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4. Wermund, sein Sohn Uffi und seine Kämpen.

Anm. 1: Diese Sage, deren letzten Theil Uhland mit theilweiser Veränderung des Inhaltes zu einem seiner schönsten Gedichte (Der blinde König) verarbeitet hat, zeigt uns wiederum deutlich, wie Saxo seine Reihe dänischer Könige durch Aufnahme und Einfügung nichtdänischer Helden, ja selbst mythischer Wesen ausfüllte, alles zum grösseren Ruhme seines Vaterlandes. Weder Wermund oder Warmund, im Beówulfliede Gârmund, d. i, Geirmund, Gêrmund geheissen, noch sein Sohn Uffi waren Dänen, sondern Angeln. Uffi, in angelsächsischer Gestalt des Namens Offa, ist eben der sagenberühmte Angelnkönig, dessen von Saxo erzählten Zweikampf auch das weit ältere Wîdsîdheslied kennt. Da lesen wir denn S. 35--44 folgendes:

Offa waltete Angels, Alewih der Dänen–
der war der muthigste dieser Männer aller,
doch nicht er über Offan Obmacht gründete,
sondern Offa erfocht, der erste der Männer,
ein Knabe fast noch, der Königreiche grösstes.
Grösseren Obsieg kein ihm Ebenalter
erkämpft' im Kampfe: des Kühnen Schwertschlag
die Mark merkte gen den Myrgingen
beim Fîfeldore; fürder es erhielten
Angeln und Swæfen wie's Offa erfocht.

Wir ersehen hieraus zum ersten: dass Offa über die Angeln herschte; zum andern: dass sein Gegner, der Dänenkönig Alewih, ihn nicht besiegte; zum dritten: dass er, fast noch ein Knabe, gegen ihn oder vielleicht richtiger gegen die Myrginge, die Bewohner von Nordalbingien oder Maurunganien, Anglien beschützte, die Marken desselben feststellte und eben durch diesen Sieg König der Angeln ward; zum vierten: dass dieser Sieg beim Fîfeldore (anglische Benennung der Eider, des Flusses, der bei andern Stämmen Agidora, Egidora, bei den Skandinaviern Oegisdura hiess) stattfand. Der Name bedeutet immer dasselbe, nämlich Thor oder Thüre des Meergottes. Endlich erfahren wir, dass die Eider fortan die Gränze zwischen Angeln und Swæfen (d. h. Nordswæfen, Suevi boreales), womit eben die Myrginge gemeint sind, blieb.

Auch das Beówulflied kennt diesen Offa samt seiner Gemahlin Môdthrydh Sie hat eigene Sage: sie sei ihrer Frevelthaten wegen auf das Meer ausgesetzt worden, allein in einem Kahne an Ostangliens Küste gekommen und hier vom Könige Offa, ihrer Schönheit wegen zur Gemahlin erwählt worden. Sie wird von einigen eine Verwandte Karls des Grossen genannt und bald Dryda, bald Cynedryda, bald Petronella genannt. Aber die das sagen, verwechseln dabei freilich König Offa II. von Ostanglien mit dem alten König Offa von Anglien., deutsch: Môdtrud. Wir lesen daselbst Z. 1931 ff.:

... Doch Môdthrydh übte,
die freche Volkherrin, Frevelthaten.
Keiner durfte der Kämpen wagen,
der rüstigen Recken, ausser dem Ringvertheiler (d. i. König),
dass er einmal sie mit Augen beschaute;
sondern Wehband' ihnen mit Wissen sie schürzte,
handgeflochtene. Mit Hast dann ward
nach dem Handgriffe der Heerstahl gefasset,
so dass das Schwert sie beschwichtigen musste,
der Mordverbreiter.– Nicht der Maid es ziemt,
noch werthem Weibe, ob auch sie weidlich sei,
dass die Friedeweberin mit frevlem Sinne
nach dem Leben trachte lieben Mannen.
Des aber achtete Offa wenig,
Hemminges Mag, der Hochgesinnte.
Andere sagten des Ingesindes
dass sie weniger Wuthgrimm zeigte,
arge Tücke, seit erst sie ward
goldzier gegeben gutem Kämpen,
edelem Manne, seit sie Offa's Haus
über die falbe Fluth nach Vaters Willen
im Seekiel suchte, wo sie seitdem wohl
auf dem Hochsitze hold und gütig
des Leibes Tage lebend verbrachte.
Herzliebe hielt mit dem hehren Fürsten,
aller Männer, meines Wissens,
inzwischen den Seen Der Ost- und Nordsee. dem Siegreichsten
des Ehrenvolkes: denn Offa war
durch Gaben und Kämpfe, der geerkühne Mann,
weit gewürdigt; in Weisheit beherschte
der Ahnen Land er. Ihm Eómâr entspross,
der Helden Hülfe, Hemminges Mag,
Gârmundes Enkel, der unbezwungne.

Schon aus dem Namen der Frau ergiebt sich, dass sie eine Walkyrie war. Welchen aber man für den beglaubigtesten halten will, ob Cynethrydh, Môdthrydh oder das einfache Thrydh, ist gleichgültig; Petronella gehört auf jeden Fall der Gemahlin Offa's II. Königes von Ostanglien (um das Jahr 760) an, nicht aber der sagenhaften Gemahlin des alten sagenhaften Offa's von Anglien, d. i. Slêswik (Stadt am Slei).


Wermund war Sohn Wîgletes, und er bestieg nach des Vaters Tode den Herscherstuhl.


Anm. 2: Der auf- und absteigende Stammbaum Wîgletes ist: Wôden, Wîglät, Wermund, Offa, Eómær (nach Johan. Brompton). Nach Anderen ergeben sich aber folgende Reihen:

Wôden
Wihtelgeát
Waga
Wihtläg
Wermund
Offa
Angengeát
Eómær.
Wôden
Fridhugeát
Waga
Wihtläg
Wermund
Offa
Angeltheów
Eómær.
Wôden
Wôdelgeát
Waga
Wihtläg
Wermund
Offa
Angengeát
Eómær.
Wôden
Wihtlät
Wermund
Offa
Angeltheów
Eómær.
wôden
Wihtläg
Wærmund
Offa
Angeltheów
Eómær.

Diess sind jedoch die Ahnen der Könige von Mercia, nicht derer von Astanglien, die jedoch ebenfalls einen Uffa zeigen, woraus sich die Verwechselung erklärt. Uebrigens waren die Mercier eben so anglischen Ursprunges wie die Ostangeln. In allen Stammbäumen finden sich dieNamen Wôden, Wihtläg oder Wihtlät; Wermund oder Wærmund; Offa; Angengeát oder Angeltheów und endlich Eómær. Saxo kennt nur Wiglet, Wermund und Offa, das Beówulflied nur Gârmund, Offa und Eómâr, Wîdsîdh endlich nennt nur Offa. Ueber Waga, Wihtelgeát (Wôdelgeát, Fridhugeát), Angengeát oder Angeltheów hier näher einzutreten, würde zu weit führen. So bemerke ich denn nur, dass sämtliche angelsächsischen Stammbäume unter den Vorfahren Wôdan's auch einen Geát nennen; dass in der Edda Gaut ein Beiname Ôdhin's ist, und dass ebendaselbst auch Angantyr als solcher vorkommt. Die nähere Beleuchtung dieses Gegenstandes gehört in die Mythologie. Mischet man aber diese Namen, wie Saxo thut, unter die der mythischen Dänenkönige, so richtet man nur Verwirrung an. Es sind eben Namen mythischer Angelkönige.


Er genoss einer langen Zeit des Friedens und der Ruhe, und alles gieng ihm nach Wunsche von Statten, doch hatte er sich lange Jahre keines Erben zu erfreuen. Erst als er bereits sich dem Greisenalter näherte, schenkte das Geschick ihm einen Sohn, den er Uffi nannte. Aber wie gewaltig auch dieser bald alle Altersgenossen an Grösse des Leibes überragte, eben so sehr stund er hinter allen zurück an Gaben des Geistes, weshalb er denn zu allem und jedem für untauglich gehalten ward. Seit frühester Jugend nahm er an keiner Lust, an keinem Scherze Theil, seine Lippen verschloss ein ununterbrochenes Stillschweigen, und nie sah man ihn lächeln. Aber wie stumpf und blödsinnig in seiner ersten Jugend er sich zeigte, so gewaltig und herlich glänzte er später über das ganze Land hin Schon früher ist bemerkt worden, dass oft in den Sagen die gewaltigsten Helden als stumpf und blödsinnig in ihrer ersten Jugend dargestellt werden. Man kann darüber noch Grimm's Deutsche Mythologie, I, S. 360 nachlesen.. Sein Vater betrübte sich sehr über seinen Stumpfsinn, und dass er, sollte er einmal zur Herschaft gelangen, eine kräftige Stütze haben möchte, vermählte er ihn mit der Tochter Frôwin's, des Statthalters von Sleswik, denn dieser hatte zween Söhne, Ketil und Wîgi Saxo nennt sie Keto und Wigo. Weder Ketr noch Keti ist ein Name, wohl aber Ketil., die kühne und kräftige Jünglinge waren, und auch von ihnen hoffte Wermund, dass ihre Tapferkeit nicht minder als Frôwin's Klugheit seinem unbeholfenen Sohne zum Nutzen gereichen würde.

Zur selben Zeit herschte über die Schweden Athisil. Er war ein mächtiger, ruhmstolzer König Dieser Schwedenkönig Athisil, in skandinavisch geschriebenen Quellen Adhils, in angelsächsischen Eádgils genannt, ist wohl ohne Zweifel der schon oben in der Sage von Hrôdhulf genannte, obgleich sein Charakter hier ein ganz anderer ist.. Nachdem er seine Nachbarn ringsumher bekriegt hatte, dachte er eifrigst darauf, überall Neuerungen einzuführen, dass er nicht den durch Thaten errungenen Glanz durch Unthätigkeit und Trägheit wiederum vernichte. So hatte er auch die Gewohnheit, in voller Rüstung täglich ganz allein umher zu streifen, theils weil er meinte, es sei einem Krieger nichts zuträglicher, als häufige Uebung in den Waffen, theils weil er überzeugt war, dass er durch solche Fahrten seinen Ruhm vermehre. Es reizte ihn dazu also nicht minder Selbstvertrauen als Begierde nach Lob. Er wähnte, nichts sei so gewaltig, dass es seines Geistes Stärke zu erschüttern vermöchte. So überzog er auch einmal Danland mit Kriege und rief Frôwinen bei Sleswik zum Kampfe. Auf beiden Seiten fiel eine Menge Volkes. Endlich geriethen die beiden Heerführer an einander und sie wurden einig, die Sache durch Zweikampf zu beendigen. Beide wünschten gleichmässig diese Entscheidung, auf dass sie ihre Tapferkeit nicht durch den Beistand Anderer in Frage stellten, vielmehr sie durch Bethätigung der eigenen Kraft bewiesen. Nach langem und tapferem Kampfe fiel Frôwin, und jetzt wurden auch die Dänen von den Schweden zur Flucht genöthigt, nachdem ihre Reihen zum Theil durchbrochen waren. So kehrte Athisil als Sieger in sein Land zurück und vermehrte nicht nur die Bilder seines Schildes durch die Besiegung Frôwin's Die Abbildung verrichteter Thaten auf Kampfschilden sahen wir bereits in der Sage von Amleth. Auch in der deutschen Sage zeigt Sigufrides Schild den von ihm besiegten Lindwurm. Schon Tacitus gedenkt der buntbemalten Schilde der Germanen, und das Haupt des Galliers auf römischen Schilden, wie der Schild des Perseus mit dem Haupte der Gorgo hat denselben Ursprung., sondern war auch darauf eifrigst bedacht, seinen Ruhm durch prahlende Reden nach Kräften zu verbreiten. Zuweilen freilich wird der Glanz der Tapferkeit durch bescheidenes Schweigen mehr gehoben als durch laute Prahlworte.

Wermund übertrug hierauf die Ehren Frôwin's auf dessen Söhne. Da sein Freund im Kampfe für das Vaterland gefallen war, so erschien es ihm nur der Billigkeit gemäss, dessen Söhne mit der Statthalterschaft zu bekleiden. Aber König Athisil nahm diess für eine Herausforderung, die Dänen aufs neue zu bekriegen. Er schiffte sich daher wiederum gegen Danland ein, stolz auf seinen früheren Sieg, und nicht geringe Schaaren führte er herüber, sondern die ganze Heermacht der Schweden, gleichsam als gölte es ganz Danland zu erobern. Da sich König Wermund zufällig auf seinem Landgute Jalung aufhielt, sandte Frôwins Sohn Ketil den Hauptmann Folko Folko ist weder dänischer noch deutscher Name, sondern ein romanisirter. an ihn ab, um ihm davon Kunde zu geben. Dieser traf den König mit seinen Freunden beim Gelage, richtete seine Botschaft aus und sagte sodann: der lange gewünschte Anlass zum Kriege sei nun vorhanden und biete sich dem Könige von selbst dar; jetzt sei Gelegenheit, einen ruhmvollen Sieg zu erwerben; denn Athisil sei gekommen, umringt von zahllosen Schwedenschaaren, gleich als ob er des Sieges völlig sicher sei. Da nun kein Zweifel obwalte, dass der kampfgerüstete Feind den Tod der Flucht vorziehen werde, so biete sich die günstigste Gelegenheit dar, die frühere Niederlage durch neuen Kampf zu rächen.

Wermund erwiderte ihm, er habe seines Auftrags sich wacker und rühmlich entledigt, er solle nun am Gelage Theil nehmen und sich erfrischen, weil die Reisen Nüchternen gewöhnlich übel bekämen. Er entgegnete darauf dem Könige, Nahrung zu nehmen habe er keine Zeit, doch wolle er seinen Durst durch einen Trunk stillen. Man reichte ihm einen güldenen Becher, und Wermund bat ihn zugleich den zu behalten, indem er scherzend hinzufügte, wenn man in der Hitze wandere, sei es bequemer mit einem Becher als mit der Höhlung der Hand das Wasser zu schöpfen; auch trinke man minder bequem aus der Hand denn aus dem Becher. Da der König das stattliche Geschenk mit so freundlichen Worten begleitete, fühlte sich der junge Mann durch beides hoch erfreut und gelobte, er werde lieber sein eigenes Blut trinken, als vor des Schwedenköniges Augen den Rücken wenden. Diess so mannhafte Gelübde war dem Könige zu Danke, und das Schenken machte ihm ein grösseres Vergnügen als dem Krieger das Empfangen. Später erfuhr er denn auch, dass jener nicht minder beherzt gekämpft als gesprochen habe.

Im Getümmel der Schlacht ereignete sich es nämlich, dass Folko und Athisil auf einander stiessen und lange einander bekämpften. Das schwedische Heer warf sich, da es seinen Führer erfolglos streiten sah, in wilde Flucht und auch Athisil eilte verwundet vom Schlachtfelde auf die Flotte. Folko aber, durch Wunden und Anstrengung erschöpft und vom Durste gequält, vermochte nicht länger den fliehenden zu verfolgen. Da fieng er, um sich zu laben, das eigene Blut im Helme auf und führte diesen zum Munde, dass er durch solchen Trunk seine Kräfte wieder herstelle Ebenso thut bekanntlich Hagene in dem brennenden Saale der Grimhild und räth seinen Freunden an, ein Gleiches zu thun, wie das Nibelungenlied erzählt. Hadding und Hialti tranken, wie wir oben sahen, das Blut erlegter Bären und vermehrten dadurch ihre Kraft. Regin trank das Blut Fafni's und Loki ass das Herz einer Zauberin, wodurch er frevelgierig ward. Drachenblut macht in der deutschen Sage hart und unverwundbar. Der Aberglaube in Bezug auf das Blut liesse sich leicht, wenn es nöthig wäre, weiter ausführen. Es heilt den Aussatz und man verschreibt sich mit demselben dem Teufel.. So vergalt er den ihm vom Könige geschenkten Becher auf das schönste. Durch Zufall sah diess Wermund und er lobte ihn sehr wegen solcher Erfüllung seines Gelübdes. Erwidernd sagte Folko: wohlklingende Gelübde müsse man zu gebürendem Ende führen. Durch diess Wort ehrte er seine That nicht geringer als Wermund.

Als nun die Sieger, wie es nach einem Treffen gewöhnlich geschieht, um zu ruhen die Waffen ablegten und verschiedene Gespräche unter einander führten, sagte Ketil, der Statthalter von Sleswik, es wundere ihn sehr, dass Athisil davon gekommen sei, zumal da er zuerst Aller Vorkämpfer, bei der Flucht aber der letzte gewesen sei; dazu sei Niemand unter den Feinden so eifrig gewesen, die Dänen niederzuhauen. Wermund erwiderte ihm darauf: er müsse wissen, dass es vier Gattungen Kämpfer gebe. Die erste bestehe aus denen, welche in der Tapferkeit Maass halten, die Widerwinnen wacker schlagen, aber sich schämen, die flüchtigen zu bedrängen. Das seien diejenigen, welche durch unausgesetzte Führung der Waffen ihrer Tapferkeit sicher geworden seien und ihren Ruhm deshalb nicht in der Besiegten Flucht, sondern in der zu Besiegenden Bezwingung setzen. Zur anderen Gattung seien zu zählen alle, die zwar muthig und stark seien, aber, keine Schonung kennend, mit gleicher Wuth den Rücken und die Brust der Feinde bedrängen. Das seien meist Jünglinge, welche ihre Hitze fortreisse, die Lehrjahre des Kriegerstandes durch wilden Kampf zu verherlichen, und die eben so sehr die Gluth der Jugend als die Begierde nach Lob anfeuere, sich mit gleichem Eifer in gerechten und ungerechten Kampf zu stürzen. Die dritte Gattung enthalte Krieger, die zwischen Furcht und Scham hin und her schwanken. Ihren Andrang hindere der Schreck, ihren Rücktritt die Schamröthe. Es seien oft Männer von hoher Abkunft, nur durch eitelen Stolz sich auszeichnend; sie stärken die Schlachtreihe durch Zahl, aber nicht durch Kraft; sie werfen auf den Feind wohl Schatten, aber nicht Geere. In der Schaar der Krieger kommen sie nur durch den Anblick ihrer Leiber in Betrachtung. Das seien die Herren grosser Güter, berühmter durch Herkunft, denn durch Herzhaftigkeit. Die Liebe zum Leben, gestützt auf Reichthum, bestimme sie mehr dem Drange der Zagheit als dem des Adels nachzugeben. Die vierte Gattung vereinige in sich alle, welche nur scheinbar, nicht in Wahrheit in den Krieg ziehen: sie treten immer in die hinterste Reihe der Genossen, seien die ersten zur Flucht, die letzten zum Kampfe. Das Anzeichen unzweifelhafter Furcht enthüllt ihre Schwachheit; immer suchen sie sich hinwegzuschnüren, oder zotteln hinter den Rücken der Kämpfenden mit trägen, furchtsamen Schritten einher. So erkläre es sich, wie der König entkommen konnte. Die ersten hätten ihn aus Grundsatz nicht verfolgt; die anderen hätten der Gelegenheit ihn zu tödten ermangelt; die dritten hätten vielleicht zwar ihn tödten gekonnt, aber nicht den Muth zum Angriffe gehabt; die vierten endlich hätten auf jeden Fall niemals gewagt, ihm in die Augen zu blicken. So löste Wermund die Verwunderung Ketil's und gab den richtigen Grund an, weshalb der König sich gerettet habe.

Athisil gieng nach Schweden zurück, aber er ertrug seine Niederlage nicht mit Gleichmuth und Würde. Um die Schmach seiner Flucht in Vergessenheit zu bringen, rühmte er sich unausgesetzt mit prahlerischer Rede seines Sieges über Frôwin. Dadurch jedoch wurden Ketil und Wîgi, wie sich begreifen lässt, mit dem bittersten Grolle wider ihn erfüllt, und sie schwuren, den Tod ihres Vaters an ihm zu rächen. Da sie nun aber wohl einsahen, dass sie mit Kriege wenig wider ihn vermochten, rüsteten sie sich nur leicht und giengen allein nach Schweden. Als sie in den Wald kamen, wohin, wie sie vernommen hatten, der König immer ohne Geleite zu gehn gewohnt war, verbargen sie daselbst Waffen. Darauf giengen sie an den Hof, gaben sich für Flüchtlinge aus, und weilten eine lange Zeit bei Athisil. Als er sie bei ihrer Ankunft fragte, welches Land ihre Heimat sei, nannten sie Sleswik, und sie sagten, sie hätten eines Todschlages wegen ihr Vaterland verlassen. Der König meinte daher, sie hätten ihr Vaterland verlassen, nicht weil sie Jemand tödten wollten, sondern weil sie Jemand getödtet hätten. Durch ihre zweideutige Antwort suchten sie nämlich den Frager zu täuschen; sie wollten ihm die Wahrheit sagen, aber so, dass er sie unrecht verstünde; denn für Männer edler Abkunft war zu jener Zeit die Lüge schimpflich. Ein anderes Mal fragte sie Athisil, wen die Dänen wohl für den Tödter Frôwin's hielten? Ketil erwiderte ihm, man wisse nicht, wem man den Ruhm dieser so grossen That zugestehn solle, zumal da die öffentliche Meinung dahin gehe, dass er in einer Feldschlacht gefallen sei. Hierauf entgegnete Athisil lachend: »Ersparet euch doch die Mühe, den Tödter Frôwin's zu erforschen! Ich will ihn euch nennen: diese meine Hand hier hat ihn gefällt.« Sodann erkundigte er sich, ob Frôwin Kinder hinterlassen habe Er erkundigt sich danach der zu befürchtenden Blutrache wegen..

Ketil sagte ihm darauf, Frôwin habe zween Söhne hinterlassen, und er kenne sie beide sehr genau. Sie seien ihm selbst an Gestalt ähnlich, an Alter ihm gleich und an Muthe nicht geringer als er selbst. »Hätten sie ihres Vaters Gesinnung und Tapferkeit, sagte darauf Athisil, so könnte mir es übel ergehn. Aber sagt mir, fuhr er fort, reden sie oft von des Vaters Tode?« Ketil antwortete ihm: es sei überflüssig über ein Uebel zu reden, wogegen es kein Heilmittel gebe; und es nütze nichts, sich immer mit der Erinnerung an eine Schuld zu quälen, die nicht heimgezahlt werden könne. Durch dieses Wort gab er zu erkennen, dass der Rache niemals Drohungen voranzugehn hätten.

Als er nun sah, dass der König, um seine Kraft zu üben, täglich allein ausgieng, eilte er mit seinem Bruder einst ihm nach. Sie nahmen die früher versteckten Waffen jetzt zur Hand und traten ihrem Feinde in den Weg. Athisil erblickte sie wohl, blieb jedoch stehn, weil er es für eine Schmach hielt, den ihn Bedrohenden nicht Stand zu halten. Sie riefen ihm zu, sie seien da, um Frôwin's Tod an ihm zu rächen, da er ja mit Prahlerei und Uebermuth sich immer als Frôwin's Tödter gerühmt habe. Athisil wollte ihrer schonen und rieth ihnen, ihre Rachgier zu zähmen; sie sollten sich hüten, ihre schwachen und kraftlosen Hände in thörichter Keckheit wider ihn zu erheben, dass sie nicht, indem sie den Tod eines Anderen suchten, ihren eigenen fänden. Sie sollten doch nicht ihre vielverheissende Jugend aus vorschneller Begierde nach Ruhm zu Grunde richten. »Schonet, rief er ihnen zu, euerer Jugend, und stürzet euch nicht tollkühn in's Verderben! Euren Vater will ich euch mit rothem Golde büssen, und ihr dürft es für einen grossen Ruhm halten, dass ein so gewaltiger Fürst, wie ich bin, euch zu büssen willig ist. Aber wähnet nicht etwa, dass ich aus Furcht vor euch mich zur Busse erboten habe; nein, nur aus Mitleid mit eurer Jugend habe ich das gethan.«

Ketil aber weigerte sich, die gebotene Busse anzunehmen. »Vergebens trachtest du, rief er zornig, die Zeit durch weitschweifige Rede zu verzögern, und uns in dem Streben nach so gerechter Rache durch Verheissung rothen Goldes wankend zu machen. Tritt vor, und wenn du Muth hast, so versuche dich mit mir im Einzelkampfe!« Er verbot hierauf seinem Bruder, ihm zu helfen; nur auf die eigene Kraft wollte er sich stützen, dass der Kampf, als ein ungleicher, später nicht für schmachvoll verschrieen würde; denn die Alten hielten es für unbillig und schimpflich, wenn zween einen bestritten. Athisil dagegen hegte das grösseste Vertrauen zu sich selbst, und forderte sie auf, ihn gemeinsam zu bestreiten; da er nicht vermocht habe, ihre Kampfbegierde zu tilgen, so wolle er ihnen gerne das Mittel gewähren, ihn sicherer zu bekämpfen. Ketil aber verschmähte diess Zugeständniss und griff sofort den König an, und zwar mit der grössesten Heftigkeit. Athisil betrachtete diesen Kampf als leichtes Spiel und schlug nur schwache Schläge auf seinen Schild; so war er in der Vertheidigung seines Lebens mehr muthvoll als erfolgreich. Als er eine lange Zeit also gleichsam gespielt hatte, mahnte er den Gegner nochmals, dass er seinen Bruder doch zum Kampfgesellen annähme; er solle sich nicht schämen, eine fremde Hand zur Hülfe herbeizurufen, da er sehe, dass seine allein etwas auszurichten nicht vermöge. Da Ketil wiederum diess ablehnte, sagte Athisil, dass er sein fortan nicht mehr schone, liess dem Drohworte die That sogleich folgen und schlug mit allen Kräften auf ihn los. Aber ihm ward mit einem so kräftigen Schwertschlage erwidert, dass der Stahl, nachdem er den Helm gespalten hatte, in das Haupt eindrang. Durch diese Wunde gereizet und vom Blute derselben überströmt, wandte er sich mit häufigen und gewaltigen Schlägen gegen Ketil und zwang ihn auf den Boden niederzuknien. Das konnte Wigi nicht länger so mit ansehen; seine Liebe zum Bruder überwältigte seine Achtung vor dem allgemeinen Gebrauche, er griff den König Athisil an und wollte lieber seinen Bruder beschützen als dem Kampfe unthätig zuschauen. Er erwarb sich durch seine Bethätigung mehr des Tadels als des Lobes, weil er durch die Unterstützung seines Bruders die Gesetze des Zweikampfes übertrat. Seine Hülfe, sagte man, wäre mehr nützlich als ehrhaft gewesen, und sie hätten den König wohl mit Tapferkeit, aber ohne Glanz gefällt. Dass nun ihre That dem Volke nicht verborgen bleibe, setzten sie den Leichnam des Königes, nachdem sie ihm das Haupt abgehauen hatten Das war Brauch im Alterthume. Man sehe meine Herbstabende Bd. II, S. 194., auf ein Ross Woher sie das Ross nahmen, wird nicht gesagt; alle drei waren zu Fusse in den Wald gegangen., führten ihn so aus dem Walde, übergaben ihn den Bewohnern des nächsten Dorfes und sagten ihnen, Frôwin's Söhne hätten den Tod ihres Vaters an Athisil, dem Könige der Schweden, gerochen.

Wegen dieses Sieges wurden sie von Wermund mit den grössesten Ehren empfangen. Er war der Ansicht, sie hätten eine überaus nützliche That gethan; er blicke lieber auf den Ruhm, dass sie seinen Nebenbuhler getödtet, als auf das Gerücht, dass sie diess auf schmähliche Weise gethan hätten; denn eines Gewaltherschers Tödtung bringe niemals Schande. So entstund das Sprichwort im Auslande: der Tod eines Königes habe das alte Kampfrecht zu Falle gebracht Einen ähnlichen Kampf zweier Jünglinge gegen einen streitgewohnten, überlegenen Gegner beschreibt die deutsche Sage schön in dem Kampfe der Söhne Etzel's wider Witege. Im Gegensatze dazu fällen gemeinsam Witege und Heime den jungen Alphart..

Als Wermund durch das Alter des Lichtes der Augen beraubt worden war, wähnte der König der Sachsen, die Dänen hätten keinen Führer mehr, und forderte von ihm durch eine Gesandtschaft, dass er ihm die Herschaft, die er ohne Rücksicht auf sein Alter behaupte, abtrete, auf dass er nicht durch allzulange Herschbegier das Land aller Rechtspflege und Vertheidigung ledig mache. Wie könne Der König sein, dem das Alter den Geist, die Blindheit das Auge mit gleichem Dunkel umhüllet habe? Wenn er das Begehren ablehne und einen Sohn habe, der mit seinem Sohne auf die Herausforderung hin zu kämpfen wage, so erlaube er, dass der Sieger beider Reiche sich bemächtige. Wenn er keinen dieser Vorschläge annehme, so möge er wissen, dass dann zwischen ihnen die Waffen, nicht Worte zu entscheiden hätten; dann werde er ihm gezwungen darbieten, was er freiwillig einzuräumen verschmähe. Wermund antwortete darauf, mit tiefen Seufzern seine Rede unterbrechend: es sei schamlos, ihn durch Vorwerfung des Alters zu kränken, ihn, den nicht deshalb bis zu dieser Stufe des Unglückes das Alter geführt habe, weil er sparsam mit Kriegen in seiner Jugend gewesen sei. Nicht schicklicher werde ihm die Blindheit vorgehalten, weil solcher Verlust solches Alter gewöhnlich begleite; dieses Unglück sei vielmehr zu bemitleiden als zu beleidigen. Mit grösserem Rechte möge man dem Könige der Sachsen der Ungeduld zeihen, dem es mehr geziemt hätte, den Tod des Greises zu erwarten, als von dem noch lebenden die Herschaft zu fordern, weil es doch ein wenig vorzuziehen sei, einem Todten in der Herschaft zu folgen, statt den Lebenden derselben zu berauben. Er werde jedoch, dass er nicht als ein Wahnsinniger die alte Freiheit unter fremder Herschaft zu knechten scheine, mit eigener Hand auf die Herausforderung sich stellen. Darauf erwiderten die Gesandten: sie wüssten, dass es ihr König als ein Gespötte verabscheuen werde, mit einem Blinden zu kämpfen, weil ein so lächerlicher Kampf mehr Schmach als Ehre bringe. Schicklicher werde der Handel unter ihnen beiden durch ihre Söhne geschlichtet.

Die Dänen wurden durch diesen Vorschlag in die bitterste Verlegenheit gesetzt, und sie wussten nicht sogleich, was sie darauf antworten sollten. Da bat Uffi, der zufällig mit den Anderen zugegen war, den Vater dringlichst, dass er ihm erlaube, darauf zu antworten, und ward so plötzlich aus einem gleichsam Stummen ein Redender Auch Helgi ist nach der Edda stumm, bis ihn die Walkyrie anredet und zum Kampfe für sie auffordert. Man vergleiche übrigens Erläuterung 3.. Als hierauf der König fragte, wer von ihm solche Erlaubniss begehre, und seine Hofmannen ihm sagten, dass Uffi darum ihn bäte, erwiderte er mit trauriger Stimme: es sei genug, wenn der Uebermuth Fremder seines Unglückes spotte; das Hausgesinde habe fürwahr nicht nöthig, ein Gleiches zu thun. Da nun aber die Dienstmannen auf das beharrlichste ihn versicherten, Uffi und kein Anderer habe gebeten, entgegnete er: »Nun wohl, wer es auch sei, er sage seine Meinung!« »Thöricht ist es, rief da Uffi den Sachsen zu, dass euer König das Reich für sich verlanget, das sich der Leitung eines eingeborenen Herschers erfreut und durch den Muth und die Waffen tapferer Häuptlinge vertheidiget wird. Uebrigens ermangelt weder der Dänen König eines Sohnes noch das Reich eines Erben. Wisset also, dass ich bereit bin, nicht nur den Sohn eures Königes zu bestehn, sondern zugleich auch jeden seiner Krieger, den mitzubringen ihm beliebt.«

Die Boten lachten, als sie diess hörten, und hielten es für eitele Prahlerei; aber ohne Verzug wird der Ort des Kampfes bestimmt und die Zeit desselben festgesetzt. Uffi jedoch erregte unter den Anwesenden durch die Neuheit seiner Rede und Herausforderung ein so grosses Staunen, dass Keiner wusste, ob er sich mehr über seine Rede oder über sein Selbstvertrauen wundern solle.

Die Boten giengen von dannen, Wermund aber belobte den Antwortgeber, weil er so kühn gewesen sei, nicht einen, sondern zween zugleich zum Kampfe herauszufordern. Ihm, sagte er, wer er auch sei, wolle er lieber das Reich abtreten als dem stolzen Feinde. Da nun alle ihn versicherten, sein Sohn nur habe der Boten Uebermuth durch seine muthige Antwort in die gehörigen Schranken zurückgewiesen, hiess er ihn näher herantreten, dass er mit den Händen erforsche, was er mit den Augen nicht sehen könne. Er befühlte hierauf seinen Leib auf das sorgfältigste, und da er aus der Glieder Grösse und aus der Gesichtsbildung erkannte, es sei wirklich sein Sohn, so begann er den Versicherungen Glauben zu schenken, und fragte ihn, weshalb er den ihm süssen Klang seiner Stimme so geheim gehalten und eine so lange Zeit seines Lebens aller Rede sich entschlagen habe, so dass man in den Wahn versetzt worden sei, er vermöge nicht zu sprechen und sei stumm geboren. Bis zu diesem Tage, erwiderte er, habe ihm der Schutz des Vaters genüget; er sei nicht früher der Sprache benöthigt gewesen, als bis er gehört habe, dass die heimische Verständigkeit durch fremde Geschwätzigkeit bedränget werde. Als der König ihn nun weiter fragte, warum er es vorgezogen habe, zween und nicht einen zum Kampfe zu fordern, entgegnete er: das habe er gethan, auf dass die Tödtung Athisil's, welche man den Dänen zum Vorwurfe gemacht habe, weil zween ihn erschlagen hätten, durch Eines That aufgewogen würde, und dass ein neuer Beweis der dänischen Tapferkeit jede Spur der alten Schmach tilge.

Wermund sagte darauf, er habe sich die gerechte Achtung Aller erworben, und befahl ihm, sofort Waffen anzulegen und ihren Gebrauch zu erlernen, weil sie ihm bis heute ganz und gar fremd geblieben seien. Man trug allerhand Waffen herbei, aber keine der Brünnen hatte Raum genug für die breite Brust Uffi's; denn er war von so gewaltigem Wuchse, dass er sich der Waffen keines Anderen bedienen konnte. Da er zuletzt auch seines Vaters Brünne ungeachtet der gewaltigsten Zusammenziehung seines Leibes zu sprengen drohte, befahl Wermund, dass man dieselbe an der linken Seite durchschneide und mit einer Spange zusammenhefte, indem er es gering anschlug, dass der Theil des Leibes dem Schwerte bloss stehe, den der Schild decke. Aber auch das Schwert, dessen er sicher sich bedienen könne, hiess er ihn mit grössester Sorgfalt auswählen. Mehrere wurden gebracht; aber sobald Uffi eines derselben mit seiner Hand fasste, schlug er es auch sofort in Stücke, und kein Schwert war so stark, dass er es nicht mit dem ersten Schlage zertrümmert hätte. Der König hatte aber ein Schwert von ungewöhnlicher Schärfe, Skrêp geheissen Altnordisch skreipr, glatt, glänzend., welches jeden Gegenstand mit dem ersten Schlage spaltete, und nichts war so hart, dass es seiner Schneide widerstanden hätte. Das aber hatte er, dass sich kein nach ihm Lebender desselben bedienen könne, in die Tiefe vergraben; denn da er auf seinen Sohn kein Vertrauen hatte, so gönnte er dasselbe keinem Menschen. Jetzt war er anderer Meinung geworden. Wenn man es nur finden könnte, es würde, meinte er, seiner Kraft angemessen sein. Er befahl darauf, dass man ihn auf das Feld hinaus führe, und da er den Ort, wo er es vergraben hatte, an den ihm angegebenen Zeichen erkannte, liess er die Gruft öffnen, das Schwert heraus nehmen und überreichte es seinem Sohne. Uffi wähnte, das Schwert wäre durch allzugrosses Alter brüchig geworden und vom Roste angefressen; er wagte deshalb nicht damit zu schlagen, und fragte, ob er dasselbe ebenso, wie die früheren, prüfen solle; denn man müsse doch seine Beschaffenheit erforschen, bevor man sich desselben im Kampfe bediene. Wermund erwiderte ihm, wenn dieses Schwert von ihm zertrümmert würde, so gebe es keines, das seiner Kraft entspräche. Er solle daher der Prüfung sich enthalten, da ihr Ausgang zweifelhaft bleibe Solche alte, aus der Erde gegrabene Schwerter geben immer den Sieg. Berühmt ist auch das, welches ein Hirte, der es gefunden hatte, dem Attila übergab..

Jetzt begab man sich an die zum Kampfe erwählte Stelle. Die Eider umgiebt sie so durch den Umlauf ihrer Gewässer, dass sie nur zu Schiffe erreichbar ist. Uffi betrat sie ohne Begleiter, aber dem Sohne des Sachsenköniges folgte ein überaus starker Kämpe, während dichte Schaaren auf beiden Seiten die abwechselnden Krümmungen der Ufer erfüllten, um dem Kampfe zuzuschauen. Indem nun alle diesem Schauspiele ihre Blicke zuwenden, nimmt Wermund auf dem äussersten Theil der Schiffbrücke seinen Stand, um sich in die Fluthen zu stürzen, wenn sein Sohn unterliege. Er wollte lieber seinen Sohn im Tode begleiten, als des Vaterlandes Untergang mit schmerzerfüllten Sinnen wahrnehmen.

Uffi jedoch, gereizet durch den Angriff der beiden Jünglinge, und seinem Schwerte misstrauend, fieng beider Schläge mit dem Schilde auf, in der Absicht, an ihrer Ausdauer zu erkennen, vor welchem der beiden er sich besonders zu hüten habe; diesen wolle er dann mit einem Schlage tödten, denn so viel wenigstens werde sein Schwert wohl aushalten. Wermund aber glaubte, dass er aus Schwäche und Muthlosigkeit mit so grosser Geduld die Schläge empfange, und zog sich nach und nach auf den sich senkenden Theil der Brücke hin, um sich selbst zu tödten, sobald sein Sohn gefallen sei. Aber das Geschick bewahrte den in so grosser Liebe zu seinem Sohne glühenden Greis. Uffi mahnte den Sohn des Sachsenköniges, kräftiger wider ihn zu streiten und dem Ruhme seines Geschlechtes durch eine That seiner eigenen Tüchtigkeit Ehre zu machen, dass nicht der Mann minder hoher Herkunft den Sohn des Königes an Tapferkeit übertreffe; den Kämpen aber forderte er auf, um seinen Kampfmuth zu erforschen, dass er nicht hinter seinem Herren zage zurückbleibe, sondern das Vertrauen, das der Sohn des Königes auf ihn gesetzt habe, durch ausgezeichnete Thaten im Kampfe rechtfertige, durch dessen Wahl er ja der einzige Theilnehmer am Streite geworden sei. Als der Kämpe dem nachkam und aus Scham ihm näher in dem Kampfe trat, schlug er ihn mit einem Schwertschlage mitten von einander. Der Klang des Schwertes erfreute Wermund's Herz; er sagte, er höre des Sohnes Schwert, und fragte, auf welchen Theil des Leibes er den Feind geschlagen habe. Als die Dienstmannen darauf ihm antworteten, dass sein Sohn den ganzen Mann gespalten habe, zog er seinen Fuss vom Ende der Brücke zurück und stellte sich wieder mitten auf dieselbe, mit dem gleichen Eifer jetzt für sein Leben sorgend, womit er früher den Tod wünschte.

Jetzt trachtete Uffi den noch übrigen Gegner wie den ersten zu fällen. Er rief den Sohn des Königes auf, den für ihn gefallenen Dienstmann zu rächen; das habe höheren Werth, als wenn er seinen Leib mit dem glänzendsten Gepränge bestatte. Als nun dieser auf diese Mahnung hin näher zu ihm her sprang, so wählte er sich mit Sorgfalt die Stelle aus, wo er ihn treffen wollte, wandte schnell, weil er der dünnen Klinge des Schwertes bei seiner Kraft nicht traute, die andere Schneide desselben nach vorn, und schlug auch ihn mitten durch. Da sagte Wermund, er habe jetzt zum andern Male Skrêps Klang gehört. Als er nun von den Kampfrichtern vernahm, dass sein Sohn beide Gegner gefällt habe, weinte er vor Freude, er, der im Schmerze keine Thräne vergossen hatte.

Die Sachsen führten darauf die Leichen ihrer Kämpfer beschämt und traurig von dannen; die Dänen aber empfiengen Uffi mit Frohlocken. Die Schmach, welche Athisil's Tod auf die Dänen gebracht, gieng in der Schande der Sachsen unter.

So kam das Reich der Sachsen unter die Gewalt der Dänen, und Uffi ward nach des Vaters Tode zweier Reiche Beherscher, obgleich man früher geglaubt hatte, dass er nicht eines zu verwalten in Stande sein würde. Seine späteren Thaten sind wegen der weit zurück liegenden Zeit nicht zu unserer Kenntniss gelangt.


Erläuterungen als Fußnoten bzw. Anmerkungen eingepflegt. Re


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