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Gottfried August Bürger

1747 – 1794

Bürger, dessen Lenore ihm Weltruhm verschafft hat, hat nur ein Alter von 47 Jahren erreicht. Er war in der Sylvesternacht 1747/48 in Molmerschwende im Südharz als dritter unter fünf Geschwistern geboren. Er hat in Halle und dann in Göttingen studiert. In Göttingens Nähe wurde er Amtmann, und dort spielte sich sein Liebesglück und Liebesleid ab. Kurz nachdem er nach Göttingen gezogen war, war ihm die erste Frau an Schwindsucht gestorben, bald darauf deren Schwester am Wochenbettfieber. Seitdem war Bürger ein körperlich und seelisch gebrochener Mann. Dazu kam, daß Bürger sich 1790 zu einer dritten Ehe mit dem »Schwabenmädchen« Elise Hahn verleiten ließ. Diese Ehe hat wohl – neben der verletzenden Rezension Schillers über seine Gedichte – sein rasches Ende herbeigeführt.

Und so wollen wir uns auf eine kurze Schilderung dieser letzten Krankheitsjahre beschränken. Es mag nur erwähnt werden, daß Bürger in seinem kurzen Leben es mit manchen Ärzten zu tun hatte. Ich nenne hier nur seinen Göttinger Leibarzt Fr. Wilh. Weis, der zugleich der erste Komponist seiner Lieder wurde. Im Sommer 1785 brauchte Bürger in Bad Meinberg und Pyrmont »Brunnen und Bad« und rühmte in ersterem besonders »den medizinischen Adlerblick und die weit kräftigere Hülfe des ehrlichen« Doctor Joh. Chr. Fr. Scherf. (E. Ebstein, Z. f. d. Philologie. Bd. 35. S. 546 bis 547.) Gelegentlich konsultierte Bürger auch andere Ärzte, wie Chr. Ludwig Hofmann in Hofgeismar, dem er das Prädikat schnurrig zulegt (E. Ebstein, Aerzte-Memoiren usw. Berlin 1923. S. 154) und brieflich den Dichterarzt G. A. Gramberg. In den letzten Jahren leitete Ludwig Christoph Althof seine Behandlung, während Joh. Fr. Stromeyer der Arzt seiner Frauen, Dorette und Molly wurde. Bei Bürger überwogen zeitweise hypochondrische Beschwerden, die in starken Depressionen bestanden. Charlotte von Einem bezeichnet Bürger als einen äußerst hypochondrischen und launenhaften, immer exaltierten Menschen, der vom Ausgelassenen ins Düstere und Melancholische übergeht. (E. Buchholz, Der Konrector von Einem und seine Tochter Charlotte. Münden 1899. S. 14.) So schrieb Bürger einmal selbst über sich (Bohtz, Bürgers Werke. Göttingen 1835. S. 441): »Immerwährende Kränklichkeit des Leibes belastet mehr denn allzu oft die natürliche Kraft und Tätigkeit meines Geistes mit so drückenden Fesseln; sie lähmt dergestalt die lebendigsten Springfedern des Herzens: daß bisweilen kein Leben, kein Streben, kein Wunsch mir noch übrig zu sein scheint, als der letzte Wunsch aller Mühebeladenen und Müden, der Wunsch, aus einem beschwerlichen zusammen gepreßten Dasein in die Ruhe des Nichtseyns hinab zu taumeln.«

In einer Notiz Joseph Wurzer's aus dem Winter 1792 bis 1793 heißt es von Bürger, daß er »schon damals sehr an der Schwindsucht litt.« Ebenso sah ihn der damals in Göttingen studierende Ludwig Tieck, ebenso Wendeborn, dem die »wenige Heiterkeit« des Dichters auffiel. Im Februar 1794 besuchte Matthison Bürger am Krankenbett. »Er liegt da abgezehrt und toten bleich: nur in seinen blauen Augen glimmt noch ein sterbender Rest jenes Feuers, das in seinen Gesängen sprüht ... Seine Stimmorgane scheinen gänzlich gelähmt und man hat Mühe, seine leisen Laute zu verstehen ... Seine Krankheit ist eigentlich ein hitziges Gallenfieber. Sein Arzt Althof hat indess immer noch gute Hoffnung. Sogar auf dem Krankenbette ist B. immer noch einer der einnehmensten und interessantesten Menschen.«

Aber Althof selbst mußte am 5. April 1794 dem Buchhändler Voß gestehen (E. Ebstein. Z. f. Bücherfreunde. 17. Jahrg. 1925. S. 18): »Bürger ist leider noch nicht wiederhergestellt; sondern laborirt an einem schleichenden hektischen Fieber.« Und so schreibt auch Caroline Michaelis am 10. Mai: »Weißt Du, daß Bürger sterben wird – im Elend, in Hunger und Kummer? Er hat die Auszehrung ...«

Bürger rafft sich am 22. Mai zu einem letzten Brief an seine Schwester, Frau Pfarrer Oesfeld auf »trotz der großen Beschwerde meiner Brust und meines Unterleibs ... Ich komme aus dieser entsetzlichen Krankheit nicht wieder empor. Freilich ist bis jetzt noch nicht alle Hoffnung verloren; es ist noch möglich, daß ich mich von dieser gänzlichen Atonie und Erschlaffung aller meiner Eingeweide erhole und einen noch zur Zeit nicht hectischen Husten, der keinen Mitteln weichen will, los werde: aber es ist nicht wahrscheinlich. Denn seit 3 Monathen wird mit allen Mitteln, die Natur und Kunst darbieten, vergeblich dagegen gearbeitet. Es wird nicht besser, vielmehr bisweilen schlimmer. Dieser jetzt blos noch latente Zustand muß notwendig in nicht langer Zeit in einen hectischen übergehen und dann rechne ich darauf, daß ich ungefähr mit dem Herbstlaube abfallen werde, wozu ich sehr ruhig und gefaßt bin... Liebe Seele, vielleicht sind dies die letzten Zeilen, die meine Hand an dich richtet. Denn wahrscheinlich wird mir das Schreiben immer saurer und unmöglicher werden... Herzlich umarme ich deinen theuren, lieben Mann, das wird ihm nichts schaden, denn es geschieht ja im Geiste und noch habe ich auch keine Hectik. Sage ihm, ich werde an einer sogenannten Phthisi pituitosa sterben. Ist es nicht sonderbar, daß ich mich aus dem Rachen der beiden hitzigen Krankheiten, der Leberentzündung und dem Gallen- und Schleimfieber loßreißen mußte, um nun der chronischen, die freilich größeren Spielraum gewonnen, zu unterliegen?

Ich kann nicht weiter schreiben. Gott segne und lohne Euch allzusammen. Dein getreuer, liebender Bruder bis in den Tod. Bürger.«

Wie das Kirchenbuch in Göttingen St. Johannis ausweist, starb »Prof. Bürger hierselbst und berühmter Dichter« »an der Hectik den 8. Juni«. Er wurde am 12. Juni auf dem Friedhof vor dem Weendertor begraben.

Als Lichtenberg von seinem nahen Gartenhause »den Leichenwagen mit einer Art von Anlauf durch das Kirchhof-Thor rollen sah: so hätte nicht viel gefehlt, ich hätte laut ausgeweint. Das Abnehmen vom Wagen konnte ich unmöglich mit ansehen, und ich mußte mich entfernen..« Lichtenbergs Freund, »unser armer, unglückseliger, leichtsinniger, braver, vortrefflicher Bürger, der Dichter« war in die Ewigkeit gegangen.

Und Goethe weihte dem Jugendfreunde, mit dem er eine Strecke Wegs zusammen gegangen, folgende Worte der Erinnerung in den »Sprüchen in Prosa«:

»Es ist traurig anzusehen, wie ein außerordentlicher Mensch sich gar oft mit sich selbst, seinen Umständen, seiner Zeit herumwürgt, ohne auf einen grünen Zweig zu kommen. Trauriges Beispiel Bürger

Nach den uns vorliegenden Berichten werden wir sagen müssen, daß Bürger an einer ziemlich rasch verlaufenden Lungenschwindsucht, zu der sich noch Kehlkopfschwindsucht gesellte, gestorben ist.


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