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Klabund (Alfred Henschke)

1891 – 1928

Klabund, in Wirklichkeit Alfred Henschke, wurde am 4. November 1891 in Crossen geboren. Sein Pseudonym – eine Kreuzung von Klabautermann und Vagabund – soll »Wandlung« heißen und gibt nach Soergel ein Bild des Dichters, seiner inneren Umkehr, die wohl ursprünglich gemeint ist, »das Eingeständnis eines ewigen Wechsels, dessen Sehnsuchtsinhalt nie der gleiche ist«. Eine seiner ersten Gedichtbände, »Die Himmelsleiter« (1920),vereint die zwischen 1912 und 1916 entstandene Lyrik und die schönsten seiner Verse. Sie sind ein Gemisch von Spott und Ironie mit Zartheit und echter Empfindung. 1914 wurde Klabund eingezogen, dann wieder als untauglich entlassen. Er erkrankte und ging 1916 von München nach Davos, wo er »Die Krankheit« schrieb, auf die wir weiter unten noch zurückkommen. Er verließ dann das Sanatorium und zog in den Tessin. In Locarno lernte er seine erste Frau kennen, die bald starb, und so ging er 1919 nach Bayern, im Winter 1920 nach Berlin, wo er im Kabarett auftrat. Die Vorträge hatten ihn aber so angestrengt, daß er wieder krank wurde, einen schweren Blutsturz bekam. Er ging nach Positano bei Palermo zur Kur. Obwohl er fieberte, schrieb er immerfort an seinen Büchern.

Im Winter 1922/23 erkrankte Klabund zum dritten Mal, und zwar am allerernstesten. Er verlor die Stimme und blieb ein halbes Jahr vollkommen stumm. Er ging wieder nach Davos, wo er von seinem Arzt Dr. Ruedi dreimal operiert wurde. »Dieser Arzt hat an meinem Kehlkopf ein Wunder getan; ich verdanke ihm, daß ich heut wieder sprechen kann«.

Von Davos ging er nach München; dort heiratete er die Schauspielerin Carola Neher; er zog mit ihr nach Breslau.

In seiner »Totenrede für Klabund« (zuerst Berliner Tageblatt vom 14. Sept. 1928, 1 Beiblatt. Nr. 435, dann Gottfried Benn, Gesammelte Prosa. Potsdam 1928. S. 208 bis 215) erzählt sein Schulkamerad, Freund und Arzt Benn, daß für Klabund wohl die schönsten Jahre diejenigen waren, die er in Berlin bald nach dem Kriege verlebte. »Es waren die Jahre der zweiten Periode seiner Gedichte, seiner Romane und die Jahre, in denen ihm der Gedanke an den ›Kreidekreis‹ kam. Es waren auch Jahre der Krankheit, und ich ging oft zu ihm als Arzt. Manchmal nannte ich ihn in Freundschaft Jens Peter, das waren die Vornamen des großen dänischen Romanschriftstellers Jens Peter Jacobsen, dem er äußerlich ähnelte, und der an der gleichen Krankheit litt und starb. Oft auch sah ich Veilchen in seinem Zimmer, die Lieblingsblumen Chopins, seines anderen Krankheitskameraden. Einmal lasen wir zusammen die letzten Worte Chopins, die er an seinem Todestage schrieb, sie lauteten: ›Meine Versuche sind nach Maßnahme dessen vollendet, was mir zu erreichen möglich war.‹ – Das Abschiedswort eines wahren Künstlers, der das Fragmentarische des Individuellen erlebt hatte, ein Wort von Stille und Zurückhaltung, wie es auch Klabund hätte geschrieben haben können, dessen Grundzug seines Wesens alle die Jahre hindurch der einer tiefen brüderlichen Bescheidenheit war.«

In Klabunds »Geschichte der Weltliteratur in einer Stunde« (Leipzig 1923, S. 88) kommt er selbst auf Jacobsens Lungenkrankheit zu sprechen und auf die von Hermann Bang. Dabei spricht er den bemerkenswerten Satz aus: »Diese konstitutionelle Krankheit hat die Eigenschaft, die von ihr Befallenen seelisch zu ändern. Sie tragen das Kainsmal der nach innen gewandten Leidenschaft, die Lunge und Herz zerfrißt.«

Klabund war seit langem ein Todgeweihter gewesen. Und er hat es gewußt. Unter allen Kranken sind die Lungenleidenden am schwersten über ihr Schicksal zu täuschen, und zu alledem war Klabund einer, der jede Täuschung verabscheute und den auch der erfahrenste ärztliche Schauspieler nicht über seinen Zustand zu betrügen vermochte. Gegen Mitte August 1928 kam aus Davos, wo er oft Heilung von der Lungenschwindsucht gesucht hatte, die Nachricht, daß Klabund an den Folgen einer Lungenentzündung, zu der Rippenfellentzündung dazugekommen war, gestorben sei. Er hatte nur ein Alter von 37 Jahren erreicht.

Arosa und Davos waren Klabund nur allzu vertraut. In seinen Versen spielt das Sanatorium, die Liegekuren und die Krankheit selbst eine große Rolle. Der Gedichtband, in dem er seine durchlittenen Nächte, die Prüfungen seines von der Schwindsucht heimgesuchten Körpers, seine Träume und seine Sehnsucht in erschütternden Versen niedergelegt hat, heißt »Das heiße Herz«. In den kleinen Liedern für Irene (Kleines Klabundbuch, Reclam Nr. 6251, S. 62) wird ein Tag im Sanatorium geschildert:

Man erwacht im Sanatorium.
Eimer klirrt, es klatscht der Besen.
Heiliger wie ein Oratorium
Tönt der Tag: geweint ... gewesen ...

Gütig gehn des Arztes Schritte,
Eine Schwester hüpft daneben.
Aus der Finsternisse Mitte
Schlägt ein Uhrenschlag ins Leben.

Emsig schon an der Tabelle
Träumt ein Assistent bedeutend.
Und ich ziehe an der Schelle,
Tee und Tag zum Bette läutend.

In dem »Sanatorium« überschriebenen Gedicht (Morgenrot! usw. S. 67) sagt er von sich:

»Er hüstelt, hustet, und zuweilen spuckt er
Den gelben Auswurf in die blaue Flasche.«

Und ein andermal (Die Himmelsleiter, S. 21) in »Arosa«:

»Aber wir, auf den Veranden
Liegen stumm wir Tag und Tag,
Niemand ist, der uns Guirlanden
Frommer Wünsche flechten mag.«

Hier auf dem Liegestuhl fühlt sich Klabund »dem Arzt verdingt.« (Ebenda S. 24.) Immer sucht er

»Hinter Schnee und Tannen,
Hinter des Abendrotes Lungenbluten
Des Horizontes Unermeßlichkeit.« (Ebenda S. 22.)

Bisweilen kommen die Todesgedanken durch (S. 47):

»Und so kriechen unsre Tage
Ekle Würmer durch den Keller,
Und wir hungern, und wir klagen
Nie: schon pfeift die Lunge greller;
Schmeißt die Schwindsucht uns in Scherben ...
Laßt uns sterben, laßt uns sterben!«

In einer »komischen Elegie« (S. 41) heißt es zum Schluß:

»Zum Zwecke eines tröstenden Blutgeschwüres
Kauf ich verschiedene Flaschen Schnäpse. Wo misch
Ich sie? Wo sauf ich sie? O rühr es
Den Himmel doch, wie meine Seele heute traurig
zugleich und komisch.«

In der »Davoser Bar« (S. 52) wird grotesk von Tuberkel und Kaverne gesprochen:

»Ein Herr tanzt exaltiert wie ein Tuberkel,
Des Frackes Schöße zwitschern vogelgleich ...
Ein Jüngling träumt von einer fernsten Ferne.
Aus seiner ausgeschnittenen Weste stiert
Die Höhlung einer riesigen Kaverne,
In der die Nacht wie eine Palme friert.«

(Berlin 1917.)

In der Erzählung »Die Krankheit«, die in Davos spielt kommen charakteristische Stellen vor: »Die Schwindsucht ist überhaupt keine Krankheit. Sie ist ein Zustand des Leibes und der Seele. Ich wollte schon längst einmal eine Psychoanalyse der Schwindsucht schreiben.«

Interessant wird von den jetzigen Liege- und den früheren Reitkuren gegen Tuberkulose gesprochen.

»Davos ist Vineta, die verzauberte Stadt.«

»Alle dunklen Worte« – mit der Geisha O-Sen zu sprechen – »münden nächstens in die Liebe ein«, in die Liebe zu diesem Menschen Klabund-Henschke, dem Spielerei und Spiel mit Menschen und Schicksalen das Leben war, aus dem ihn seine trostlose Krankheit ausschloß.

Anhang.


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