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2. Frödhi V.

Frôdhi V. war ein Sohn Ôlav's, der, wie Einige wollen, ein Sohn Ingeld's war, Andere aber nennen den Ôlav einen Sohn der Schwester Ingeld's. Ôlav hinterliess sein Reich, als er starb, seinen Söhnen Frôdhi und Harald, und zwar so, dass der eine zu Lande, der andere auf dem Meere gebiete, und in diesem Amte sollten sie jährlich wechseln. Da die Herschaft also unter sie getheilt war, so übernahm Frôdhi zuerst die Beherschung des Meeres; er entehrte sich aber durch häufige Niederlagen auf Wikingszügen. Eine Hauptursache seines Unglückes war, dass er erst seit Kurzem vermählte Streiter hatte, welche die Vergnügungen des Hauses den Mühsalen des Kriegsdienstes vorzogen. Nach Verlauf eines Jahres übernahm der jüngere Bruder Harald die Meerherschaft, aber den Irrthum seines Bruders meidend nahm er nur unverehelichte Krieger auf seine Schiffe. In seiner Auswahl war er glücklich, denn er ward ein ebenso ruhmvoller Wiking, als sein Bruder ein unberühmter gewesen war. Das zog ihm jedoch den Neid seines Bruders zu; auch ihre Gattinnen, Signy und Ulfhild, deren eine die Tochter Sigward's, des Königes der Schweden, die andere die Tochter Karl's, des Beherschers der Gauten, war, stritten oft über ihren höheren Adel und störten dadurch das freundliche Zusammenleben ihrer Gatten. So kam es, dass Frôdhi und Harald ihre bisher gemeinsamen Güter, theilten, indem sie mehr auf das Gezänke der Weiber, als darauf, dass sie Brüder seien, Rücksicht nahmen. Frôdhi nun, der da meinte, dass des Bruders Ruhm ihm zur Schande gereiche und ihm Verachtung zuziehe, beredete heimlich einen der Hausdiener, den Harald umzubringen, weil er sah, dass der es ihm an Tapferkeit zuvorthue, der ihm an Alter nachstund. Als diess geschehen war, liess er den Hausdiener heimlich tödten, damit nicht seine Schuld durch den Mitwisser an den Tag käme. Hierauf befahl er, auf dass man ihn für schuldlos halte, sorgfältig zu untersuchen, welch ein Missgeschick seinen Bruder so plötzlich dahingerafft habe. Aber durch alle seine Kunststücke war er nicht im Stande es dahin zu bringen, dass ihn nicht die Meinung des Volkes als den Anstifter der Ermordung angesehen hätte. Als er später einmal Karln befragte, wer wohl Haralden getödtet haben möge, antwortete dieser: er frage nach einer bekannten Sache, stelle sich aber, als wisse er nichts davon. Durch diese Antwort zog sich Karl den Tod zu, da Frôdhi meinte, er habe ihn auf versteckte Weise des Brudermordes bezichtigt.

Als darauf Harald und Halfdan, die Söhne Harald's und der Signy, der Tochter Karl's, von ihrem Oheim mit dem Tode bedrohet wurden, so ward von den Beschützern derselben ein sehr schlaues Mittel, die Waisen zu retten, ersonnen. Sie hefteten nämlich abgeschnittene Wolfsklauen unter ihre Füsse und begannen den ihre Häuser umgebenden Lehmboden und die mit Schnee bedeckte Erde durch häufiges Hin- und Herlaufen zu durchfurchen, so der wilden Thiere Fährten darstellend. Darauf tödteten sie die Kinder ihrer Mägde, zerstückelten die Leiber derselben und warfen die zerrissenen Glieder hie und da umher. Als man nun die Jünglinge suchte aber nicht fand, erblickte man die umhergestreuten Glieder, die Fährten der Wölfe, und fand die Erde mit Blut bespritzt. Man glaubte, die Knaben seien durch die Gefrässigkeit der Wölfe umgekommen, und es war Niemand da, der einen so offenbaren Beweis beargwöhnt hätte, und so diente das, was man sah, zum Schutze der Waisen. Bald darauf wurden die Knaben in eine hohle Eiche eingeschlossen und lange, als ob sie Hunde wären, ernährt, auf dass Niemand entdecken könnte, dass sie noch lebten. Auch das Gebell ward ihnen beigebracht, auf dass Niemand über die Verborgenen eine Meinung sich zu bilden im Stande wäre. Nur Frôdhi allein glaubte nicht an ihren Tod, und er gab sich Mühe, ihren Versteck durch eine Hexe in Erfahrung zu bringen. Die Kraft ihrer Zaubersprüche war so gross, dass sie das Vermögen zu haben schien, jegliche Sache, wie verworren sie auch durch Schürzung der Knoten sein mochte, zu lösen, oder sobald sie nur ihr aus der Ferne sichtbar war, bis zur Berührung herbeizurufen. Sie versicherte, dass ein gewisser Regin übernommen habe sie heimlich zu erziehen, und dass er denselben, um die Sache zu verbergen, Hundenamen gegeben habe. Als die Knaben sahen, dass sie durch die ungewöhnliche Kraft der Zaubersprüche aus ihren Verstecken herausgelockt, und dass sie den Blicken der Zauberin nahe gebracht würden, so füllten sie ihr die Schooss voll mit dem von ihren Beschützern empfangenen Golde, auf dass sie nicht durch die Kraft eines so grausen Zwanges preisgegeben würden. Das Weib nahm das Gold mit Freuden an, stellte sich plötzlich krank und stürzte gleich einer Todten zu Boden. Als die Diener des Königes sich nach der Ursache dieses so plötzlichen Niedersturzes erkundigten, sagte sie: die Flucht der Söhne Harald's sei unerforschbar und ihre grosse Kraft schwäche auch die Wirkung der stärksten Zaubersprüche. Sie war demnach mit dem kleinen Geschenke zufrieden und wollte nicht von dem Könige grössere Belohnung heischen. Als Regin bald darauf inne ward, dass das Gerücht von ihm und seinen Pfleglingen durch das Gerede des Volkes immer grössere Verbreitung gewinne, führte er beide nach Fünen hinüber. Hier ward er von Frôdhi gefangen, und er gestand, dass er die Jünglinge beschützt habe; zugleich bat er aber den König, dass er die Waisen, die er des Vaters beraubt habe, schone, und er solle es nicht für ein Glück halten, wenn ihm zwiefacher Verwandtenmord vorgeworfen würde. Durch seine Worte verwandelte er den Grimm des Königes in Scham, und da er zugleich gelobte, er werde dem Könige es anzeigen, wenn von ihnen Aufruhr im Reiche angestiftet werden sollte, so erwarb er dadurch den Jünglingen Sicherheit und lebte selbst noch viele Jahre aller Furcht entledigt. Als sie erwachsen waren, giengen sie nach Seeland; denn die Freunde waren ernstlich in sie gedrungen, dass sie die Ermordung ihres Vaters rächten, und sie hatten gelobt, dass sie und der Oheim nicht ein Jahr neben einander leben sollten. Als dieses Regin erfuhr, gieng er, wie sein Vertrag es wollte, während der Nacht in die Burg des Königs und gab kund, dass er heimlich gekommen sei, um ihn von der Unternehmung in Kenntniss zu setzen; er duldete jedoch nicht, dass man den Schlafenden aufwecke, weil Frôdhi gewohnt war seine Erweckung mit dem Schwerte zu bestrafen. Diess erfuhr Frôdhi am Morgen durch die Wächter, und als er hörte, dass Regin von den ihn bedrohenden Nachstellungen Kunde gebracht habe, zog er sein Heer zusammen und beschloss, der Hinterlist durch Grimm zuvorzukommen. Den Söhnen Harald's blieb kein anderes Mittel zur Rettung, als sich wahnsinnig zu stellen; denn da sie sich ganz unvermuthet plötzlich umringt sahen, begannen sie sogleich sich wie Besessene zu geberden. Da Frôdhi sie in der That für wahnsinnig hielt, gab er seinen Vorsatz auf, indem er es für schimpflich ansah, diejenigen mit dem Schwerte anzugreifen, welche das Schwert gegen sich selbst zu wenden schienen. In der nächsten Nacht ward er von ihnen durch Feuer getödtet, und büsste so auf würdige Weise den Brudermord. Als sie nämlich in die Burg eindrangen, tödteten sie zuerst die Königin durch Überschüttung mit Steinen, dann legten sie Feuer an das Haus und zwangen den Frôdhi, sich in eine schon längst ausgehauene enge Höhle zu verkriechen, wo er durch Dunst und Rauch umkam. Frôdhi V. passt seinem Wesen nach nicht recht zu den vier ersten Königen dieses Namens. Die vier ersten aber sind eigentlich nur Ein Wesen, das mit den Hleidhrakönigen oder den Skiöldungen nichts zu schaffen hat, obgleich Snorri in seiner Edda den ersten Frôdhi einen Enkel Skiöld's nennt. Frôdhi ist eine rein mythische Gestalt, und schon Münch erkannte, dass er mit dem Gotte Frey zusammenfällt, wie denn auch die Ynglinga-Saga die Stiftung des Frôdhifriedens in Verbindung bringt mit der Herschaft des Frey in Uppsala.


Erläuterung.

Doch schon von Anfang an stund Frôdhi-Frey in Verbindung mit dem Heiligthume zu Hleidra. Hat demnach Saxo auf der einen Seite aus dem einen Frôdhi mehrere gemacht, so hat er auf der andern Begebenheiten, die ihm gewiss bekannt waren, die er jedoch zu mythisch finden mochte, völlig ausgeschlossen. Eine solche findet sich z. B. in der Snorra-Edda Skaldskaparmâl 43, sie lautet:

Warum heisset das Gold Frôdhi's Mehl ?

Darüber ist zu wissen, dass Skiöld, von dem die Skiöldunge herkommen, ein Sohn Ôdhin's war. Er hatte Sitz in Dänemark und beherschte dieses Land, das damals Gotland hiess. Skiöld hatte einen Sohn mit Namen Fridhleif, der nach ihm der Lande waltete. Fridhleifs Sohn hiess Frôdhi, der als König auf seinen Vater folgte. Aber weil Frôdhi war der mächtigste aller Könige in den Norderlanden, ward ihm der Friede, der alle Dänen umfasste, zugeschrieben, und die Nordmannen nennen ihn Frôdhi's Frieden. Kein Mann schädigte da den andern, und hätte er auch den Mörder seines Vaters oder Bruders gebunden angetroffen. Auch gab es damals weder Dieb noch Räuber, so dass ein Goldring drei Jahre hindurch auf der Landstrasse bei Jalangersheide lag und Niemand wollte ihn aufnehmen. König Frôdhi fuhr einst nach Schweden, um den König Fiölnir zu besuchen Fiölnir ist ein Beiname Ôdhin's; der Besuch Frôdhi's bei ihm bezeichnet also nur die Verschmelzung der Verehrung beider Götter, Ôdhin's und Frey's.. Daselbst kaufte er zwei Mägde, sie hiessen Fenja und Menja, und waren gross und stark. (Dass dieser Mythus auch im innern Deutschland einst bekannt war, wird schon durch die beiden Namen Fanigold und Manigold beglaubigt.)

Zu jener Zeit gab es in Dänemark zwei so grosse Mühlsteine, dass Niemand stark genug war, um sie zu drähen; aber diese Mühle hatte die Eigenschaft, dass sie Alles mahlte, was der wollte, für den sie mahlte. Diese Mühle hiess Grotti, und Hengikiöpt war der genannt, der dem Könige Frôdhi die Mühle gab. (Hengikiöpt ist ein Beiname Ôdhin's und bedeutet einen, der die Lippen hängen lässt. Wir haben also hier aufs neue Verbindung zwischen Ôdhin und Frey). König Frôdhi liess die Mägde zu dieser Mühle führen und gebot ihnen, ihm Gold und Frieden zu mahlen, und gestattete ihnen nicht länger zu ruhen oder zu schlafen, als der Kukuk sein Lied hören lasse. Man sagt, dass die beiden Mägde das Lied sangen, welches Mühllied heisst, und bevor das Lied endete, mahlten sie dem Frôdhi ein Kriegsheer; es kam nämlich in derselben Nacht der Seekönig Mysing und erschlug Frôdhin und nahm grosse Beute. Da endete sich Frôdhi's Frieden. Mysing nahm Grotti, sowie Fenja und Menja mit sich und befahl ihnen, Salz zu mahlen. Um Mitternacht fragten sie, ob Mysing noch nicht des Salzes genug hätte? er befahl aber ihnen noch länger zu mahlen. Da mahlten sie noch eine kurze Frist, bis das Schiff sank, und es entstund ein grosser Strudel im Meere, als die See in die obere Oeffnung der Mühle sich ergoss ; so ward die See salzig.

Das oben erwähnte Mühllied aber lautet:

Sie kamen denn nun zu des Königes Häusern,
die das Fernste wissen, Fenja und Menja;
von Fridhleifs Sohne Frôdhi wurden
die derben Dirnen zum Dienst erworben.

Die mächtigen Maide an der Mühle stunden,
schwangen im Schwunge den schweren Mahlstein;
keiner er Rast noch Ruhe gönnte,
mahlen und mahlen die Mägde sollten.

Da murreten sie und sie murmelten grimm
{die Dirnen waren düsteren Sinnes} Alle eingeschlossenen Zeilen sind ergänzt, sie fehlen in der Urschrift.:
»Lass stehn den Stein und die Stangen der Mühle!«
doch mahlen er hiess die Mägde fürder.

Sie sangen und schwangen den schweren Stein noch
{Gehorsam dem harten Herscherworte,}
als Frôdhi's Mägde meist schon schliefen.
Menja da sagte, an der Mühle lehnend:

»Menge des Goldes mahlen wir
dem glücklichen Frôdhi auf Glückesmühle,
er schwelg' im Golde, schlaf auf Daunen
oder wache nach Wunsch: das ist wohlgemahlen.

Nie soll Einer hier den Andern schädigen,
nicht zu Leid ihm hausen, noch sein Leben gefährden,
noch mit schneidigem Schwert ihn hauen,
und hätt' er gebunden des Bruders Mörder.«

Doch Frôdhi nur sprach das frühere Wort drauf
{nicht mild er traun den Mägden war:}
»Schlafet nicht länger als Saales Kukuk Hahn.
oder länger, als laut sein Lied erschallet.«

»Fremd doch war dir, Frôdhi, die Klugheit,
dir, der Männer Freund, als die Mägde du kauftest;
ihren Arm du prüftest, ihr Antlitz auch,
doch ihrer Abkunft du übel vergassest.

Hart war Hrungnir Der Riese Hrungnir bezeichnet das harte, dürre Felsgebirge, welches dem Landbau hinderlich ist. Er ward von Thôr getödtet; man sehe Uhland's Schrift: Der Mythus von Thôr. Thiassi ist hier Hrungnir's Bruder; sonst trägt auch ein Begleiter Thôr's diesen Namen., hart sein Vater,
Thiassi jedoch an Thatkraft reicher;
Idhi und Örni sind unsere Väter,
der Bergriesen Brüder, wir beider Töchter.

Aus dem grauen Felsen nie Grotti kam,
noch der scharfe Stein aus dem Schooss der Erde,
noch mahlte daran die Maid der Riesen,
wenn einer ihre Abkunft wüsste.

Wir viele Winter Gefährten waren,
wir Starken, erzogen im Steingeklüfte;
Machtthaten dort wir Maide wirkten,
das starre Gestein ab dem Standort schleudernd;

Wälzten Wacken übern Wall der Riesen,
dass der Boden bebend erdröhnte;
so warfen wir den wuchtigen Stein,
den mächtigen Block, dass er Männer hinriss.

{Nach Schweden darauf zur Schlacht wir zogen,}
dort Schicksals kundig schalteten wir,
beugten Männer, brachen Schilde,
eilten entgegen den Eisenschaaren :

Stürzten Kämpen, stützten Andre,
gaben dem guten Gudhorm Hülfe;
Ruhe nicht ward vor des Recken Falle,
{den Feinden er immer Furcht erregte.}

Vorne wir stunden im Vordertreffen,
dass wir bekannt durch Kämpfe würden;
da schossen wir mit scharfen Geeren
Wallende Wunden, die Waffen röthend). Diese drei Strophen sind ohne Zweifel ein späterer Zusatz; sie sollen erklären, warum die Riesenjungfrauen nach Schweden gekommen seien. Aber es werden in diesen Strophen Geschäfte der Walkyrien aufgezählt, womit die Riesinnen nichts zu thun haben.

Nun kamen wir zu des Königes Häusern,
freudlos beide, und zur Frohn gezwungen;
unten beisst Schmutz uns, und oben Kälte;
rollend rauscht der Mühlstein : Rauh ist's bei Frôdhi,

Die Hände möchten rasten, der Hauptstein ruhen;
ich mahlte was ich mochte; der Mühe genug sei!
Doch nie halten soll ich die Händ' in Ruhe,
bevor mir Frôdhi nicht Frist will geben.

Die Hände sollen halten harte Geere,
Waffen des Wahlfeldes! Wache du, Frôdhi,
wache du, Frôdhi, soll zur Freude dir sein
unser Gesang und die Sage der Vorzeit.

Auf lohet Feuer östlich der Burg,
dir zur Strafe wird sich Streit erheben;
zum Angriff eilen sie augenblicklich,
sie brennen nieder den Bau des Königs.

Nicht Hleidra's Herschersitz halten wirst du,
nicht rothe Ringe, noch den reichen Goldhort.
Kräftiger fasse die Kurbel, Jungfrau,
nicht sind wir, Wahlmaid, im Wahlfeld schon!

Meines Vaters Maid mahlte kräftig,
weil sie der Tapferen Tod voraus sah;
es brachen die starken Stützen der Mühle,
die eisenbeschlagenen, doch immer gemahlen!

Doch immer gemahlen! Der Yrsa Sohn wird,
der Mag Halfdans, Frôdhi's Mord bestrafen;
geheissen so wird der Herscherin Sohn
wie ihr Bruder heisst; wir beide wissen's!

Die Maide mahlten, ihre Macht sie prüften,
es waren die jungen in Jötungrimme;
es brachen die Stangen, es barst die Mühle,
der tramme Treibstein in Trümmer sank.

Und der Bergriesen Maid {über die Burg hin blickte,}
das wilde Weib, und das Wort sie sprach:
»Wir mahlten dir, Frôdhi, wie der Muth uns antrieb,
es mahlten, mein' ich, die Mägde genug dir.«

Dieses ist das berühmte Mühllied; aber es ist nicht vollständig uns erhalten. Es hat auch unausfüllbare Lücken, wie das Vorwort in ungebundener Rede zu erkennen giebt. Mysing's Name wird nicht genannt, noch wird gesagt, dass er die Riesenjungfrauen mit sich nahm zusamt der Mühle Grotti, und dass er ihnen gebot Salz zu mahlen, wodurch sein Schiff mit Mann und Maus untergieng, die See salzig ward, die Riesenjungfrauen aber wahrscheinlich sich retteten. Für den Frôdhi-Mythus jedoch enthält das Lied alles, was wir bedürfen, da dasselbe bis zum Tode Frôdhi's und der Verkündigung seiner Rache durch Halfdan vorschreitet.

Zur Sage von Ingeld wende ich mich erst jetzt, nachdem ich die Sage von Frôdhi (alle fünf als einen genommen), dessen Sohn er ist, besprochen habe. Die Sage von Ingeld bildet bekanntlich im angelsächsischen Béowulf eine Erzählung, welche dem Helden des angelsächsischen Gedichtes selbst in den Mund gelegt ist. Sie lautet also:

Dann den Tapfern dort die Tochter Hrôdhgârs
den Edlen zutrug den Alebecher;
das frohe Hofvolk ich Freáwara
sie nennen hörte, als sie den Nagelstauf Ein goldenes, mit Buckeln (Nagelkuppen) versehenes Trinkgefäss.
den Helden reichte. Verheissen sie war,
die goldgeschmückte, Frôda's glattem Sohne:
der Freund der Skildinge erfreute sich des
weiter Herschaft, und für Gewinn er's hielt,
dass mit dieser Frauen er die Fehde stillte,
den Hass versühnte. Das Hofvolk oft
kurze Zeit nach der Kämpen Falle
der Blutgeer beugt, ob die Braut auch tauge.
Kränken drum es mag den König der Hadhubarden Ein norddeutsches Volk an der Elbe im Bardengau, mit der Hauptstadt Bardewik, sesshaft.,
und die Degen alle dieses Volkes,
wenn mit dem Weibe die Wohnung durchschreitet
vom Gefolg' umringt der Fürst der Dänen,
und den Augen er zeiget der Ahnen Nachlass,
den hehren Herscherreif der Hadhubarden,
ihr Stolz, als der Waffen sie walten konnten,
bis im Kampfe sie die kühnen verloren
die edlen Genossen und ihr eigenes Blut.
Ein alter Kämpe, der an Alles denkt,
an den Geertod der Kämpfer, Grimm sein Herz füllt,
zur Rache er reizet, wenn den Reif er erblickt
zornigen Sinnes beim Zechgelage.
Mit Jammerworten dem jungen Kämpen
mannhaften Sinnes den Muth er anreizt,
Wuthgrimm er weckt, und das Wort er flüstert:
»Kannst du, mein Freund, das Kampfschwert sehen,
das dein Vater im Gefechte trug
unterm lichten Helme zum letzten Male,
den theueren Stahl, wo die Dänen ihn schlugen
und der Wahlstatt walteten, seit Widhergild lag
nach der Fechter Falle, die frischen Skildinge?
Nun geht dieser Mörder Mag'– ich weiss nicht welches–
des Hortes sich freuend in der Halle da,
des Kampfes sich rühmend und das Kleinod tragend,
das mit Fug du führen solltest!«
Ohne Rast und Ruhe reizet er auf so
mit zeihenden Worten, bis die Zeit erscheinet,
dass der Frauendiener für Vaters Thaten
nach Beiles Bisse blutfarb schlummert,
dem Tode verfallen; der Tödter aber
leicht entfernt sich, kennt das Land völlig:
dann wird gebrochen von beiden Seiten
der Eidschwur der Männer, seit in Ingeld's Herzen
der Wehzorn wallet, und Weibes Liebe
nach Kummers Anschwall ihm kühler wird.
Drum ich der Hadhubarden Huld nicht erachte
von Dauer, den Frieden, den Dänen unschädlich,
fest die Freundschaft.–

Man sieht, dass diese angelsächsische Erzählung, welche an Alter diejenige Saxo's übertrifft, mit dieser nicht völlig übereinstimmt. Nach der angelsächsischen Erzählung vermählt sich Ingeld mit der Tochter des Dänenköniges Hrôdhgâr, und schlichtet damit die alte Feindschaft zwischen seinem Vater Frôdhi und dem Könige Hrôdhgâr. Er erhält nun durch Unterstützung Hrôdhgâr's die Herschaft über die Hadhubarden, deren König Widhergild im Kampfe gegen die Dänen gefallen ist. Die Hadhubarden verdriesst sein eitler Uebermuth; sie empören sich, aufgereizt durch einen alten Kämpen, gegen die Dänen Ingeld's. In diesem Kampfe fällt ein Verehrer der Freáwara, der als Frauendiener bezeichnet wird. Der ihn erschlug, entkommt; aber auch Ingeld's Liebe zur Freáwara schwindet. Nach Saxo jedoch ist Ingeld, nicht Hrôdhgâr, selbst König der Dänen; er vermählt sich mit einer ungenannten Tochter des Sachsenherzogs Swerting, welcher seinen Vater Frôdhi getödtet hat. Er versöhnt sich auch mit den Brüdern seiner Gattin und ziehet diese an seinen Hof, und führt mit ihnen ein überaus schwelgerisches Leben, bis er, von Starkadh aufgereizt, sie mit dessen Hülfe erschlägt, um den Tod seines Vaters an den Söhnen des Tödters zu rächen, und verstösst seine Gattin. Wir haben also andere Verhältnisse in Béowulf und andere bei Saxo; der Ort der Begebenheit ist nach Béowulf Bardewik, nach Saxo Hleidra auf Seeland. Bei Saxo ist die Gattin Ingeld's namenlos, in Béowulf der alte, zur Rache aufreizende Krieger. Noch dunkler ist eine Erzählung im angelsächsischen Liede des Wanderers Widsith. Dort lesen wir:

Hrôdhwulf und Hrôdhgâr hielten sehr lange
Freundschaft zusammen, die frohen Sippen,
seit sie überwanden der Wikinge Volk
und Ingeldes Anfall wehrten,
verhieben zu Heorot der Hadhubarden Kraft.

Zunächst fragt es sich, ob hier von einem, zweien oder dreien Kämpfen die Rede ist. Haben Hrôdhwulf und Hrôdhgâr zunächst gegen die Wikinge, dann gegen Ingeld und zuletzt gegen die Hadhubarden gekämpft, oder haben wir den Ingeld hier als König der Hadhubarden anzusehen, der mit diesem Volke die Dänenkönige auf Seeland angriff, und zwar zu Schiffe, weshalb denn auch die Hadhubarden Wikinge genannt sein könnten? Wir sehen, diese kurze Darstellung stimmt weder zu Béowulf noch zu Saxo. Von einer Gattin Ingeld's ist hier gar keine Rede, und der Kampf findet statt bei Heorot, d. h. bei der Burg, die sich Hrôdhgâr auf Seeland erbaute, wie wir aus Béowulf wissen.



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