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4. König Gautrek's Brautfahrt.

Gautrek, der Sohn Gauti's, herrschte als König über Gautland. Er war ein in vielen Dingen ausgezeichneter König, reich an Freunden und sehr freigebig, so dass seine Milde stets gerühmt ward, wo immer man der alten Könige gedachte. Seine einzige Tochter hatte er nach dem Rathe Iarl Neri's mit Ref, dem Sohne Renni's vermählt, und bald nachher war seine Gemahlin gestorben. Nach der anderen Sage (oben S. 406) starb sie lange bevor ihre Tochter vermählt ward. Er stund bereits in hohem Alter, war jedoch immer noch sehr rüstig. Da er stets auf dem Hügel der Königin sass und trauerte, denn ihr Verlust schmerzte ihn sehr, so war es um die Verwaltung seines Reiches schlecht bestellt. Darum riethen ihm denn seine Freunde, sich wieder zu vermählen, indem sie sagten, dass sie am liebsten einen Sprössling von ihm zum Herscher über sich haben möchten. Es stehe zu erwarten, dass, wenn er ihren wohlgemeinten Rath annähme, diess ihnen allen zum Ruhme und zu langdauerndem Heile gereichen würde.

König Gautrek nahm diese Mahnung wohl auf und sagte, er wisse ja, dass sie stets den besten Willen gegen ihn gehabt und diesen sowohl durch guten Rath als auch durch tapfere Folge bethätiget hätten. Darum wolle er denn auch ihrem Wunsche genügen. Bald darauf beschloss er auf Brautwerbung zu gehn, und er wählte sich zum Geleite achtzig der schönsten Männer aus, die alle mit Kleidern und Waffen auf das beste versehen waren. Ueberhaupt scheute er keine Kosten für diese Fahrt, denn alles sollte seiner königlichen Würde angemessen sein. Mit diesem Gefolge also ritt er nach Norwegen zu Thôrdh, einem reichen und angesehenen Hersen Gebieter eines norwegischen Heradhs, einem deutschen Grafen etwa gleich., der in Sogn wohnte und eine Tochter hatte, die Ingibiörg hiess. Sie war eben so klug als schön, und sie galt im ganzen Lande für das höchste Kleinod und die beste Wahl. Schon viele angesehene Männer hatten um sie geworben, allein sie hatte alle abgewiesen, denn keiner däuchte sie ebenbürtig und ihrer werth.

Als nun König Gautrek mit seinem Gefolge bei Thôrdh ankam, ward er sehr wohl empfangen. Thôrdh gieng ihm entgegen und bot ihm und seinen Fahrtgenossen Gastung an, so lange es ihnen gefallen würde hier zu bleiben. Gautrek nahm das Erbot an und ward nebst den Seinen an reichbesetzter Tafel herlich bewirtet, so dass alle in Freuden lebten.

Nun war auch ein Königssohn aus einem Nachbarlande hier, der Ôlaf hiess und hundert Männer bei sich hatte. Auch er war als ein Bewerber um die Jungfrau aufgetreten, und sie hatte ihn nicht unbedingt abgewiesen, wie die anderen Freier, denn er war auch jung und schön. Alles diess merkte Gautrek sehr bald, aber er beachtete es weiter nicht.

Als er nun eine Zeit lang hier geweilet hatte, bat er den Vater der Jungfrau um eine Unterredung. »So will ich dir denn kund thun, weshalb ich hieher gekommen bin, sagte er bei dieser Gelegenheit zu Thôrdh. Mir ist gesaget worden, dass du eine schöne und kluge Tochter habest, die Ingibiörg heisse, und so habe ich denn mir vorgenommen und bei mir fest beschlossen um sie zu werben und mich mit ihr zu vermählen und so zwischen dir und mir Verwandtschaft und Freundschaft zu stiften.« Thôrdh erwiderte: »Es ist mir sattsam kund, dass du ein hochangesehener Häuptling bist, und deshalb will ich dir freundlich und geneigt antworten. Ich zweifle nicht, dass meine Tochter wohl vermählet wäre, wenn sie in deine Pflege käme; aber die Nachbarschaft spricht bereits davon, dass ein junger und schöner Königssohn hieher gekommen ist, der Ôlaf heisset; er hat schon früher meiner Tochter eifrigst den gleichen Antrag gemacht, und wir haben deshalb schon einige Besprechungen gehabt. In bin also in einiger Verlegenheit; aber ich gedenke mich heraus zu reissen und will sie selbst den Gatten sich frei wählen lassen, zumal da sie schon früher mich um die freie Wahl gebeten hat, und ich werde das auch dem Ôlaf kund thun.«

König Gautrek hatte dagegen nichts einzuwenden, und Ôlaf erklärte, er sei damit ganz und gar einverstanden. So giengen denn bald beide Könige mit ihren Freunden geleitet von Thôrdh in das Gemach der Ingibiörg, und als sie ihren Vater mit diesen beiden Häuptlingen in ihr Zimmer treten sah, begrüsste sie alle fröhlich und bat sie niederzusitzen. Thôrdh ergriff da das Wort und sagte: »Es ist nun so, Tochter, dass diese beiden Könige, die du hier siehest, mit mir hieher zu dir gekommen sind, und es haben beide die gleiche Absicht, nämlich um dich zu werben. Hierbei erwahrt sich nun aber das alte Wort, dass Niemand durch eine Tochter zween Mage gewinnen kann, und so will ich denn, dass du dir, den du haben willst, selbst erwählest. Ich bitte dich demnach, dass du ihnen gebest deutliche Antwort und einen Bescheid, der dir geziemet und der uns allen frommen möge.« Ingibiörg erwiderte darauf: »Mich bedünket es, die Sache sei schwerer zu entscheiden, als dass ich oder ein anderes Weib, das nicht grösseren Verstand gezeigt hat, denn ich, diess vermöge. Ich soll in dieser Sache eine Entscheidung treffen, die man nicht schelten könne: ist es denn sicher, dass ich hier eine Wahl treffen kann auf meine Hand, wie sie mir geziemet? Ich hege keinen Zweifel, dass jeder dieser beiden Könige von grossem Werthe sei, und dass ich mich glücklich schätzen dürfe, in wessen Haus auch ich eintrete. Am besten werde ich wohl meine Entscheidung durch ein Gleichniss rechtfertigen. Ich vergleiche diese beiden Könige mit zweien Apfelbäumen, die in einem Garten stehn. Der eine ist jung, und es steht zu erwarten, dass er viele grosse Aepfel einst tragen werde, sobald er völlig ausgewachsen ist. Dieser Baum bezeichnet König Ôlaf. Daneben steht ein anderer Apfelbaum, mit reichbelaubten Aesten und voll von Aepfeln aller Art. Dieser Baum bezeichnet den König Gautrek, der schon lange sein Reich mit Ruhm und Ehre beherschet hat, und all sein Gut steht in vollem Gedeihen. Auch ist seine Tapferkeit und Grossmuth überall bekannt. Und wenn es sich nun auch ereignete, dass seine Reichsverwaltung seines Alters wegen früher ein Ende finde, so kann er doch tapfere Söhne sich erzeugen, und es ist gut, sich damit zu begnügen, wenn man des Königes selbst entbehren müsste. Obgleich nun Ôlaf ein jüngerer Mann ist, und man hoffen darf, dass er einst als ein grosser Herscher sich zeigen werde, so ist es doch immerhin übel, nur Hoffnung zu kaufen. Aber ich will nur mein Gewebe beendigen, und ich erwähle mir zu behaglichem Ehebunde König Gautrek, und ich wählte ihn, wenn ich auch wüsste, dass er nur wenige Jahre noch leben würde, und Ôlaf würde so alt wie eine Steinbrücke; denn es ahnet mir, dass er niemals ein solcher Häuptling werde, wie Gautrek ist, und am wenigsten, wenn er nur kurze Zeit lebt.«

Durch diese Worte der Jungfrau ward König Gautrek überaus erfreut, sprang sofort, wie ein junger Mann, auf von seinem Sitze, ergriff Ingibiörg bei der Hand und verlobte sich mit ihr vor den Augen Ôlaf's. Dieser jedoch ergrimmte darüber und drohete, er werde diess an König Gautrek und seinem Geleite rächen. König Gautrek erwiderte ihm ruhig: der sei geeignet Unglück zu erleben, den die Fylgja verlassen habe Die Skandinavier glaubten, jeder Mensch habe eine Fylgja oder Hamingja, d. h. einen Geist, der ihm überall hin folge und über sein Wohlergehn wache; wen seine Fylgja verlasse, der sei allem Unheile und dem Verderben ausgesetzt., und damit trennten sie sich. König Ôlaf fuhr hinweg mit seiner Schaar und war sehr zornig.

Eine Zeit lang blieb König Gautrek noch da, so lange es ihm behagete, dann aber bereitete er sich zur Heimfahrt mit Ingibiörg, seiner Braut, denn er wollte daheim in Gautland seine Brautlauft trinken d. h. seine Vermählung feiern.. Thôrdh stattete seine Tochter aus mit grosser Pracht und gab ihr Goldes und Silbers die Menge mit.

König Gautrek zog also heimwärts mit seinem Gefolge, und als sie eines Tages zu einem Walde kamen, da trat ihnen König Ôlaf mit seinen Mannen entgegen. Es erhub sich sofort ein harter Kampf, und als sie eine Weile sich geschlagen hatten, da sagte König Ôlaf: »Wisse du, König Gautrek, dass ich dir bewillige dein Leben zu retten. Gieb in meine Gewalt die Jungfrau nebst allen Gütern, die ihr aus der Heimat folgen, und du magst in Frieden ziehen wohin du willst. Einem so alten Manne gebühret es nicht eine so schöne Jungfrau zu küssen. Nur so kannst du dich vor dem Tode wahren.« Als König Gautrek diese seine trotzige Forderung hörte, sagte er: »Obgleich ich minder Volkes habe als du, so sollst du doch, bevor noch der Abend kommt, finden, dass dieser Alte zaglos ist.« Mit grossem Ungestüm durchbrach Gautrek mehrmals Ôlafs Mannen, und er liess nicht eher ab, als bis Ôlaf nebst seiner ganzen Schaar am Boden lag. So gewann König Gautrek den Sieg und hatte nur geringen Verlust an seinen Mannen. Hierauf zog er unausgesetzt seines Weges bis er heim nach Gautland kam, und sein Ruhm hatte sich auf dieser Fahrt sehr vergrössert.

Bald nach seiner Heimkunft liess er ein grosses Gelage rüsten; alle Landhäuptlinge waren dazu entboten, und er trank das stärkste Brautlauftbier der Ingibiörg zu. Am Schlusse des Gelages reichte er allen Häuptlingen, die ihn heimgesucht hatten, kostbare Geschenke, wodurch sein Ruhm sich immer mehr ausbreitete. Er sass nun ruhig in seinem Reiche, und seine Ehe mit Ingibiörg war die behaglichste. Nach einem Jahre brachte sie ihrem Gemahle einen Sohn. Man trug ihn vor den Vater und Gautrek liess ihn mit Wasser besprengen und gab ihm den Namen Ketil Die Besprengung mit Wasser bezeuget, dass der Vater das neugeborene Kind als sein echtes Kind anerkennt. Darauf erst, und manchmal viel später, folgte die Ertheilung des Namens.. Er ward unter dem Gefolge erzogen. Drei Jahre später gebar Ingibiörg den anderen Sohn, der Hrôlf genannt ward. Beide wurden ihrer königlichen Herkunft angemessen auferzogen, aber sie unterschieden sich sehr. Ketil war sehr klein aber überaus schnell, aufstrebend und raschschlüssig, voll von Kühnheit und ein Neckebold. Man nannte ihn Ketil den Knirps, weil er so klein war. Hrôlf dagegen war sehr gross und stark, schön von Gestalt, wortkarg, worthaltend und bescheiden. Wenn etwas wider ihn gethan oder gesagt ward, so stellte er sich erst, als wisse er nichts davon, aber später, wenn Niemand mehr es ahnete, rächte er grimmig alle Anfeindungen. Wenn Dinge vor ihm besprochen wurden, die ihn nahe berührten, so schien er im Augenblick nicht darauf zu achten; aber bald nachher, oder auch erst nach einigen Wintern, gleichsam als ob er erst den richtigen Ausweg für die Sache hätte erwägen müssen, zog er alles wieder hervor, mochte es nun für oder wider ihn sein, und es musste nun so vorwärts gehn, wie er es haben wollte. Er hatte unter dem niederen Volke viele Freunde, und die Männer liebten ihn sehr. Als er sieben Jahre alt war, holte ihn König Hring von Dänemark, der Freund König Gautrek's, zu sich und erzog ihn zugleich mit seinem Sohne Ingiald. Sie waren also Fôstbrüder. Hier blieb er, bis er nach König Gautrek's Tode von Ingibiörg, seiner Mutter, heimgeholet ward, um die Verwaltung des Reiches zu übernehmen; denn das Volk hatte ihn auf den Wunsch seines Vaters zum Könige erwählt, obgleich eigentlich dem älteren Sohne, Ketil, die Herschaft nach den Reichsgesetzen gebührt hätte.


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