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2. Frôdhi III.

Frôdhi der Dritte war ein Fohn Fridhlêf's des Königes. Sieben Jahre alt ward er durch einmüthige Wahl der Dänen zum Könige erhoben. Fridhlêf hatte sich nämlich durch die Besiegung Hwirfil's des Volkes Achtung in solchem Maasse erworben, dass es nach seinem Tode nur seinen Sohn zum Herscher haben wollte. Mit Hwirfil aber war er auf folgende Weise in Krieg gerathen. Hwirfil war Beherscher Hallands. Er hatte mit Fridhlêf Bündniss geschlossen und dann, von ihm unterstützt, Norwegen angegriffen. In diesem Kriege hatte er die Rusila, eine überaus kriegerische und kampfberühmte Jungfrau, mit den Waffen besiegt, dann aber mit ihren fünf Gefährten, Brodd, Bild, Bugi, Fanning und Gunholm, den Söhnen Finn's, die berühmte und gefürchtete Wikinge waren, sich verbündet. Ihres Beistandes gewiss, brach er seinen Bund mit Fridhlêf und überzog Seeland mit Kriege. Sein Einfall war um so verderblicher, je verrätherischer er war; denn die Dänen glaubten nicht, dass er so plötzlich aus einem Freunde ein Feind werden könnte. Als Fridhlêf die Nachricht erhielt, dass er am Südstrande Seelands zu landen beabsichtige, lief er mit seiner Flotte aus und schlug mit ihm in dem Hafen, der seitdem mit Hwirfil's Namen bezeichnet ward. In diesem Kampfe kämpften aus Ruhmbegierde beide Heere so tapfer, dass nur wenige mit dem Leben davon kamen; denn allen galt der Ruhm mehr als das Leben. Auf Hwirfil's Rath band man während der Nacht die sämtlichen Schiffe an einander, dass sie nicht getrennt würden; aber Bild und Brodd schnitten die Taue durch und suchten mit ihren beiden Schiffen heimlich das Weite und liessen ihre Brüder im Stiche. So sehr überwog in ihnen die Furcht die brüderliche Liebe. Als Fridhlêf erfuhr, dass einzig nur noch Hwirfil, Gunholm, Bugi und Fanning ihm Stand hielten, beschloss er allein mit allen zu streiten, um nicht die Trümmer seiner Schaar neuer Gefahr auszusetzen.

Abgesehen von der ihm angeborenen Tapferkeit ermuthigte ihn dazu noch ganz besonders seine jedem Stahle undurchdringbare Brünne. Ihrer bediente er sich in Feldschlachten und Zweikämpfen zum Schutze seines Leibes. In diesem Kampfe nun war er eben so glücklich als tapfer und hatte auch demgemäss den günstigsten Erfolg. Hwirfil, Bugi und Fanning fielen sofort seinem Schwerte, Gunholmen aber, der im Brauch hatte, die Klinge des Gegners durch Zaubersprüche stumpf zu machen, tödtete er durch häufige Schläge mit dem Schwertgriffe. Indem er aber mit der Hand die Klinge fest umschloss, zerschnitt er sich die Sehnen, und die in die flache Hand eingekrümmten Finger blieben, so lange er lebte, krumm. Die Verletzung der Hand Fridlêf's kann mythisch bedeutungslos sein, sie kann aber auch, da Fridlêf ursprünglich jedenfalls ein Gott ist, (= Freyr, Frôdhi) ihre Bedeutung haben. Ôdhin ist einäugig, Tyr einhändig, und das hat seinen guten Grund.

Dieser Sieg war es, der die Dänen bewog, seinen unmündigen Sohn nach seinem Tode zum Könige zu erwählen. Dass aber nicht das Reich durch die Jugend des Fürsten Schaden litte, beriefen sie das Volk zur Versammlung und beschlossen, den jungen König unter Vormundschaft zu stellen. Zu Vormünden und Erziehern wurden zween Brüder erwählt, Westmâr und Kôli; neben ihnen aber ward die Obhut über den jugendlichen Fürsten dem Îsulf und Aggi und acht andern berühmten Männern anvertraut; zugleich sollten sie unter seinem Namen das Reich verwalten. Zu beiden Aemtern befähigte sie sowohl ihre Macht als auch ihre Weisheit. So blieb der Staat der Dänen in ihrer Pflege, bis dass der junge König zu seinen Jahren gekommen war. Die Erziehung der Söhne und Töchter ausser dem Hause der Eltern, auch wenn diese lebten, war im alten Norden allgewöhnlich, und ohne Zweifel einst auch bei den eigentlichen Deutschen. Der Pflegevater hiess Fôstri, die Pflegemutter Fôstra.

Kôli's Gattin hiess Godwara, und sie war eine Frau, welche durch Frechheit und Geläufigkeit ihrer Zunge die redefertigsten und zungenschnellsten Männer zu betäuben im Stande war. Ueberaus stark war sie im Wortstreite, und in jeder Art der Verhandlung wortreich, so dass alle staunten. Stund sie in einem Wortgefechte, so hatte sie nicht nur eine Menge von Fragen zu ihrer Verfügung, sondern auch in den Antworten war sie von unglaublicher Beharrlichkeit. Niemand vermochte das schwache Weib zum Schweigen zu bringen, da ihr die Zunge immer neue Stacheln bot. Die Einen widerlegte sie durch die Frechheit ihres Wortschwalles, die Anderen überschüttete sie mit Hohnreden und erwürgte sie gleichsam mit den Stricken ihrer Ränke. So kräftig war der Geist dieses Weibes. Uebrigens verstund sie sich darauf, und zwar auf ausgezeichnete Weise, Verbindungen zu knüpfen und Verbindungen zu lösen und das einzig mit dem spitzen Stachel ihres Mundes Redegewandtheit galt im Norden eben so viel als Waffenfertigkeit. Erstere wird besonders oft als Eigenschaft nordischer Frauen gerühmt. Auch die Göttinnen haben sie.. Sie hatte ihrem Gatten Kôli drei Söhne geboren. Westmâr aber hatte zwölf Söhne; drei derselben führten den gleichen Namen; denn jeder derselben hiess Grêp. Sie waren von Geburt Drillinge und darum trugen sie den gleichen Namen. Sie waren überaus geübt im Faustkampfe und im Streite mit dem Schwerte.

Einem Manne, Odd geheissen, hatte Frôdhi die Herschaft zur See übertragen; denn er war einer seiner nächsten Mage. Er war ein Bruderssohn Frôdhi's, und ihm hatte man, um das Vaterland zu beschützen, die Flotte untergeben. Des Königes Schwester hiess Gunwara, und man nannte sie wegen ihrer herlichen Gestalt die Schöne.

Die Söhne Westmâr's und Kôli's waren zwar in Folge ihrer Jugend noch bartlos, aber raschen Geistes, und so gieng denn bald ihr Muth in Tollkühnheit über und sie ergaben sich allen Schandthaten und Lastern. Kein Weib und keine Jungfrau war vor ihnen sicher; schamlos bewältigten sie die Bräute Anderer, und sie schienen es sich zum Geschäfte gemacht zu haben, alle Scham und Keuschheit in Schamlosigkeit und Unzucht zu verwandeln. Es gab fast keinen Ort im Lande, der nicht Spuren ihrer Ausschweifungen trug. Keine Ehe war mehr heilig, überall wich man der Gewalt. Aller dieser Schandthaten Urquell war der Müssiggang; weil die Jünglinge weder Leib noch Geist durch Thätigkeit übten, versanken sie in Wollust. Endlich wagte Grêp, der älteste unter den dreien, auf dass er der umherirrenden Gier seiner Lüste einen bestimmten Gegenstand gäbe, seine Wünsche auf die Schwester des Königs zu richten. Das war nun freilich ein thörichtes Unterfangen; denn die Jungfrau verabscheute nicht nur das wüste Treiben des Bewerbers, sondern war sich auch ihrer hohen Abkunft nur allzusehr bewusst. Aber da sie die rücksichtlose Frechheit des Jünglinges fürchtete, zog sie sich, um gegen seine Nachstellungen sich zu sichern, in ein von einem hohen Walle umschlossenes Haus zurück. Ihr wurden dreissig Landleute gegeben, welche sie unausgesetzt bewachen sollten.

Frôdhi's Hausgesinde, welches für seine Kleider weiblicher Hülfe bedurfte, da Niemand da war, der ihm entweder neue fertigte oder die alten ausbesserte, mahnte den König dringlichst, sich doch zu vermählen. Zuerst entschuldigte er sich mit seiner Jugend, endlich aber wich er den drängenden Bitten der Seinen. Als er nun bei den Mahnern nach einer ihm angemessenen Gemahlin sich erkundigte, lobten sie ihm ganz vorzüglich die Tochter des Königes der Heunen Die Heunen sind nicht die geschichtlichen Hunnen, sondern ein deutscher Volksstamm. So heisst Sigfrid in der Edda Hûnskr, der Heunische; später bedeutet Heune so viel als Riese. War Heunen etwa ein Name der Franken?. Um Grund zu beharrlicherem Widerstande zu haben, sagte ihnen darauf hin Frôdhi, er habe von seinem Vater oft gehört, dass es für Könige nicht erspriesslich wäre, eine Braut in der Ferne zu suchen; immer sollte man sich mit solchem Gesuche an die Nachbarn wenden. Als Godwara diess vernahm, merkte sie sogleich, dass der König seinen Freunden auf schlaue Weise widerstünde. Dass sie nun seinen unentschlossenen Sinn kräftige, und seinem verzagten Herzen Muth einflösse, sprach sie also;

Jungen gebührt es, zur Ehe zu schreiten,
      das Grab doch harrt der Greise;
Braut dem Jünglinge, Brand dem Alten!
      so lehrt es aller Leben.

Nur frischem Blute Freuden blühen,
      der Graubart immer grämelt.
Wunsches Gewährung winkt dir lockend,
      drum zögre nicht noch zaudre!

Des Freiers harret der Freuden beste,
      er kühn sich stellt zum Kampfe;
der nimmer aufgiebt, was einmal er
      mit festem Aug' erfasste.

Durch diesen Zuspruch ward Frôdhi ermuthigt und bat Godwara, die Werbung selbst zu übernehmen. Sie weigerte sich; ihres Alters wegen, sagte sie, sei diess Geschäfte für sie allzuschwierig. Der König aber, dem jetzt viel daran lag, nahm einen Goldring vom Arme und bestimmte ihn als Lohn für den Boten. Es bestund aber dieser Ring aus mit einander verbundenen Buckeln in halberhabener Arbeit, welche durch Bilder der Könige unterbrochen waren, und er konnte durch ein innerhalb angebrachtes Band nach Bedürfniss erweitert oder verengert werden. Uebrigens diente der Ring mehr zum Schmucke als zum Nutzen Saxo beschreibt hier wohl einen Armring späterer Zeit; darauf weisen die »Bildnisse der Könige« hin.. Auch Westmâr und Kôli nebst ihren Söhnen wurden ersucht, an dieser Brautwerbung als Gesandte sich zu betheiligen, weil Frôdhi meinte, das Ansehen dieser Boten würde jeder Ablehnung vorbeugen.

Sie giengen zugleich mit Godwara ab Frauen werden sonst nicht zu solchen Geschäften verwandt., und wurden von dem Könige der Heunen ehrenvoll empfangen. Er bewirthete sie mit einem dreitägigen Gastmale und dann erst fragte er sie nach dem Zwecke ihrer Reise. So war es nämlich im Alterthume der Brauch die Gäste zu empfangen. Am dritten Tage des Gelages erschien die königliche Jungfrau und begrüsste freundlichst die Gesandten. Ihre Gegenwart vermehrte nicht wenig den Gästen die Freuden des Gelages. Unter häufigen Trünken eröffnete ihr Westmâr in scherzhafter Rede den Zweck ihrer Gegenwart und suchte die Gesinnung der Jungfrau in vertraulichem Gespräche zu erforschen. Er bediente sich hauptsächlich des Scherzes, um sich nicht einer Ablehnung auszusetzen; aber die Jungfrau sagte, sie weise das Gesuch zurück, weil Frôdhi jedes Ruhmes ermangele. Damals ward nämlich Niemand einer edlen Jungfrau würdig erachtet, der nicht durch ausgezeichnete Thaten glänzenden Ruhm sich erworben hatte. Auch die Jungfrauen selbst beachteten minder die Schönheit der Bewerber als ihren Ruhm. Betäubt durch die Hoffnungslosigkeit ihres Wunsches, übertrugen nun die Boten alle ferneren Versuche der Godwara. Diese trachtete nun nicht nur durch Worte, sondern auch durch einen von ihr bereiteten Liebestrank das Gemüth der Jungfrau zu wenden, und sie versicherte sie, dass Frôdhi eben so gut mit der linken als mit der rechten Hand zu schwimmen und zu kämpfen verstünde. Aber sie bewirkte mehr durch ihren Trank als durch ihre Worte, dass die Jungfrau in Liebe zu Frôdhi entbrannte. Darauf mahnt sie Westmâren und Kôli'n und deren Söhne abermals den König der Heunen mit ihrem Gesuche anzugehn, und wenn sie ihn schwierig fänden, der Abweisung durch Herausforderung zum Kampfe zuvorzukommen.

So gieng denn Westmâr mit Bewaffneten in die Halle des Königes und sagte ihm trotzig: er habe entweder ihrem Gesuche zu entsprechen oder sich zum Kampfe wider sie zu rüsten. »Wir wollen lieber rühmlich fallen als ohne Erfolg heimkehren, auf dass uns nicht zur Schmach gereiche, was, wie wir hofften, uns Ehre bringen sollte. Weigerst du die Tochter, so kämpfe; du hast die Wahl. Frôdhi wird lieber unseren Tod als unsere Abweisung vernehmen.« Er schwieg hierauf, bedrohte aber sofort den König mit dem Schwerte. Der König erwiderte: es gezieme seiner Würde nicht mit ihm zu kämpfen, den er durch seinen Empfang geehrt habe. Sie seien einander zu ungleich am Range. Aber Westmâr nahm die Kampfforderung nicht zurück, doch bewilligte er schliesslich, dass man die Gesinnung der Jungfrau erforsche, da die Alten ihren Töchtern die freie Wahl des Gatten zugestanden hätten. Der König schwankte zwischen Scham und Furcht vor dem Kampfe hin und her und war in grosser Angst. So begann denn Westmâr, auf die Herzensmeinung der Jungfrau angewiesen, und wohl wissend, dass jedes Weib wankelmüthig sei und Beschlüsse leicht ändere, um so dreister die Sache zu betreiben, je mehr er überzeugt war, dass Mädchen ihre Wünsche ändern. Seinen Eifer und sein Vertrauen vermehrte die Schlichtheit der Jungfrau, die, dem eigenen Entschlusse überlassen, kaum den feineren Lockungen der Schmeichelrede widerstehn würde, wenn sie freie Wahl habe; sie sei gleich bereit, einen Beschluss aufzugeben und einen zu fassen. Und auch der Vater begann dem Willen der Boten sich mehr und mehr zu fügen; er hoffte dadurch der Tochter Meinung um so sicherer zu erkennen. In ihr aber hatte die heimliche Kraft des Trankes Liebe zu dem Bewerber erzeugt; dennoch sagte sie, dass ihre Hoffnung ihr Frôdhi'n grösser zeige als sein Ruf. Er sei der Sohn eines ruhmreichen Vaters, und so werde sein Wesen seinem Ursprunge entsprechen. Der Jüngling gefalle ihr also nicht sowohl durch den Glanz seines gegenwärtigen als vielmehr den seines zukünftigen Ruhmes. Der Vater wunderte sich über diesen Ausspruch, doch wollte er nicht die der Jungfrau zugestandene Freiheit aufheben und verlobte sie dem Frôdhi. Hierauf entbot er ein zahlreiches Geleite, stattete die Tochter königlich aus und eilte mit ihr, gefolgt von den Boten, nach Danland, indem er der Ansicht war, dass am besten der Vater selbst die Tochter dem Gatten zuführe. Wie Frôdhi seine Braut auf das freudigste empfieng, so ehrte er auch auf die ausgesuchteste Weise seinen zukünftigen Schwäher, und entliess ihn nach vollzogner Vermählung mit Gold und Silber reich beschenkt.

So vermählte er sich denn mit der Hânund, so hiess die Tochter des Heunenköniges, nachdem er drei Jahre im ruhigsten Frieden geherscht hatte. Sein Hausgesinde jedoch war in Folge dieser geschäftlosen Ruhe übermüthig geworden und es verübte die schmachvollsten Frevelthaten. Den einen geisselten sie den entblössten Rücken; andere wurden an Haken gehenkt und mit Stricken zum Gespötte hin und her geschleudert; manchen ward Bart und Haupthaar mit Kienspänen angebrannt; Ankömmlinge bewarfen sie mit Knochen; andere wurden zur Unmässigkeit gezwungen und durch übergrosse Trünke zu Grunde gerichtet. Keiner durfte seine Tochter zur Ehe geben, ohne ihre Einwilligung erkauft zu haben. Uebrigens unterwarfen sie nicht bloss Jungfrauen ihrer bösen Lust, sondern auch ehrbare Frauen machten sie zum Spielwerk ihrer schnöden Begierde. Da ein Knabe König war, artete die Freiheit in Schrankenlosigkeit aus; denn eine Frevelthat erzeugt immer die andere, wo Rache und Strafe zögern. Eine so zügellose Frechheit der Hofmänner jedoch machte den König nicht nur in der Heimat, sondern auch im Auslande verhasst, und nur mit bitterem Schmerze ertrugen es die Dänen, dass sie mit solchem Uebermuthe, mit solcher Grausamkeit beherscht wurden. Grêp aber begnügte sich nicht damit, mit Dirnen aus dem niederen Volke seinen Lüsten zu fröhnen; er trieb vielmehr seine Tollkühnheit so weit, dass er mit der Königin verbrecherischen Umgang hatte, und sich dadurch wie gegen alle gewaltthätig, so gegen den König treulos erwies. Die Verruchtheit erstarkte zwar nur nach und nach, und der Verdacht trat anfänglich nur leise auf; aber das Volk flüsterte sich denselben längst zu, bevor er zu den Ohren des Königes gelangte. Das war auch ganz begreiflich; denn Grêp rächte sich an jedem, der auch nur ein Wort über sein Vergehn zu äussern wagte, und so verhinderte die Furcht jede Anklage. Allein das Gerücht wuchs dennoch von Tage zu Tage; denn die Verheimlichung des Verbrechens eines Anderen wird den Mitwissern immer schwer.

Sehr oft erschienen Bewerber um Frôdhi's Schwester, Gunwara; Grêp aber, der seiner Abweisung immer eingedenk blieb, wähnte jetzt dafür sich heimlich rächen zu können. Unter der Vorgabe, nur dem Würdigsten dürfte die königliche Jungfrau ihre Hand reichen, forderte er, dass man ihn zum Schiedsrichter über die Freier mache. Schlau verbarg er seinen Groll, dass es nicht schiene, er begehre diese Macht aus Hass gegen die Jungfrau. Der König willigte ein. Zuerst also entbot er alle Bewerber um Gunwara, wie er vorgab, zu einem Trinkgelage; hatten sie jedoch sich eingefunden, so schnitt er ihnen dann die Häupter ab und umsteckte damit das Haus, welches die Jungfrau bewohnte, allen übrigen zum Schrecken. Das benahm ihm jedoch nichts an seiner Gunst bei Frôdhi; er blieb nach wie vor sein Vertrauter. Er brachte es sogar dahin, dass nur der Zutritt zum Könige erhielt, der Geschenke darbrachte. Denn nicht auf die gewöhnliche Weise, sagte er, dürfe man sich einem so grossen Fürsten nahen, sondern nur mit glänzendem Gepränge. So barg er unter der Liebe zum Könige seine Grausamkeit. Still beseufzte das bedrängte Volk sein Unglück; Niemand aber hatte den Muth, öffentlich als Ankläger aufzutreten. Im Innern freilich wüthete der Schmerz um so grimmer, je sorgfältiger er sich bergen musste.

Diesen Zustand erfuhr Gothar, König von Norwegen. Er versammelte seine Mannen und sagte ihnen, dass die Dänen ihren König verachteten, und dass sie einen andern Herscher wünschten. Er habe beschlossen, mit Heermacht nach Dänemark zu ziehen; leicht werde das Land zu erobern sein; denn Frôdhi sei ein ebenso habgieriger als gewaltthätiger Herscher. Da erhub sich jedoch Erik und widersetzte sich der Unternehmung. »Oft, sagte er, haben nach fremdem Gute begierige das eigene verloren. Sehr stark müsse der Vogel sein, der einem anderen die Beute aus den Krallen reissen wolle. Vergebens ermuthiget dich des Landes innere Zwietracht; denn meist tilget sie Feindes Ankunft. Sind auch jetzt die Dänen verschiedener Ansicht, so werden sie doch bald einmüthig den Feind empfangen. Oft haben Wölfe zwischen streitenden Ebern Eintracht gestiftet. Jeder zieht den heimischen Herscher dem fremden vor. Auch wird dich Frôdhi nicht daheim erwarten: an den Marken wird er den Heranziehenden empfangen. Nicht beim Horste, in freier Luft hacken sich die Adler. Du weist selbst, dass der Anblick des Klugen keine Reue weckt. Eine Menge Kämpen umringen dich; diese lass das Kampfglück versuchen, du weile ruhig. Was dem Schmiede die Zange, das leiste dir dein Dienstmann.«

So sprach Erik. Gothar hatte ihn bisher für thöricht gehalten; jetzt bewunderte er seine verständige Antwort und gab ihm den Beinamen des Wohlredenden Vergleiche oben Anmerkung 3).. Er fand es nur billig, ihn so zu ehren, weil dessen Bruder Rollir des Jünglinges Ruf durch seine ungewöhnliche Begabung verdunkelt hatte. Aber Erik forderte nun zum Namen die Gabe Es war üblich, dass wer einem den Namen gab, ein Geschenk hinzufügte. Vergleiche das Lied von Helgi, Hiörward's Sohn, Strophe 7, 8 u. 9, das erste Lied von Helgi, Hunding's Tödter, Strophe 8 etc., und der König schenkte ihm das Schiff, welches die Ruderer Skrôt hiessen. Es waren aber Rollir und Erik Stiefbrüder und Söhne des Kämpen Ragnar; Rollir's Mutter aber hiess Krâka Krâka, das ist Krähe. Im Norden führten edle Jungfrauen, wenn sie in unwürdigen Verhältnissen lebten, dergleichen Namen. Auch Âslaug, die Gemahlin König Ragnar's, ward einst so genannt..

Gothar genehmigte also, dass man dem Wîking Hrafn den Auftrag gab, die Dänen anzugreifen. Ihm widersetzte sich Odd, den man damals bei den Dänen für den ersten aller Seeräuber hielt Es war im alten Norden keine Schande Seeräuber (Wîking) zu sein, vielmehr brachte dieses Gewerbe hohen Ruhm. So darf auch Erik ohne Tadel auf Seeraub ausziehen.. Dieser Mann war der Zauberei so kundig, dass er, ohne Schiff das Meer durchirrend, die feindlichen Schiffe oft durch Stürme zertrümmerte, welche er durch einen Zauberspruch hervorgerufen hatte. Um also nicht nöthig zu haben, sich mit den Wîkingen im Seekampfe zu messen, pflegte er sich der durch Zauber erregten Wuth der Wogen zur Zerstörung der Schiffe zu bedienen. Rauh und grimm gegen Kaufleute, war er gegen Landbebauer mild und freundlich, und er mass das Kaufgut mit anderem Masse als den Pflugsterz, indem er die Reinheit des Ackerwerkes der Mühe um schmutzigen Gewinn vorzog.

Als es zum Treffen mit den Nordmannen kam, schwächte er durch seine Zaubersprüche so der Feinde Sehkraft, dass sie wähnten, die Schwerter der Dänen schleuderten von ferne her Blitze und funkelten in lichter Lohe. Ja, sie waren so geblendet, dass sie gar nicht die geschwungenen Schwerter sahen. Hrafn ward also mit einem grossen Theile der Seinen erschlagen, und nur sechs Schiffe kamen nach Norwegen zurück und belehrten den König, dass die Dänen nicht so leicht bezwungen würden. Zugleich aber verbreiteten sie auch die Kunde, dass Frôdhi nur auf seine Kämpen sich stütze und wider Volkes Willen hersche, da er ganz als Zwingherr gebahre.

Um nun zu erforschen, ob diess Gerücht wahr sei, gelobte Rollir sich in Frôdhi's Haus zu begeben; denn er war immer begierig, was er noch nicht kannte, kennen zu lernen. Erik tadelte ihn und sagte, sein Gelübde sei thöricht, obgleich er ungewöhnliche Gaben habe. Endlich aber, als er sah, dass er von seinem Entschlusse nicht abzubringen sei, legte er das gleiche Gelübde ab. Hierauf verhiess der König ihnen diejenigen zum Geleite, die sie selbst erwählen würden. Zuerst beliebte es nun den Brüdern zu ihrem Vater zu gehn und ihn um alles für eine so lange Reise nöthige zu bitten. Sie wurden väterlich empfangen und am nächsten Tag in den Wald geführt, um das weidende Vieh zu besichtigen; denn der Greis war reich an Heerden. Auch die Schatzkammern wurden ihnen geöffnet, seit langem verschlossene Erdhölen. Hier konnten sie nehmen so viel ihnen gefiel. Inzwischen übten die Schiffleute ihren Leib. Die einen sprangen, die andern liefen; diese warfen wuchtige Steine, jene übten sich mit Pfeil und Bogen; einige suchten sich auch mit Hülfe des Trunkes des Schlafes und der Ruhe zu enthalten. Aus dem Walde ward dann Rollir von dem Vater nach Hause gesandt, dass er, was hier bereitet worden sei, besichtige. Als er aus der Wohnung seiner Mutter Rauch aufsteigen sah, näherte er sich der Thüre und gewahrte durch einen kleinen Spalt, wie seine Mutter in einem unförmlichen Kessel ein Mus umrührte. Er erblickte ferner drei Schlangen über dem Kessel an einem dünnen Bande aufgehängt, aus deren Rachen Geifer auf das Mus tropfte. Zwei waren von schwarzer Farbe, die dritte weissschuppig, und sie hieng etwas höher als die beiden anderen. Sie war am Schwanze umschlungen, während die anderen das um den Bauch geknüpfte Band hielt. Der Jüngling begriff sogleich, dass es sich hier um ein Zauberwerk handle, aber er schwieg darüber, auf dass seine Mutter nicht durch ihn in den Ruf einer Hexe käme. Er kannte nicht die Unschädlichkeit dieser Schlangen und wusste nicht, welche Kraft das Mus durch sie erhielt. Bald darauf kamen auch Ragnar und Erik herbei. Sie giengen nun zusammen in das Gemach und lagerten sich sofort um den Tisch. Krâka trug das Mahl auf und setzte vor die Jünglinge einen Kessel mit buntfarbigem Muse. Ein Theil war schwarz, aber mit rothgelben Tropfen besprenget, der andere weisslich: das Mus trug eben die Farbe der Schlangen. Beide kosteten das Mus, Erik aber, der dasselbe nicht nach der Farbe, sondern nach der jedem Theile innewohnenden Kraft werthete, drehte schnell den Kessel herum, so dass der schwarze Theil des Muses auf seine Seite kam, der weisse jedoch vor seinem Bruder stund, indem er sagte, »So wirbelt die See, wenn sie stürmisch ist, ein Schiff herum«. So verzehrte denn jeder seinen Theil. Frauen wurde nachgesehen Zauberei anzuwenden; dagegen war sie für Männer, wenigstens für Helden, unanständig.

Durch dieses Mus erlangte Erik die höchste menschliche Weisheit, ja selbst die Sprache der wilden Thiere verstund er. Ausserdem ward er dadurch so beredt, dass er über jeden Gegenstand höchst klug und zierlich zu reden vermochte. Als jetzt Krâka herbeikam und sah, dass Erik den für Rollir bestimmten Theil des Muses verzehrt hatte, empfand sie das sehr schmerzlich; sie fasste sich jedoch und bat nur ihren Stiefsohn, dass er seinem Halbbruder doch niemals seines Beistandes ermangeln lasse, da er alle seine Kräfte nur ihr zu verdanken habe. Sie fügte hinzu, Rollir sei fast eben so mit List und Schlauheit begabt wie er selbst, und kämen sie je in äusserste Bedrängniss, so solle er sie durch Aussprechung ihres Namens um Hülfe anrufen, denn sie habe fast die Macht einer Göttin. Erik sagte darauf, sein Beistand solle dem Bruder niemals fehlen; denn verächtlich sei der Vogel, der das eigene Nest verunreinige. Aber Krâka bedrückte mehr die eigene Unbedachtsamkeit als das Missgeschick ihres Sohnes; denn sie schämte sich sehr, dass Erik sie überlistet hatte.

Darauf geleitete sie nebst ihrem Gatten die Brüder zum Meere. Mit nur einem Fahrzeuge giengen sie in See; bald jedoch vereinigten sie damit zwei andere. Schon naheten sie sich der dänischen Küste, als sie unfern dem Orte, wo sie landen wollten, sieben Schiffe vor Anker liegen sahen. Sogleich sendet Erik zween der dänischen Sprache mächtige Männer unbekleidet dahin ab, welche, auf dass sie um so sicherer die Dinge ausspähen könnten, dem Odd die von Erik erlittene Gewaltthat klagen sollten. Sie wurden von Odd freundlich aufgenommen, und schlau wussten sie von allem, was der Führer zu thun beabsichtigte, Kenntniss zu erlangen. Er hatte aber beschlossen, in der Nacht den Feind, wenn er dessen gar nicht gewärtig wäre, anzugreifen, damit er ihn im nächtlichen Dunkel um so schneller überwältige; denn die Menschen seien zu dieser Zeit, sagte er, träger und schwerfälliger. Er hatte aber auch befohlen, seine Schiffe mit schicklichen Wurfsteinen zu belasten und dadurch selbst seinen Untergang beschleuniget. Bei schlafender Nacht machten sich die Späher davon und hinterbrachten alles ihrem Häuptlinge, was sie erfahren hatten. Erik erwog die Schwäche seiner Flotte und er beschloss, sich der Wogen zur Vernichtung der Feinde zu bedienen. Er bestieg ein Boot, ruderte geräuschlos zu den Schiffen der Dänen und durchbohrte deren Wände in der Höhe des Wassers. Unentdeckt kehrte er zurück. Odd's Schiffe füllten sich schnell mit Wasser, da sie die Steine sehr belasteten. Schon erreichten die Fluthen die Ruderbänke und alle Schiffsgänge stunden bereits unter Wasser, als Odd, das Unheil erkennend, das eingedrungene Wasser mit Krügen auszuschöpfen befahl. Das Schiffsvolk war eifrig am Werke, als der Feind herankam. Griffen die Dänen zu den Waffen, so bedrängte sie die Fluth desto mehr. Der Kampf dauerte nur kurze Zeit; denn die mit Wasser angefüllten Schiffe waren bald zu jedem Widerstande unfähig. So siegte Erik durch seine List; Odd mit seinen Gefährten kam um, die ausgestellten Strandwachen wurden gefangen, und so konnte Niemand die Niederlage der Seinen dem Dänenkönige anzeigen.

Nach dem Siege beeilte Erik die Rückfahrt und gieng nach Hlessey. Da er nun hier jedoch keine Lebensmittel fand, so schickte er zwei Schiffe mit der Beute nach Hause; dagegen sollten sie alles für ein neues Jahr nöthige zurückbringen. Mit dem dritten Schiffe gedachte er den Dänenkönig aufzusuchen. Er landete also auf Seeland, und seine Leute giengen und tödteten das am Strande weidende Vieh; denn man musste entweder dem Mangel abhelfen oder Hunger leiden. Sie enthäuteten die Thiere und trugen sie so in das Schiff. Als die Besitzer des Viehes davon Kunde erhielten, eilten sie die Räuber mit ihren Schiffen zu verfolgen. Erik getraute sich nicht ihnen zu widerstehn, er befahl daher, die Leiber der getödteten Rinder mit Stricken zu umschlingen und sie so in den Fluthen zu verbergen. Den das Schiff betretenden Seeländern erlaubte er, Alles zu durchsuchen, ob sie fänden, was sie suchten; die Winkel des Schiffes, sagte er lächelnd, seien zu klein, so etwas zu verbergen. Da sie kein todtes Rind hier fanden, warfen sie ihren Verdacht auf andere Leute, entschuldigten sich und schifften hinweg; Erik aber zog jetzt die versenkten Rinder wieder empor.

Endlich hatte aber Frôdhi denn doch vernommen, dass Odd mit seinen Leuten umgekommen sei, und da man den Urheber seiner Niederlage nicht kannte, ward das Gerücht nur um so schrecklicher. Doch fanden sich einige, die da sagten, sie hätten drei Segel dem Strande sich nähern und dann wieder gen Norden zurück sich wenden gesehen. Zu dieser Zeit lief Erik in den Hafen ein, in dessen Nähe sich Frôdhi damals gerade aufhielt, aber wie er seinen Fuss aus dem Schiffe setzte, stolperte er und stürzte zu Boden. Diess hielt er für ein günstiges Zeichen und er verkündete, dass der schlechte Eingang einen guten Ausgang zur Folge haben werde. Als Grêp seine Ankunft erfuhr, eilte er sogleich zum Meere, um ihn, dessen Wortgewandtheit berühmt war, mit Stachelreden zu versuchen; denn er selbst glaubte sich allen Männern an Schmähreden überlegen. Mit Schelten beginnend hub er also an:

Was, Tölpel, sinnest du thörichtes hier?
      Wannen trieb der Wind dich?
Wohin willst du? Deinen Weg mir nenne,
      dein Geschäft, wie's schicklich!

Deinen Vater du mir fördersamst,
      dein Künne Diess gute alte Wort, welches »Geschlecht; Abstammung« bedeutet, verdient in die Sprache neue Aufnahme, da Sippschaft jetzt einen Nebensinn hat, und Magschaft ebenfalls veraltet ist. du mir künde;
wer du selbst auch seiest, das sage mir,
      denn friedlos ist der Fremdling.

Dem lacht das Leben, der im Lande bleibet,
      sorgt für Haus und Heimath;
des Herschers Halle winkt heimisch ihm,
      dem gern gesehenen Gaste.

Nur Wenigen, traun, nach Wunsch' es ist,
      was Argheit ausübt;
denn Verhasster That behagt nur selten
      dem Gemüth der Menschen.

Erik erwiderte darauf:

Ragnar heisst mein Vater; der Rede Gabe,
      Wissen nur ihm Werth hat.
Nach Weisheit werb' ich, darum weit ich fuhr,
      der Menschen Sitten sichtend.

Manchen sah ich, der Maass nicht kennt,
      nicht Zaum noch Zügel:
doch ein Gauch nur blind der Begierde folgt,
      ein unkluger Affe.

Dem Segel verbleibt der Sieg im Kampfe
      mit der Ruder Rührung;
und der List erliegt Leibes Stärke,
      wo sich Männer messen.

Windes Gewalt die Wog' erregt,
      doch leidre Luft die Leute;
der Wellen Gebiet der Wind beherscht,
      das Land die Lüge.

Grêp entgegnete darauf gereizt:

Wie der Hahn auf dem Miste, so haderst du
      im Schmutz der Schmähsucht;
kothbedeckt du Kampfruf hebest,
      ein schamloser Schelter.

Doch nicht Gunst es erbringt, mit Geiferzungen
      Worte zu wechseln;
Mundes Mühlrad als Mannes Zierde
      Weise niemals werthen.

Erik entgegnete ihm darauf:

Auf den Werfer zurück der Wurfgeer fleugt,
      war er schlecht geschleudert;
und witzloses Wort, wahnerzeugtes,
      schändet seinen Schöpfer.

Dort weiss ich den Wolf, ob ihn Wald auch berge,
      Wo das Ohr er aufreckt;
Der treulos trüget, dem traut man nicht.
      Schlingt sein Wort auch Schlauheit.

Grêp brach darauf zornvoll los:

Diess blöde Geschwätz dein Blut mir soll
      bald, du Knabe, büssen!
Dem Uhu gleichst du, dem Eulgezücht,
      das im Finstern flattert.

Rufen zum Mahle die Raben soll
      dein Aas, das ekle!
Des Wolfes Gebiss Dich zerwühlen soll,
      dein Gebein zerbeissen!

Erik erwiderte dem Zornigen darauf:

Des Zuchtlosen Wunsch, des Zagen Drohwort
      ist nur Windes Wehen;
wer den Herscher trügt und ihm Hass erweckt,
      sich auch selbst er schädigt.

Wer, der Treue bar, auf Trug nur sinnet,
      den Sippen auch wird er sorghaft;
doch wer den Wolf in der Wohnung hegt,
      der Gierige wird's ihm gelten.

Da fühlte sich Grêp getroffen und er sagte:

Nicht die Königin, wie du Keifer sprichst,
      trog ich jemals treulos,
Schutz ich ihr und Schirm ihr war ich,
      der Freundlosen in der Fremde.

Zum Lohne sie mir vor den Leuten reichte
      Gold und reiche Gaben.
Ihre Huld mich hub, der Holden dank' ich
      Amt allhier und Ehren.

Lächelnd entgegnete darauf Erik:

Die Scham dich drückt, die schuldbewusste,
      ein Wort schon macht dich wanken;
fest nur und frei auf den Füssen steht,
      der im Herzen heil ist.

Wer frechen Knecht sich zum Freunde wählt,
      der Treulose trügt ihn;
so manchem Herscher der Hausknecht schon
      fügte Schimpf und Schande!

Hierauf wusste Grêp etwas schickliches nicht zu erwidern; er spornte also sein Ross und ritt von dannen. Heimgekommen aber erfüllte er des Königes Haus mit tobendem Geschrei. Im Wortkampfe sei er besiegt worden, rief er; mit Waffen jedoch werde er sich rächen. Sofort bot er die ganze Kriegsmacht auf, um die Niederlage seiner Zunge durch den Sieg seiner Hand auszugleichen, und er schwur, den Ankömmling den Krallen der Raubvögel zur Beute zu geben. Der König jedoch trat dazwischen. Der Zorn, sagte er, solle der Ueberlegung weichen; unvorsichtige Beschlüsse brächten meist Schaden; nichts könne zugleich mit Bedacht und im Sturme der Leidenschaft gethan werden. Endlich sei es auch unschicklich, einige wenige mit einem Heere anzugreifen. Der König brachte es nun zwar dahin, dass der ungestüme Zorn des Jünglinges dem Rathe wich; aber gänzlich vermochte er nicht das Gemüth des Ergrimmten zu beruhigen, und da ihm die Heermacht versagt blieb, verlangte er, dass er durch Zauber sich rächen dürfe Die Zauberstange mit dem Rosshaupte, von welcher hier die Rede ist, war eine sogenannte Neidstange. Dem Rosshaupte schrieb man die Kraft zu, den Gegner, der es anblickte, durch Furcht zu lähmen..

Diess ward ihm bewilliget. Er berief also einige Zauberer Die Zauberer waren wohl heidnische Götten, d. i. Priester. und zog mit ihnen wiederum an den Strand hin. Hier ward zuerst den Göttern ein Ross getödtet, ihm sodann das Haupt abgeschnitten und diess auf eine Stange gesteckt, nachdem man ihm den Mund durch zwischen die Kiefern eingeklemmte Hölzer aufgesperret hatte. Durch Furcht also vor dem grausigen Anblicke hoffte er Erik's Unternehmungen gleich im Anfange zu vereiteln. Aber Erik, der bereits auf sie zuschritt, erblickte das Rosshaupt schon von weitem; er gebot seinen Gefährten zu schweigen und sich vorsichtig zu benehmen, dass sie dem Zauber durch unvorsichtige Rede nicht Vorschub thäten. Sobald es der Rede bedürfe, werde er für alle sprechen. Noch trennte sie nur ein Bach, als die Zauberer, um Erik und die Seinen von dem Betreten der Brücke abzuhalten, die Stange mit dem Rosshaupte dicht davor aufstellten. Er betrat jedoch unerschrocken die Brücke und rief laut: »Auf den Träger falle zurück das Unglück seiner Bürde; uns aber werde ein besserer Erfolg! Uebel ergeh' es den Zauberern, den Träger des Unheiles drücke die Last zu Boden; uns aber mögen mächtigere Zeichen Heil verkünden!« Und es kam, wie er wünschte, denn der Baumstamm stürzte, zertrümmerte dem Träger das Genick und tödtete ihn. Die ganze Zurüstung der Zauberer erfüllte also ihren Zweck nicht. Wusste der, dem es galt, dem Zauber zu begegnen, so brachte die Neidstange dem, der sie aufgepflanzt hatte, Verderben.

Als Erik etwas weiter gekommen war, fiel ihm ein, dass die Ankömmlinge dem Könige Geschenke zu reichen hätten. Zufällig fand er ein Stück Eis, das verbarg er in seinem Kleide und beschloss, dasselbe dem Könige anstatt eines Geschenkes zu überreichen. Als man nun zur Halle des Königes kam, gieng er zwar der Erste hinein, befahl aber seinem Bruder dicht hinter ihm zu gehn. Es hatten aber die Hofmänner des Königes, dass sie mit dem Ankömmlinge ihren Spott treiben könnten, ein schlüpferiges Fell über die Schwelle hingebreitet Solche schlüpfrige, einem eben geschlachteten Thiere abgezogene Haut kommt in den nordischen Sagen nicht selten vor. Auch Gûdrûn lässt im Saale eine solche Haut ausbreiten, auf dass ihr von Feinden bedrohter Bruder Högni ausgleite und falle, weil er sich früher gerühmt hatte, er wolle, wenn ihn die Gegner auf die Kniee brächten, sich nicht mehr erheben, sondern knieend weiter kämpfen.. Als nun Erik darauftrat, zogen sie das daran befestigte Seil plötzlich an, und so hätten sie den auf dem Felle stehenden zu Falle gebracht, wenn nicht der dicht hinter ihm daherschreitende Rollir den wankenden Bruder in seinen Armen aufgefangen hätte. Lächelnd rief da Erik aus: »Wer keinen Bruder hat, hat unbeschützten Rücken!« Und als Gunwara sagte, es gezieme einem Könige nicht, solchen Unfug zu gestatten, erwiderte er: jeder Gesandte sei ein Dummkopf, der sich nicht vor Hinterlist zu wahren wisse. So machte er die Sorglosigkeit des Verspotteten zur Entschuldigung des Spottes.

Mitten in der Halle brannte, da es Winter war, ein Feuer. Um dasselbe herum sassen hier der König, dort seine Kämpfer. Als sich Erik näherte, erhuben diese ein grausiges Geheul; dem gebot jedoch der König Einhalt, da es nicht gezieme, dass aus menschlicher Brust thierische Laute erschallen. Erik fügte hinzu: es sei diess der Hunde Sitte, dass, beginne einer zu bellen, die anderen einstimmen, und dadurch bezeugen sie ihr Geschlecht und ihren gemeinsamen Ursprung. Da nun Kôli, der die dem Könige dargebrachten Geschenke in Empfang zu nehmen hatte, ihn fragte, ob er ein Geschenk mit sich bringe, nahm er das Stück Eis aus dem Gewande hervor und reichte es ihm über die Feuerstätte hin, liess es jedoch in das Feuer fallen, aber so, dass man wähnte, es sei den Händen des Empfängers entglitten. Alle Anwesenden sahen den Glanz des Gegenstandes und sie glaubten, es sei helles Erz in das Feuer gefallen. Da Erik behauptete, das Geschenk sei durch die Unachtsamkeit des Empfängers zu Grunde gegangen, und zugleich fragte, welche Strafe dem Schuldigen gebühre, so fragte der König darüber die Königin um ihre Meinung. Sie rieth, er solle das von ihm selbst gegebene Gesetz aufrecht erhalten, welches bestimme, dass die Vernichter der ihnen überlieferten Geschenke mit dem Tode zu bestrafen seien, und auch die Anderen verlangten, dass die durch das Gesetz angedrohte Strafe vollzogen würde. Der König liess sich von der Nothwendigkeit dieser Bestrafung leicht überzeugen und befahl den Kôli sofort an den Galgen zu henken.

Darauf begann Frôdhi Eriken also anzureden, und es entspann sich folgendes Zwiegespräch:

Frôdhi: Der du mit stolzen Worten und zierlicher Rede muthwillest, wannen kamst du her und warum?

Erik: Von Rennes Rennes, altnord. hreinness, angelsächs. hrânnäss bedeutet Walfischlandzunge. gieng ich aus und nahm Sitz beim Steine.

Frôdhi: Wohin zogst du ferner? frage ich.

Erik: Vom Steine fuhr ich auf einem Balken ab und nahm wiederum beim Steine Sitz.

Frôdhi: Wohin richtetest du von da den Lauf, und wo traf dich der Abend? das sage mir.

Erik: Vom Steine kam ich zur Klippe und schlief dann am Riffe.

Frôdhi: War der Zacken Zahl dort gross?

Erik: Grösser sieht man dort des Sandes Menge.

Frôdhi: Was machtest du daselbst und wohin von dort giengst du?

Erik: Vom Riffe gieng ich ab und traf durch den Lauf des Schiffes auf einen Tümmler Delphin, hier: Schiff..

Frôdhi: Jetzt bringest du doch einmal etwas Neues vor, obgleich es im Meere der Schiffe und Tümmler viele giebt; aber ich wünsche zu hören, welch ein Weg dich von da weiter führte?

Erik: Von einem Tümmler machte ich mich an den andern.

Frôdhi: Ist der Tümmler Schaar dort gross?

Erik: Zahlreich ziehen sie durch die Wogen.

Frôdhi: Wissen möcht' ich, wohin der Weg dich von den Tümmlern führte?

Erik: Zu einem Baumstamme führte er mich bald darauf. Meinet er die Brücke, wo die Stange mit dem Rosshaupte stund?

Frôdhi: Wohin richtetest du sodann deine Schritte?

Erik: Vom Stamme zur Stange.

Frôdhi: Dort stehn wohl Bäume in Menge, da du deiner Wirthe Sitz so oft mit dem Namen der Baumstämme bezeichnest?

Erik: Es stehn ihrer viele in den Wäldern.

Frôdhi: Wohin giengst du seitdem?

Erik: Dann drang ich zu den verstümmelten Eichen der Wälder vor; als ich mich aber daselbst niederliess, beleckten Wölfe, die sich an menschlichen Leichnamen gesättiget hatten, der Geere Spitzen Damit schildert er den Vorgang des Kampfes mit Odd. Die verstümmelten Eichen sind Schiffe.. Hier ward der Wipfel der Eiche des Königes herabgeschlagen d. h. sein bester Kämpe getödtet., nun weist du's, Enkel Fridhleif's! Oben hiess Frôdhi Sohn Fridhleif's.– Erik erzählt die Begebenheiten seiner Fahrt von Hause bis zur Halle des Königes in Runen, d. h. in bildlicher Rede; eine in den nordischen Sagen oft vorkommende Art der Darstellung.

Frôdhi: Ich verstehe deine Rede nicht ganz; du täuschest mich durch Dunkelheit und Wortschwall.

Erik: Ich habe also den Preis des Kampfes gewonnen, da ich dir Unlösliches vorgebracht habe, nämlich die Tödtung Odd's durch meine Hand habe ich oben mit dem Worte Wipfel bezeichnet.

Als nun ihm auch die Königin den Preis der Redekunst und siegender Beredsamkeit zugesprochen hatte, zog der König sofort einen Ring von seinem Arme, reichte ihm denselben als Lohn dar, und fügte hinzu, dass er von ihm auch nun Auskunft über den mit Grêp geführten Wortwechsel wünsche. Erik versetzte darauf: »Das Gewicht des vorgehaltenen Ehebruchs hat ihn erschüttert; da er sich dagegen nicht vertheidigen konnte, so hat er eben zugestanden, dass er mit deiner Gattin schnöden Umgang gepflogen habe.«

Der König wandte sein Auge sofort auf Hânund, und suchte zu erkennen, welchen Eindruck diese Beschuldigung wohl auf sie mache; sie aber gestand das Verbrechen nicht bloss mit Worten ein, auch ihre plötzliche Erröthung bezeugte ihre Schuld.

Der König war nun zwar von ihrer Unthat überzeugt, da er aber nicht wuste, nach welchem Gesetze gegen die Schuldige er verfahren solle, so überliess er die Entscheidung der Königin, welche Strafe dem Verbrechen folgen solle. Sie zauderte eine Zeit lang mit der Antwort, gleich als wisse sie nicht, welchen Ausspruch sie thun solle; da sprang plötzlich Grêp hervor, dass er Eriken mit dem Geer durchbohre; durch Tödtung des Beschuldigers wollte er dem eigenen Tode entgehen. Aber Rollir trat ihm sofort mit gezogenem Schwerte entgegen, und bestrafte sein frevelhaftes Beginnen. Da sagte Erik: Sehr gut ist für den Hülfebedürftigen der Beistand Verwandter. Rollir entgegnete darauf: In gefährlichen Lagen sind Tapfere durch erwiesene Gefälligkeiten herbeizuziehen. Frôdhi aber sagte: Ich glaube es werde euch ergehen, wie man gewöhnlich zu sagen pflegt, nämlich: dass bisweilen des Tödters Freude über die Tödtung kurz währe, und dass die Hand nicht lange des Stosses sich freue. Erik erwiderte ihm darauf: Nicht ist anzuklagen, dessen That gerecht ist; zwischen meiner und Grêp's Schuld ist der Unterschied eben so gross, wie zwischen der That eines sich Vertheidigenden und eines einen andern Angreifenden. Da sprangen Grêp's Brüder zornig auf und schwuren, sie würden an der ganzen Flotte Erik's Rache nehmen, wenn er nicht selbst samt zehen seiner Mannen sich zum Kampfe stelle.

Erik antwortete ihnen: Für die Kranken muss man mit Kunst die Bahn herstellen. Wer eine stumpfe Klinge hat, darf sich nur an Weiches wagen, und wer ein stumpfes Messer führt, kann nur Glied für Glied abschneiden. Weil demnach für den Kranken die Verzögerung des Uebels am wohlthätigsten ist, und in schlimmer Lage nichts zuträglicher ist als die Hinausschiebung der Entscheidung, so verlange ich drei Tage Frist zur Vorbereitung, wenn ich nämlich vom Könige die Haut eines frischgeschlachteten Stieres erlangen kann. Lächelnd erwiderte Frôdhi: Wer auf die Haut niederfiel, verdient wohl die Haut, indem er auf den früheren Unfall des Bittenden rügend anspielte. Erik jedoch machte aus der erhaltenen Haut Schuhe, welche er mit Tannenharze bestrich, und mit Sande bestreute, auf dass sein Schritt sicherer wäre, und sorgte, dass sie seinen und der Seinigen Füssen wohlanpassend wären. Endlich erwog er, welchen Ort zum Kampfe er wählen solle; indem er nun sich als unerfahren im Landkampfe und in allen Dingen des Kriegswesens hinstellte, verlangte er zum Kampfplatze das gefrorene Meer. Diess ward ihm zugestanden; der König bewilligte Waffenstillstand der Zubereitung halber, und befahl den Söhnen Westmâr's den Hof zu verlassen, indem er behauptete, dass auch ein der Gastfreundschaft minder würdiger Ankömmling vor Angriffen mit Waffen sicher sein müsse. Hierauf wandte er sich wieder zur Bestimmung der Strafart, die er der Königin überlassen hatte. Als diese nun keinen Ausspruch that, und um Verzeihung für den Fehltritt bat, fügte Erik hinzu: Vergehen aus weiblicher Schwachheit seien öfters zu übersehen und keine Strafe aufzuerlegen, ausser wenn die Zurechtweisung die Schuld abzuwenden nicht vermöge; und der König verzieh hierauf der Hânund. Als der Abend herankam, sagte Erik: Bei Gothar wird nicht allein einem zum Gelage entbotenen Kämpen ein Speisezimmer bereitet, sondern auch ein bestimmter Sitz zugewiesen; worauf der König erlaubte, dass Erik und seine Begleiter die von seinen Kämpen innegehabten Sitze einnähmen. Als nun eine Magd die Speise herbeitrug, langte Erik zu, warf jedoch, eingedenk der Freigebigkeit des Königs, welcher nicht wollte, dass man Ueberbleibsel früherer Mahlzeiten wiederum verwende, ein Stück Fleisch, das ihm beim Versuchen verdächtig vorkam, hinweg, und bezeichnete die frischen Speisen als Ueberbleibsel früherer Mahlzeiten. Der König fragte hierauf: Pflegen Gothar's Krieger auch die einmal berührte Speise, gleich als wäre sie Ueberbleibsel, und die ersten Gerichte zu verschmähen, gleich als wären sie Trümmer der unbedeutendsten Nahrungsmittel? Erik entgegnete darauf: Der Ungebildete kann keine Sitten Gothar's zur Schau tragen, keine rohe Angewöhnung vermag etwas darüber. Also, versetzte Frôdhi, bist du deinem Herrn an Sitten ungleich, und du zeigst, dass du nicht alle Klugheit dir angeeignet hast. Denn wer den Beispielen der Oberen entgegentritt, erweiset sich als einen Treubrüchigen und Abtrünnigen. Der Weise, sagte Erik, soll von dem Weiseren unterrichtet werden, denn durch Lernen wächst die Weisheit. Welchen musterhaften Beleg dazu, fragte Frôdhi, wird dein Wortreichthum mir darbieten? Wenige Treue, antwortete Erik, beschützt den König sicherer, als die ungeheuerste Treulosigkeit. Also trägst du gegen uns grössere Dienstwilligkeit, als die Anderen? fragte darauf Frôdhi. Niemand nimmt Einen auf, erwiderte Erik, der nur im Stalle geboren ist, oder in der Krippe gelegen hat. Noch hast du nicht Aller Erfahrung in dir aufgenommen. Uebrigens pflegt bei Gothar Trinkgelage und Gastmal verbunden zu sein; denn der auf die Speise gegossene Trank bekommt den Tischgenossen wohl. Wahrlich, sagte Frôdhi, niemals fand ich Einen, der auf schamlosere Weise Trank oder Speise forderte. Sei es, erwiderte Erik; Wenige erwägen das Bedürfnis des Schweigenden, oder die Nothdurft des Wortträgen. Darauf ward die Schwester des Königs beauftragt, Getränk in einem grossen Gefässe herbeizutragen. Erik ergriff zugleich mit dem dargebotenen Becher ihre Rechte, und wandte sich an den König, also sprechend: Gewähret mir deine Milde auch diese Gabe, und gelobst du, dass mir, was ich halte, als unwiderrufliches Geschenk gehören solle? Der König, der da meinte, er fordere nur das Trinkgeschirr, sagte zu; aber Erik erhob nun sogleich Anspruch auf die Jungfrau, da sie zugleich mit dem Becher ihm zu Eigenthum gegeben sei. Als der König dieses wahrnahm, rief er: Nun verräth die That den Narren; bei uns pflegt die Freiheit der Jungfrauen unverletzt bewahrt zu werden. Da stellte sich Erik, als wolle er die Hand der Jungfrau, gleich als wäre sie ihm mit dem Becher geschenkt worden, mit dem Schwerte abhauen, indem er rief: Wenn ich also mehr gewonnen habe, als du gegeben hast, oder wenn es thöricht sein sollte, das Ganze zu behalten, so will ich mich zum mindesten des Theiles bemächtigen. Der König, der jetzt erkannte, dass er zu rasch zugesagt, und deshalb getäuscht worden sei, bewilligte ihm die Jungfrau; er wollte nicht seine Unbedachtsamkeit durch Leichtsinn ausgleichen, weil das Ansehen des Gewährenden um so grösser erscheinen musste; denn nur die Zurücknahme geringfügiger Zusagen wird mehr der Klugheit als der Unbeständigkeit zugeschrieben.

Hierauf entlässt der König ihn zu den Schiffen, nachdem er sein Wort empfangen, dass er zur festgesetzten Zeit des Kampfes zurückkehren werde. Erik stellte sich mit den Seinen auf dem mit Eisschollen bedeckten Meere ein, und hier besiegte er bald den ausgleitenden Feind, indem er in Folge seiner List überall festen Fuss fassen konnte. Frôdhi hatte nämlich befohlen, dass Niemand dem Strauchelnden oder Fallenden zur Hülfe komme. Als Sieger kehrte Erik zum Könige zurück. Hier nun forderte ihn Gotwara, betrübt über den Tod ihrer Sohne und sie zu rächen begierig, zum Wortkampfe heraus, und zwar unter solcher Bedingung, dass sie selbst einen Halsring von schwerem Gewichte, er aber sein Leben zum Pfande setzen solle, so dass er entweder durch den Sieg das Gold, oder durch die Niederlage den Tod zu erwarten habe. Erik nahm die Herausforderung zum Wortkampfe an, und von der Mutter der Getödteten ward das Pfand in die Hände der Gunwara niedergelegt. Aber wie gewandt sie auch die Worte zu setzen wusste, wie schlau sie auch ihren Gedanken unter bildlichen Ausdrücken zu bergen versuchte, Erik besiegte sie, indem er sie in jeder Hinsicht überbot, und so war sie genöthigt, demjenigen das Gold zu überlassen, dem sie den Tod zugedacht hatte, und den Tödter ihrer Söhne, statt ihn zu strafen, zu belohnen. Nach ihrer Niederlage trat Westmâr, ihr Gatte, in die Schranken, aber nicht durch Worte, sondern durch Waffen gedachte er den Gegner zu besiegen: der Lohn des Siegers sollte der Tod des Besiegten sein, so dass Beider Leben zu Pfande stehe. Erik durfte nicht ablehnen, sonst würde man geglaubt haben, er sei stärker in Worten als in Waffen. Der Kampf also sollte in folgender Weise stattfinden: es ward ein Kreis durch ein Band oder Seil hergestellt, welchen die Kämpfer durch gewaltige Anstrengung der Füsse und Hände schnell brechen sollten; derjenige, welcher dem Gegner das Seil entreisse, habe gesiegt. Auch bei diesem Kampfe behielt Erik die Oberhand, indem er das fest ergriffene Seil den Händen des Gegners entriss. Als Frôdhi diess sah, rief er: Schwer dünkt es mich, wider einen Tapferen mit einem Seile zu streiten. Erik erwiderte: Schwer ist es allerdings, wenn Einem am Halse ein Kropf sitzt, oder den Rücken ein Höker einnimmt, und ohne Zögern tödtete er den Greis, indem er ihm durch einen Fusstritt Hals und Rücken zerbrach. So ward Westmâr zwar kein Rächer, wohl aber ein zu Rächender, und gleich denen niedergestreckt, deren Tod zu ahnden er geeifert hatte. Als Frôdhi nun darauf ausgieng, den Erik durch einen Wurf seines Dolches zu tödten, so warnte Gunwara, die ihres Bruders Absicht durchschaute, ihren Verlobten, indem sie ausrief: Niemand sei klug, der nicht Vorsorge für sich treffe. Durch diesen Zuruf ward Erik ermahnt, den hinterlistigen Anfall zu vereiteln; scharfsinnig, wie er war, verstand er die Warnung. Plötzlich sprang er auf und rief: Siegerruhm werde es sein, wenn die Hinterlist des Schlauen sich selbst bestrafe. Durch diesen bescheidenen Ausruf machte er die Schlauheit des Hinterlistigen zu nichte; denn da er schnell sich bückte, konnte ihn der König mit dem Wurfe seines Dolches nicht treffen; die Klinge fuhr nur in die gegenüberstehende Wand. Lächelnd rief Erik: »Darzureichen sind den Freunden die Geschenke, nicht hin zu werfen; ein zu lobendes Geschenk hättest du gemacht, wenn du mit dem Dolche zugleich die Scheide mir gegeben hättest.« Sogleich zog der König diese aus dem Gürtel und überreichte sie ihm; die Mässigung des Feindes zwang ihn, seinen Hass zu unterdrücken. So wandelte Erik die ihm zugedachte Verletzung, indem er sich stellte, als erkenne er sie nicht, in eine Wohlthat, indem er den ihn zu tödten bestimmten Stahl als ein Geschenk empfieng; denn was Frôdhi im Eifer ihm zu schaden, gethan hatte, das schmückte er mit der Benennung der Freigebigkeit. Hierauf gieng man, das Nachtlager aufzusuchen. In der Nacht aber weckte Gunwara heimlich ihren Verlobten; er müsse die Flucht ergreifen, sagte sie, denn es sei sehr vortheilhaft, mit unverletzter Ladung auf unzerbrochenem Wagen heimzukehren. Von ihr geleitet gieng er an den Strand des Meeres. Hier traf er die an das Land gezogene Flotte des Königs, und machte dieselbe, indem er Löcher durch die Planken brach, unfähig, die See zu halten; auf dass aber Niemand die Beschädigung sogleich wahrnehme, verschluss er die Löcher durch dünne Latten. Hierauf liess er das Fahrzeug, worauf er sich nebst den Begleitern zurückgezogen hatte, ein wenig vom Strande abrudern. Als der König ihn mit seinen geschädigten Schiffen zu verfolgen Anstalt machte, stieg das Wasser bald bis an die Ruderbänke. Obgleich der König durch die Waffen sehr beschwert war, so versuchte er doch mit Anderen durch Schwimmen sich zu retten, mehr bedacht, sich selbst zu erhalten, als Anderen Schaden zuzufügen. Als die Schiffe in das Meer gekommen waren, trieb das im Innern steigende Wasser die Ruderer von ihren Sitzen. Als Rollir und Erik dieses wahrnahmen, stürzten sie sich ohne Zögern, nicht achtend der eigenen Gefahr, in die Fluth, und retteten schwimmend den mit den Wogen kämpfenden König. Dreimal schon hatten ihn stürzende Wellen überfluthet, als ihn Erik am Haare ergriff und aus dem Meere trug. Die andern Schiffbrüchigen kamen entweder in den Fluthen um, oder erreichten nur mit Mühe den Strand. Sogleich zog man dem Könige die nassen Kleider ab, und legte ihm trockene an; eine grosse Menge Wassers, das er verschluckt hatte, gab er jetzt von sich. Auch die Stimme schien er durch das fortgesetzte Schlucken verloren zu haben. Endlich kehrte ihm der gestörte Athem zurück, und Wärme durchdrang seine durch Kälte erstarrten Glieder. Aufsitzen, aber nicht sich erheben konnte er, da er noch nicht seiner Kräfte völlig mächtig war. Endlich kehrte ihm die alte Kraft zurück. Als man ihn nun fragte, ob er sein Leben erhalten und um Frieden bitten wolle, so führte er seine Hand an die Augen, und suchte die gestörte Sehkraft wieder zu erlangen. Als er aber nach und nach wieder zu Kräften kam und seine Stimme wiederum grössere Kraft erhielt, rief er aus: »Bei dem Licht der Sonne, und bei dem Himmel, den ich widerwillig und ungern erblicke, beschwöre ich euch, dass ihr mich nicht verlockt, länger leben zu wollen. Nicht könnet ihr den erhalten, der sterben will. Der Tod in den Wellen ward mir versagt, so will ich durch den Stahl umkommen. Niemand besiegte mich noch, deiner Schlauheit zuerst, Erik, unterlag ich; um so unglücklicher dadurch, dass ich, den berühmte Männer nicht besiegen konnten, von einem Manne gemeiner Herkunft besiegt ward; genug Antrieb zur Scham für einen König! Dieser Umstand allein genügt einem Heerführer, den Tod zu suchen, für den nichts grösseren Werth hat als der Ruhm. Ermangelt er dessen, so hat er auch alles Uebrige verloren. Ich galt für höchst klug und beredt, jetzt bin ich beider Eigenschaften beraubt, in deren Besitze zu sein ich mich rühmte, und um so unglücklicher, weil ich, der Sieger über Könige, von einem Bauer besiegt ward. Warum beschenkst du mit dem Leben den, den du des Ruhmes beraubt hast? Schwester, Reich, Schatz, Haus und, was mehr als diess ist, meinen Ruhm habe ich verloren; durch eben so viele Dinge, als dich beglückt zeigen, bin ich unglücklich. Warum soll ich nach solcher Schmach leben? kann das Leben ein solches Glück für mich sein, dass es die Schmach der Gefangenschaft tilge? Was kann die Zukunft mir bringen, die mir nichts als Elend und dauernde Reue gewähren wird? was ist mir die Verlängerung des Lebens, da es mir nichts bietet, als die Erinnerung an mein Unglück? Für die Unglücklichen ist der Tod das Süsseste: er beraubet sie nicht wonnereicher Zeiten, sondern befreiet sie von dem Ekel an allen Dingen. Keine Hoffnung auf bessere Zustände erregt mir Lust zum Leben. Welch ein Zufall könnte mein zertrümmertes Glück wieder herstellen? Alle diese Dinge wären bereits aus meinem Gedächtnisse geschwunden, hättet ihr nicht mich vor dem Untergange gerettet. Du kannst mir das Reich, die Schwester, die Schätze zurückgeben; meinen Ruhm kannst du nicht wieder herstellen. Nichts, was verletzt ist, wird den Glanz des Unverletzten haben. Lange wird die Kunde davon dauern, dass Frôdhi ein Gefangener gewesen sei. Wenn ihr übrigens die Beleidigungen erwägt, die ich euch zugefügt habe, so werdet ihr finden, dass ich den Tod durch eure Hände verdiene; ihr werdet euch schämen, einen Feind aufrecht zu erhalten, wenn ihr seine Härte und Grausamkeit gegen euch erwägt. Was schonet ihr des Schuldigen, was ziehet ihr die Hand von der Kehle eueres Verfolgers zurück? Es ist billig, dass das Geschick mich treffe, welches ich Euch bereitet hatte. Wahrlich, hätte ich die Gewalt über euch, die ihr über mich habt, ihr hättet kein Erbarmen von mir zu erwarten. Konnte ich auch euch durch die That nicht schaden, so hatte ich doch den Willen dazu. So lasset mich den schuldigen Willen büssen, der ja zuweilen für die That gilt. Wenn ihr mir euere Schwerter verweigert, so soll meine eigene Hand mir den Tod geben.«

Hierauf erwiderte Erik also: »Die Götter mögen so thörichten Sinn von dir fern halten; sie mögen verhindern, dass du nicht dein ruhmreiches Leben durch eine Schandthat beendest. Sie wollen nicht, dass, wer gegen Andere wohlgesinnt war, an sich selbst zum Mörder werde. Das Geschick hat dich versuchet, mit welcher Stimmung des Gemüthes du Unglück auf dich nimmst; eine Prüfung sandte dir das Schicksal, nicht den Untergang. Kein Leid ist dir zugefügt worden, welches nicht ein freundlicheres Loos tilgen könnte. Nicht dein Glück ist verändert, nur zur Vorsicht bist du gemahnt worden. Niemand wird in glücklicher Lage Mass halten, wenn er nicht gelernt hat, Unglück zu ertragen. Uebrigens gewährt jedes Gut grösseren Genuss, wenn man das Uebel kennen gelernt hat. Angenehm ist die Süsse, welche auf Bittere folgt. Willst du dein Heil verschmähen, da du einmal von den Wellen des Meeres durchnässt worden bist? Wer wird es nicht mehr dir zum Ruhme als zur Schande rechnen, dass du bewaffnet dich aus den Fluthen gerettet hast? Wie Viele würden sich glücklich schätzen, wenn sie gleich dir unglücklich wären. Dir bleibt die Herschaft, dein Geist ist in Blüthe, dein Alter in Kraft; weit mehr kannst du erhoffen, als du jemals besessen hast. Ich wünsche nicht, dich so schwach zu sehen, dass du nicht wünschen solltest, dem Widerwärtigen zu entgehen, und dass du, um es nicht ertragen zu müssen, das Leben abwirfst. Der ist der Weichlichste von Allen, welcher den Muth zum Leben verliert, aus Furcht vor Widrigem; thöricht ist es, gegen Andere zu zürnen, Wahnsinn, gegen sich selbst. Wenn du freiwillig einer Beleidigung oder leichten Aufregung deines Gemüthes halber den Tod suchest, wen wirst du als deinen Rächer hinterlassen? Wer ist so irrsinnig, dass er an einer Laune des Glückes durch eigenen Untergang sich räche? Glückliche Zeiten hast du durchlebt, dauerndes Heil umgab dich, und jetzt, bei einem rauhen Zufalle, willst du das Leben wegwerfen, dass du dem Schmerze entgehest? Wie wirst du schwereren Zorn ertragen können, wenn du vor leichterem zurückbebst? Nichts hat erfahren, wer niemals den Becher der Trauer gekostet hat. Der du eine Säule der Tapferkeit sein solltest, du willst den Anblick eines kraftlosen Geistes gewähren? Du, des muthigsten Vaters Sohn, willst ein Bild der äussersten Schwäche darstellen? Willst du so von deinen Ahnen dich unterscheiden, dass du dich weicher als Weiber zeigest? Kaum bist du Jüngling geworden, und schon bist du des Lebens satt? Wer hat früher ein solches Bild dargeboten? Niemand hat dich besiegt, deine eigene Sorglosigkeit hat dich geschädigt. Du bist durch uns aus der Gefahr befreit, nicht unterjocht worden. Willst du denen, die dir Unrecht thaten, Freundschaft, denen, die dir Gunst trugen, Hass bieten? Durch Dienst mustest du besänftigt, nicht gereizt werden. Die Götter verhüten, dass der Zorn dich dazu bringe, deinen Retter für deinen Feind zu halten! Sind wir dadurch an dir schuldig geworden, dass wir dir Wohlthat erzeigt haben? Haben wir durch unsere Dienste deinen Widerwillen uns zugezogen? Wirst du den als Feind betrachten, dem du deine Rettung zu danken hast? Nicht dich, den Freien, haben wir gefangen, sondern dir, dem Fallenden, sind wir zu Hülfe gekommen. Siehe! Schatz, Reich, und alles Andere gebe ich dir zurück; deine Schwester aber, wenn du sie mir thöricht anverlobt zu haben wähnest, möge dem sich vermählen, der dir genehm ist. Uebrigens will ich, wenn es dir recht ist, in deine Dienste treten. Hüte dich nur, dass ohne Grund Zorn deinen Geist einnehme. Nichts hast du verloren, unangetastet ist deine Freiheit. Du sollst sehen, dass ich dir gehorchen, nicht dir gebieten will. Verlass dich darauf, du herschest hier am Strande des Meeres eben so wie dort in der Königsburg. Beschliesse über uns, was du willst, wir sind bereit zu gehorchen.«

Diese Rede besänftigte den König sowohl gegen sich als auch gegen den Feind. Darauf stieg man, als Alles beigelegt und befriedet war, wieder an das Ufer, wo der König den Erik und seine Ruderer Wagen besteigen hiess. Als man in die königliche Burg kam, versammelte der König sogleich seine Mannen und übergab unter den üblichen Verlobungsgebräuchen dem Erik seine Schwester, und machte ihn zum Anführer seiner Kriegsmacht. Darauf erklärte er, dass ihm die Königin verleidet sei, und dass ihm die Tochter Gothar's wohlgefallen habe. Eine neue Werbung um diese sei demnach nöthig, und dieses Geschäft werde am besten Erik vollbringen, für welchen nichts zu schwierig scheine. Uebrigens werde er die Gotwara als Mitwisserin des verhüllten Verbrechens steinigen lassen. Die Hânund aber wolle er dem Vater zurücksenden, damit er nicht, wenn sie in Dänemark verweile, für sein Leben von ihr zu fürchten habe.

Erik billigt den Beschluss und verheisst dem Auftrage nachzukommen; jedoch die verschmähte Königin werde besser, wie er meine, mit Rollir vermählt, von welchem der König nichts zu fürchten haben werde. Diesem Ausspruche fügte sich Frôdhi freudig, und auch die Königin, auf dass sie den Schein Gewalt zu erleiden vermeide, fügte sich nach Weiberart, und versicherte, es gebe von Natur keine Nothwendigkeit zu leiden, und jede Unbehaglichkeit des Gemüthes pflege von der Meinung abzuhangen. Uebrigens sei eine Strafe nicht zu beweinen, die ihr nach Verdienst werde. So feierten die Brüder zugleich ihre Vermählung, indem der eine die Schwester des Königs, der andere die verschmähte Königin freiete.

Darauf segelten sie nach Norwegen zurück und nahmen ihre Gattinnen mit sich. Weder die Länge des Weges, noch die Furcht zukünftiger Gefahr konnte die Frauen von der Seite ihrer Gatten trennen, indem sie versicherten, dass sie ihren Männern so anhängen würden, wie die Wolle dem Felle.

Bald erfahren sie, dass Krâka nach dem Tode Ragnar's einen gewissen Brak geheirathet habe; darauf erinnern sie sich des väterlichen Schatzes und entheben das Geld der Erde. Aber Gothar hatte den ganzen Glückswechsel Erik's erfahren, da der Ruf dem Manne vorausgeeilt war. Wie er aber hörte, dass er selbst angekommen sei, fürchtete er das Aeusserste für die Norweger, indem er glaubte, er werde sich allzuviel herausnehmen; er trachtete demnach, ihn der Gattin zu berauben und ihm seine Tochter zu vermählen; denn die neulich verstorbene Königin strebte nach nichts mehr für ihn, als nach einer Ehe mit der Schwester Frôdhi's. Als Erik seine Absicht erfahren hatte, rief er seine Gefährten zusammen und erklärte ihnen, dass sein Glück noch nicht ausserhalb der Klippen sei; auch hoffe er, dass ein Bündel leicht gelöst werden könne, welches durch kein Band zusammengehalten werde. Uebrigens falle jede Last schnell zu Boden, welche nicht durch die Kette der Schuld befestigt werde; das hätten sie neulich bei Frôdhi erfahren, indem sie sahen, wie ihre Unschuld unter den übelsten Umständen von den Göttern beschützt worden sei; wenn sie diese auch ferner bewahrten, so dürften sie auf gleiche Hülfe im Unglück hoffen. Sodann empfahl er ihnen, sie sollten scheinbar ein wenig fliehen, wenn sie zuerst von Gothar angegriffen würden; sie würden einen um so gerechteren Grund zum Kriege haben. Es sei nach jedem Rechte erlaubt, wenn das Haupt in Gefahr komme, die Hand vorzuhalten. Noch selten habe Jemand einen mit Unschuldigen begonnenen Kampf glücklich hinausführen können. Zuerst also sei der Feind gegen sie herauszufordern, auf dass sie um so gerechtere Ursache hätten, ihn anzugreifen. Er sagte nichts weiter und gieng in das Haus, um den Brak zu Gesicht zu bekommen; darauf wandte er sich an Gunwara und fragte sie, um ihre Treue zu erforschen, ob sie den Gothar lieb habe. Unwürdig sei es, sagte er, dass ein Mädchen von königlichem Stamme mit einem Manne aus dem Volke ehelich verbunden sei. Sie beschwor ihn aber bei der Heiligkeit der Götter, ihr zu sagen, ob er etwas Ersonnenes oder Wahres vorbringe. Als er sagte, er habe im Ernste gesprochen, entgegnete sie: »Du trachtest also mir das Blut in die Wangen zu treiben, weil du diejenige, die du als Jungfrau geliebt hast, als Wittwe zurücklassen willst. Oft ist die Rede des Volkes mit den Dingen in Widerstreit, so hat mich das Urtheil über dich getäuscht; einem beständigen Manne glaubte ich mich vermählt zu haben, und nun finde ich ihn leichter als die Winde, von dem ich hoffte, er würde von unzweifelhafter Treue sein.« Diese Worte begleitete sie mit häufigen Thränen. Der Zorn der Gattin war dem Erik angenehm; er umarmte sie und sagte: »Ich wollte wissen, wie gross deine Treue gegen mich wäre; der Tod allein soll uns zu trennen vermögen. Dich jedoch beschloss Gothar rauben zu lassen, durch gewaltsamen Raub sucht er Liebe; wenn er diesen vollbracht haben wird, so stelle dich, als sei es dir lieb, aber die Vermählung verschiebe, bis er mir seine Tochter übergeben haben wird. Habe ich diese erlangt, so wollen wir, ich und Gothar, am gleichen Tage die Vermählung vollziehen. Daher besorge für uns getrenntes Gebänke zum Gelage, aber so eingerichtet, dass die mittlere Wand gemeinsam sei, dass du mich nicht zufällig vor Augen habest, den König aber sieh mit zärtlichen Blicken an; denn das wird sehr wirksam sein, die Absicht des Räubers zu vereiteln. Endlich bestimmte er noch, dass Brak mit einer auserwählten Schaar von Kriegern sich unfern der Königsburg verberge, da mit er ihm, wenn es die Umstände verlangten, zu Hülfe kommen könnte. Hierauf rief er Rollirn zu sich, und ergriff, um den König zu reizen, mit Gattin und allem Hausrathe, indem er Furcht heuchelte, die Flucht zu Schiffe. Als er nun sah, dass Gothar's Flotte ihn verfolgte, rief er aus: »Schau! der Bogen der Hinterlist sendet den Pfeil der Nachstellung!« Und sogleich versammelte er durch seinen Ruf die Schiffer, und wendete das Schiff durch das Steuerruder. Als Gothar an ihn herangefahren war, fragte er, wer der Gebieter des Schiffes sei. Man nannte ihm Erik; da forschte er weiter, ob es derselbe sei, der durch bewunderungswürdige Wortgewandtheit Anderer Beredsamkeit zu Schanden mache. Hierauf entgegnete Erik: er selbst habe ihm einst den Beinamen des Redefertigen gegeben, und nicht vergebens habe er die Vorbedeutung der Benennung angenommen. Hierauf giengen sie beide an den nächsten Strand, woselbst Gothar den Gesandten Erik's zu erkennen gab: er verlange die Schwester Frôdhi's, er wolle aber den Gesandten seine Tochter übergeben, damit es Erik nicht reue, einem Andern seine Gattin abgetreten zu haben. Nicht unangemessen würde es sein, wenn die Frucht der Gesandtschaft demjenigen zu Theil werde, der sie vorgeschlagen habe. Erik gefalle ihm wohl als Eidam, wenn er nur durch die Gunwara in Verwandtschaft mit Frôdhi komme. Erik bewunderte des Königs Wohlwollen, billigte die Forderung und versicherte, ihm werde etwas dargeboten, dass er von den unsterblichen Göttern etwas Grösseres nicht erbitten könne; doch müsse er zuvor die Gesinnung und Meinung der Gunwara erforschen. Sie empfieng den ihr schmeichelnden König mit geheuchelter Liebe, schien dem Verlangen des Werbers sich zu fügen und bat ihn, dass Erik's Vermählung der ihren vorausgehe. Wäre dies erst genehmigt, so stünde dem königlichen Feste nichts entgegen; als Hauptgrund aber führte sie an, sie würde dann, sie, die zum zweiten Male sich vermählen solle, von dem neuen Ehebunde durch die Erinnerung an den alten nicht abgeschreckt werden. Uebrigens, fügte sie hinzu, sei es nicht gut, wenn zwei Ehen durch eine Feier geschlossen würden. Der König, durch diese Antwort bestimmt, bewilligte freundlich die Forderung, und da er durch die häufigen Gespräche Erik's oft ergötzt worden war, und dieses auch für die Zukunft erwartete, so begnügte er sich nicht damit, seine Tochter mit ihm zu vermählen, sondern schenkte ihm auch den Gau Litharfylki, in der Meinung, ein solches Lehen zieme der Verwandtschaft. Krâka jedoch, welche dem Erik wegen ihrer Geschicklichkeit in der Zauberei als Reisegefährtin beigegeben worden war, gab vor kranke Augen zu haben, und verschleierte ihr Gesicht so, dass nichts davon zu erkennen war. Gefragt, wer sie wäre, nannte sie sich der Gunwara Halbschwester; sie hätten gleiche Mutter, aber verschiedenen Vater.

Als man nun in Gothar's Haus gekommen war, ward die Vermählung der Alfhild (so hiess seine Tochter) gefeiert. Erik und der König sassen dabei in verschiedenen Sälen, doch hatten sie eine Wand gemeinsam. Innen waren sie ganz mit herabhangenden Tapeten bedeckt. Neben Gothar sass Gunwara, anderseits hatte Erik die Krâka und Alfhild neben sich. Unter Scherzgesprächen zog er heimlich und nach und nach eine Planke aus der Wand, auf dass ein Mensch durch die Oeffnung hindurch könnte, und machte, ohne dass die Zechgenossen es merkten, einen Durchgang. Darauf begann er die Braut ernstlich zu fragen, ob sie nicht lieber den Frôdhi als ihn heirathen wolle. Die königliche Jungfrau beachtete nun vorzüglich den Rang des Gatten, und fand es angemessener, sich mit einem Manne gleichen Standes zu vermählen, auf dass nicht der höhere Rang des einen Gatten durch den niedrigeren des andern gemindert werde. Er sagte ihr hierauf: obgleich ihr Vater diese Verbindung nicht bewilligt habe, solle sie doch Königin werden und alle andern Frauen an Reichthum übertreffen. So besiegte er ihr Widerstreben völlig, und machte sie durch den in Aussicht gestellten Reichthum und Rang willig. Auch wird erzählt, dass Krâka durch Mischung eines Trankes die Begierde der Jungfrau auf die Liebe Frôdhi's hingelenkt habe.

Nachdem das Mahl beendigt war, besuchte Gothar das Gelage Erik's, um die Scherze der Brautlauft zu vermehren. Als er seinen Saal verliess, schlüpfte Gunwara, wie ihr vorher geboten war, durch die Oeffnung in der Wand, und nahm den Sitz an Erik's Seite ein. Als Gothar die Beiden so nebeneinander sitzen sah, begann er eifrig zu fragen, wie und warum sie hieher gekommen wäre. Sie erwiederte: sie sei der Gunwara Schwester, und der König werde durch die Aehnlichkeit der Gestalten getäuscht. Als der König, um sich in dieser Sache Licht zu verschaffen, plötzlich in seine Halle zurückkehrte, schlüpfte auch Gunwara sogleich wieder durch die Oeffnung und nahm ihren alten Sitz, Allen sichtbar, ein. Als Gothar sie sah, trauete er seinen Augen nicht und begab sich sofort wieder in Erik's Saal, und hatte auch hier wieder die Gunwara vor Augen; so oft er also aus einer Halle in die andere gieng, so oft traf er auch, die er suchte, an. Den König aber quälte das nicht nur ähnliche, sondern das ganz gleiche Gesicht der beiden Frauen, und er vermochte nicht sein Staunen zu beseitigen. Unmöglich schien es ihm, dass beide Frauen so völlig gleich wären. Nachdem das Gelage aufgehoben war, geleitete er nebst den Andern den Erik und seine Tochter bis in das Schlafgemach; darauf gieng er das für ihn bereitete Lager aufzusuchen. Aber Erik hatte es so eingerichtet, dass die dem Frôdhi bestimmte Alfhild ein getrenntes Lager hatte, und lag, zur Verspottung des Königs, wie vorher bei der Gunwara. Gothar aber hatte eine schlaflose Nacht und erwog in seinem staunenden, irrthumvollen Geiste die Art seiner Täuschung; denn die Gesichter der Frauen schienen ihm nicht nur ganz gleich, sondern geradezu dieselben zu sein. So kam es durch seine unsichere und schwankende Abwägung dahin, dass er für Irrthum hielt, was in der That Wahrheit war. Endlich fiel ihm ein, dass Erik vermittelst der Wand eine Täuschung habe hervorbringen können; er liess diese daher sorgfältig betrachten und untersuchen, man entdeckte jedoch keine Spur eines Bruches, alle Wände der beiden Gemächer waren unverletzt; Erik hatte nämlich in schlafender Nacht, auf dass sein Trug nicht entdeckt würde, die durchbrochene Wand wieder hergestellt. Darauf schickte der König heimlich zwei Hofmänner in Erik's Schlafgemach, die nachforschen sollten, wie es sich dort verhalte; und er befahl ihnen, hinter der Tapete verborgen, Alles genau zu beobachten; wenn sie den Erik mit der Gunwara fänden, sollten sie ihn tödten. Sie schlichen sich heimlich in das Gemach, versteckten sich daselbst und erblickten Erik und Gunwara mit verschlungenen Armen auf gemeinsamem Lager liegen. Da sie Beide jedoch nur halb entschlafen wähnten, wollten sie den tieferen Schlaf derselben abwarten, um ihren Auftrag sicherer vollführen zu können. Als sie nun an dem lauten Schnarchen Erik's merkten, dass er fester entschlafen sei, so traten sie plötzlich hervor, um ihn mit ihren Dolchen umzubringen. Durch ihren hinterlistigen Anfall ward Erik aufgeweckt, und da er die seinem Haupte drohenden Dolche erblickte, rief er den Namen seiner Stiefmutter aus, wie ihm einst, wenn er in Gefahr käme, zu thun geboten worden war, und er entdeckte sogleich das für ihn passendste Rettungsmittel; sein Schild nämlich, welcher höher am Balken hieng, fiel auf ihn herab und deckte seinen unbeschützten Leib, dass er nicht von den Mördern durchbohrt würde. Erik bediente sich seines Glückes nicht vergebens, mit rasch ergriffenem Schwerte schlug er dem einen Mörder beide Füsse ab, während Gunwara den anderen zu gleicher Zeit mit dem Geere durchbohrte; sie zeigte dadurch, dass ihren weiblichen Leib ein männlicher Geist beseele.

So ward Erik von den Nachstellungen befreit, gieng an den Strand und rüstete sich zur nächtlichen Schifffahrt; Rollir jedoch gab denjenigen, welche in der Nähe versteckt lagen, mit seinem Horne das Zeichen in die Königsburg einzubrechen. Als der König den Schall hörte und den Einbruch der Feinde merkte, versuchte er schnell auf einem Schiffe zu entkommen. Inzwischen sorgte Brak, und die mit ihm eingebrochen waren, dafür, dass das herausgeschleppte Hausgeräthe des Königs auf die Schiffe gebracht würde. Fast die halbe Nacht ward zum Beutemachen verwendet. Als der König am Morgen ihre Abfahrt erfuhr, dachte er auf Verfolgung, ward jedoch durch einen seiner Freunde ermahnt, nichts plötzlich zu unternehmen oder mit Ungestüm auszuführen. Er überzeugte ihn, dass es einer grösseren Rüstung bedürfe, und dass es nichts helfe, mit wenigen Leuten den Flüchtigen nach Dänemark nachzufolgen. Aber auch so vermochte der ungeduldige und des Verlustes ungewohnte Geist des Königes seinen Rachetrieb nicht zurückzudrängen; nichts nämlich bewegte ihn mehr, als dass dasjenige, was zum Morde eines Andern hatte dienen sollen, auf die Seinigen zurückgefallen war. Der König gieng also in See und gelangte in den Hafen, welcher von Ôm den Namen hat. Hier, da sich heftiger Gegenwind einstellte und er Mangel an Lebensmitteln litt, hielten die Seinigen es für besser, den Tod durch das Schwert als durch Hunger zu leiden. So wandten sie ihre Hände gegen einander und beschleunigten durch wechselseitige Verwundungen ihren Untergang. Der König selbst entkam, indem er mit Wenigen an den steilen Abfällen der Berge sich hinschlich. Die Niederlage bezeugen die daselbst errichteten Hügel. Inzwischen hatte Erik seine Fahrt glücklich vollendet und Frôdhi's Vermählung mit Alfhild ward gefeiert. Hierauf ward ein Einfall der Slaven angezeigt; um diesem zu begegnen, ward Erik mit acht Schiffen abgesandt, denn Frôdhi galt noch für unerfahren im Kriegswesen. Erik nun, auf dass er seine Mannhaftigkeit niemals in Schatten stelle, übernahm freudig den Krieg und beschloss, ihn tapfer zu führen. Als er in Erfahrung gebracht hatte, dass die Feinde sieben Schiffe hätten, fuhr er nur auf einem der seinigen heran, die anderen befahl er mit hölzernen Schutzwehren zu umgeben und mit abgehauenen Baumästen zu bedecken. Darauf gieng er vor, um die Zahl der feindlichen Schiffe genauer zu erforschen; da ihn jedoch die Slaven verfolgten, zog er sich schnell zu den Seinen zurück. Die Feinde jedoch, gleich als wüsten sie nichts von Hinterhalten, waren überaus eifrig den Flüchtling zu fangen, und schlugen schnell und ohne Aufhören die Wellen mit ihren Rudern. Erik's Schiffe jedoch konnten mit völliger Sicherheit nicht erkannt werden, da sie den Anblick eines zweigreichen Waldes darboten. Als die Feinde in eine Meerenge sich gedrängt hatten, sahen sie sich plötzlich von Erik's Flotte eingeschlossen. Zuerst glaubten sie, bestürzt durch den ungewohnten Anblick, es schwimme ein Wald daher, bald jedoch erkannten sie, dass Trug unter dem Laube verborgen sei. Zu spät bereueten sie ihre Unbedachtsamkeit und suchten die unvorsichtig durchsegelte Strecke zurückzusegeln; aber indem sie sich anschicken, die Hintertheile der Schiffe zu wenden, erkennen sie, dass der Feind dieselben bereits besteige. Erik aber, der sein Schiff an den Strand gezogen hatte, schleuderte zugleich von fern Steine gegen die Feinde. So wurden sehr viele der Slaven getödtet, vierzig aber gefangen, welche später in Fesseln durch Hunger und andere Qualen umkamen.

Indessen hatte Frôdhi, um sein Heer in der Slaven Land überzuführen, sowohl von den Dänen als auch von den Nachbarn eine gewaltige Flotte versammelt. Das kleinste dieser Schiffe trug zwölf Mann und ward durch eben so viele Ruder geführt. Hierauf befahl Erik seinen Gefährten geduldig zuzuwarten und eilte zu Frôdhi, um ihm die Kunde des erfochtenen Sieges zu überbringen. Als er nun im Dahinsegeln wahrnahm, dass ein feindliches Schiff zufällig in Untiefen und Strudeln behaftet sei, rief er nach seiner Gewohnheit, zufällige Ereignisse durch gewichtige Worte zu bezeichnen, aus: »Dunkel ist das Geschick der Unedelen und das Looss der Schlechten schmachvoll.« Darauf fuhr er mit seinem Schiffe näher hinzu und überwältigte die ihr Schiff vermittelst Stangen zu lösen bemühten Feinde, während sie mit der Lösung desselben allzueifrig beschäftigt waren. Als dieses vollbracht war und er die Flotte des Königes erreicht hatte, suchte er diesen durch die Verkündigung des Sieges zu ermuthigen, indem er ausrief: »Heil und Ruhm dem Erringer eines glänzenden Friedens!«. Der König erwiderte, er wünsche, dass seine Verheissung sich erfülle, »aber dem Weisen, fügte er hinzu, ist sein Geist ein Wahrsager.« Erik entgegnete: er habe die Wahrheit gesagt und durch den kleinen Sieg werde ein grösserer vorher verkündigt, da kleine Ereignisse oft grosse Dinge im Voraus ankündigten. Hierauf ermahnte er den König, seine Macht zu theilen; die jütischen Reiter sollten auf dem Landwege vorgehen, während er mit dem übrigen Theile des Heeres den Seeweg einschlüge. Das Meer aber bedeckte eine so grosse Menge der Schiffe, dass kein Hafen sie fasste, und der Strand bot nicht Raum genug für das Lager; das Landheer aber war, wie man sagt, so gross, dass es die Berge ebnete, die Sümpfe gangbar machte, die Schluchten durch Dämme ausglich und die grössten Abgründe durch hineingeworfenes Gestein ausfüllte.

Inzwischen verlangte Strunik, der König der Slaven, durch Gesandte Waffenstillstand; Frôdhi jedoch gab ihm keine Zeit sich zu rüsten, indem er sagte, es sei thöricht, einem Feinde durch Waffenstillstand die Kräfte zu vermehren; übrigens habe er bisher nicht die geringste Kriegserfahrung, und es gebühre sich nicht, den Beginn eines Kampfes durch zweifelhaftes Zaudern hinauszuschieben, und Jeder, der die erste Kriegsthat glücklich vollführt habe, dürfe hoffen, dass die zukünftigen einen ähnlichen Erfolg haben würden. Jeder werde einen solchen Ausgang des Kampfes haben, wie der Beginn ihn verheisse, da die Anfänge der Kriege gewöhnlich das Ende derselben voraus verkünden. Erik lobte die Klugheit der Antwort und sagte: so müsse man draussen das Spiel spielen, wie man es zu Hause vorbereitet habe; übrigens, fügte er hinzu, seien die Dänen von den Slaven herausgefordert worden. Auf dieses Wort liess er den heftigsten Kampf folgen; Strunik fiel mit den Tapfersten seines Volkes, die Uebrigen wurden in Eid und Pflicht genommen. Hierauf rief Frôdhi die Slaven zusammen und liess durch einen Herold verkündigen: wenn Einige unter ihnen des Raubes oder Diebstahls beflissen wären, so sollten sie es schnell kundgeben; er gelobe, solche Männer durch die grössten Ehren auszuzeichnen; auch diejenigen, welche mit Zauberei sich beschäftigt hätten, sollten hervortreten, um den gebührenden Lohn zu empfangen. Diese Verheissung gefiel den Slaven wohl und Manche, mehr lohnbegierig als bedacht, verriethen sich selbst früher, als sie durch eines Andern Anzeige verrathen werden konnten; die Gier nach Gewinn hatte sie so verblendet, dass sie Schande dem Gewinne nachsetzten und schmähliche Handlungen für rühmliche ansahen. Als sich Alle freiwillig entdeckt hatten, rief er aus : »Euch selbst, ihr Slaven, geziemt es, euer Vaterland solches Frevels zu entledigen«; und sogleich befahl er, dass sie die Schuldigen ergriffen und an die höchsten Galgen hiengen. So versagte der schlaue König den geständigen Verbrechern die Verzeihung, welche er den besiegten Feinden bewilligte, und beinahe das ganze Volk der Slaven wurde ausgerottet.

Der König, durch den Ruhm des neuen Sieges gehoben, beschloss, sein Heer unter neuen Gesetzen umzugestalten, auf dass er nicht schwächer an Gerechtigkeit als in den Waffen erscheine. Einige dieser Gesetze haben sich bis jetzt erhalten, einige sind, der Ungewöhnlichkeit wegen, wieder aufgehoben worden. Er befahl nämlich, dass jeder Hauptmann eines Zuges bei der Vertheilung der Beute einen grösseren Theil erhalten solle, als die anderen Krieger; den Führern aber, welchen im Kampfe die Zeichen vorgetragen würden, bewilligte er, um sie ihrer Würde gemäss auszuzeichnen, das erbeutete Gold; der gemeine Krieger, wollte er, sollte mit dem Silber sich begnügen. Die Waffen sollten den Kämpfern gehören, die genommenen Schiffe den Landleuten; diesen stünden diese zu, weil es ihnen obläge, die Schiffe sowohl zu bauen als auch auszurüsten. Uebrigens setzte er fest, Niemand solle sein Vermögen den Knechten zur Bewachung anvertrauen; habe er Verlust, so werde ihm dieser zwiefach aus der Habe des Königes ersetzt werden; wenn Einer sein Vermögen in verschlossener Kiste bewahre, solle er dem Könige ein Pfund Goldes schuldig sein. Auch setzte er fest, dass denjenigen die Strafe des Diebstahls treffen solle, der einen Dieb laufen lasse. Ausserdem, wer zuerst im Kampfe die Flucht ergriffe, der solle des Landrechtes verlustig sein. Als er nach Dänemark zurückgekehrt war, gab er den Frauen die freie Wahl der Gatten, auf dass er, was Grêp Sittenverderbliches eingeführt habe, wieder gut mache, und dass kein Weib zu einer Ehe gezwungen werde. Auch verbot er durch ein Gesetz, dass eine Jungfrau einem Manne sich vermähle ohne Einwilligung ihres Vaters; wenn aber eine Freie einem Unfreien sich vermählt hätte, so sollte sie unfrei werden und den Stand ihres Gatten erhalten. Die Männer aber verpflichtete er, diejenigen heimzuführen, mit denen sie bereits Umgang gehabt hätten. Einen Ehebrecher dürfe der Gatte des Zeugegliedes berauben, auf dass nicht die Keuschheit durch Lüste zu Grunde gerichtet werde. Auch setzte er fest, dass, wenn ein Däne einen Dänen beraube, er den Raub zwiefach ersetzen und des gebrochenen Friedens schuldig sein solle. Aber wenn Jemand eine gestohlene Sache zu eines Andern Hause trüge und der Gastfreund hinter ihm die Thüre seines Hauses zuschlösse, so solle dieser aller seiner Güter verlustig sein und in der Volksversammlung vor Aller Augen mit Ruthen geschlagen werden, weil er desselben Verbrechens sich schuldig gemacht habe. Ferner, welcher Verbannte seines Vaterlandes Feind würde oder gegen seine Mitbürger feindlichen Schild trüge, der solle mit seinem Leben und seinen Gütern büssen. Wenn aber Einer aus Hartnäckigkeit des Geistes in der Ausführung der Befehle des Königes sich träge beweise, so solle er mit der Verbannung bestraft werden. Es war nämlich Sitte, einen hölzernen Pfeil, der das Ansehen eines eisernen hatte, als Boten von Mann zu Mann zu senden, so oft plötzliche Kriegsgefahr drohte. Wer aber aus der Schaar der Gemeinen in der Schlacht dem Hauptmann es zuvorthue, der solle, wäre er ein Knecht, frei, wäre er ein Bauer, ein Edler werden, wäre er aber ein Edeler, solle er Hauptmann sein. Solchen Lohn erwarben ehedem die Kühnen, und die Alten hielten es für angemessen, der Tapferkeit den Adel zuzuerkennen. Er verordnete auch, dass kein Rechtsstreit durch Eidesleistung oder Pfandstellung angehoben werden solle. Wer aber einen Andern überredet hätte, mit ihm ein Pfand niederzulegen, der solle es mit einem halben Pfunde Goldes büssen, oder schwere Leibesstrafe erleiden. Der König sah nämlich voraus, dass durch Pfandstellung die grössten Streitigkeiten entstehen könnten. Jeder Streit solle übrigens, setzte er fest, durch das Schwert entschieden werden, indem er es für schöner erachtete, mit Waffen als mit Worten zu streiten. Sobald einer der Kämpfenden aber mit weichendem Fusse aus dem vorher bezeichneten Kreisse trete, solle er als besiegt und seiner Sache verlustig erachtet werden. Wenn aber um irgend eine Sache ein gemeiner Mann einen Kämpen anspreche, so solle er ihn bewaffnet empfangen; der Landmann aber mit einem Stabe, der von der Fingerspitze bis zum Ellenbogen reiche, kämpfen. Jede Tödtung eines Dänen durch einen Fremden endlich solle durch den Tod zweier Fremden gebüsst werden.–

Indessen rüstete Gothar ein Kriegsheer, um an Erik Rache zu nehmen; von der andern Seite gieng Frôdhi mit einer grossen Flotte nach Norwegen. Als sie an Rensoe, dem Eilande angelegt hatten, suchte Gothar durch Gesandte um Frieden nach, erschreckt durch den grossen Namen Frôdhi's; Erik aber rief den Gesandten zu: »Ein schamloser Dieb ist, wer zuerst Frieden sucht oder die Güter gemeinsam zu machen gedenkt. Denn wer sich anstellt, als wolle er erobern, der muss sich anstrengen; dem Schlage ist mit Schlage zu begegnen und der Neid durch Neid zu entfernen.« Als Gothar diesen Ausspruch mit aufmerksamen Ohren von ferne her hörte, rief er so laut er konnte: »Ganz recht! Jeder dient der Tugend insoweit er der Wohlthat eingedenk ist.« Erik erwiderte ihm: »Deine Wohlthat habe ich dir durch ertheilten Rath vergolten.« Durch dieses Wort gab er zu erkennen, dass gute Rathschläge jeder Art von Geschenken vorzuziehen seien; und auf dass er Gotharn als undankbar für empfangenen Rath hinstelle, fügte er hinzu: »Als du mir die Gattin mit dem Leben zu entreissen trachtetest, hast du mir kein gutes Beispiel gegeben; zwischen uns darf nur das Schwert entscheiden.« Bald darauf ward Gothar, der mit ungünstigem Erfolge die Flotte der Dänen angriff, erschlagen. Dessen Reich, das aus sieben Gauen bestand, empfieng später Rollir von Frôdhi zum Lehen, und Erik schenkte ihm denjenigen Gau dazu, den er einst von Gothar erhalten hatte. Auf diese Thaten genoss Frôdhi drei Jahre lang des tiefsten Friedens. Unterdessen hatte der König der Heunen die Verschmähung seiner Tochter erfahren, sich mit Olimar, dem Könige der Ostslaven, verbündet und zwei Jahre hindurch gegen die Dänen den Krieg gerüstet; Frôdhi demnach berief nicht nur die Eingeborenen, sondern auch die Norweger und die Westslaven unter seine Fahnen. Erik ward von ihm ausgesandt die feindlichen Heere zu erforschen, und stiess auf Olimar, welcher die Führung der Flotte erhalten hatte, während der König der Heunen das Landheer anführte, nicht fern von Russland. Er redete ihn auf folgende Weise an:

Welchen Fürsten bedrohen die Fehdeschiffe,
das Wehrvolk in Waffen?
Wohin segeln die Seedrachen?
Des gieb, Olimar, Auskunft!

Olimar antwortete:

Fridlêf's Sohn wir als Feinde suchen,
sein Leid soll uns Lust sein.
Doch wer erkühnt sich der kecken Frage ?
Deinen Namen du mir nenne!

Erik sagte hierauf:

Den Niebezwungenen niederzuwerfen,
eitel ist der Anschlag.
Nimmer wird Frôdhi sich Frechen beugen,
euere Hoffnung höhnet euch.

Olimar erwiderte:

Einmal kommt, was dem Ersten gelingt,
erkennen magst du's, Kämpe;
oft genug man vor Augen sieht,
was das Herz nicht hoffte.

Durch diesen Ausspruch wollte er lehren, dass Niemand allzugrosses Vertrauen auf das Glück haben solle. Darauf ritt Erik aus, der Heunen Heerzug zu erforschen. Die erste Schaar traf er beim Aufgang der Sonne, die letzte beim Untergang derselben. Als Hûn, der König der Heunen, ihn erblickte, so wusste er auch, dass er das Amt des Spähers übernommen habe, und er fragte ihn nach seinem Namen. Erik entgegnete, er heisse der überall Ankommende und nirgends Erkannte. Der König fragte darauf, welches Geschäft Frôdhi treibe. Erik erwiderte ihm, Frôdhi erwarte niemals ein feindliches Heer daheim, noch harre er des Feindes in seinem Hause; denn wachsam müsse sein, der ein fremdes Dach ersteigen wolle; Niemand erlange durch Schlaf den Sieg, noch erlange der Wolf auf seinem Lager Beute.

Der König erkannte, dass er in guten Sprüchen wohlerfahren sei; vielleicht, sagte er, ist dieser Mann Erik, von welchem, wie ich gehört habe, meiner Tochter fälschlich ein Verbrechen angedichtet ward. Er gebot sogleich ihn zu ergreifen; Erik aber sagte, es gezieme sich nicht, dass Einer von Vielen hinweggeführt werde. Durch dieses Wort besänftigte er nicht nur des Königes Gemüth, sondern bewog ihn auch, ihm zu verzeihen. Diese Straflosigkeit hatte aber mehr ihren Grund in der Schlauheit, als im Wohlwollen; denn er ward zumeist deshalb entlassen, dass er den Frôdhi durch die Nachricht von der Menge seiner Feinde schrecke. Als er zurückgekehrt war, und der König ihm befahl das Erforschte mitzutheilen, sagte er, er habe sechs Könige und sechs Flotten gesehen, jede derselben enthalte 5000 Schiffe, deren jedes 300 Ruderer trage. Als Frôdhi nun ungewiss war, was gegen so Viele zu thun sei und er mit grösserer Sorgfalt seine Hülfsmittel überschlug, sagte Erik : »Dem Rechtschaffenen hilft Kühnheit; durch muthigen Hund ist der Bär zu stellen; der Jagdhunde bedürfe es, nicht unkriegerischer Vöglein.« Hierauf gab er dem Frôdhi den Rath, seine Flotte zusammenzuziehen. Als sie gereihet war, segelte sie gegen den Feind. Zuerst wurden die Eilande, welche zwischen Dänemark und dem Osten liegen, erobert; von da vorgehend stiessen sie auf einige Schiffe der ruthenischen Flotte. Als Frôdhi es für unrühmlich hielt, diese geringe Anzahl anzugreifen, sagte Erik: »Von dem Mageren und Dürren wird Speise genommen; denn der vermag nicht zu beissen, den ein grosser Ranzen drückt.« Durch diese Lehre benahm er dem Könige die Scham den Angriff zu machen, und leitete ihn an, die geringe Anzahl durch die Menge anzugreifen, indem er nachwies, dass der Nutzen der Scham vorzuziehen sei. Darauf gelangte man zu Olimar, welcher lieber mit träger Menge den Feind erwarten als angreifen wollte; denn die Schiffe der Ruthenen waren schlecht gebaut und wegen ihrer Grösse weniger für das Rudern geeignet. Aber seine Uebermacht half ihm nichts, denn die ungeübte Menge der Ruthenen, die mehr durch Zahl als Tapferkeit sich auszeichnete, musste der geringen Zahl der starken Dänen den Sieg überlassen. Als Frôdhi in die Heimath zurückkehren wollte, lernte er ein bisher unerhörtes Hinderniss der Schifffahrt kennen; denn die vielen Leiber der Erschlagenen, nicht minder die Trümmer der Schilde und Geere wurden von der Fluth hin und her geworfen und bedeckten den ganzen Meerbusen. Von den Leichnamen umgeben, blieben die Schiffe stecken, und sie vermochten nicht die faulen und umherschwimmenden Leiber durch Ruder oder Stangen abzustossen; denn kaum war der eine entfernt, so ward ein anderer herangewälzt und stiess an die Schiffe; man konnte glauben, dass man mit den Todten Krieg führe.

Frôdhi rief demnach die besiegten Völker zusammen und gab das Gesetz, dass jeder Hausvater, der in diesem Kampfe gefallen war, mit seinem Rosse und allen seinen Waffen in einem Hügel bestattet werden solle. Wenn einen Solchen einer mit der schändlichen Begierde der Todtenausgräber beunruhigt hätte, solle er nicht bloss mit dem Leben büssen, sondern auch unbegraben liegen und des Scheiterhaufens wie auch des Leichenmahles entbehren. Denn er hielt für gerecht, dass, wer die Asche eines Andern störe, durch kein Leichbegängniss geehrt werde, und dasjenige an seinem eigenen Leibe erdulde, was er dem Andern angethan habe. Der Leichnam eines Häuptlings aber solle auf einem Scheiterhaufen, der aus seinem eigenen Schiffe errichtet worden sei, verbrannt werden; mit dem einen Schiffe aber sollten zugleich die Leiber von zehn Ruderern durch das Feuer verzehrt werden. Jeder erschlagene Führer oder König solle auf das eigene Schiff gelegt und verbrannt werden. So genau ordnete er die Bestattung der Todten an, auf dass nicht die Bestattungsgebräuche vermischt würden. Denn fast alle Könige der Ruthenen, mit Ausnahme Olimar's und Dag's, waren im Kampfe umgekommen. Auch setzte er fest, dass die Ruthenen in Nachahmung der Dänen Kampfspiele feierten und dass keiner eine Gattin heimführe, er habe sie denn gekauft; er glaubte nämlich, dass die Ehen durch Kauf dauernder sein würden, denn er hielt diejenige Ehe für gesicherter, welche durch ein Kaufgeld befestigt worden sei. Ausserdem, wenn Einer eine Jungfrau gewaltsam überwältige, solle er das Verbrechen durch den Verlust einzelner Theile seines Leibes büssen, oder tausend Pfund zur Busse zahlen. Er bestimmte auch, dass, wer als Krieger den Ruhm der Tapferkeit haben wolle, Einen angreifen, zweien Angreifern Stand halten, vor Dreien den Fuss nur mässig zurückziehen solle, erst vor Vieren dürfe er ohne Schande fliehen. Auch gab er den von ihm besiegten Königen ein Gesetz hinsichtlich des Soldes der Krieger: jeder dem Hause oder dem Lande angehörende Kämpe solle über den Winter drei Pfund Silbers erhalten, der gemeine oder gedungene Krieger zwei, der ausgediente endlich ein Pfund. Durch dieses Gesetz schädigte er aber die Tapferkeit, indem er die Verhältnisse der Krieger, nicht aber ihre Gesinnungen erwog. Er konnte mit Recht des Irrthums beschuldigt werden, da er die Vertraulichkeit dem Verdienste vorzog. Hierauf ward Erik vom Könige befragt, ob das Heer der Heunen den Schaaren Olimar's gleichkomme. Er antwortete darauf Folgendes:

Kampfvolk traf ich, Keinem zählbar,
grimme Feinde, Fürst, dir!
Das Land nicht fasst der Leute Menge
noch das Meer die Männer.

Die Feuer durch die Finstre strahlten,
der Schaaren Zahl bezeugend;
all' der Wald war nur eine Gluth,
wo das Heervolk hauste.

Von den Eisen der Hufe die Erd' erdröhnte,
wo die Rosse rannten;
in der Wagen Gewirre weithin rauschte
der Räder Rollen.

Der Geisseln Galm, der Gäule Gewieher,
der Achsen Aechzen,
der Räder Geroll, der Rosse Gestampf
laut gen Himmel hallte.

Von den Waffenträgern, die wirr sich drängten,
erbebte der Boden;
kaum ertrugen der Kämpen Menge
die grünen Gründe.

Die Luft mir schien laut zu stöhnen,
der Erdgrund aufzuseufzen,
wo der Feind den Fuss hinsetzte,
in Waffen sich bewegend.

Fünfzehn ich sah der Fahnen glänzen,
die die Völker führten;
mir nicht zählbar die minderen schienen,
wohl Hundert hegte jede.

Vier mal fünf endlich der Fähnlein wehten
hoch hinter jedem Hundert;
der Zeichen Zahl dir zählt' ich vor,
so viel auch waren Führer.

Als nun Frôdhi fragte, womit er einer solchen Menge begegnen solle, erwiderte Erik: er solle zurückweichen und zuwarten, bis die Feinde durch ihre eigene Wildheit zu Grunde gerichtet würden. Diesem Vorschlage ward gehorcht. Aber die Heunen, welche durch weglose Wüsten vorschritten, fanden nirgends Lebensmittel und begannen nach und nach unessbare Dinge zu versuchen; denn die Gegend war wüste und sumpfig, und es gab kein Mittel dem Mangel abzuhelfen. Als sie endlich ihre Zugthiere geschlachtet und gegessen hatten, zerstreuten sie sich sowohl aus Mangel an Fahrzeugen als auch an Lebensmitteln. Uebrigens war die Gefahr des Verirrens nicht geringer als die des Hungers. Weder der Rosse noch der Esel schonte man, noch enthielt man sich von ekelhaften oder faulen Dingen; endlich mussten sogar die Hunde herhalten, jeder Frevel schien den Sterbenden erlaubt. Zuletzt fielen die vom Hunger Erschöpften über einander selbst her. Ohne Aufhören wurden Leichname beseitigt, und da Alle den Untergang fürchteten, fand keiner der Untergehenden Mitleid; denn die Furcht hatte alle Menschlichkeit getilgt. Zuerst verliessen daher den König einzelne Rotten, dann entschwanden ganze Schaaren, und der ganze Heerzug zerfloss. Auch der Wahrsager Uggi verliess ihn, ein Mann, dessen Alter man nicht kannte, der aber jedenfalls die Grenze menschlichen Alters weit überschritten hatte. Dieser suchte den Frôdhi als Flüchtling auf und theilte ihm mit, wie es um die Heunen stünde. Inzwischen war Hithin, der König eines norwegischen Stammes, zu Frôdhi's Flotte mit 150 Schiffen gestossen; aus diesen hatte er zwölf ausgewählt und war näher heran gesegelt, indem er durch einen am Maste emporgezogenen Schild kund that, dass Bundesgenossen herankämen. Er ward von dem Könige freundlich aufgenommen, indem er seinen Schaaren ansehnliche Verstärkung zuführte. Später hatte dieser einen Liebeshandel mit Hilde, der Tochter Högni's, eines Häuptlings der Juten. Die Jungfrau war ein Mädchen von sehr ausgezeichnetem Rufe; Beide hatten einander noch niemals gesehen und nur der Ruf hatte sie in gegenseitige Liebe gebracht. Als sie aber einmal einander erblickt hatten, konnte keines den Blick mehr von dem andern abwenden; so hatte die Liebe ihre Augen gefesselt. Der alte Mythus weiss nichts von einer solchen Liebe Hithin's und der Hild. Saxo oder seine Quelle mag sie für nöthig erachtet haben, um das spätere Benehmen der Hild zu begründen. Inzwischen hatte Frôdhi seine Krieger in die Dörfer vertheilt und schaffte alles herbei, dessen man bedurfte, um den Winter hindurch zu leben; aber auch so vermochte er nicht sein Heer vollständig mit allen Bedürfnissen auszurüsten, und es traf ihn ein Verderben, welches der Niederlage der Heunen fast gleich kam. Um daher der Zuströmung der Ankömmlinge Einhalt zu thun, schickte er seine Flotte in die Elbe und sorgte dafür, dass nichts da hinüber geführt ward. Die Führer derselben hiessen Rewill und Mewill. Als der Winter vorüber war, rüsteten sich auch Hithin und Högni zu einem gemeinsamen Wikingszuge; Högni nämlich wusste noch nichts davon, dass seine Tochter von seinem Genossen geliebt werde. Er war aber ein hochgewachsener Mann von schnellem Geiste, wogegen Hithin einen überaus zierlichen, aber kurzen Leib hatte. Als Frôdhi nun wahrnahm, dass die Erhaltung seines Heeres für ihn mit jedem Tage schwieriger ward, schickte er den Rollir nach Norwegen, den Olimar nach Schweden, den König Oneus und den Wikingshäuptling Glômir nach den Orkney's, um Lebensmittel zu fordern, und theilte jedem eigene Mannschaft zu. Dreissig Könige folgten Frôdhin, ihm durch Freundschaft oder Dienstpflicht verbunden; als Hün jedoch hörte, dass Frôdhi seine Schaaren entsendet habe, zog er ein neues und frisches Kriegsheer zusammen; Högni jedoch versprach seine Tochter dem Hithin, nachdem sie gegenseitig geschworen hatten, dass der eine des andern Rächer sein wolle, wer von beiden auch durch das Schwert umkäme. Mit dem Herbste kehrten die Ausgesandten zurück, aber reicher an Siegeszeichen als an Lebensmitteln. Rollir hatte die Landschaften Südmœre und Nordmœre, nachdem er Arthur, den König derselben, erschlagen, zinspflichtig gemacht; Olimar jedoch hatte Thorir den Langen, den König von Jamteland und Helsingland nebst zweien andern Fürsten von nicht geringerer Macht besiegt; auch hatte er Esthland und Oland, Kurland und die vor Schweden liegenden Inseln besiegt. So brachte er siebenzig Schiffe zurück, die zwiefache Zahl der früher ausgefahrenen. Oneus jedoch und Glômir, Hithin und Högni hatten sich der Orkney's bemächtigt; sie kehrten mit neunhundert Schiffen zurück, und jetzt genügten die durch Raub erworbenen und herbeigebrachten Lebensmittel zur Ernährung der Schaaren. Uebrigens waren zwanzig Königreiche dem Reiche Frôdhi's benachbart, deren Beherscher, verbunden mit den früher genannten dreissig auf Seiten der Dänen Kriegsdienste thaten. Auf solche Kräfte sich stützend begann er den Kampf gegen die Heunen. Der erste Tag desselben sah eine solche Menge Erschlagener, dass die drei Hauptflüsse Russlands von den Leichnamen, wie von einer Brücke bedeckt, gangbar wurden. Und so weit man zu Rosse in drei Tagen reiten konnte, ein so grosser Raum ward von menschlichen Leichen angefüllt. Als nun die Schlacht sieben Tage gedauert hatte, fiel der König Hûn; sein gleichnamiger Bruder erblickte die wankenden Reihen der Heunen und zauderte nicht, sich mit seiner Schaar zu ergeben. Nach diesem Kampfe unterwarfen sich 170 Könige, welche theils Heunen waren, theils für sie gekämpft hatten, dem Beherscher der Dänen. Diese Zahl hatte Erik durch die oben angeführte Erwähnung der Kriegszeichen umfasst, als er die Menge der Heunen dem fragenden Frôdhi bestimmte. Frôdhi berief sämtliche Könige zu einer Versammlung und setzte fest, dass sie unter einem und demselben Gesetze leben sollten. Dem Olimar gab er Holmgard, dem Oneus Konogard, dem gefangenen Hûn Sachsen, dem Rewill aber die Orkney's. Die Gaue der Helsinge, der Jarnberer und der Jamten nebst beiden Lappmarken übertrug er einem gewissen Dîmâr zur Verwaltung; dem Dag aber ward die Herschaft über Esthland zu Theil. Alle diese waren ihm zinspflichtig und seine Lehensleute. So erstreckte sich Frôdhi's Reich vom östlichen Russland bis zum westlichen Rheinstrome. Inzwischen ward Hithin bei Högni von einigen Missgünstigen beschuldigt, er habe seine Tochter vor der Vermählung zur Unzucht verführt, was damals bei allen Völkern für die grösste Schandthat galt. Högni schenkte der Verläumdung Glauben und fiel den Hithin, der bei den Slaven den Zins einsammelte, mit der Flotte an, musste jedoch, im Kampfe besiegt, nach Jütland zurückgehen. So hatte ein innerer Krieg den von Frôdhi festgesetzten Frieden zu nichte gemacht, und die vornehmsten Landesfürsten hatten das Gesetz des Königs gebrochen. Frôdhi schickte demnach Gesandte, welche sie herbeiholen und zugleich nach dem Grunde der Feindschaft forschen sollten. Als er diesen erkannt hatte, machte er einen Zusatz zu dem von ihm erlassenen Gesetze; als er aber sah, dass sie auch dadurch nicht mit einander versöhnt werden könnten, indem der Vater trotzig seine Tochter zurückforderte, so bestimmte er, dass der Streit durch das Schwert entschieden werden solle; denn diess war damals das einzige Mittel einen Zwiespalt zu lösen. Gleich im Beginne des Kampfes erhielt Hithin einen grimmigen Schlag; mit seinem Blute verliessen ihn nun zwar seines Leibes Kräfte, er erfuhr jedoch wider Erwarten die Milde des Feindes ; denn Högni, obgleich er ihn tödten konnte, empfand doch Mitleid mit seiner Schönheit und Jugend, und unterdrückte seinen Grimm. Er warf sein Schwert weg, weil er nicht einen Jüngling, der bereits zu sterben schien, tödten wollte; denn ehedem galt es für Schmach, einen Unerwachsenen oder Schwachen des Lebens zu berauben. So wusste die alte Tapferkeit der Kämpen die Gesittung wohl zu wahren. Hithin ward also von seinen Gefährten auf das Schiff getragen und durch die Milde seines Feindes erhalten. Im siebenten Jahre darauf erneuerten sie den Kampf bei Hithinsœ und beide erlagen ihren Wunden. Man erzählt, dass Hild in solcher Liebe zu ihrem Gatten geglüht habe, dass sie zur Nachtzeit die Erschlagenen durch Zaubergesänge erweckte, auf dass sie den Kampf aufs Neue beginnen könnten. Auch die jüngere Edda hat diesen Mythus, und in dem mhd. Gedichte Gûdrûn bildet er, gleichfalls zur Heldensage umgestaltet, den mittleren Theil (Hetel's Erwerbung der Hild).

Zur selben Zeit kam es zwischen Alrik, dem Könige der Schweden, und Gestrblindi, dem Könige der Gauten, zu einem gewaltigen Kriege. Aber Gestrblindi, der schwächer an Macht war, wandte sich mit der Bitte an Frôdhi, dass er ihm beistünde, und nahm sein Reich von ihm zum Lehen. Als er Skalk von Skâne und Erik zum Beistande erhalten hatte, kehrte er mit diesen und Kriegsmannschaft heim. Er beschloss nun, seine Macht zunächst gegen Alrik zu führen; Erik jedoch war der Meinung, man solle zuerst dessen Sohn, Gunthio, den Fürsten der Weimer und Solunge angreifen; denn das durch den Sturm ermüdete Seevolk müsse trachten den nächsten Strand zu erreichen; übrigens könne ein Baum, der der Wurzeln beraubt sei, selten leben. Als Alrik die Tödtung seines Sohnes vernommen hatte, eilte er ihn zu rächen. Als er in die Nähe der Feinde gekommen war, liess er den Erik zu heimlichem Gespräche entbieten, und bat, indem er anführte, dass ihre Väter Bundesgenossen gewesen seien, dass er nicht dem Gestrblindi im Kriege beistehe. Als Erik diess beharrlich ablehnte, bat er, dass er mit Gestrblindi allein kämpfen dürfe, denn er meine, der Zweikampf sei einem Kampfe der Heere vorzuziehen. Erik jedoch erwiderte: Gestrblindi sei des Alters wegen nicht waffenfähig, und da dessen Schwäche durch sein Alter entschuldigt sei, so wolle er selbst an dessen Stelle kämpfen; er hielt es nämlich für schimpflich, wenn er den Zweikampf für den nicht aufnehme, für welchen er einen Krieg zu führen gekommen wäre. So kam es zwischen Alrik und Erik sofort zum Zweikampfe. Alrik fiel, Erik aber, der schwer verwundet war, konnte nur mit grosser Mühe Heilmittel erlangen, und gelangte erst spät wieder zu seiner Gesundheit; dem Frôdhi jedoch war das falsche Gerücht zugekommen, er wäre im Kampfe unterlegen, und so ward das Herz des Königs mit grosser Betrübniss erfüllt. Erst Erik's Heimkehr vermochte des Königs Trauer zu heben; dazu brachte er ihm die Meldung, dass er Schweden, Wermeland, Helsingland durch seine Bemühung mit Frôdhi's Reiche vereinigt habe. Frôdhi setzte ihn bald darauf zum Könige über die besiegten Völker; zugleich übergab er ihm Helsingland, die beiden Lappländer, Finnland und Esthland unter der Verpflichtung eines jährlichen Zinses. Kein König der Schweden hatte vor ihm den Namen Erik getragen, von ihm aber gieng er auf die späteren Könige über. Der letzte Theil dieser Behauptung ist ohne Zweifel ein Ausfluss von Saxo's Dänenstolze. Das dänisch-gautische Reich war im Norden allerdings das vorherschende bis zur Brâwallaschlacht (um 730--740).

Zur selben Zeit herschte Alf über Hetmark; er hatte einen Sohn, der Âsmund hiess ; Biörn aber herschte über Wîk; sein Sohn hiess Âswit. Nun ereignete es sich aber, dass Âsmund mit geringem Glücke der Jagd beflissen war, indem er das Wild entweder mit Hunden hetzte, oder dasselbe mit Netzen zu fangen suchte. Da nun plötzlich die Finsterniss hereinbrach, so ward er durch einen vom Wege abführenden Pfad weit von den Netzträgern entfernt; und indem er das wüste Gebirge durchirrte, verlor er zuletzt Ross und Kleider, musste seinen Hunger durch Pilze und Erdschwämme stillen, und gelangte zuletzt durch Zufall zu dem Hause Biörn's, des Königes. Hier nun schloss er und der Sohn des Königs bei einem Gelage einen Bund, und um diesen zu befestigen gelobten sie einander, dass derjenige von ihnen, der den andern überlebe, dem Todten in das Grab folgen wolle. Ihre Freundschaft war in der That so gross, dass keiner nach des andern Tode zu leben wünschte.

Kurze Zeit darauf versammelte Frôdhi die Kriegsmacht aller ihm unterworfenen Völker und segelte mit der Flotte nach Norwegen, Erik aber sollte das Landheer führen. Aber da einmal die Art und Weise der Menschen es mit sich bringt, dass einer, je mehr er hat, desto mehr haben will, so ertrug er es nicht, dass selbst der wüsteste und schauervollste Theil des Erdtheils von seiner Gier unangefochten bliebe. Auch bei ihm war durch den Anfall der Güter die Habsucht gesteigert worden. So blieb also den Norwegern nichts übrig, da sie alle Hoffnung auf Vertheidigung aufgegeben hatten und Widerstand zu leisten sich nicht getrauten, als grösstenteils in Hâlogaland Zuflucht zu suchen; auch Stikla, eine edle Jungfrau, verliess, um ihre Keuschheit zu wahren, die Heimath, indem sie lieber im Kriege als in der Ehe ihr Heil suchte. Inzwischen starb Âswit an einer Krankheit, und ward mit Ross und Hunde in einer Erdhöhle bestattet. Âsmund liess sich seinem Eide gemäss mit ihm lebendig einschliessen, nachdem die Lebensmittel, wodurch er sich erhalten könnte, waren hineingetragen worden. Schon hatte Erik mit dem Kriegsheere den oberen Theil des Landes durchzogen, als er durch Zufall zu Âswit's Grabhügel gelangte. Da die Schweden der Meinung waren, der Hügel enthalte auch Schätze, so durchbrachen sie ihn mit Hacken und Schaufeln. Da erblickten sie plötzlich eine Höhle vor sich, welche tiefer war, als sie gewähnt hatten. Um diese zu durchforschen bedurfte es eines Mannes, der sich mit einem Seile umschlungen in die Höhle hinabliess. Zufälligerweise ward einer der tapfersten Jünglinge gewählt. Als diesen Âsmund in dem Korbe erblickte, der an dem Seile hieng, warf er ihn rasch hinaus und bestieg den Korb selbst. Hierauf gab er den Obenstehenden und das Seil Leitenden das Zeichen, den Korb heraufzuziehen. Als diese nun statt des erhofften Geldes in dem hinaufgezogenen Korbe das unbekannte und schreckliche Gesicht eines fremden Mannes erblickten, so wurden sie durch den ungewohnten Anblick erschreckt, glaubten, der Todte sei in's Leben zurückgekehrt, warfen das Seil hinweg und flohen nach allen Seiten. Âsmund's Angesicht war in der That grauenhaft anzusehen, und er selbst gleichsam wie mit Grabesmoder ganz bedeckt. Er suchte die Fliehenden zurückzurufen und rief ihnen zu, dass sie mit Unrecht einen Lebenden fürchteten. Als Erik ihn sah, wunderte er sich besonders über sein blutbespritztes Antlitz, denn dunkles Blut träufelte darüber hinab. Âswit nämlich, der in jeder Nacht wieder auflebte, hatte ihm im schrecklichen Kampfe das linke Ohr abgerissen, so dass die blutige Wunde einen scheusslichen Anblick gewährte. Als nun die Umstehenden ihn aufforderten, zu erzählen, wie er solche Wunde empfangen habe, sprach er also:

Was denn staunt ihr, dass zerstöret meiner Stirne Glanz ihr schaut?
Unter Todten, wisst ihr alle, jeder Tagessohn ergraut.

All der Erdkreis dem Einzelnen bleibt
      ein wonneloser Wohnsitz,
und elend ist, den Unheil zwingt
      aus der Menschen Mitte.

Felshöhle mir und finstere Nacht,
      eklen Eiters Abfluss,
und starrendes Land, stinkender Haug Grabhügel.,
      Lust in Leid verkehrte.

Des Antlitzes Reiz raubten sie mir,
      die Gestalt sie mir zerstörten,
des Leibes Macht mir sie minderten:
      des trag ich fahle Farbe.

Nacht für Nacht ich genöthigt war
      dem Todten Trotz zu bieten;
so grausen Kampf, so grimme Gefahr
      im Steine bestehn ich musste.

Mit scharfen Klauen zerschurfte mich
      Âswit, der Ungeheure,
der zu leider Nachtzeit Leben gewann,
      mich griff mit grausem Grimme.

Wass denn staunt ihr,
dass zerstöret meiner Stirne Glanz ihr schaut?
Unter Todten, wisst ihr alle, jeder Tagessohn ergraut.

Nicht weiss ich, wes Hel zum Haug entliess
      den Unhold Âswit,
Ross und Rüden er rasch zerschliss
      mit der Zähne Zacken.

Den Frass er bot mit freidiger freidig, schrecklich. Gier
      dem Munde, die Mahlzeit;
mit Haut und Haaren er hastig schlang
      die blutigen Bissen.

Graunvoll war in der Gruft da traun
      den Augen der Anblick;
doch den Hunger nicht Hengst noch Hund ihm stillte,
      an mich er d'rum sich machte.

Mit der Klauen Schärfe zerklaubt' er mir
      die Wang' in Wuthgier;
das Ohr sodann er ab mir riss:
      d'rum ängstet euch mein Anblick.

Doch nicht ungestraft der Ueble blieb,
      den Griff ich grimm ihm lohnte;
mit dem Heerschwert ich ihm das Haupt durchschlug,
      und brach die Brust ihm.

Was denn staunt ihr, dass zerstöret meiner Stirne Glanz ihr schaut?
Unter Todten, wisst ihr alle, jeder Tagessohn ergraut.

Schon hatte Frodhi seine Flotte gegen Hâlogaland in Bewegung gesetzt, und jetzt befahl er seinen Kriegsleuten einen Hügel zu errichten, indem Mann für Mann einen Stein auf den Haufen werfe, damit er sein Heer überschauen könne, welches zahllos zu sein schien. Auch der Feind bediente sich des gleichen Mittels, um sein Kriegsvolk zu zählen. Die noch jetzt sichtbaren Hügel bezeugen den Besuchenden die Wahrheit der Begebenheit. Hier schlug Frôdhi mit den Norwegern eine gewaltige Schlacht. Während der Nacht berieth man auf beiden Seiten über den Rückzug. Mit Einbruch der Dämmerung kam Erik zu Lande herbei und rieth dem Könige den Kampf zu erneuern. In diesem Kampfe erlitten die Dänen eine solche Niederlage, dass von 3000 Schiffen nur 170 übrig geblieben sein sollen. Von den Normannen aber kamen so viele um, dass, wie die Sage will, nicht dem fünften Theile der Dörfer ein Bewohner geblieben sei.

Der Sieger Frôdhi wollte nun den Frieden für alle Völker herstellen, eines jeden Vermögen gegen diebischen Eingriff sichern, und den Ländern nach dem Kampfe Ruhe schaffen; er hieng also einen Goldring an dem Felsen auf, welcher Frôdhi's Stein genannt wird, einen andern in dem Gaue Wîk; dann berief er die Norweger zu einer Versammlung und erklärte, dass diese Ringe den von ihm festgesetzten Frieden bezeugen sollten, und drohete, dass, wenn sie heimlich weggenommen würden, er alle Vorsteher der Gegend zur Strafe ziehen werde. So ward mit höchster Gefährdung der Vorsteher das Gold ohne jede Wache an der offenen Landstrasse befestigt und war für die Habsucht ein grosser Anreiz, indem es die habgierigen Gemüther aufrief, sich der Beute durch Raub zu bemächtigen. Er setzte auch fest, dass die Schiffenden der wo immer gefundenen Ruder sich ungestraft bedienen dürften. Den einen Fluss Ueberschreitenden aber bewilligte er den freien Gebrauch desjenigen Rosses, welches sie der Furt zunächst gefunden hätten; an dem Orte aber müsse abgestiegen werden, wo die Vorderfüsse desselben den Grund berührten, während die Welle die Hinterfüsse noch bespülte. Er glaubte, dass die Bewilligung solcher Vortheile eher mit dem Namen der Menschlichkeit als der Ungerechtigkeit zu bezeichnen seien. Uebrigens solle der mit dem Leben büssen, welcher nach Ueberschreitung des Flusses das Pferd länger zu benützen sich herausnehme. Er befahl auch, dass Niemand an einem Hause oder an einer Kiste ein Schloss habe, oder irgend eine Sache verschlossen halte, indem er dreifachen Ersatz für das Verlorene versprach. Ausserdem setzte er fest, dass so viel von fremder Speise zu einer Reise man sich aneignen dürfe, als zu einer Mahlzeit genüge; wer jedoch diess Mass überschreite, solle des Diebstahles schuldig sein. Einem Diebe aber, den man hienge, solle man, nachdem man ihm die Sehnen mit dem Schwerte durchschnitten habe, einen Wolf zur Seite befestigen, auf dass die Gleichheit der Strafe die Bosheit des Menschen dem Grimme des wilden Thieres gleich stelle; dieselbe Strafe solle auch die Mitwisser eines Diebstahles treffen. Von da an brachte er sieben Jahre in der süssesten Ruhe zu und erzeugte einen Sohn Alf und eine Tochter Ôsura.

In denselben Tagen kam zufällig Arngrim, ein schwedischer Kämpe, zu Frôdhi, welcher den Skalk von Skâne, der ihm früher ein Schiff geraubt hatte, zum Kampfe herausforderte und tödtete. Durch diese That ward er übermässig stolz und wagte es, Frôdhi's Tochter zur Ehe zu fordern. Da er des Königs Ohren verschlossen fand, bat er Erik, den Beherscher der Schweden, um Beistand. Erik aber ermahnte ihn, dass er durch eine rühmliche That Frôdhi's Gunst sich erwerbe, und gegen Egthir, den König von Biarmeland, und Thengil, den König von Finnmark kämpfe, weil diese allein sich der Oberherschaft der Dänen entzögen. Unverzüglich führte er ein Kriegsheer dorthin. Es sind aber die Finnen ein Volk des äussersten Nordens, welche einen kaum bewohnbaren Theil der Erde inne haben. Stark ist bei ihnen der Gebrauch der Wurfgeschosse, kein anderes Volk ist geübter im Gebrauche dieser Waffen; sie kämpfen mit langen und breiten Pfeilen, liegen der Zauberei ob und gehen der Jagd nach. Sie haben keine festen Wohnungen; wo sie sich eines wilden Thieres bemächtigt haben, lassen sie sich nieder. Auf gebogenen Hölzern eilen sie über die mit Schnee bedeckten Bergrücken. Diese griff Arngrim, um sich Ruhm zu verschaffen, an und vernichtete sie. Als sie nach unglücklichem Kampfe flüchtig wurden, warfen sie drei Steine über ihren Rücken und bewirkten dadurch, dass die Feinde eben so viele Berge zu sehen glaubten. Die Finnen und Lappen galten im Norden von je her als Hauptzauberer. Manches mag von ihnen auf die Skandinavier übergegangen sein.

Der durch diese Blendung in Irrthum versetzte Arngrim rief das Heer von der Verfolgung des Feindes zurück, indem er sich durch grosse Felsen gehindert wähnte. Am nächsten Tage erneuerten sie den Kampf, wurden jedoch abermals besiegt; jetzt gaben sie dem auf der Erde zusammengehauften Schnee den Schein eines ungeheueren Stromes. So schien den Schweden durch Täuschung ihres Gesichtes und durch falsche Ansicht von den Dingen, als widerstrebe ihnen eine ungeheuere Wassermasse. Während also der Sieger das scheinbare Wasser fürchtete, gelang es den Finnen zu entkommen. Am dritten Tage erneuerten sie den Kampf, aber jetzt gab es kein Hülfsmittel zur Flucht mehr. Als sie daher sahen, dass ihre Schlachtreihen wankten, gaben sie sich in die Gewalt des Siegers. Arngrim legte ihnen als Abgabe auf, dass ein mit Fellen wilder Thiere bedeckter Wagen von je zehn Finnen (er hatte sie nämlich vorher zählen lassen) in jedem dritten Jahre anstatt des Zinses dargebracht würde. Darauf besiegte er den zum Zweikampfe aufgeforderten Führer der Biarmier, Egthir, und legte diesem Volke die Verpflichtung auf, dass jeder Mann ein Fell für sein Haupt darzubringen habe. Hierauf kehrte er mit Siegeszeichen und Beute zu Erik zurück. Dieser begleitete ihn nach Dänemark, lobte den Jüngling vor Frôdhi sehr und sagte, er sei würdig der Tochter des Königes, weil er das Reich desselben bis an die äusserste Grenze der Menschheit erweitert babe. Frôdhi erwog seine ausgezeichneten Verdienste und hielt es für angemessen, dass er der Schwiegervater eines Mannes werde, der sich durch seine Grossthaten weithin verbreiteten Ruhm erworben habe.

Arngrim zeugte mit der Ôsura zwölf Söhne; sie hiessen Brand, Biarbi, Brodd, Hiarrandi, Tand, Tyrwing, die beiden Haddinge, Hiorthwar, Giarthwar, Rani, Angantyr. Von Jugend auf waren sie Wikinge. Durch Zufall kamen sie einst alle zugleich in einem Schiffe nach Sâmsey und fanden hier am Strande die beiden Schiffe Hialmar's und Örwarodd's, der Wikinge. Diese griffen sie an, tödteten die Ruderer und ungewiss darüber, ob sie auch die Führer erschlagen hätten, setzten sie die Leichname der Getödteten an die Ruder und erkannten so, dass die Gesuchten nicht da seien. Hierüber betrübt schätzten sie den errungenen Sieg gering, wohl wissend, dass sie noch einen schweren Kampf zu bestehen und ihr Leben zu wagen hätten. Hialmar und Örwarodd aber, deren Schiffen schon früher ein Sturm das Steuerruder abgerissen hatte, waren in den Wald gegangen, ein neues auszuhauen; sie hatten das dicke Holz dünn gehauen und den Stamm mit Aexten zurecht geschlagen, bis die gewaltige Eiche die Gestalt dieses Schiffwerkzeuges angenommen hatte. Als sie das Steuerruder auf ihren Schultern herbeitrugen, wurden sie, unbekannt mit dem Vorgefallenen, von den Söhnen der Ôsura, die von dem frischen Blute der Erschlagenen troffen, angegriffen, und so mussten die beiden mit mehreren kämpfen. Der Kampf war also ein ungleicher; übrigens hängt der Sieg nicht von der Zahl ab. Alle Söhne der Ôsura fielen, auf der andern Seite aber Hialmar. So blieb Örwarodd der einzige Sieger, da ihn allein das Glück erhalten hatte. Er schwang den noch ungeschlachten Stamm des Steuerruders mit unglaublicher Kraft und schlug mit solcher Macht auf die Feinde, dass die zwölf seinem, des einen, Angriffe erlagen. Daher haben bis heute die Wikinge das Meer noch nicht aufgegeben. Die Geschichte Arngrim's und seiner zwölf Söhne, der berühmtesten Berserke des Nordens, findet sich ausführlich in der Herwararsaga und Örwaroddssaga erzählt. Ihre Mutter heisset dort aber nicht Ôsura, sondern Eyfura. Ôsura scheinet aus Ôfura verderbt.

Dieser Umstand reizte zumeist den Frôdhi, den Westen mit Waffen anzugreifen, wiewohl sein Streben sonst nur dahin gieng, den Frieden zu verbreiten. Er rief also Erik zu sich, versammelte alle Flotten der ihm dienenden Reiche und segelte mit unzähligen Schiffen nach Britannien. Der König dieses Eilandes, der sich den Feinden nicht gewachsen wusste, denn das Meer war ganz von den Schiffen bedeckt, erklärte sich gegen Frödhi zur Unterwerfung bereit; er begann nicht nur die Grösse desselben schmeichlerisch zu erheben, sondern versprach auch den Dänen, den Bezwingern der Völker, seine und seines Landes Unterwerfung; zugleich bot er Steuern und Zins an, oder was immer sie verlangen würden; schliesslich ladete er sie gastfreundlich zum Gelage. Angenehm war dem Frôdhi die Fügsamkeit des Britten, obgleich den Verdacht des Truges das leichte und zwanglose Zugeständniss aller Dinge nährte; denn eine so bereitwillige Unterwerfung der Feinde pflegt selten sich auf aufrichtige Treue zu gründen. Auch hatten die Dänen Furcht vor dem Gelage, indem sie bedachten, dass den heimlichen Nachstellungen die durch Schwelgerei geschwächte Nüchternheit erliegen könnte. Uebrigens schien die Zahl der Eingeladeten geringer, als dass man dem in Sicherheit Einladenden gehorchen dürfe; auch schien es thöricht, der unbewährten Treue der Feinde sein Heil anzuvertrauen. Als der König der Britten die Bedenken der Dänen in Erfahrung gebracht hatte, gieng er aufs neue den Frôdhi an und verlangte, dass er mit 2400 Männern zum Gelage kommen sollte, da er ihn früher nur mit 1200 Häuptlingen zu Gaste geladen hatte. Frôdhi hatte seinen Verdacht noch nicht abgelegt, obgleich er nun, gestützt auf die vermehrte Zahl der Eingeladeten, mit einigem Vertrauen das Gelage besuchen konnte; er sandte demnach Boten in die versteckteren Theile der Gegend, welche, wenn sie etwas von Nachstellungen gewahr würden, es ihm schnell hinterbringen sollten. Deshalb drangen sie in einen Wald; hier fanden sie ein Lager, welches Schaaren von Britten enthielt, und so giengen sie nicht weiter; als sie aber die Sache hinreichend erkannt hatten, eilten sie zu den Ihren zurück. Denn sie hatten schwarze Zelte getroffen, die mit dunklen Decken verhüllt waren, auf dass sie den Vorübergehenden nicht in die Augen fielen. Als Frôdhi dieses erfahren hatte, legte er einen stärkeren Haufen von Kriegern auch von seiner Seite in einen Hinterhalt, auf dass nicht der nöthigen Hülfe er beraubt wäre, wenn ihm eine Hinterlist beim Gelage drohen sollte. Als sie an dem geeigneten Orte aufgestellt waren, befahl er ihnen, ihm zu Hülfe zu eilen, sobald sie den Schall seines Hornes vernähmen. Hierauf begab er sich zum Gelage mit der festgesetzten Zahl der Krieger, die sämmtlich nur leicht bewaffnet waren. Die Halle war der Würde des Königes angemessen mit purpurnen Decken überall geschmückt, an welchen man die grösste Kunst zu loben hatte. Ein purpurfarbiger Hochsitz schmückte die Halle, den Boden aber deckten strahlende Decken, die man mit dem Fusse zu betreten fast sich scheuen konnte. Von oben strahlte eine Menge Leuchten ihr Licht aus und ölgenährte Lampen verbreiteten zauberische Helle. Den Weihrauchgefässen entströmten Wohlgerüche, welche die ganze Halle erfüllten; den ganzen Umkreis nahmen Tische ein mit zahlreichen Gerichten; die Sitze waren mit goldgestickten Kissen geschmückt; auf den Sitzen lagen prachtvolle Kopfkissen. So schien die ganze Halle den Gästen entgegen zu lachen, und in der ganzen Ausschmückung war nichts, was das Auge oder den Geruch beleidigt hätte. Mitten in der Halle stand ein Fass von bedeutender Grösse, woraus man schöpfen konnte, was den Durst der zahlreichen Zechgenossen stillte; in Purpur gekleidete Diener trugen goldene Becher. Mit grossem Anstande übten sie das Schenkenamt und schritten schön gereihet hin und her; auch war an Stierhörnern, mit welchen der Trank geschöpft ward, kein Mangel; der Tisch strahlte von goldenen Schaalen und war mit glänzenden Trinkschaalen besetzt, welche zum grössten Theile blitzende Edelsteine schmückten. Ein ungeheuerer Reichthum war überall sichtbar. Die Tische trugen kaum die ausgesuchten Speisen; Kessel enthielten Getränke der verschiedensten Art; nicht bloss einfacher Wein ward geschenkt, auch mit vielen wohlschmeckenden Dingen gemischter. Wohlduftende Speisen füllten die Schüsseln, welche zumeist die Beute der Jagd geliefert hatte; doch fehlte es auch nicht an Gerichten vom Fleische der Hausthiere. Die Einheimischen zeigten geringeren Eifer zum Trinken, als die Fremden; denn diese reizte die Sicherheit zum Schwelgen, jene, welche in die Hinterlist eingeweiht waren, widerstunden der Verlockung zur Trunkenheit. Die Dänen also, die gewöhnt waren, die Becher um die Wette zu leeren, belasteten sich mit einer ungeheueren Masse Weines. Als die Britten sie schwer betrunken sahen, begannen sie vom Gelage sich fortzustehlen und boten alle Kräfte auf, die Thüren der Halle durch Riegel zu verschliessen. Hierauf begannen sie Feuer auf die Dächer zu werfen. Die Dänen jedoch, die in der Halle eingeschlossen waren, schlugen, als der Brand sich verbreitete, vergebens an die Thüren; am Ausgange gehindert griffen sie also bald die Wand an und suchten so sich zu befreien. Als die Angeln Da Saxo den König Frôdhi III. zu einem Zeitgenossen des römischen Kaisers Augustus macht, so kann zu seiner Zeit keine Rede von Angeln in Britannien sein. sahen, dass die Wand durch den kräftigen Andrang der Dänen zu wanken begann, gaben sie sich alle Mühe, sie von aussen durch Balken zu stützen, auf dass die Eingeschlossenen nicht entrönnen. Zuletzt jedoch sank sie unter der stärkeren Hand der Dänen, welche, je mehr die Gefahr wuchs, desto mehr sich anstrengten; die Gefangenen konnten also ausbrechen. Jetzt blies Frôdhi sein Horn, um die in den Hinterhalt gelegte Streitmacht herbeizurufen. Sie sprang heran auf den Schall des Hornes und wandte das Verderben auf das Haupt der Anstifter zurück; denn der König der Britten fand mit unzählbaren Schaaren der Seinen im Kampfe den Untergang.

Inzwischen hatten die Iren, erschreckt durch den wachsenden Ruhm der dänischen Tapferkeit, auf dass sie den Einbruch in ihr Land erschwerten, eiserne Fussangeln auf das Land gestreuet, so dass man den Strand nicht betreten konnte. Das Volk der Iren bedient sich aber einer leichten und unschwer anzuschaffenden Bewaffnung; mit Scheermessern schneidet es sein Haar aus und am Hinterhaupt vertilgt es das Haar gänzlich, dass es nicht auf der Flucht am Schopfe gehalten werden könne. Gegen die Angreifenden bedient es sich spitziger Wurfgeschosse und den Verfolgenden pflegt es die Schärfe der Dolche entgegenzusetzen, und sehr häufig schleudert es Wurfgeere rückwärts, mehr geübt durch Flucht zu siegen als durch Kampf. So geschieht es, dass, wenn man glaubt den Sieg errungen zu haben, erst Gefahr drohet. Da nun Frôdhi den so hinterlistig fliehenden Feind bedachtsamer als eifrig verfolgte, tödtete er im Kampfe Kerwill, den König des Volkes. Sein dem Kampfe entkommener Bruder gab den Widerstand auf und übergab dem König Frôdhi das Land. Die ganze Beute überliess der König den Kriegern und bewies dadurch, dass er frei von aller Habsucht nur nach Ruhme strebe.

Nach dem Siege über die Britannier und der Bezwingung der Iren kehrte er nach Dänemark zurück, wo er noch dreissig Jahre lang in Frieden lebte. Zu dieser Zeit gelangte der Name der Dänen in allen Ländern durch den sich verbreitenden Ruhm ihrer Tapferkeit zu grösstem Ansehen. Frôdhi wollte daher den Glanz seiner Herschaft für alle Zeiten feststellen; deshalb war er zunächst bedacht, gegen Raub und Diebstahl, gleichsam häusliche Uebel, seine Strenge kund zu thun, auf dass die dadurch verarmten Völker eine ruhigere Lebensweise ergriffen, und der Fortschritt des gestifteten Friedens durch keine Unternehmung Böswilliger gehemmt werde.

Auch darauf nahm er Bedacht, dass kein Bürgerkrieg das von Feinden befreite Land verwüste, oder Frevel im Inneren walte, während von aussen Friede sei. Endlich liess er in Jütland, dem Hauptlande seines Reiches, einen schweren goldenen Armring auf den Landstrassen aufhängen, indem er sehen wollte, ob nicht etwa die von ihm gebotene Enthaltsamkeit durch den Reiz einer so ausgezeichneten Beute verletzt würde. Das Aufhängen goldener Ringe kam schon oben einmal vor. Aber obgleich die Verlockung frevelhafte Gemüther reizte und Schlechtgesinnte anregte, so behielt doch die Furcht vor der zweifellosen Gefahr die Oberhand; und so gross war Frôdhi's Ansehen, dass selbst dem Raube blossgestelltes Gold betrachtet ward, als wäre es durch den festesten Verschluss gesichert; die Neuheit dieser Sache brachte ihrem Urheber grossen Ruhm. Er, der in so vielen Kämpfen stets gesiegt hatte, beschloss Allen Musse zu verschaffen, auf dass die Süssigkeit des Friedens der Rauheit der Kriege folge und das Ende der Tödtungen der Anfang eines gesicherten Lebens sei. Vor allem wollte er das Vermögen Aller durch dieses Gesetz schützen, auf dass nicht dasselbe daheim die Beute eines Räubers werde, obgleich es auswärts den Feinden entgangen war.

Um diese Zeit ward Christus geboren und man glaubt, dass überall Frieden geherscht, aber nicht so sehr einem irdischen Reiche, als vielmehr der Geburt des Heilandes zur Auszeichnung gedient habe.

Nicht lange darauf reizte ein altes, in Zauberei wohlerfahrenes Weib, das mehr auf seine Kunst bauete, als den Grimm des Königes fürchtete, ihren Sohn, den ausgesetzten Goldring zu stehlen, indem sie ihm Straflosigkeit verhiess, weil Frôdhi dem Ende seines Lebens nahe sei. Als er der Aufforderung der Mutter die Grösse der Gefahr entgegensetzte, hiess sie ihn Besseres erwarten, indem sie sagte, es werde entweder eine Meerkuh Junge werfen um die Rache abzuwenden, oder irgend ein anderem Ereigniss werde diess thun. Durch dieses Wort bannte sie die Furcht des Sohnes, und bewog ihn, ihrem Verlangen nachzugeben.

Frôdhi fühlte sich durch diese That, die er sich zur Schmach anrechnete, sehr gereizt, und zog aus mit dem grössten Eifer, das Haus des alten Weibes zu zerstören. Voraus aber schickte er Männer, die das Weib mit ihren Kindern ergreifen und ihm vorführen sollten. Aber das Weib, diess vorauswissend, täuschte die Männer durch Zauber und verwandelte ihre Gestalt in die einer Stute.

Als nun aber Frôdhi herannahte, verwandelte sie sich in eine Meerkuh und schien am Ufer hin- und herschweifend zu weiden; auch ihre Söhne verwandelte sie nach der Grösse ihres Leibes in Meerkälber. Der König betrachtete diese Thiere mit Verwunderung; er befahl sie zu umringen und ihnen die Rückkehr in die Wogen abzuschneiden; hierauf stieg er von dem Wagen, dessen er sich der Alterschwäche halber bediente, und setzte sich staunend auf die Erde nieder. Aber die Mutter stürzte sich mit vorgestrecktem Horne auf den König und durchbohrte ihm die Seite. An dieser Wunde starb der König, indem er ein seiner Würde unangemessenes Ende hatte. Die Krieger glühten, seinen Tod zu rächen; sie warfen ihre Geere nach den Ungeheuern und durchbohrten sie; als sie sie getödtet hatten, erblickten sie menschliche Leichname mit Thierhäuptern. Dieser Umstand enthüllte am meisten das Blendwerk. So war der Tod Frôdhi's, des berühmtesten Königes auf der ganzen Erde. Seinen, nachdem die Eingeweide herausgenommen worden, eingesalzenen Leichnam bewahrten die Häuptlinge drei Jahre hindurch auf, indem sie fürchteten: würde der Tod des Königs bekannt, so würden die eroberten Länder abfallen; sein Tod sollte also den Fremden verschwiegen bleiben, dass die Grenzen des Reiches aufrecht erhalten würden, und dass sie, gestützt auf das alte Ansehen des Königes, von den Unterworfenen den gewohnten Zins fordern könnten. So ward der leblose Leib des Fürsten von ihnen herumgeführt, nicht auf einer Todtenbahre, sondern in einem königlichen Wagen, gleichsam als ob dem schwachen königlichen Greise dieser Dienst von den Kriegern zukomme. Als aber Fäulniss die Glieder ergriff und die Auflösung nicht zurückgedrängt werden konnte, ward der Leib bei Wera, einem Orte auf Seeland, mit königlicher Pracht bestattet, indem sie versicherten, Frôdhi habe an der Stelle sterben und verbrannt werden wollen, wo der vorzüglichste Gau seines Reiches beginne. Der eigenthümliche Tod Frôdhi's und die Herumführung seines Leichnams sind rein mythische Züge. Wenn Sturzwellen (im mythischen Bilde Seekühe und Seekälber) vom Meere her das Land überschwemmen, wird der Feldbau gehindert, das Gedeihen der Früchte vernichtet. Der Gott der Fruchtbarkeit wird also von seinen Feinden, den wilden Naturmächten, für einmal besieget. Auf kostbaren Wagen aber wurden wohl schützende Gottheiten im Lande umhergefahren, wie schon Tacitus berichtet, nicht aber Leichname verstorbener Könige. Wenn also der todte Frôdhi umhergefahren wird, so bezeuget das nur, man wisse, dass der Getödtete nicht todt sei, dass er schon wieder aufleben werde. Wenn auch der Gott einmal unterlag, deshalb hörte seine Verehrung im Volke nicht auf. Saxo freilich konnte diess alles nicht brauchen, und da sein Frôdhi kein Gott, sondern ein König ist, so leget er dem Herumführen des Getödteten staatliche Gründe unter.


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