie sich nicht immer geweigert; aber nun soll nach drei Nächten Brautlauft sein. Aber sie sind so vorsichtig, dass sie auf allen Strassen und in jedem Hafen Späher haben, und Niemand könnte sich unbemerkt nahen, denn sie halten es für gar nicht unwahrscheinlich, dass Herraudh und Bôsi die Jungfrau aufsuchen. Der König hat sich aber eine so grosse Halle erbauen lassen, dass an ihr hundert Thüren sind, und es ist zwischen ihnen allen stets ein so grosser Raum, dass bequem hundert Männer da sitzen können. Vor jeder Thüre stehn zwei Wächter, denn Niemand soll in die Halle hineinkommen, ohne bereits an der Thüre erkannt zu sein; den man aber nicht erkennet, den soll man ergreifen und in Gewahrsam halten, bis erwiesen ist, was für ein Mann er sei. Mitten auf dem Boden der Halle steht ein Bette, und es sind da fünf Stufen hinauf zu steigen, und darin sollen Braut und Bräutigam liegen, aber die ganze Hirdh soll darum wachen; nichts kann ihnen also unbemerkt nahe kommen.« »Und auf welche seiner Leute hält der König am meisten?« fragte Bôsi. »Auf Sigurdh, sagte sie, hält er am meisten; der ist sein Rathgebe und ein so grosser Meister der Tonkunst, dass man wohl nirgends einen ihm gleichen findet, und wenn man noch so weit suchte; am grössesten aber ist er im Harfenschlag. Er weilt gerade jetzt bei seiner Geliebten, einer Bôndentochter hier im Walde, und lässet sich Kleider fertigen und ordenet die Weisen, die er bei der Vermählungsfeier zu spielen gedenket.« Das war ihr Gespräch, und darauf schliefen sie.

Mit dem Morgen gieng Bôsi zu Herraudh und sagte ihm, was er in der Nacht erfahren hatte. Darauf nahmen sie Urlaub und giengen nach Anweisung der Bôndentochter, bis sie das Gehöfte sahen, wo Sigurdh jetzt weilte. Eben kam er heraus und ein Mann mit ihm, und sie eilten heim zur Burg des Königes. Da fielen sie beide an, Bôsi erschlug den Sigurdh, Herraudh aber erdrosselte seinen Begleiter; dann nahm sie Bôsi und zog beiden die Haut ab.

Hierauf giengen sie zurück zu ihrem Schiffe und sagten Smidhe, was sie vollbracht hatten. Smidh sagte ihnen nun, was weiter zu thun sei, und sie nahmen seinen Rath an. Da steckte Smidh den Bôsi in die Haut Sigurdh's und legte ihm dessen Kleider an, er selbst aber fuhr in die andere Haut und legte das Gewand des Mannes an. Hierauf sagten sie dem Herraudh, wie er sich benehmen solle, und fuhren zur Burg des Königes.

Sie kamen zu einer Thüre der Halle, wo gerade König Godhmund selbst davor stund. Er wähnte seinen lieben Sigurdh in dem Ankömmling zu erkennen und begrüsste ihn mit grosser Freude. Bôsi, oder wie wir ihn jetzt nennen wollen, Sigurdh übernahm nun sogleich die Schatzkammer des Königes, die Becher und Trinkhörner wie auch den Keller und bestimmte, welches Bier man zuerst trinken solle. Dann befahl er den Schenken eifrig einzuschenken, denn, sagte er, es kommt am meisten darauf an, dass die Männer gleich mit Eintritt des Abendes so trunken als möglich werden, denn da dauert der Rausch am längsten.

Zunächst nun wurden den Häuptlingen die Sitze angewiesen und die Braut herein geführt und auf die Bank gesetzet, und mit ihr viele schöne Jungfrauen. König Godhmund sass auf dem Hochsitze und Siggeir, der Bräutigam, neben ihm, Hrœrek aber diente dem Bräutigam. Wie man den Häuptlingen diente, das wird hier nicht besonders angegeben, aber das weiss man, dass Sigurdh vor den Frauen die Harfe schlug.

Als man nun die Weihebecher hereintrug, da spielte er so, dass die Männer sagten, ihm käme Niemand gleich in dieser Kunst; er aber meinte, das sei für's erste nur ein geringer Beweis; der König jedoch bat ihn seine Kunst nicht zu sparen.

Da nun aber der Minnetrank Trank der Erinnerung an Jemand. Im christlichen Deutschland trank man vorzüglich St. Johannis und St. Gertruden Minne. S. Grimm's D. Myth. I. S. 55 ff. Meinhold, Altnord. Leben, S. 461. herein gebracht ward, der dem Thôr geweihet ist, da änderte Sigurdh den Schlag, und alles, was lose war, begann sich zu bewegen, Messer und Teller und alles, was nicht nagelfest war. Auch die Männer sprangen in Menge von ihren Sitzen und tanzten auf dem Boden hin, und das gieng eine lange Zeit so fort.

Demnächst trug man herein den Minnetrank, der allen Âsen galt, und da änderte Sigurdh wiederum den Schlag und er schlug so laut die Harfe, dass es überall im Saale wiederhallte. Da sprangen alle auf, die in der Halle waren, mit Ausnahme der Braut, des Bräutigams und des Königes, und alles sprang und flog nun, und das dauerte eine lange Zeit. Der König fragte ihn, ob er nicht noch mehrere Schläge könne? Er erwiderte, er wisse wohl noch einige Schläge, aber das Volk möge nur erst ruhen. Da setzten sich die Männer nieder und griffen zu den Bechern, er aber schlug indessen den Gygjarschlag, den Draumbut oder Drambuschlag und das Hiarrandalied Sang- und Tanzweisen, die wir nicht weiter kennen. Gygjarslag, Weise der Riesin; Draumbut und Drambuschlag scheinen verderbt aus Drambbût und Drambbûtschlag, wenn nicht gar einfach drömbu (von dramba, Hochfahrt) und drömbuslag zu lesen ist. Ueber das Hiarrandalied hinten mehr; hier erinnere ich nur an Oberon's Horn, welches Hüon unter gleichen Verhältnissen und mit gleicher Wirkung bläst. Man lese nur Wieland's Oberon..

Jetzt kam der dem Ôdhin geheiligte Minnebecher herein, und da schloss Sigurdh die Harfe auf. Sie war so gross, dass ein Mann in ihr aufrecht stehn konnte, und war wie rothes Gold anzusehen. Dann legte er weisse, goldgesäumte Handschuhe an und schlug da den Schlag, der Faldafeykir Schleierwegblaser. heisset: da flogen die Schleier von den Häuptern der Frauen und tanzten oben an den Querbalken hin, und die Frauen und alle Männer sprangen auf, und kein Ding konnte da in Ruhe bleiben.

Zuletzt kam der der Freyja geheiligte Minnebecher, nachdem Ôdhin's Minne getrunken war: da griff Sigurdh die Saite, die quer über alle die anderen Saiten gespannt war. Er hatte sie bis jetzt noch nie berührt, und er bat den König, sich auf einen starken Schlag gefasst zu machen. Da erfasste es den König so, dass er aufsprang, und so auch Braut und Bräutigam, und sie waren nun die wackersten Tänzer, und dieser Tanz dauerte lange Zeit. Sigurdh selbst ergriff nun die Harfe, aber Smidh die Hände der Braut und sie tanzten auf das wackerste. Sobald Smidh aber die Gelegenheit ersah, ergriff er das Tischgeräthe und warf es hinauf auf das Brautbette.

Aber was machte Herraudh unterdessen? Er liess einen Theil seiner Mannen an die See gehn und alle Schiffe, die in der Nähe waren, durchlöchern, so dass keines seetüchtig war; die anderen aber hatte er bei sich vor der Burg, und diese trugen zur See alles Gold und Silber, das Smidh ihnen zum Handgebrauche zurecht geleget hatte. Es war bereits stark dunkel geworden: da stiegen einige zu den Fenstern empor, sahen, wie es darinnen zugieng, und zogen hinaus durch die Fenster was auf das Bette war hinauf geworfen worden, andere aber trugen es zu dem Schiffe, beluden dasselbe und wandten, so rasch es nur gieng, den Vordergransen vom Lande ab.

Nun geschah es, da sie so munter tanzten in des Königes Halle, dass ein Mann herein trat, der gross von Gestalt und schön von Aussehn war. Er trug einen scharlachrothen Rock und darum einen Silbergürtel, um die Stirne aber ein goldgesticktes Band. Er war waffenlos und tanzte einher wie die anderen, bis er vor den König kam: da schwang er die Faust auf und schlug dem Könige einen so gewaltigen Schlag auf die Nase, dass ihm drei Zähne aus dem Munde sprangen; aus Mund und Nase aber strömte das Blut und der König fiel betäubt nieder. Sobald Sigurdh das sah, warf er die Harfe hinauf auf das Bette und stiess ihn mit beiden Fäusten zwischen die Herten Schulterblätter.. Der Mann entfloh, Sigurdh aber sprang hinter ihm drein und auch Siggeir, Hrœrek und viele andere; einige aber stürzten nach dem Könige hin. Während dieses Gewirres nahm Smidh die Hand der Braut und leitete sie hinauf auf das Bette. Hier schloss er sie in den Leib der Harfe, aber die aussen stunden, zogen sie aus dem Fenster und ihn zugleich mit und schlugen den Weg nach dem Schiffe ein, und auch der, der den König geschlagen hatte, war gekommen. Auch Sigurdh wandte sich nach dem Schiffe hin, aber Siggeir sprang ihm mit geschwungenem Schwerte nach. Da kehrte sich Sigurdh um, trat ihm entgegen und stiess ihn in das Meer, und so mussten ihn seine Mannen in einem schlimmeren Zustande, als wenn er todt gewesen wäre, an das Land ziehen. Nun zerhieb Smidh das Fesseltau, sie setzten sich an die Ruder, zogen die Segel auf und stachen in das Meer hinaus. Hrœrek wollte auf das Schiff springen, da es jedoch vom Lande abgestossen war, so fiel er in die kohlschwarze See. Bei solchen Umständen musste es also ergehn, denn sie waren alle so trunken, dass sie schlimmer als rathlos waren.

Sie kehrten nun zur Halle zurück. Sie fanden den König zwar wieder bei Besinnung, aber doch sehr schwach an Kraft. Die Männer suchten ihn wohl zu stärken, aber er war sehr entkräftet und das Trinkgelage endete in Schmerz und Sorge. Als der König sich zu erholen begann, giengen sie zu Rathe und beschlossen beisammen zu bleiben und sich so schnell als möglich zu rüsten, um den Fôstbrüdern nachzufahren. Wir lassen sie sich rüsten und wenden uns wieder zu Herraudh und Bôsi.

Sie segelten bis dahin, wo, wie sie wussten, die Wege sich schieden, und es führte der eine nach Biarmaland. Bôsi bat Herraudhen heim nach Gautland zu segeln; er selbst, sagte er, habe noch ein Geschäft in Biarmaland; Herraudh jedoch wollte sich nicht von ihm trennen und fragte, was das für ein Geschäft wäre, Bôsi aber erwiderte, das würde später offenbar werden. Smidh erbot sich da ihrer fünf Tage zu harren. Bôsi sagte, er verspreche sich guten Erfolg, und so nahmen sie ein Boot und fuhren hinweg.

Sie landeten nahe bei dem Sitze König Hârek's, verbargen ihr Boot in einem Verstecke und giengen zu den Wohnungen. Im nächsten Gehöfte wohnte ein Bauer mit seinem Weibe, und sie hatten eine schöne Tochter. Sie wurden hier wohl empfangen. Am Abend wurden sie gebadet und man speiste sie und gab ihnen guten Wein zu trinken. Bôsi blickte die Bauerntochter freundlich an, und sie that ihm das Gleiche; bald darauf giengen alle zu Bette. Als alle schliefen, gieng Bôsi zum Lager des Mädchens; sie fragte, was er wolle, und er sagte, er wolle sich mit ihr unterhalten, und er reichte ihr ein Kleinod. Sie unterhielten sich also die Nacht hindurch, und dabei fragte sie ihn, woher er wäre. Er sagte ihr die Wahrheit und fragte, ob sie nicht in Freundschaft stünde mit Edda, der Tochter des Königes. Sie sagte, dass sie oft zu ihr käme und stets wohl empfangen würde. »So will ich dich zu meiner Vertrauten machen, sagte er, und ich will dir drei Mark Goldes geben, wenn du Edda, die Tochter des Königes, in den Wald zu mir bringest.«

Hierauf nahm er aus seiner Tasche drei Wallnüsse, die waren wie von rothem Golde, und gab sie ihr; zugleich hiess er sie der Königstochter sagen, sie wisse, dass an einer verborgenen Stelle genug solcher Nüsse stünden. Die Bauerntochter erwiderte ihm, dass Edda vor einem einzigen Manne ganz sicher sei, denn ihr folge immer der Hämmling Skalk, und der habe die Stärke von zwölf Männern, und das würde er wohl erfahren. Bôsi sagte, darnach frage er nichts, wenn er es nur nicht mit mehreren zu thun bekomme.

Früh am nächten Morgen gieng sie zur Tochter des Königes, aber Herraudh und Bôsi verbargen sich im Walde. Sie zeigte ihr die Goldnüsse und sagte, sie wisse, wo solche sich fänden. Sie giengen also in den Wald, und der Knecht gieng mit ihnen. Herraudh und Bôsi sahen sie kommen und sie giengen ihnen entgegen. Bôsi grüsste die Königstochter und fragte sie, warum sie nur einen Mann zum Geleite habe? Sie entgegnete, es sei ja hier keine Gefahr. Bösi meinte, das sei, wie man es nehmen wolle, ergriff sofort die Jungfrau und sagte, sie habe nun die Wahl, entweder freiwillig mit ihm zu ziehen oder sogleich mit ihm hier im Walde Brautlauft zu halten. Da fragte der Knecht, wer denn der Unverschämte sei, der von so unerhörter Sache zu reden sich erdreiste, aber Herraudh hiess ihn schweigen. Der Knecht trug eine grosse Keule und schlug damit nach Herraudh, dieser jedoch hielt ihm seinen Schild entgegen, aber der Schlag war so wuchtig, dass der Schild zersplitterte. Herraudh unterlief nun den Knecht, dieser aber stellte seinen Mann; ihr Geringe ward heftig und der Knecht wich keinen Fuss breit zurück. Da kam Bôsi herbei, riss ihm die Füsse hinweg, dass er fiel, und nun legten sie ihm einen Strick um den Hals und henkten ihn an einen Baum. Hierauf nahm Bôsi die Königstochter auf seine Arme und trug sie nach dem Boote hin. Sie stiessen nun vom Lande ab und ruheten nicht bevor sie zu Smidh kamen. Edda war sehr entrüstet, aber sobald Smidh einige Worte an sie richtete, benahm er ihr auch allen Missmuth. Sie segelten nun heim nach Gautland.

Wir haben oben gesaget, dass Godhmund und Siggeir ihr Heervolk rüsteten, um den Fôstbrüdern nachzusegeln. Sie gewannen ein gewaltiges Heer, aber Herraudh's Ohrschlag hatte Godhmunden so schwer getroffen, dass er diese Fahrt zu fahren nicht im Stande war. So sollten denn die Brüder Siggeir und Hrœrek die Mühe und Last dieser Fahrt auf sich nehmen. Sie hatten vierzig Schiffe von Glæsiswellir, und unterweges stiessen noch einige zu ihnen; sie fuhren nun bis sie nach Biarmaland kamen. Sie fanden König Hârek, und Herraudh und Bôsi waren noch nicht lange von dannen gesegelt, Hârek hatte aber volle Gewissheit darüber, dass sie seine Tochter entführt hatten. Er hatte demzufolge sein Heer gerüstet und er hatte fünfzehn grosse und wohlbemannte Schiffe. Er vereinigte sich nun mit der Flotte der beiden Brüder Siggeir und Hrœrek, und sie hatten sechszig Schiffe zusammen, und damit segelten sie nach Gautland.

Herraudh und Bôsi jedoch waren nicht ungerüstet. Gleich nach ihrer Heimkunft hatten sie ein grosses Heer gesammelt, um Widerstand leisten zu können, wenn die Feinde ihnen nachsetzten; ihre Brautläufte jedoch verschoben sie auf geeignetere Zeit. Der Bauer Thwari hatte aber Spiesse und Pfeile fertigen lassen, während sie abwesend waren, und so brauchten sie nun nicht lange zu warten, als das Heer zusammen kam. An dem gleichen Tage, da sie ihre Brautlauft halten wollten, kamen König Hârek und seine Söhne Siggeir und Hrœrek herangesegelt mit ihrem Volke und der Heerlärm war überaus gross. Herraudh gieng mit seinen Schiffen ihnen entgegen, und er hatte zahlreiches und schönes Heervolk; doch hatten die Gegner dessen bei weitem mehr. Bôsi fuhr mit seinem Schiffe wider das Schiff Hrœrek's, aber Herraudh griff Siggeiren an, wozu beide die trifftigsten Gründe hatten. Der Kampf begann nun und man stritt auf beiden Seiten überaus wacker. Der Streit hatte noch nicht lange gewähret, als Siggeir bereits enterte und auf Herraudh's Schiff sprang. Er ward sofort der Tödter eines Mannes. Snidhil, der Vordersteuermann Herraudh's, schoss seinen Spiess auf Siggeiren, dieser jedoch fieng den Spiess in der Luft auf und warf ihn zurück auf den, der ihn gesandt hatte. Er fuhr durch Snidhiln und so tief in die Schiffswand, dass er ihn daran anheftete. Herraudh wandte sich sogleich gegen Siggeiren, und stach mit dem Geere nach ihm, und der Stich gieng durch den Schild; aber Siggeir wandte den Schild so kräftig, dass Herraudh seinen Geer aus den Händen lassen musste. Nun schwang Siggeir das Schwert gegen Herraudhen, traf den Helm, schlug den vierten Theil desselben hinweg und zugleich mit das rechte Ohr; Herraudh jedoch griff eine grosse Keule auf, welche auf den Dielen lag, und schwang sie wider Siggeiren, so dass das Eisen sein Antlitz traf, die Nase zertrümmerte und ihm alle Zähne aus dem Munde schlug. Er stürzte kopfüber in sein Schiff zurück, und lag lange ganz und gar betäubet.

Nicht minder wacker schlug sich Smidh. König Hârek sprang selbzwölfter auf Smidh's Schiff, und tobte grimmig umher. Smidh wandte sich wider ihn und schlug auf ihn mit dem Schwerte, welches ihm Busla gegeben hatte; denn unbesprochene Waffen verwundeten ihn nicht Ein Ding besprechen hier: über etwas Zaubersprüche sprechen. So sagt man z. B. das Blut besprechen, d. h. das rinnende Blut durch Zauberspruch stillen. Solche Sprüche, heissen auch Segen. S. meine Herbstabende und Winternächte B. I. S. 106--130.. Der Schlag traf ihn quer über die Zähne und sie fielen ihm alle aus dem Munde, und auch die Kinnlade war zerspalten; beide Lippen klafften und das Blut strömte ihm reichlich über den Bart. Auf diesen Schlag verwandelte er sich und ward zu einem Flugdrachen, spie Gift über das Schiff und tödtete viele Männer. Plötzlich stürzte er sich auf Smidh herab, fasste ihn mit dem Rachen, verschlang ihn und ward also sein Tödter. Da sahen sie, wie ein Vogel oben vom Lande her geflogen kam, und es war ein Riffgeier. Er hatte ein so grosses und furchtbares Haupt wie der böse Feind. Er stürzte sich auf den Drachen, und ihr Kampf war grausig anzusehen; aber er endete damit, dass beide nieder fielen, und der Riffgeier fiel in die See, der Drache aber auf Siggeir's Schiff.

Nun hatte jetzt auch Herraudh Siggeir's Schiff erstiegen und er schwang seine Kolbe, mit beiden Händen. Er schlug nach Siggeire und der Schlag traf ihn an das Ohr und zerschmetterte ihm den ganzen Hirnkasten. Er stürzte über Bord, sank zu Grunde und kam nicht wieder empor. In diesem Augenblicke kam König Hârek wieder zur Besinnung und ward sofort zu einem Eber. Er hieb mit den Hauern nach Herraudhe, zerschliss ihm die ganze Brünne, schlug ihm die Zähne in die Brust und riss ihm beide Brustwarzen bis auf den Knochen ab. Herraudh schlug da den Eber auf den Rüssel und zermalmte diesen ganz und gar bis zu den Augen hin, war aber jetzt so ermüdet, dass er auf den Rücken fiel: da sprang der Eber auf ihn, trat ihn unter die Füsse, beissen jedoch konnte er ihn nicht, weil sein Rüssel zermalmt war. Da kam plötzlich eine grosse Hündin auf das Schiff und sie hatte gewaltige Kampfzähne. Sie biss dem Eber ein Loch in die Weichen, riss die Därme heraus und sprang über Bord; Hârek aber war da wieder ein Mann; er stürzte sich über Bord ihr nach, und beide sanken zu Grunde, und es kam keines von beiden wieder empor. Allgemein geht die Sage, die Hündin sei Busla gewesen, denn man hat sie seither nie wieder gesehen Hier haben wir ein Prachtstück altnordischen Zauberwesens. Ich bemerke nur noch, dass der Riffgeier Niemand anders war als der Bauer Thwari; das ergiebt sich aus dem nun folgenden. Er war als Vogel in das Meer gefallen, nun rettete ihn Bôsi..

Bôsi war inzwischen auf das Schiff Hrœrek's gekommen und schlug sich überaus mannhaft. Da sah er, wie sein Vater längst des Bordes sehr ermattet daher schwamm und er sprang über Bord, half ihm und brachte ihn auf sein Schiff. Aber bereits war auch Hrœrek auf diess Schiff gekommen und hatte manchen Mann erschlagen: da griff ihn Bôsi sofort an, obgleich er sehr müde war, spaltete ihm den Schild niedwärts durch und durch und schlug ihm einen Fuss am Ristgelenke ab. Das Schwert drang in den Windebalken und brach mitten entzwei. Hrœrek schwang jetzt sein Schwert auf ihn, Bôsi jedoch wandte sich und wich zurück, das Schwert glitt an dem Helme ab, fuhr an den Herten nieder, zerriss Bôsi'n die ganze Brünne, verwundete ihn an beiden Schulterblättern und fuhr den ganzen Rücken entlang nieder. Alle Kleider fielen ihm ab, so dass er ganz nackt dastund; zugleich verlor er das Fersenbein des linken Fusses. Bôsi ergriff da den Windebaum, aber Hrœrek suchte über Bord zu springen; Bôsi zermalmte ihn jedoch an dem Schiffborde mit allen Heergewanden.

Der grösseste Theil der Feinde war nun gefallen, und so boten die Fôstbrüder den übrigen Frieden an, und sie legten mit Freuden die Waffen nieder. Herraudh und Bôsi musterten nun ihr Streitvolk und es waren da von ihrem ganzen Heere nicht mehr als hundert Männer kampftüchtig; aber sie hatten sich doch eines grossen Sieges zu rühmen. Sie theilten nun die Beute, fuhren darauf heim zur Burg, wo die Wunden der Männer verbunden wurden, und diejenigen, denen das Glück hold war, wurden geheilet.

Hierauf rüsteten sie sich zu ihren Brautläuften, und alles, dessen man bedurfte, war gut und reichlich vorhanden. Das Gelage währte einen vollen Monat, und als die Gäste von dannen zogen, reichte man ihnen kostbare Gaben. Herraudh ward da zum Könige erwählt über alle die Reiche, die sein Vater gehabt hatte. Bald nachher sammelten sie Volk und fuhren nach Biarmaland, und Bôsi verlangte daselbst Aufnahme, indem er sagte, dass Edda, die nun seine Gattin war, nach dem Tode ihres Vaters Anspruch habe. So, meinte er, könne er den Landleuten am besten den Schaden vergüten, den er ihnen zugefüget hätte; denn wäre er ihr König, so könne er durch gute Gesetze für ihr Gedeihen und ihre Macht sorgen. Da sie nun keine Fürsten mehr hatten, so hielten sie es für das Beste, ihn zum Könige über sich zu erwählen; Edda aber war ihnen schon vorher nach ihren guten Sitten bekannt. So ward Bôsi König über Biarmaland. Von dem Mädchen, das er einst hier in dem Walde fand, hatte er einen Sohn, der Swidhi der Streitkühne genannt ward, den Vater Wilmund's Widhutönn's. Bôsi ward bald ein angesehener Häuptling. Zunächst fuhr er gen Glæsiswellir, um zwischen Godhmund und Herraudh Sühne zu Stande zu bringen. Diess gelang ihm, und so fuhr denn Herraudh wieder heim nach Gautland, wo er sich gleichfalls grossen Ruhm erwarb. Herraudh und Hleidh liebten einander sehr; ihre Tochter war Thôra Burghirsch, welche später Ragnar Lodhbrôk zur Gattin hatte. Man erzählt, dass sich in dem Geierei, das sie einst aus Biarmaland holten, ein wie Gold glänzender Wurm fand, und den gab Herraudh seiner Tochter zum Zahngelde Das dem Kinde beim ersten Zahne nach Brauch überreichte Geschenk.. Sie aber liess ihm Gold unterlegen, und er erwuchs zu einer solchen Grösse, dass er das Haus, in dem sie wohnte, rings umschloss, und ward so grimm, dass Niemand in das Haus zu gehn wagte, ausser der König und der Mann, der den Wurm fütterte. Er brauchte auf einmal einen ausgewachsenen Ochsen und war das grösseste Ungeheuer. Deshalb gelobte denn auch Herraudh, dass er nur dem Manne seine Tochter vermählen wolle, der es wagen würde, zu ihr in das Haus zu gehn und den Wurm zu tödten. Das aber wagte Niemand, bis Ragnar, Sigurdh Hring's Sohn, herkam. Er erlegte den Wurm und gewann so die Jungfrau; den Namen Lodhbrôk aber erhielt er von den rauhen Kleidern, die er sich fertigen liess, da er auszog den Wurm zu bekämpfen, und hiemit endet die Sage von Herraudh und Bôsi.


Anmerkung.

Bereits in den kurzen Erläuterungen unter dem Texte ward auf die Verwandtschaft dieser Sage mit der Sage von Hüon von Guyenne (oder dem Oberon nach Wieland's Bearbeitung) hingewiesen; selbst die drei Backenzähne fehlen nicht, nur dass hier alles urwüchsiger und reicher ist. Die in unserer Sage genannten Weisen: Gygjarslag, Drömbuslag, Hiarrandahliodh und Faldafeykir nebst den anderen, die nicht benannt werden, sind Weisen, die man nur von Älben oder Nixen lernen kann. Die zauberische Wirkung der Weise wird bei Wieland dem Horne Oberon's zugeschrieben. Das ist eine Vergröberung, die nicht eben zu loben sein dürfte. Der Glaube, dass es dergleichen zauberkräftige Weisen gebe, war übrigens keineswegs dem Norden ausschliesslich eigen. Für Frankreich leistet den Beweis die Sage von Hüon, für Deutschland die Sage vom Rattenfänger von Hameln; ja im 13. Jahrhunderte hatte man auch bei uns noch Kunde vom Hiarrandahliodh. Hiarrandi heisset in der deutschen Heldensage bekanntlich Hôrand (eigentlich sollte der Name Herirand, Herrand lauten, Hôrand mag durch anglischen Einfluss entstanden sein, denn anglisch lautet der Name Heorrenda), und Hôrand erscheinet in der Gûdrûn als zauberkräftiger Sänger. Es heisset da von ihm Str. 372 ff.:

Dô kom an einem âbende, daz in sô gelanc,
      daz von Tenemarke der küene degen sanc
      mit sô hêrlîcher stimme, daz ez wol gevallen
      muose al den liuten. dâ von gesweic der vogellîne schallen.

Daz hôrte der künec gerne und alle sîne man,
      dâ von von Tenen Hôrant der friunde vil gewan;
      ouch hete ez wol gehœret diu alte küniginne:
      ez erhal ir durch daz venster, dâ sî was gesezzen an der zinne.

Dâ sprach diu schœne Hilde: »waz hân ich vernomen?
      diu aller beste wîse ist in mîn ôren komen,
      die ich ze dirre werlte von iemen hân erfunden:
      daz wolte got von himele, daz sî mîne kamerære kunden!«

Des wilden Hagenen tohter und ouch ihr magedîn
      die sâzen unde loseten; sam die vogellîn
      vergâzens ir gedœne. ûf dem hove vrône
      wol hôrten ouch die helde, daz der von Tenen sanc alsô schône.

Dô er drî dœne sunder vol gesanc,
      alle die ez hôrten, dûhte ez niht sô lanc,
      sî hætenz niht geahtet z'einer hende wîle,
      ob er solte singen, daz einer möhte rîten tûsent mîle.

Diu tier in dem walde ir weide liezen stên,
      die würme, die dâ solten in dem grase gên,
      die vische, die dâ solten in dem wâge vliezen,
      die liezen ir geverte: jâ kunde er sîner fuoge wol geniezen.

Dô huob er eine wîse, diu was von Âmilê,
      die gelernte nie kristen mensche sît noch ê,
      wan daz er sî hôrte ûf dem wilden fluote:
      dâ mite diente Hôrant ze hove der snelle degen guote.

In der letzten Strophe wird nun zwar nur gesaget, dass Hôrand die wîse von Âmilê auf der »wilden Fluth«, das heisset von einer Meerminne, Nixe, gelernet habe; allein ich meine, er habe seine ganze Kunst von einer solchen Lehrerin. Wie Nixen so verstehn sich auch Älbe auf solches Spiel und solchen Gesang. Wir haben daher die Bezeichnung Albleich. Seine Wirkung wird geschildert Gesammtabenteuer III, 123:

Ich enhete kein lit sô kleine,
geloube mir der mære,
da ensæze ûf videlære
und videlten alle den albleich,
daz mir diu sinne gar entweich,
daz ich enhôrte noch ensach:
sô wunderlîche mir geschach.

Ueber Spiel, Gesang und Tanz der Älbe und Nixen findet, wer es brauchet, mehr in J. Grimm's deutscher Mythologie I, 438. 460. Ich bemerke nur noch, dass auch Lenau in seinem Faust den Mephistopheles so wundersam die Geige spielen lässt.

Merkwürdiger noch ist die Schilderung der Gebräuche bei der Brautlauft oder der Vermählung, doch sind sie keinesweges vollständig angegeben. So fehlt gleich die Weihe der Braut durch den Hammer, die wir doch anderwärts erwähnt finden. Es wird angegeben, dass man die Braut auf die Brautbank setzte, nachdem sie von vielen Jungfrauen dahin geleitet worden ; aber von anderen Gebräuchen dabei erfahren wir wiederum nichts. Der wichtigste war die Entlassung der Braut aus der Mund des Vaters und ihre Uebergabe in die Mund des Bräutigams, was mit verschiedenen symbolischen Handlungen begleitet war. Endlich wird noch der vier Minnebecher gedacht, der Minne Thôr's, aller Âsen, Ôdhin's und der Freyja, wobei nur zu bemerken ist, dass, hätten wir es nicht mit Schweden zu thun, statt der Freyja wohl die Frigg genannt sein würde, denn diese war die eigentliche Göttin der Ehe.

Aber noch einen Umstand muss ich besprechen, der meinen Lesern und noch mehr vielleicht meinen Leserinnen, sollten sich einige statt an den täglichen überwürzten Gerichten einmal an derber Hausmannskost erlaben wollen, etwas auffällig erscheinen dürfte: der Umstand nämlich, dass Herraudh und Bôsi zween Männer umbringen, ihnen die Haut kunstgerecht abziehen und sich selbst darein hüllen, um so als Bekannte Einlass. in die Halle zu erhalten. Würde diese List nur in dieser nordischen Sage erwähnet, so könnte man vielleicht nur eine Erdichtung darin sehen wollen; allein die Sache kommt auch sonst vor, z. B. in dem altdeutschen Gedichte von Salman und Môrolf oder Môrolt, einem Gedichte, welches von der listigen Wiedergewinnung einer geraubten schönen Frau handelt und das mit unserer Sage auch noch manches andere gemeinsam hat.

Salman, König von Jerusalem Die Sage ist ursprünglich eine fränkische, aber in Folge der Kreuzzüge ist sie, wie noch so manche andere, verorientalisirt worden., hatte die Tochter des Königes Kyprian's von Indien mit Gewalt geraubt und sich mit ihr vermählt. Aber die schöne Salomê liebte den Gemahl nicht, und so liess sie sich mehr als einmal freiwillig entführen. König Salman ist und bleibt blind vor Liebe, und so nöthiget er denn alle Mal seinen schlauen Bruder Môrolt auszuziehen und die Entführte wieder zu gewinnen. Drei Mal genüget Môrolt dem Auftrage, nach der letzten Heimkehr jedoch lässt er der Königin im Bade die Adern öffnen, um ihr die Lust sich entführen zu lassen für immer zu benehmen. Einst nun rüstete sich Môrolt wiederum, die Entwichene heim zu holen, und dabei ergieng es, wie folget:

Er gie ze Jerusalêm in die stat,
      z'einem juden er râtes pflac;
      von alter was er wîz als snê;
      sinen bart den grîsen
      sach man über die gürteln gên.

Der Jude der hiez Berman.
      dô sprach der degen lossam:
      »nû rât mir, Jude Berman,
      mich wil der künec senden
      nach siner frouwen wol getân.«

Der jude in bî der hende nam,
      er fuorte in in sîn kameren dan.
      Môrolt zôch ein mezzer lanc,
      dem juden er'z durch sîn herze stiez,
      daz ez im an der hende erklanc.

Do sneit abe der Salmans trût
      ob der gurteln des Juden hût;
      er leite sie an sînen lîp:
      »nune wil ich niht erwinden,
      ichn vinde Salme daz schœne wîp!«

Môrolt daz niht enlie,
      zuo dem künege er dô gie.
      »Edeler künec lobelîch,
      durch aller frouwen êre
      mache mich dîns guotes rîch!«

Dô sprach der künec Salman:
      »durch Frouwen ist ez ungetân,
      ichn gibe dir guotes niht ze vil:
      durch den rîchen got von himele
      mîn gâbe ich mit dir teilen wil.«

Dô sach der küene wîgant
      ein vingerlîn an des küniges hant.
      »Künec, durch die tugent dîn
      unt durch Krist den rîchen
      gip mir daz guldîn vingerlîn!

Mac ez dir wol gezemen,
      sô wil ich ez ze gâbe nemen.«
      Abe zôchz der künec rîch,
      er gap ez im an sîne hant.
      Môrolt neic im tugentlich.

Daz vingerlîn stiez er an die hant,
      dannen huop er sich zehant,
      Môrolt der helt guot:
      daz er in niht erkante,
      des gewan er hôhen muot.

Môrolt der wîgant
      kam dannen unerkant,
      er gie in eine kameren sân,
abe er zôch des juden hût,
      scharlachen leite er an.

Môrolt daz niht enlie,
      vor künec Salman er dô gie:
      »künec, durch die tugent dîn,
      durch aller frouwen êre,
      wem gæbe dû dîn vingerlîn?«

Dô sprach der künec Salman:
      »daz tete ich einem grîsen man.«
      Môrolt lachen dô began:
      »nû schouwe, künec edele,
      waz ich dâ an der hende hân!«

Von froude in kuste der künec rîch:
      »dîn liste die sint wunderlîch,
      vor dir kan nieman sich bewarn
      zwâr in al der werlte,
      swâ dû wilt in dem lande varn!«

Da sein eigener Bruder also ihn in des Juden Haut nicht erkannt hat, so glaubt denn Môrolt sicher zu sein, dass ihn auch Salomê nicht erkennen werde, und er ziehet nun getrost aus sie aufzusuchen und, wenn er sie gefunden hat, wieder gen Jerusalem zurückzuführen.


Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig.\ N

Register gelöscht. Re

 


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