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Erstes Buch.


1. König Gram.

Anm. 1: Wenn Saxo die Sage von Gram, dem Sohne Skiöld's, dem Enkel Wôdans für Geschichte gehalten wissen will, so dürfen wir uns darüber nicht wundern: es ist diess nun einmal seine Art so, und andere Geschichtschreiber des Mittelalters gleichen ihm bekanntlich in dergleichen Träumen.

Uebrigens hebt Saxo seine Geschichte mit Dan und Angel an, den Söhnen Humbels; die seien nicht nur die Gründer des Dänenvolkes gewesen, sondern auch seine Beherscher, wenn auch ohne Königsnamen. Wie von Dan die Dänen lässt er von Angel die Angeln abstammen, obgleich Angel eigentlich nichts ist als der bezeichnende Name des Landes, das heute Schleswig ( Schleswig ist verderbt aus Sleswik, d. i. Stadt am Slei. Der Name der Stadt gieng über auf das Land ; vgl. Braunschweig = Bruneswik.) heisst. Weder von Angel noch von Humbel weiss Saxo etwas zu erzählen, und auch von Dan erfahren wir nichts weiter, als dass seine Gattin Gritha geheissen habe, d. i. Gridhr, Riesin, und die Tochter eines hohen deutschen Geschlechtes gewesen sei. Dan's Söhne tragen die Namen Humbel und Lother.

Humbel ward nach des Vaters Tode von den Dänen zum Könige erwählt, aber bald durch seinen Bruder Lother des Reiches beraubt. Lother's Herschaft war übermüthig und frevelhaft, indem er jeden, der an Adel ihm gleich stund, als Feind seiner Königswürde behandelte. Doch seine Gewaltthaten blieben nicht straflos: dieselben Männer entrissen ihm Reich und Leben, die ihn zum Könige erhoben hatten.

Sein Sohn Skiöld hatte des Vaters Mannhaftigkeit, nicht aber dessen Sitten. Schon die Thaten seiner Jugend zeigten das, indem er in allem seinen Grossvater nicht aber seinen Vater sich zum Vorbilde nahm. Dass er von gewaltiger Leibesstärke war, bewies er schon als Knabe, indem er einst bei einer Jagd, welcher er als Zuschauer waffenlos beiwohnte, einen Bären, der auf ihn zukam, mit seinem Gürtel band und ihn so den Jägern übergab. Später erlegte er den Atli, einen berühmten Kämpen, und als er sich bald darauf um die schöne Auhild bewarb, bekam er mit Skati, einem deutschen Häuptlinge, Streit, der ihm als Nebenbuhler entgegentrat. Es kam zum Zweikampfe der Helden zwischen den beiden Heeren der Deutschen und Dänen; Skati fiel, und Skiöld machte, wie Saxo rühmt, das ganze durch den Fall ihres Fürsten entmuthigte Volk zinspflichtig. Auhild ward des Siegers Gemahlin; ihr Sohn war Gram.

Andere Thaten Skiöld's erwähnt Saxo nicht; aber da Skiöld einmal an der Spitze des ersten dänischen Königsgeschlechtes steht, der Skiöldunge, so war es nöthig, ihn noch mit einigen Tugenden zu schmücken. Demnach sagt Saxo noch, Skiöld habe die alten grausamen Gesetze abgeschafft und neue heilsame eingeführt; Aller Schulden habe er aus seinen Einkünften getilgt und die Kranken mit Nahrung und Heilmitteln versorgt, seine Edlen nicht nur beschenkt, sondern auch durch Beute bereichert, indem er zu sagen gewohnt gewesen sei, dass der Ruhm dem Führer., die Beute den Kriegern gebühre. Endlich habe er aber auch das erste Gesetz zur Beschränkung der Freilassung der Leibeigenen gegeben, und zwar zur Strafe dafür, dass ein Leibeigener ihm einst nach dem Leben getrachtet habe.

Unzweifelhaft hatte Skiöld einst seine reiche Sage, wenn auch davon Saxo nichts mehr vernahm. Das geht schon daraus hervor, dass norwegische Stammbäume ihn als einen Sohn Odhin's auffuhren, wie ihn die angelsächsischen Stammtafeln als Sceldwa, Sohn Sceáf's, unter Woden's Vorfahren nennen. Ja der Eingang des Beówulf erzählt einen Mythus von Scild, den andere Quellen von seinem Vater Sceáf erzählen. Aber weder Angel noch Dan hatten Sage: ihre Bezeichnung als Brüder sagt nichts weiter, als dass Angeln und Dänen seit den ältesten Zeiten in enger Verbindung stunden, kurz , dass beide Völker dem ingävischen Stamme angehören. Wenn wir in Rigsmal Str. 45 lesen:

Dan und Danp haben theure Hallen,
Edleres Erbgut als ihr habet;
Die sind kundig den Kiel zu leiten,
Waffen zu führen, Wunden zu schlagen.

so bringet uns diess nicht weiter, und wenn Arngrim Jonson, wie man glaubt, aus dem jetzt verlorenen Schlusse von Rigsmal, mittheilt: »Danp, Herr von Danpstadir, hatte eine Tochter Dana, die sich mit Rigr (d. i. dem Gotte Heimdall) vermählte. Ihr Sohn war Dan I, dessen Sohn Dan II der erste König von Dänemark war«, so gewinnen wir hier auch weiter nichts als eine Spaltung des einen Dan in zwei Dane nebst der gleichnamigen Mutter Dana. Nun aber hat Grimm nachgewiesen, dass Dani aus Dagvini zusammengezogen ist (wie denn auch im ganzen Mittelalter Dani und Daci, Dania und Dacia das gleiche bezeichnen), und somit kämen wir auf den mythischen Dag, den Sohn Delling's, als den Stammvater der Dänen.– Ueber die anderen von Saxo Genannten wissen wir gar nichts.


Gram, der Sohn Skiöld's, war in allen Tugenden seinem Vater ähnlich. Durch die schönsten Gaben des Geistes und des Leibes ausgezeichnet, erwarb er sich solchen Ruhm dadurch, dass in den ältesten Liedern der Dänen mit seinem Namen der König bezeichnet wird. Die altnordischen Dichter haben eine Menge Wörter zur Bezeichnung des Begriffes Herscher, König. Manche sind ursprünglich Eigennamen alter Helden, wie Bragr, Gramr; andere sind von Heldennamen patronymisch abgeleitet, wie Skiöldungr, Sohn Skiöld's; Budlungr, Sohn Budli's; Skilfingr, Sohn Skilfes, Oedhlungr, Sohn Adhal's, u. s. w. Gramr bedeutet der Zornige. Mit grösstem Eifer betrieb er alle Leibesübungen, um seine Kraft dadurch zu stärken und zu mehren. So erlernte er von den Kämpen am Hofe durch fortgesetzte Uebung die Fertigkeit, die Schwertschläge eines Gegners abzuwenden und dagegen ihn selbst zu schlagen. Zu seiner Gattin erwählte er die Tochter Hrôar's, seines Erziehers, die mit ihm von gleichem Alter und seine Milchschwester war, um dadurch seine Dankbarkeit für die empfangene Erziehung an den Tag zu legen. Es war altgermanische Sitte, dass die Kinder der Fürsten und Edlen nicht daheim von den Eltern, sondern von einem dem Hause befreundeten oder doch sonst berühmten Manne erzogen wurden. Diese Erziehung begann gewöhnlich nach Vollendung des siebenten Jahres. Als Erzieher solcher Kinder, Knaben oder Mädchen, hiess der Mann fôstri, Ernährer, Nährvater, seine Frau fôstra, Nährmutter. Der Name von Gram's Erzieher Hrôarr (d. i. Hrôdhari) bedeutet Ruhmeskämpfer; der Name seines Freundes Bessi (= Bersi) Bär. Dass nicht selten zwischen den Pflegekindern und den eigenen Ehen geschlossen wurden, begreift sich leicht Später gab er sie seinem Freunde Bessi zum Weibe, dessen Tapferkeit ihm die besten Dienste geleistet hatte, um ihn auf diese Weise angemessen zu belohnen; denn er war stets sein Kampfgenoss, und Niemand mag entscheiden, ob Gram grösseren Ruhm durch seine eigene Mannhaftigkeit erworben habe, oder durch die des Bessi.

Als Gram einst zufällig vernommen hatte, dass Grô, die Tochter des Schwedenköniges Sigtrygg Grô, d. i. Grôa, Grôdha, Wachsthum, Fruchtbarkeit, gehört anderwärts zum Sagenkreise von Thôr, d. i. Thonar, nämlich als Gattin Oerwandils, dessen Sage weiter hinten folgt. Der Riese, d. h. ein dem Landbau feindliches Wesen, verlangt sie zur Gattin ; er will ebendadurch den Landbau hemmen, dass er ihm das Wachsthum, das Gedeihen der Früchte entzieht. Der Name ihres Vaters Sigtrygg bezeichnet einen Mann, dem der Sieg treu ist, der immer siegt. Er ist gewöhnlicher Heldenname. von diesem einem Riesen zugesagt worden sei, so erachtete er diese Verbindung für so unwürdig des königlichen Blutes, dass er einen Heerzug wider die Schweden unternahm, um der frechen Begierde des Riesen Einhalt zu thun. Als er nun im Lande der Gauten angekommen war, hüllte er sich in Geissfelle, um die ihm Begegnenden zu schrecken; zugleich trug er eine gewaltige Keule in seiner Rechten, dass er ganz das Aussehen eines Riesen habe. Solche Verkleidungen waren bei den altnordischen Helden sehr gebräuchlich; ich erinnere nur an Fridthiof. Die meisten waren nicht nur durch Muth und Kraft, sondern auch durch Schlauheit ausgezeichnet, wozu man in diesen Sagen noch viele Belege finden wird. So traf er auf Grô, welche mit geringer Begleitung zu einem Waldbache geritten war, um zu baden. Sie erschrak nicht wenig über den grausigen Anblick, glaubte, ihr Verlobter sei gekommen, und indem sie, am ganzen Leibe zitternd, den Zügel anhielt, hub sie also zu fragen an:

Kam her der Jötun, des Jarles Feind,
Mit Schritten den Weg beschattend?
Oder irrt' ich mich? Denn oft auch hüllet
Guten Mann ein Geissfell.

Gram entgegnete ihr darauf:

Maid, die du rüstig den Renner lenkest,
Lass uns wohlgesinnt Worte tauschen;
Deinen Namen nenne du mir,
Dein Geschlecht auch mir schleunig künde!

Sie sprach sofort:

Grô ich heisse; dem der Grund hier eignet,
Meinen Vater ich den Fürsten nenne,
Den waffenkühnen Wehrvolkleiter;–
Doch wer bist Du? Das mir sage!

Er erwiderte:

Bessi heiss' ichGram nennt nicht seinen, sondern einen fremden Namen, aus Schlauheit; denn nach dem Glauben der Skandinavier war jede Verwünschung, die von irgend wem über einen ausgesprochen ward, unwirksam, wofern sie nicht den Namen oder doch eine sonstige genaue Bezeichnung dessen enthielt, dem sie gelten sollte. Da nun Gram noch nicht weiss, wie die Jungfrau, der er begegnet, gegen ihn gesinnt sei, so verschweiget er seinen und nennet seines Freundes Namen, welchem ihr Fluch nicht schaden konnte, wie man annahm, da sie ja nicht die Absicht hatte, ihm zu fluchen. Auch dieser Zug kehrt in den nordischen Sagen häufig wieder. Er hanget mit dem Heidenthume auf das engste zusammen.; beugte der Gegner,
Feindlicher Völker Fehdegraus;
Oft ich netzte mit Anderer Blute
Diese starke Hand, stolz in Waffen. Man beachte die Aehnlichkeit zwischen den Häuptlingen der Rothhäute in Amerika und den altnordischen Helden. Nicht nur Wort und Ausdruck, auch manches Andere noch lässt sich da vergleichen.

Sie sprach:

Wer ist des Heervolkes Herr und Leiter?
Welch ein König hub Kampfes Banner?
Wer ist Walter des Waffenspieles?
Wer der Fürsten lenkt die Fehde ? meld' es!

Er sprach:

Gram heisst der Führer der Grimmherzigen,
der da Kampfes froh die Kämpen leitet;
Furcht nicht kennt der Fürst der Männer,
keiner Gewalt noch wich der Wehrvolkleiter.

Nicht Feuer hemmt ihn; nicht der Feinde Schwert,
noch der Woge Wuth ihn schrecket;
den Rothschild Zeichen, dass man feindlich kam; der weisse Schild bezeichnet das Gegentheil. hiess der Recken Führer
hoch erheben: Nun Du's hörtest, Maid. Sie sprach:

Weicht nur, weicht, ihr Waffenträger!
rückwärts kehrt die raschen Schritte,
dass nicht Sigtrygg der Sieggewohnte
euch alle weihe dem Untergange!

Mit Hanf er wird den Hals euch schnüren,
am dürren Baum euch baumeln lassen;
die Kehl umknüpfet mit knapper Fessel,
macht euch der Rauhe zur Rabenatzung.

Er sprach:

Zur Hel Göttin des Todtenreiches; aus diesem Namen ist unser Hölle geworden. wird Gram den Herscher senden,
bevor ihm Urdh Norne, Göttin des Schicksals. die Augen umschleiert.
Nicht wir der Schweden Schwerter fürchten,
ob du, Maid, auch uns Mordgrimm drohest.

Sie sprach:

Zeit ist's nach Hause heim zu reiten,
dass Bruders Heervolk mein Blick nicht schaue;
ihr aber wendet, weicht zurücke,
dass ihr Degen das Verderben meidet!

Er sprach:

Froh du finde den Vater, Maid,
doch uns nicht arges Uebel wünsche;
nicht durchzucke Zorn das Herz Dir,
dass ein Recke Dir Red' entlockte.

Denn zeigt auch herb und hohnvoll erst sich
Maid dem Manne, der um Minne wirbt;
weicht sie doch seinem Wunsche öfters,
naht er sich ihr zum andern Male.


Darauf nahm Gram eine schauererregende, greuliche Stimme an und wandte sich mit folgenden Worten an die Jungfrau :

Nicht des Riesen Bruder Weil er gleich einem Riesen gekleidet ist, nennt er sich des Riesen Bruder. Gram sagt das wohl nur um zu bergen, dass er selbst der König sei. die bräutliche fürchte,
noch möge sie mein Annahn ärgern;
von Grip Ein mir unbekannter Held. gesandt, will nur mit Gunst ich
theilen der Lieben Lager. Sie darauf:

Rasen müsste, die, mit Riesen buhlend,
solch Gezücht erzöge;
die mit Gottverhasstem gerne theilte
das lichte Lager.

Wer wollte mit Feuer den Finger brennen?
wer den Koth küssen?
wer die weiche Wange lehnen
an knorrichtem Knochen?

Wo Widerwille die Wangen bleichet,
wird leid die Liebe:
Nicht Ungethüme edlen Weibes
Minne gemein sei!

Er darauf:

Oft ich im Streite stolzer Helden
Nacken neigte;
der Ingrimmen Uebermuth ich
zu Boden beugte.

Diesen Hortreif denn mit Huld ihn nimm,
zur Bürgschaft unsers Bundes,
auf dass die Treue truglos daure
in unsrer Ehe.


Nach diesen Worten warf er die entstellenden Hüllen ab und zeigte die Schönheit seines Antlitzes, und er erregte durch seine wahre Gestalt dem Herzen der Jungfrau fast eben so grosses Vergnügen, wie gewaltigen Schreck er ihm durch die angenommene eingejagt hatte. Da er sie also seiner Liebe geneigt sah, so unterliess er es nicht, ihr Liebesgaben zu geben.

Vorwärts schreitend hörte er von ihm Begegnenden, dass der Weg von zweien Räubern gesperrt werde. Als diese nun begierig heran stürzten, um ihn zu berauben, so fällte er sie beide durch den ersten Angriff. Dass er nun nicht dem feindlichen Lande eine Wohlthat erwiesen zu haben scheine, so befestigte er die Leiber der Erschlagenen an untergelegten Stäben, stellte sie aufrecht auf ihre auseinander gebreiteten Füsse, auf dass sie denen, die sie im Leben in der That geschädiget hatten, als Todte scheinbar droheten, und nach dem Tode auch furchtbar den Weg nicht minder durch ihr Bildniss jetzt andern verwehrten, als früher durch ihr Werk. So kann man folgern, dass er durch die Erlegung der Räuber auf sein Heil, nicht auf das Schwedens bedacht gewesen sei; denn wie grimmig er diess Volk hasste, das machte er durch eine denkwürdige That offenbar. Denn da er durch einen Weissager vernommen hatte, dass Sigtrygg nur durch Gold bezwingbar sei, so legte er sogleich um seine hölzerne Keule einen Goldreif, und von dieser im Kampfe mit dem Könige Gebrauch machend, erfüllte er seinen Wunsch. Diese That hat Bessi in einem grösseren Lobgedichte also gefeiert:

Gram der grimme hub im Groll die Keule,
das Eisen verachtend;
mit schwindem Schwung er brach Schwertes Vorhalt,
und wehrte den Waffen
des kühnen Königs.

Wie Urdh es flocht und es Odhin fügte,
der schwachen Schweden
Stolz er stürzte; der Starke lehrte
den Fürsten fallen
mit gellendem Golde. Weil er einen Goldreif um die Keule befestigte.

Kämpferlist der Kühne übte,
goldroth glänzte
die Keule, die der König aufschwang.
Den Fürsten er fällte
mit leuchtender Lohe.

Den nimmer Stahl durchstechen sollte,
den schlug der Schlaue
mit Goldes Härte. Nicht Geere schwang er,
mit edlem Erze
den Kampf er kürzte.

Den Waldgott Ein Waldgott sprach die Weissagung aus, deshalb wird er verspottet. Mehr darüber unten unter Anmkg. 7. fürderhin weit man rühmet,
sein Ruf wird reicher;
wo Leute leben, sein Lob erschallet;
der Sänger auch seines
nicht will ihm weigern.


Anm. 7: Ich habe die von Saxo gebrauchte Bezeichnung des nach seiner Ansicht trügerischen Weissagers »Agathon« durch Waldgott wiedergegeben. Seine Worte sind :

Clarius post hoc Agathon manebit,
Agnitum late meliore fama.

d. h.

Berühmter seit dem wird Agathon sein,
anerkannt weithin durch besseren Ruf.

Agathon bezeichnet hier nämlich den obersten Gott der Heiden, also den Wôdan, der sich jedoch eben durch seine Verkündigung, einen Zuruf aus dem Walde wahrscheinlich, als Freund und Beschützer Gram's erweiset. Dass Agathon oder Tagathon, Tegathon (= τ'ἀγαθόν) d. i. das gute Wesen, aber den obersten Gott bezeichne, ersehen wir aus einer zuerst von Wilkens in seiner Geschichte von Münster, dann von Pertz, Mon. 2, 377 herausgegebenen alten Nachricht von einem Kampfe der Sachsen und Franken im Münsterlande im Jahre 779. Darin wird eines Waldes Erwähnung gethan, welcher »dem Tegathon geheiligt« war. Der Ausdruck Tegathon ist aus Macrobius zum Somnium Scipionis I, 2 entlehnt, wo es heisst: »Der höchste Gott und Fürst aller wird bei den Griechen t'agathon genannt«. Auch Honorius Augustodun. de imag. mundi I, 123 bietet dieses Wort. Da seine Worte einen Zug des Heidenthumes enthalten, mögen sie hier stehn: (Es ist) das Becken, in welchem Tagathon, d. i. der höchste Gott, den Teig mischte, woraus er die Seelen bildete, und aus welchem jetzt noch die Seelen den Lethetrank trinken, wenn die Leiber untergehn (Haupt's Zeitschr. 9, 192.). -- Daraus aber, dass von Saxo Agathon verspottet wird, als habe er etwas Falsches geweissagt, da er doch gerade durch seinen Zuruf seinem Freunde zum Siege verhelfen wollte und ihm auch dazu verhalf, daraus darf man wohl schliessen, dass die letzte Strophe auch ihrem Inhalte nach nur dem Saxo zugehöret. Ein heidnischer Dichter hätte Odhins weissagenden Zuruf nicht missverstanden, demnach aber auch keinen Grund gehabt zur Verspottung. Und dafür scheint auch schon das von Saxo gewählte Wort Agathon zu sprechen, das im alten Liede begreiflich gar nicht gestanden haben kann, weil es ein griechisches, kein altnordisches Wort ist. Auch die spöttische Haltung der Strophe bezeugt den christlichen Geistlichen.


Nach dem Falle des Königes Sigtrygg trachtete Gram das durch die Waffen erworbene Reich durch den Besitz zu befestigen. Zuerst besiegte er den Häuptling der Gauten Swarin, der nach der Herschaft zu streben ihm verdächtig ward, und den es deshalb zum Kampfe herausgefordert hatte; dann erlegte er dessen sechzehn Brüder, von denen sieben ehlich, neun von einem Kebsweibe geboren waren, da sie durch so ungleichen Kampf des Bruders Tod rächen wollten.

Im höchsten Alter stehend liess endlich Skiöld seinen Sohn Gram, der sich durch so grosse Thaten ausgezeichnet hatte, an der Beherschung des Reiches Theil nehmen; denn er wollte nun die höchste Gewalt mit ihm theilen, welche er noch in seinem, dem Tode sich nahenden Alter ohne Theilnehmer zu führen sowohl für nützlicher als auch für bequemer erachtet hatte. Als nun Ringo, der einem hohen Geschlechte Sialands entstammte, den einen der beiden Könige für zu jung für solche Ehre, den andern durch den Verfall der Kräfte für geschwächt wähnte, so reizte er den grösseren Theil der Dänen dadurch zur Empörung auf, dass er beider Alter der Schwäche zieh, indem er behauptete, der eine sei durch den Wahnwitz der Knabenjahre, der andere des Greisenalters der Herschaft unfähig. Aber er ward von ihnen im Kampfe überwältigt, und so zeigte er den Menschen, dass man kein Lebensalter der Tapferkeit unfähig erachten dürfe.

Noch viele andere Grossthaten hat König Gram vollführt. Als er gegen Sumbel, den König der Finnen zu Felde zog, ward er bei dem Anblicke der Tochter desselben, der Signe, aus einem Feinde ein Bewerber. Er legte die Waffen nieder, verhiess seine Gattin (Grô) zu verstossen, und verlobte sich mit ihr. Als ihm nun während des norwegischen Krieges, welchen er wider König Swipdag unternahm, weil dieser seine Schwester und Tochter geschwächt hatte, die Kunde zukam, Sumbel habe treulos die Signe dem Sachsenkönige Heinrich Die Geschichte kennt keinen Sachsenkönig Heinrich. Heinrich I Herzog der Sachsen und König der Deutschen kann selbstverständlich hier im Ernste nicht gemeint sein. Allein er hatte, aber noch als Herzog der Sachsen, mit den Dänen Streit, wenn auch nicht eines finnischen Mädchens halber, und so mag immerhin sein Name in diese Sage gekommen sein. zur Ehe versprochen, so lag die Liebe zur Jungfrau ihm näher als die zu seinen Kriegern; er verliess also das Heer und gieng heimlich nach Finnland. Er kam an, als gerade die Vermählungsfeierlichkeiten begonnen hatten; sogleich hüllte er sich in ein sehr ärmliches Gewand, trat in den Saal und liess sich auf den untersten Sessel an dem Tische nieder, da wo die gemeinsten Leute sassen. Gefragt, was er verstünde, sagte er, er sei ein Heilkünstler Ein echt nordischer Zug. Jeder ankommende Fremdling ward so befragt, und erst nachdem er sich in Beziehung seines Wissens und Könnens genügend ausgewiesen hatte, ward ihm ehrende Aufnahme und das Gastrecht bewilligt. Aerzte, Dichter und Waffenschmiede durften sich vor Andern guter Aufnahme getrösten; darum bezeichnet er sich als Arzt.. Endlich, als alle berauscht waren, blickte er die Jungfrau an, und mitten in den Freuden des rauschenden Gelages sang er folgendes Lied ihr zu, theils um den Leichtsinn der Maid zu strafen, theils um seine Tapferkeit zu rühmen und die Grösse seines Unwillens auszudrücken:

Einzig gegen achte Oben sind es nur sieben; die Zahl acht erzeugte der Stabreim. Ein Beweis, dass Saxo gewiss oft alte Lieder vor sich hatte und die Verse dem Inhalte nach meist nicht sein Erzeugniss sind. schwang ich Eisengeere; neun ich niederfällte mit geneigtem Schwerte, als des Schwurs Verletzung ich an Swarin strafte Das erste Lied von Helgi erwähnt eines Swarinshaugs, eines Hügels Swarins. Wäre hier (wie anderwärts oft) Haug so viel als Grabhügel, so würde auf den einstigen Ruhm des Helden sich schliessen lassen. Aber es kann an verschiedenen Orten Swarinshauge gegeben haben, und auch andere Helden können den Namen Swarin (der Stürmische) getragen haben., ganz und gar ihm stillend so die Gier der Herschaft.

Oft ich so beim Angriff Schwertes Ecken nässte mit der Feinde Blute; alle fällt' ich nieder. Furcht ich fühlte nimmer in dem Fechtgewühle; Süss im Heergetümmel war der Helme Klang mir.

Uebel mich verachtet, Neigung Anderm bietend, Signe nun, die wilde, Sumbel's junge Tochter Der Name des Finnenköniges »Sumbel«, d. i. der Dröhnende, scheint gut skandinavisch, nicht finnisch ; ebenso verhält es sich mit dem Namen seiner Tochter Signe, den man eher als Signy denn als Sigyn aufzufassen haben wird, denn Saxo hätte den letzten wohl durch Siguna wiedergegeben. Signy drückt aus Siegesneumond, Sigyn Siegerin.. Lästernd beschimpfend, schändend. ihr Gelübde lauscht sie schnöder Werbung; Wankelmuth des Weibes aller Welt sie zeigte.

Die nach Fürsten fahndet, sie dann falsch verhöhnet; die nach Edlen äuglet, täuscht dann, ab sie weiset: treu verbleibt sie, trugvoll, keinem, trüget alle, wabert flattert hin und her. weichelmüthig: Wankelmuth sie schändet!

Nach diesen Worten springt er auf vom Sitze, erschlägt Heinrichen am Tische in der Mitte seiner Freunde, reisst die Braut mitten aus dem Kreise der Freier, von denen er eine Menge erlegt, und führt sie mit sich zu Schiffe fort. Durch diese Umwandlung des Hochzeitgelages in ein Todtenmahl Gastmähler zu Ehren Verstorbener (erfi) waren im Norden allgemeine Sitte. Da wegen des Erbes (daher der Name) dabei nicht selten Streitigkeiten unter den Ansprechern vorkamen, so hatte man bei solchen Gelegenheiten nicht selten Todtschläge zu beklagen. Daher befahl denn auch das Gesetz auf Island, dass keine Frau eines Mannes bei einem solchen Gelage erscheinen solle ohne ihr Trauergewand mit sich zu tragen; offenbar eine Warnung für die Männer, sich nicht blindem Zorne und der Trinklust der möglichen Folgen wegen zu überlassen. konnten die Finnen lernen, dass man gegen die Liebe eines Andern nicht die Hand erheben solle.

Hierauf wandte er sich wieder gegen die Norweger, ward aber, indem er die Schmach der Schwester und Tochter rächen wollte, von Swipdag im Kampfe erschlagen. Diese Schlacht war auch dadurch merkwürdig, dass ein Sachsenheer daran Theil nahm, welches nicht sowohl die Freundschaft gegen Swipdag diesem zu Hülfe herbeigeführt hatte, als vielmehr die Begierde, den Tod Heinrich's zu rächen.

Die Söhne Gram's hiessen Guthorm und Hadding; den einen hatte ihm Grô, den andern Signe geboren. Als nun Swipdag Danland behauptete, führte sie ihr Meizoge Brahe zu Schiffe nach Schweden und übergab sie den Riesen Wagnoft und Hapli zur Erziehung und Beschützung Hier schiebet Saxo ein Stück ein, worin er sich über die Zauberer des heidnischen Nordens auslässt. Zauberei und Weissagung hat jedes Heidenthum. Das skandinavische Zauberwesen mag freilich durch häufige Berührungen des germanischen Volkes mit den Finnen, die für der Zauberei besonders kundige Leute galten, bereichert und zugleich verunstaltet worden sein. Saxo hat jedoch hier auf diese Auswüchse keine Rücksicht genommen. Er theilt sämmtliche Zauberer und Weissager in drei Gattungen ein und zeiget uns zugleich hiemit, in welchem Lichte man zu seiner Zeit die alten mythologischen Wesen betrachtete.

Seine erste Gattung bilden nämlich die Jötnar oder die Riesen, die andere die Aesir oder die Götter, die dritte endlich die Alfar, die Aelbe oder Zwerge, also die drei Arten von Wesen, die in der nordischen Mythologie erscheinen. Von ihnen behauptet er, dass sie, wie man wähnte, mehr denn Menschen vermöchten und alle der Vergangenheit und Zukunft kundig wären. Auch hätten sie allerhand Werke des Truges verstanden, z. B. ihre eigene und die Gestalt Anderer zu verwandeln u. s. w. Alle drei Gattungen belegt er mit dem Namen Mathematici.
.

Nach Gram's Tode beherschte Swipdag Danland und Schweden; doch setzte er später den Bruder seiner Gattin Guthorm, der annoch in der Verbannung lebte, über die Dänen, weil er oft darum anhielt und Schoss und Steuer gelobte; Hadding aber zog die Vaterrache Feindes Wohlthat vor.


Erläuterungen als Fußnoten bzw. Anmerkungen eingepflegt. Re


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