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3. Frôdhi.

Frôdhi war ein Sohn Haddings und folgte seinem Vater in der Herschaft. Die Ereignisse seines Lebens waren manigfach und denkwürdig. Schon als Jüngling dachte er auf Erwerbung jeglicher Tüchtigkeit. Dass diese nicht durch Schlaffheit zu Grunde gehe, beschäftigte er seinen den Ueppigkeiten abgeneigten Geist durch fortwährende Uebung der Waffen. Als er den von dem Vater gesammelten Hort durch kriegerische Unternehmungen erschöpft hatte, und so des Mittels seine Kämpfer zu ernähren Sein Geleite, seine Gesinden (hirđ), musste jeder Fürst selbstverständlich ernähren und kleiden. Die freien Männer des Volkes thaten Kriegsdienste nur, wenn die Volksgemeinde Krieg beschlossen hatte, aber dann immer auf eigene Kosten, wogegen ihnen ein Theil der Beute zukam. Die Gesinden zogen mit dem Fürsten in jeden Krieg, wenn er auch nur eine Unternehmung dieses, und nicht des Volkes war. Die gesammte Beute gehörte dann rechtlich dem Fürsten. Welchen Theil derselben er dem Einzelnen bewilligen wollte, stund in seinem Belieben; immer war er als ein Geschenk aus seiner Hand anzusehen. Das sind die feuda, beneficia des Lehenrechtes. Freilich mögen wohl auch in dieser Hinsicht Verträge zwischen dem Fürsten und den Männern des Geleites geschlossen worden sein. beraubt war, sah er sich sorglich um, wo er das Nöthige finden könnte. Da kam ein Landmann zu ihm und zeigte ihm durch folgendes Lied den Weg.

Unfern ragt von hier ein Eiland, sichtbar weit durch sanften Hügel; edles Erz im Innern bergend, reiche Beute dar er bietet. Grossen Hort der Herr des Berges hier bewacht und wehrt ihn Allen, denn ein Lindwurm ist's, ein leider, der in weit geschweifter Wälzung seines Leibes Last bewegt.

Ringelnd seinen Rücken liegt er, krummgebogne Kreisse schlingend, auf dem Gold', in Gier es hütend. Seinen Schwanz er schwingt in Grimme, ringelt ihn in raschem Wurfe, wirft ihn auf und wippt ihn nieder. Aus dem Giel' er Gift in Wogen Giel, d. i. Rachen. speit, aus dem gespaltnen Rachen, der von Zähnen, Zacken starrt.

Willst den kühnen Kampf du wagen, wird ein Schild dich nur beschützen, wenn des Stieres Haut, die starke, drang und dreifach ihn bedecket. Auch den Leib dir hülle Leder aus des Rindes rauhem Felle; nicht dem Gifte beut des Geifers bloss den Leib: wie Blitzes Lohe brennt sein Geifer und sein Gift.

Ob auch, drohend dir, der Dreispitz seiner Zunge zischt und zittert; ob in Rachens rauher Höhle spitze Zähn' und scharfe Zacken tiefer Wunden Weh dir drohen: deines Muthes Macht dir wahre, zaglos schau die spitzen Zähne, scheue nicht des Scheusals Rachen, nicht das Gift, das er ergiesst.

Schädigt auch die harten Schuppen seines rauhen Rückens keine Waffe, bietet Raum den Wunden doch sein Bauch: da bohre kräftig deinen Stahl ein; mit dem Stosse magst des Wurmes Wanst du spalten. In den Berg dann! nimm die Beute, schaff' das Gold in's Schiff und rudre deinen Hort der Heimath zu! In den Mythen bedeuten die Lindwürme, wie schon der erste Theil des Wortes: lind, Woge, lehrt, landverwüstende Springfluthen des Meeres. Das Gold, das sie gierig und grimmvoll bewachen, bezeichnet die durch die Verwüstung hinweg gerissenen Früchte des Landbaues, die goldgelben Körner des Getreides. Die aus dem Mythus erwachsene Heldensage dagegen nimmt immer echtes Gold an.


Frôdhi schenkte ihm Glauben und ruderte allein zum Eilande hinüber; nicht mit grösserem Geleite wollte den Wurm er bestehn als es Kämpen zu bestehn der Brauch war. Der Wurm wälzte sich gerade von der Quelle, wo er getrunken hatte, zu seiner Höhle zurück, als ihn Frôdhi traf und sogleich angriff; aber sein Schwert vermochte nicht in die starre, rauhe Haut einzudringen. Auch die Geere, welche er auf ihn warf, prallten von ihm ab. Aber da die Härte des Rückens also widerstund, bot sich seinem Schwerte die Weiche des Bauches dar, wie es ihm angegeben worden war. Der Wurm wollte sich durch Bisse rächen, und schlug die spitzen Zähne seines Rachens in den Schild. Indem er darauf die Zunge schnell hin und her bewegte, und zugleich Gift ausschnaubte, starb er.

Der gefundene Hort machte den König reich. Durch ihn ausgerüstet gieng er mit seiner Flotte nach Kurland. Der König der Kuren Dorno beschloss die Feinde statt mit Waffen mit Hunger zu bekriegen, in Furcht vor dem gefahrvollen Kampfe. Saxo schiebt hier eine lange, überaus gekünstelte Rede ein, die, wie er behauptet, Dorno an seine Häuptlinge gehalten haben soll. Sie bleibt mit Fug weg, da sie nur den einen Gedanken: Es ist besser den Feind mit Hunger als mit Waffen zu bekriegen, in immer neuen Wendungen wiederholt.

Demnach eilte er Alles, was ihm schwieriger zu beschützen schien, an der Vertheidigung verzweifelnd, zu verwüsten, und er übertraf so sehr die Wuth der Feinde in der Verwüstung des Landes, dass er nichts, was den nach ihm kommenden hätte dienlich sein können, unzerstört zurückliess. Indem er darauf den grösseren Theil seiner Streitmacht in einem Orte von unbezweifelter Festigkeit vereinigte, liess er sich vom Feinde belagern.

Frôdhi ward aufgeregt, weil er den Ort einzunehmen nicht hoffen durfte, und befahl mehrere ungewöhnlich tiefe Gruben innerhalb des Lagers zu machen, den Boden insgeheim in Körben hinwegzutragen und in den den Mauern nahen Fluss zu schütten. Er liess ferner, zur Verheimlichung seiner List, die Gruben mit Rasen bedecken, um den unvorsichtigen Feind durch Hinabsturz zu verderben, indem er annahm, dass das Zusammenbrechen der Rasendecke die Unwissenden verschütten würde. Hierauf begann er, indem er Furcht heuchelte, das Lager für kurze Zeit zu verlassen. Die ihn verfolgenden und zum Theil durch den Trug ihrer Füsse in die Gruben gestürzten Feinde überschüttete er mit Wurfgeschossen und tödtete sie.

Von hier abziehend stiess er auf Tranno, den Fürsten der Ruthenen. Die Ruthenen sind die Rhôs, Ræsir (Stürmer, Läufer), d. h. schwedische Wikinge, die im südöstlichen Slawenlande Eroberungen gemacht hatten. Von den Griechen werden sie auch Δρομῖται genannt. Indem er dessen Seemacht zu erforschen strebte, machte er eine Menge Zapfen aus Knütteln und belud damit ein Langschiff. Damit schlich er sich bei Nacht unter die feindliche Flotte, und durchbohrte den Boden der Fahrzeuge mit einem Bohrer. Auf dass nun nicht die Wellen sogleich eindringen könnten, verkeilte er die Löcher mit den zuvor bereiteten Zapfen. Als er jedoch glaubte, dass die Menge der Löcher hinreichen würde die Schiffe zu versenken, zog er die Zapfen heraus und eröffnete dem Wasser den Zutritt, wodurch sie bald überschwemmt wurden. Die von der plötzlichen Gefahr überraschten Ruthenen schwanken, ob sie zuerst den Waffen oder dem Wasser widerstehn sollen. So gehn sie im Schiffbruche unter, indem sie sich beeifern, das Schiff vom Feinde zu befreien. Die innere Gefahr war schrecklicher als die äussere; indem sie nach aussen das Schwert schwingen, weichen sie innen den Fluthen. Zwei Gefahren ergriffen zugleich die Unglücklichen. Es war ungewiss, ob sie schneller durch Schwimmen oder durch Kämpfen Rettung finden würden. Es war zweifelhaft, ob das Eisen oder die See mehr zum Verderben gereiche. Den das Schwert vorhaltenden empfieng der stumme Andrang der Fluthen; der sich gegen die Fluthen wehrte, den durchbohrte das entgegenkommende Schwert. Das Gewässer ward überall durch Blut geröthet.

Nach der Ruthenen Besiegung kehrte Frôdhi heim. Als er hörte, dass die Sendboten, die er nach Ruscien das Land der Ruthenen., um die Abgaben zu erheben, geschickt hatte, durch den Verrath der Einwohner grausam wären umgebracht worden, zog er, durch die zwiefache Beleidigung gereizt, gegen die Stadt Rotala, und schloss sie durch enge Belagerung ein. Dass er sich ihrer schneller bemächtige, woran ihn ein Fluss hinderte, theilte er die ganze Masse des Wassers durch Wendung seines Stromes nach verschiedenen Seiten und gewann so statt eines Flussbettes von unbekannter Tiefe gangbare Furte. Als er so den Fluss gezähmt hatte, unterwarf er sich die ihres örtlichen Schutzes beraubte Stadt durch zornigen Eindrang seiner Krieger. Nach dieser That führte er sein Heer wider die Stadt Peltiska, welche er, da er sie durch Gewalt ungewinnbar glaubte, durch Kriegslist gewann. Er begab sich in ein Versteck, so dass nur wenige darum wussten, und befahl, dass man seinen Tod verkündige, wodurch er dem Feinde seinen Schreck benehmen wollte. Die Feierlichkeiten der Bestattung wurden vollbracht, der Hügel errichtet. Auch die Krieger heuchelten Trauer über seinen Hingang. Das Gerücht seines Todes betrachtete der König der Stadt Wespasi fast für einen Sieg und führte nun eine so träge und schläfrige Verteidigung, dass er bei dem Eindrang der Feinde unter Spiel und Zeitvertreib umkam.

Nach der Einnahme der Stadt wandte sich Frôdhi ostwärts gegen die Stadt Andwâns. Dieser, durch den einst von Hadding erregten Brand der Stadt gewarnt, hatte dieselbe aller Vögel entlediget, auf dass er nicht in die Gefahr käme, gleichen Schaden zu erleiden. Aber auch Frôdhi entbehrte nicht neuer Schlauheit. Er vertauschte mit einem Mädchen die Kleider, stellte sich, als wäre er eine des Kampfes kundige Jungfrau, legte die männliche Lebensart ab, nahm die weibliche an und gieng unter dem Namen einer Flüchtigen in die Stadt. Nachdem er daselbst alles sorgfältig erforscht hatte, schickte er den Tag darauf seinen Begleiter hinaus und befahl durch ihn, dass das Heer vor den Mauern erscheinen sollte, und versprach ihm die Thore zu öffnen. Er täuschte in der That die Wachen; die im Schlafe liegende Stadt ward zerstört, sie bezahlte ihre Sicherheit mit dem Untergange und war unglücklich mehr durch ihre Trägheit als durch die Tapferkeit des Feindes.

Andwân aber, der die Stadt verloren und zerstört sah, lud seinen Schatz auf ein Schiff und versenkte ihn in das Meer, indem er lieber die Wogen als den Feind bereichern wollte, obgleich es besser gewesen wäre, die Huld der Gegner durch Geschenke zu erwerben als das Gold den Menschen zu missgönnen. Als darauf Frôdhi dessen Tochter durch Gesandte zur Ehe verlangte, gab er ihm den Bescheid: Er solle sich wahren, dass sein Kriegsglück ihn nicht zum Uebermuthe verleite; er solle vielmehr der Besiegten schonen, an den Hinabgestürzten den früheren Glanz ehren und durch das Looss der Unglücklichen das dahingeschwundene Glück richtig zu werthen lernen. Er möge also den, dessen Verwandtschaft er suche, nicht der Herschaft berauben, und den er durch eine Ehe zu ehren wünsche, nicht mit dem Schmutze der Erniedrigung bewerfen, indem er die Würde der Ehe durch Habsucht schände. Durch die Trefflichkeit dieses Wortes gewann er nicht nur den Sieger zum Eidam sondern auch freie Herschaft.

Inzwischen hatte Thôrhild, die Gemahlin Hundinges, des Königes der Schweden, ihre Stiefsöhne Regnher und Thôrwald, welche sie grimmig hasste, damit sie dieselben in allerhand Gefahren verwickele, zuletzt den Herden des Königes vorgesetzt. Nicht lange darauf nahm Swanhwit, Haddinges Tochter, ihre Schwestern zum Geleite und gieng nach Schweden, um dem Verderben so ruhmwerther Jünglinge durch weiblichen Scharfsinn zuvorkommen. Als sie nun dieselben mit nächtlicher Bewachung der Herden beschäftigt und zugleich von Schreckgestalten verschiedener Art umringt sah, hielt sie ihre Schwestern, die von ihren Rossen zu steigen bereit waren, durch folgendes Lied zurück das zu thun:

Zum Ansprung seh' ich Ungethüme
        im Finstern frech sich heben;
Unholde eifern in üblem Streite,
        uns den Weg sie wehren.

Ihrer Blicke Grimm Graus verbreitet,
        diess Land sie allen leiden;
ihr wildes Gewirr das Gewölk durchstürmt:
        nicht weiter wagt zu reiten!

Die Zügel wendet, die verwünschte Flur,
        mein' ich, schnell wir meiden;
Gespenstertross in später Nacht
        laut durchbraust die Lüfte.

Er wogt heran, in Wolken er kommt,
        mit Gebrüll und Brausen;
in Nebel und Nacht er nieder steigt,
        durchheult den weiten Himmel.

Waldschrate zugleich und der Wichtel Volk
        und tückische, arge Älbe
sich sputen heran, mit Gespenstertross
        in wildem, wüstem Gewühle.

Mit dem Waldgezücht sich im Wirbel tummeln
        schadgiere Schemen;
Holden und Hexen des Hügels Gipfel
        trotzvoll dräuend treten Waldschrate sind Waldgeister, bald von grosser, bald von kleiner Gestalt; Wichtel sind Zwerge; Älbe Luftgeister; Schemen Schatten Verstorbener; Holden = Unholde. Die Fanggen der folg. Strophe sind riesige Waldweiber; Fanzen tolles Zeug treibende Geister. Saxo braucht überall römische Bezeichnungen, nur hier hat er Fantua, was kein lateinisches Wort ist. Das altnord. fantr, fönt, fant bedeutet Possen treibend; wir haben alfanz, alfanzen. Gothisches Fantvô, altnord. Föntvâ giebt dänisches Fantva, lateinisch Fantua..

Grimme Weiber im Graus sich schwingen,
        Fanggen und auch Fanzen;
in wirrem Gewühle wirbeln alle,
        in toller Wuth Getümmel.

Schreckvoll ist ihr Schritt am Wege,
        es wächst ringsum das Wirrsal
auf hoher Rosse Rücken, traun,
        wir, mein' ich, sichrer sitzen.


Regnher sagte ihr darauf, dass er ein Knecht des Königes sei, aber schon lange seinem Hause sich fern gehalten habe, weil er das Vieh, dessen Hut ihm befohlen worden sei, verloren hätte. Da er an der Wiedererlangung desselben verzweifeln müsse, so wolle er lieber der Heimkehr sich entschlagen als die Strafe auf sich nehmen. Und dass er auch seines Bruders Stand nicht verschweige, fügte er noch folgendes hinzu Saxo deutet erst später an, dass eben das Geistergetümmel das Vieh verscheucht hatte und seine Wiedergewinnung hinderte, und dass diess auf Anstiftung der Thôrhild geschah.:

Nicht Schrate du hier, Schreckgestalten,
        noch Schemen zu schau'n du wähne;
Menschen sind wir, Maid, das wisse,
        unsrer Herde Hüter.

Doch da wir die Länge der langen Tage
        mit Schimpf und Scherz uns kürzten,
wich unser Vieh, Futter suchend,
        auf weitere Weiden.

Und da die Hoffnung, es heim zu gewinnen,
        uns hier immer äffte,
hat uns Scheu vor Strafe, da wir schuldig sind,
        und Furcht befallen.

Da Fussspur wir des Viehes nirgends,
        sichere Tritte sahen,
hat Scham und Scheu die schuldigen Herzen
        und Furcht gefesselt.

Der Ruthen Schlag, der Rücken Qual,
        die Fuchtel nun wir fürchten;
so meiden wir, Maid, dem Mangel trotzend,
        der Heimath Hütte.

Besser es ist, des Gebieters Zorn,
      des Hauses Herd zu meiden,
als zu fühlen der Faust Fuchtelschläge,
      sich zu schmiegen im Schmerze.

In diesem Versteck uns verstattet ist
      den Herren hinzuhalten;
so zu meiden gelingt den Muthbetrübten
      die strenge Strafe.

So nur mögen in Sicherheit wir
      nun wandeln unsere Wege:
nur dadurch entgehn der Entgeltung wir
      versäumter Sorgfalt.


Swanhwit, die, während er sprach, die Schönheit seines Antlitzes genauer betrachtet hatte, sagte darauf:

Von Königen, nicht von Knechten, du stammst,
      deine Augen äussern's;
ihr lichtes Leuchten laut mir kündet
      deiner Abkunft Adel.

Der äussere Glanz deiner Augen zeigt
      des Innern Artung;
deiner Mienen Macht, mir verbürgt sie
      den hohen Herscher.

Nicht gemeinem Manne der Mann entspross,
      des Schönheit schaubar;
deine stolze Gestalt, sie bestätigt mir
      den edlen Ursprung.

Eiligst zum Aufbruch euch erhebt denn,
      euch ist Bahn geboten;
dass nicht zur Atzung werden den Ungethümen
      die lichten Leiber!


Aber Regnher fühlte jetzt grosse Scham wegen der Dürftigkeit seines Gewandes, das er in der Absicht, seine edle Abkunft zu verbergen, genommen hatte. Er erwiderte ihr also:

Nicht immer Knechte, sind sie knorzig auch,
      des Muthes mangeln;
oft bedeckt auch ärmlich Gewand
      hohe Herzen.

Nur Wingthôr Wingthôr (der geflügelte Thôr) ist eben Thôr. ich, den gewaltigen, scheue,
        nicht Spuck noch Gespenster;
denn an Stärk' ihm weichen die Sterblichen all'
        und alle Asen.

Doch Feldgescheuche fürchtet wenig
        der Muth der Männer;
denn nur Dunst und Duft die düstern sind,
        die leichten Leiber.

Du trügst dich, Maid, getraust du dich uns
        Furcht zu erfachen:
Nicht Brödigkeit die Brust uns füllt
        des weichen Weibes.


Swanhwit bewunderte des Jünglings Beständigkeit, und nachdem sie die Decke der sie umschattenden Wolke entfernt hatte, vertrieb sie das ihr Antlitz verhüllende Dunkel durch heitere Durchsichtigkeit, nahm ein für verschiedene Kämpfe geeignetes Schwert, versprach es ihm zu geben, und zeigte, indem ihre Glieder in nie gesehenem Glanze strahlten, ein wunderbares Bild jungfräulicher Schönheit. Sie verlobte sich darauf mit dem erglühten Jünglinge, reichte ihm das Schwert und sprach:

Nimm diess Schwert, deiner Schwurbraut erste,
        ihrer Gunst Gabe;
fällen mit ihm, Fürst, du wirst
        die trugbedachten Trolden! Riesen, Ungethüme.

In rühmlichem Streite deine Recht' es hebe,
        sein würdig dich erweise;
ein tüchtiger Stahl in tapfrer Hand,
        eines ehrt das andre.

Den Muth dir mehre die Macht des Schwertes,
        hart gleich ihm dein Herz sei;
das Schwert nicht frommt, wo schwach das Herz ist,
        feig in Zagheit zittert.

Mannes Muth, Macht des Schwertes
        sich immer sollen einen!
nur kühne Hand im Kampfgetümmel
        seinen Griff umgreife!

Rasch erringen sie Ruhm in Kämpfen,
      sind beide treu verbunden;
wenn eines jedoch sich vom andern trennt,
      ihre Macht sich mindert.

Reizet dich, Fürst, der Ruhm der Waffen,
      der süsse Sold des Sieges,
dann kühn zum Kampfe! keck ergreife,
      was die Hand dir hält!


Hierauf schickte sie ihre Begleiterinnen fort, und kämpfte die ganze Nacht hindurch mit dem Jünglinge gegen die Abscheu erregenden Haufen der Ungethüme. Als der Tag kam, sah man der Gespenster wunderbare Gestalten über die Flur hin zerstreut liegen, und unter denselben die mit vielen Wunden bedeckte Thôrhild. Alle wurden auf einen grossen Scheiterhaufen gelegt und verbrannt, dass nicht der Gestank der abscheulichen Leiber die in die Nähe kommenden schädige. Regnher ward hierauf König der Schweden und vermählte sich mit Swanhwit Dass Swanhwit (die Schwanweisse) Walkyrie sei, lehrt nicht nur ihr ganzes Benehmen, sondern auch schon ihr Name, der ursprünglich freilich nur dichterischer Beiname ist, weil die Walkyrien Schwangestalt annehmen. Ursprünglich kannte man wohl nur zwo Walkyrien, Hild und Gund (die Niederbeugende und die Wundenöffnende). Betrachtete man dann den Tod im Kampfe als eine Fügung des Schicksals, so lag es nahe, den Walkyrien die jüngste der Nornen, Skuld, beizugeben. Die Zweizahl der Walkyrien, die wie für zween einander bekämpfende Männer, so auch für zween Heere genügend war, genügte nicht mehr, als man den Walkyrien das Amt der Schenkinnen in Walhalla übertrug. Jetzt wurden dichterische Bezeichnungen der beiden Walkyrien als Eigennamen besonderer Walkyrien angesehen und ihre Zahl dadurch vermehrt. Solche Namen sind Hrist, Mist, Skeggöld, Skögul, Hlöck, Herfiötur, Thrûdh, Göll, Geirölul, Geirrömul, Geirahödh, Randgrîdh, Râdgrîdh, Reginleif, Geirskögul, Göndul. Es giebt ihrer wohl noch mehr. Die genannten bedeuten: Sturm, Todeswolke, Streitbeilalter, Vorragerin, Aufspringerin (oder Ruferin), Heerfessel, Gewaltige, Schreierin, Geerpflegerin, Geermächtige, Eiland der Geere, Schildträgerin, Rathgeberin, die Hinterlassene der Mächtigen, die mit dem Geere Vorragende, Wölfische. Lauter, wie man sieht, auf den Kampf sich beziehende Wörter. Da nun aber auch Bewerbungen um Jungfrauen nicht selten unter den Bewerbern Kampf und Tödtung hervorriefen, so begreift man, wie man auch sterbliche Jungfrauen als Kampferregerinnen Walkyrien nennen und ihnen dann auch die Eigenschaften dieser beilegen konnte..

Unter dessen bemächtigte sich Ubbo, der sich schon früher mit Ulfhild Zuerst mit Gudhorm vermählt, den sie zum Morde ihres Vaters aufreizte., einer anderen Schwester Frôdhi's, vermählt hatte, der Herschaft über Danland, dessen Verwaltung ihm unbedachtsam übertragen worden war. Er stützte dabei sich hauptsächlich auf die edle Abstammung seiner Gattin. Frôdhi, hiedurch genöthigt, den Krieg im Osten aufzugeben, fand sich bald mit der Flotte seiner Schwester Swanhwit an der Küste von Schweden in einen schweren Kampf verwickelt. Dadurch erzürnt bestieg er bei Nacht einen Kahn, ruderte im Stillen nach der feindlichen Flotte hin und suchte die Schiffe zu durchbohren. Von der Schwester ergriffen und gefragt, weshalb er heimlich so umher rudere, fertigte er sie mit der gleichen Frage ab; denn in derselben Nacht hatte auch Swanhwit ganz allein einen Kahn bestiegen und umkreisste, verschiedene Richtungen einschlagend, und bald vordringend bald zurückweichend, die Schiffe. Darauf erinnerte sie den Bruder daran, dass er ihr schon längst die Freiheit gegeben habe d. h. aus seiner Mund entlassen, da er nach Vaters Tode ihr Mundwalt war., und fragte ihn, ob er, der ihr vor dem Beginn des Krieges gegen die Ruthenen die Wahl des Gatten überlassen hätte, nun, nachdem sie gewählt habe, ihre Wahl gutheissen wolle Vgl. Erläuterung 7 zum ersten Buche.; denn er habe ja selbst erlaubt, dass geschehe, was nun geschehen sei. Auf diese gerechten Vorstellungen hin schloss er mit Regnher Friede und verzieh die Beleidigung, die der Schwester Leichtsinn ihm zugefügt zu haben schien. Von ihnen erhielt er nun auch so viel Volk, als er durch sie verloren hatte, und freute sich, dass seine Verletzung auf diese freundliche Weise ausgeglichen ward.

Er gelangte darauf nach Danland, wo Ubbo bald in seine Hände fiel. Er verzieh jedoch dem vor ihn gebrachten und wollte ihn nicht bestrafen, weil er die Herschaft mehr auf Antrieb seines Weibes als aus eigener Herschgier an sich gerissen zu haben schien, folglich mehr Nachahmer als Urheber der Beleidigung war. Aber die Ulfhild nahm er ihm und zwang sie, sich mit seinem Freunde Skoti Skoti bedeutet Schütze, Krieger. Saxo behauptet hier noch, dass nach ihm die Schotten benannt seien. zu vermählen, indem er den Wechsel des Gemahles für Strafe ansah. Als sie fortzog, begleitete er sie mit königlichen Fahrzeugen und vergalt so die Beleidigung durch Ehre, mehr seinen Ruf als ihre Schlechtigkeit berücksichtigend. Aber sie verzieh nicht dem Bruder (das verhinderte die Hartnäckigkeit ihres gewohnten Hasses) und ermüdete ihren Mann durch den Rath, Frôdhi zu tödten und sich Danland zu unterwerfen. Nur schwer pflegt das Herz aufzugeben, was es mit fester Liebe umfasste, und das unausgesetzt angestrebte Verbrechen schwindet nicht mit den dahin schwindenden Jahren dahin. Denn die spätere Neigung ist meist ein Erzeugniss der jugendlichen Gemüthsstimmung, und nicht so schnell entschwinden die Spuren der Laster, welche das zarte Alter den Sitten eindrückte.– Da ihr Gemahl ihr sein Ohr verschloss, so wandte sie ihre Nachstellungen von dem Bruder ab und auf den Gatten hin, und dingte Mörder, die die Brust des Schlafenden durchbohren sollten. Diesen Anschlag aber hatte Skoti durch einen Diener erfahren und gieng in der Nacht, in welcher er ermordet werden sollte, mit seiner Brünne bekleidet zu Bette. Ulfhild fragte ihn, warum er im Eisengewande der gewohnten Ruhe sich hingeben wolle, und erhielt die Antwort: es behage ihm gegenwärtig also. Als nun die Mörder ihn im Schlafe wähnten und sich auf ihn stürzten, glitt er vom Bette herab und erschlug sie. Dadurch bewog er Ulfhild die Nachstellungen auch gegen den Bruder aufzugeben, und gab andern ein Beispiel, wie man vor der Treulosigkeit der Gattin sich wahre.

Während sich diess ereignete, gerieth Frôdhi auf den Gedanken, Friesland mit Kriege zu überziehen, begierig den Ruhm, den er durch seine Besiegung des Ostens erlangt hatte, dem Westen vor die Augen zu stellen. Als er nach Westen segelte, bekam er es zuerst mit Witho, einem friesischen Seeräuber, zu thun. In diesem Treffen befahl er, dass seine Gefährten die ersten Angriffe der Feinde geduldig und nur durch Entgegenhaltung der Schilde aufnehmen sollten, und dass sie nicht früher der Wurfgeere sich bedienten als bis sie wahrnähmen, dass der Regen der feindlichen Wurfgeschosse gänzlich erschöpft wäre. Diese wurden nun von den Friesen um so eifriger geworfen, je geduldiger sie von den Dänen empfangen wurden, indem Witho glaubte, Frôdhi's Geduld entspringe aus seiner Begierde nach Frieden. Eine grosse Seeschlacht wird geschlagen, und mit gewaltigem Krach zerbersten die Wurfgeere. Da den Unvorsichtigen keiner mehr übrig ist, werden sie, von den Wurfgeschossen der Dänen überschüttet, besiegt. Sie fliehen an den Strand, werden aber zwischen den Krümmungen der Graben umgebracht. Darauf gieng er mit der Flotte in den Rhein und schlug seine Hände über die Grenzgaue Deutschlands. In das Meer zurückgekehrt, griff er die Flotte der Friesen an, welche in Untiefen und Strudel verschlagen war, und verstärkte den Schiffbruch durch Tödtung. Nicht zufrieden, so viele Heere der Feinde aufgerieben zu haben, gieng er nach Britannien. Nachdem er den König des Landes besiegt hat, wendet er sich wider Melbrik, einen schottischen Häuptling, der jene Gegend verwaltete. Eben in Begriffe ihn anzugreifen, erfuhr er durch einen Späher, dass der König der Britten heranziehe. Da er nun nicht zugleich beide Feinde bekämpfen konnte, deren einen er vor, den andern hinter sich hatte, berief er seine Streiter zur Versammlung, befahl, dass man die Schiffe verlasse, alles Geräthe abwerfe und das Gold, das getragen würde, auf dem Gefilde umher verstreue, indem er sagte, ihre einzige Rettung sei die Wegwerfung ihrer Güter. Den Eingeschlossenen bleibe keine andere Hülfe übrig, als den Feind durch Habgier von den Waffen hinweg zu locken. Unbedenklich müsse man die den Fremden abgenommene Beute in der höchsten Noth daran wenden. Die Feinde würden mit nicht geringerem Eifer das Aufgelesene wieder wegwerfen, als sie das Weggeworfene aufgelesen hätten. Es werde ihnen mehr zur Last als von Nutzen sein.

Da nahm Thôrkill, der alle anderen an Habgier aber auch an Redefertigkeit übertraf, den Helm vom Haupte, stemmte sich auf seinen Schild und sprach also: Die Härte deines Befehles, König, erregt die meisten von uns, die wir nicht gering achten, was wir mit Blut erworben haben. Ungern wirft man hinweg, was man mit grössester Gefahr erlangt weiss. Nur gezwungen giebt man auf, was man mit des Lebens Wagniss erkaufte. Es ist Wahnsinn, das mit männlichem Muthe und tapferer Faust Erstrittene weibisch preiszugeben und dem Feinde ungehoffte Güter darzubringen. Was ist schimpflicher, als dem Kriegsglücke durch Verachtung der Beute, welche wir tragen, zuvorzukommen und das sichere und gegenwärtige Gut aus Furcht vor einem zweifelhaften Uebel zu verschleudern? Noch haben wir die Schotten nicht erblickt, und wir wollen das Gefilde mit Gold bestreuen? Welchen Werth werden die in dem Kampfe haben, die, indem sie zum Streite ausziehen, der blosse Gedanke an den Kampf entmuthigt? Werden nicht wir, die wir dem Feinde furchtbar waren, ihm lächerlich werden, und Verachtung gegen Ruhm eintauschen? Der Britte wird sich wundern, dass er von denen besiegt ward, die er schon durch die Furcht, besiegt zu werden, besiegt sieht. Soll uns Furcht vor jenen bedrücken, denen wir eben erst Furcht einjagten? Sollen wir deren Abwesendheit scheuen, deren Gegenwart wir verachteten? Werden wir Reichthümer durch Tapferkeit erwerben, wenn wir sie aus Furcht aufgeben? Sollen wir das Gold, um welches wir kämpften, nun verachten und den Kampf dafür meiden? Die arm zu machen uns oblag, wollen wir die bereichern? Tapfer haben wir Beute gewonnen, wollen wir sie verzagt wegwerfen? Was kann von uns Schmählicheres begangen werden, als denen Gold zu zahlen, denen wir Eisen zu bieten haben? Furcht achtet niemals, was Tapferkeit erwarb. Was wir durch Kampf erwarben, nur durch Kampf soll man uns es nehmen. Zu gleichem Preise, wie wir die Beute kauften, wollen wir sie verkaufen: mit Eisen werde der Werth bestimmt. Es ist besser eines rühmlichen Todes zu sterben, als aus Begierde zu leben schlecht zu werden. In kurzer Zeit verlässt uns das Leben; die Schmach aber verlässt auch die Todten nicht. Dazu kommt, dass der Feind uns, wenn wir das Gold hinwegwerfen, um so eifriger verfolgen wird, von je grösserer Furcht er uns befangen glaubt. Uebrigens kann uns kein Geschick bestimmen des Goldes uns zu entäussern; denn als Sieger werden wir mit dem Golde, das wir tragen, bei der Heimkehr prangen, als Besiegte bezahlen wir damit unsere Bestattung. So sprach der Alte.

Aber die Krieger beachteten mehr des Königes denn ihres Genossen Ermahnung und gaben dem Rathe jenes den Vorzug. Um die Wette warfen sie hinweg, was jeder an Kostbarkeiten besass. Auch die Lastthiere, die verschiedenes Geräthe trugen, entlasteten sie der Bürden Den Ort, wo Frôdhi das Gold ausstreuen liess, nennt die Sage von Hrôdhulf, die später erzählt wird, Sirtwalls Sandflur.. Als sie auf diese Weise ihre Taschen und Säcke geleert hatten, umgürteten sie sich um so gelenker mit den Waffen. Als sie vorwärts schritten, stürzten sich die Britten auf die weithin dargebotene Beute und trennten sich. Als ihr König sah, dass sie begieriger als es gut war mit der Einsammlung des Goldes sich beschäftigten, warnte er sie; sie sollten sich hüten, die für den Kampf nöthigen Hände durch der Güter Last zu beschweren. Sie wüssten ja, man müsse zuvor gesiegt haben, bevor man die Beute zu nehmen gehe. Sie sollten nicht auf den Glanz des Erzes sondern des Sieges sehen, und wohl bedenken, es sei besser, den Sieg zu nehmen als Gut; grösseren Werth als Erz habe Tapferkeit, wenn man beide gehörig abwäge. Dieses gewähre nur äusseren Schmuck, jene gebe dem äussern und dem innern Schmucke seinen Werth. Sie möchten also ihre Augen von dem Golde abwenden und ihr der Habgier entzogenes Gemüth auf den Eifer für den Kampf lenken. Uebrigens sollten sie wissen, dass die Feinde mit Absicht die Beute weggeworfen hätten, und dass das Gold mehr zur Verlockung denn zum Gebrauche verstreuet sei. Der Glanz des Silbers berge einen trügerisch versteckten Haken. Man dürfe nicht wähnen, dass der so leicht fliehe, der das tapfere Volk der Britten früher zur Flucht genöthigt habe. Nichts sei verächtlicher als ein Gut, das den Ergreifer fessle, indem es ihn zu bereichern scheine. Die Dänen gedächten die, denen sie Gold dargeboten hätten, mit Mord und Eisen zu bestrafen. Wenn sie demnach das Hingeworfene aufläsen, würden sie nur den Feind damit ausrüsten. Denn wenn sie von dem Glanze des dargebotenen Erzes sich blenden liessen, würden sie nicht nur dieses, sondern auch das eigene Gold, das ihnen noch übrig sei, verlieren. Was könne es nützen aufzuheben was man sobald wieder hingeben müsse? Wenn sie sich nicht nach dem Golde bückten, würden sie bald den Feind beugen. Ihre Gemüther sollten also durch Tapferkeit aufgerichtet nicht durch Gier niedergebeugt sein. Nicht in die Habgier sich versenkende sondern zum Ruhme emporgerichtete Herzen sollten sie haben. Mit Waffen, nicht mit Golde müsse man streiten.

Als der König endigte, zeigte ein brittischer Reiter Allen den mit Golde belasteten Busen. Aus deiner Rede, König, begann er, schimmern zwo Leidenschaften hervor, Furcht und Missgunst, da du uns hinderst des Feindes wegen der Güter uns zu bemächtigen, und da du es vorziehest, dass wir dir als Bettler, nicht als Reiche, Kriegsdienste leisten. Was ist schmählicher als dieser Wunsch, was thörichter als deine Ermahnung? Wir erkennen diese Kleinode: werden wir uns bedenken, die erkannten aufzuheben? Was wir mit den Waffen wiederzuholen auszogen, was wir mit Blute wiederzuerkaufen strebten, sollen wir es ausschlagen, da es uns freiwillig dargeboten wird? Wollen wir zögern unser Eigenthum uns anzueignen? Wer ist furchtsamer, der das erlangte fortwirft, oder der das fortgeworfene aufzulesen fürchtet? Siehe, was Zwang uns entriss, giebt der Zufall uns wieder! Nicht des Feindes, unser Gut ist diess: der Däne brachte kein Gold nach Britannien, er raubte es daselbst. Was wir als Bezwungene ungern verloren, sollen wir das, da es freiwillig zurückkehrt, nicht aufnehmen? Was ist unsinniger, als Güter, die im Freien daliegen, zu verschmähen, und nach denen zu begehren, die verschlossen und versperret sind? Das vor Augen liegende sollen wir meiden, dem weichenden nachjagen? Des nahen sollen wir uns enthalten, nach fernem streben? Wann werden wir fremdes erbeuten, wenn wir das unserige zurückweisen? Nimmer werde ich die Götter so feindselig erfinden, dass ich genöthigt werde, den Busen, den ich mit dem Golde meines Vaters und Grossvaters angefüllt habe, einer so gerechten Bürde zu entledigen. Ich kenne der Dänen Ueppigkeit: nimmer hätten sie die mit Weine gefüllten Gefässe zurückgelassen, hätte sie nicht Furcht in die Flucht getrieben. Sie hätten eher das Leben als den Wein dahin gegeben! Sei es aber, sie mögen die Flucht erheuchelt haben: leichter werden sie die Schotten anfallen als ihnen entkommen. Nimmer sollen die Schweine auf diesem Golde herumtreten oder das Wild es beschmutzen; besser wird es zum Gebrauche der Menschen dienen. Ausserdem, wenn wir die Beute einem Heere entreissen, das uns besiegte, so tragen wir das Glück des Siegers auf uns über. Denn was kann für ein gewisseres Anzeichen des Sieges genommen werden, als Beute zu machen vor dem Kampfe, und das von dem Feinde verlassene Lager vor der Schlacht einzunehmen? Es ist besser durch Furcht zu siegen als durch Waffen.

Kaum hatte der Reiter geendet, als alle die Hände nach der Beute ausstrecken und das glänzende Erz auflesen. Da konnte man den hässlichen Geist der Habgier erkennen. Man sah sie mit dem Golde zugleich das Gras an sich reissen, Zwietracht unter ihnen entstehn, uneingedenk der Feinde einander mit dem Schwerte anfallen, die Rechte der Freundschaft und der Sippe verachten. Alle kannten nur Habsucht, Niemand Freundschaft.

Unterdessen durcheilte in raschem Zuge Frôdhi den Wald, der Schottland von Britannien scheidet, und hiess die Krieger zum Kampfe sich vorbereiten. Die Schotten betrachteten aufmerksam seine Reihen, und da sie selbst nur leichtes Wurfgeschoss hatten, die Dänen aber weit besser gerüstet waren, so vermieden sie den Kampf durch Flucht. Frôdhi, der ihm folgenden Britten eingedenk, verfolgte sie nicht eben weit. Da stiess Skoti Skoti ist nur durch seinen Namen in Schottland., der Gemahl seiner Schwester Ulfhild, mit einem gewaltigen Heere zu ihm, welches er von den entferntesten Marken Schottlands den Dänen zu Hülfe geführt hatte. Skoti rieth dem Könige die Verfolgung der Schotten zu lassen und sich mit ihm vereint nach Britannien zurückzuwenden. Frôdhi that diess und so errang er durch Mannhaftigkeit die Beute wieder, die er aus Schlauheit hinweg geworfen hatte. Jetzt verdross die Britten der Last, da sie ihrer Habgier entgalten. Sie schämten sich, minder der Ermahnung ihres Königes als ihrer eigenen Habsucht Gehör gegeben zu haben.

Hierauf wandte sich Frôdhi wider die berühmteste Stadt des Eilandes, London Die Eroberung von London ist ohne Zweifel aus den geschichtlichen Kriegen der Dänen im 9. Jahrhundert hier eingefügt.. Da hier aber die Festigkeit der Mauern eine Erstürmung unmöglich machte, so übte er wiederum List. Was ihm an Kräften gebrach, ersetzte er durch Schlauheit: er liess verbreiten, dass er gestorben sei. Als nun Dalemann, der Befehlshaber in London, die falsche Nachricht von seinem Tode vernommen hatte, rieth er den Dänen zur Unterwerfung und bot ihnen einen Führer aus der Zahl der Einheimischen an, und auf dass sie diesen aus der Menge der Bürger erwählen könnten, öffnete er ihnen die Stadt. Sie kamen also, grossen Eifer für die Wahl heuchelnd, in die Stadt und erschlugen Dalemann bei einem nächtlichen Auflaufe, den sie erregt hatten.

Nach solchen Thaten kehrte Frôdhi nach der Heimath zurück, wo ihm ein gewisser Skati bald darauf ein Gastmahl gab. Als Frôdhi bei ihm nach königlichem Brauche auf mit Gold bestreuten Polstern lag, ward er von einem gewissen Hunding zum Kampfe herausgefordert. Obgleich er sich nun hier den Freuden des Gelages hingegeben hatte, so ward er doch durch die Nähe des Kampfes mehr erfreut als durch die Gegenwart des Gastmahls, und beendigte das Mahl durch den Kampf, den Kampf durch den Sieg. Da er dabei eine bedenkliche Wunde empfangen hatte, so rächte er an dem Kämpen Hakwin, der ihn durch abermalige Forderung gereizt hatte, die Störung der Ruhe durch den Tod des Forderers. Zween seiner Kammerdiener, die öffentlich ihrer Nachstellungen überwiesen waren, liess er mit grossen Steinen am Halse in das Meer werfen, und strafte so ihren Verrath. Man sagt, dass um diese Zeit Ulfhild ihm einen Rock geschenkt habe, den kein Eisen verletzte, auf dass er, damit bekleidet, jedem Geschosse unverwundbar sei. Auch darf nicht unerwähnet bleiben, dass Frôdhi mit Goldstaube die Speisen zu bestreuen gewohnt war; er bediente sich desselben als eines Mittels gegen die gewöhnlichen Nachstellungen der Giftmischer. Als er Regnheren, den König der Schweden, der fälschlich des Verrathes bezichtigt war, mit Kriege überzog, kam er nicht durch die Gewalt der Wurfgeschosse, sondern durch die Last der Waffen und die Gluth des Leibes um Saxo hat bekanntlich aus dem mythischen Frôdhi mehrere Könige dieses Namens gemacht. Neuere Erklärer der alten Mythen haben nun in dem einen Frôdhi den Gott Frey (Fravis, Frô) wiedererkennen wollen. Ob sie dazu Grund hatten, darüber kann ich erst eintreten, wenn ich alle die Frôdhi vorgeführt habe. Einstweilen mache ich nur auf das Gold und dessen Gebrauch, womit Frôdhi in Verbindung gebracht ist, aufmerksam. Dass auch sonst noch Göttermythen in Heldensage nach dem Sturze des Heidenthumes verwandelt wurden, ist bekannt..


Erläuterungen als Fußnoten bzw. Anmerkungen eingepflegt. Re


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