Dora Duncker
Marquise von Pompadour
Dora Duncker

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XXIII

Im chinesischen Saal wurde eifrig an der letzten Vorstellung für die Saison geprobt.

Man studierte Jean Jacques Rousseaus Spieloper »Le devin de village«, obwohl Rameau, der niemals besondere Sympathien für Rousseau gehabt, sich sehr ablehnend über das Werk aussprach. Indes, da die Marquise die Rolle der »Colin« spielen würde, war man des Königs regster Anteilnahme sicher.

Die »Colette« war Madame de Marchais zuerteilt worden, die des »Devin« Monsieur de La Salle. Ein großes Feuerwerk auf der Bühne sollte den Schlußakt krönen.

Die Vorstellung hatte sich programmäßig abgespielt.

Jeanne hatte mit ihrer »Colin« einen enthusiastischen Erfolg errungen.

Alles feierte ihre Stimme, die seit langem nicht mehr so frisch geklungen hatte wie heute, die Kunst ihres Vortrages, ihr vollendetes Spiel, ihre originellen, kostbaren Kostüme.

Der König küßte ihr die Hand und überschüttete sie mit Komplimenten.

Wie stets in Bellevue, wenn die Königin oder Mesdames nicht zugegen waren, hatte Jeanne ihren Platz an der Tafel neben dem König. Gerade hob er sein Glas gegen sie, um auf ihren Erfolg zu trinken, als eine plötzliche Unruhe entstand.

Die Tür zum Vorzimmer hatte sich geöffnet.

Einer der blaugoldnen Lakaien der Pompadour zuckte die Achseln und sprach auf einen Kurier ein, der ungestüm in den Saal drängte.

Der König, der der Tür gerade gegenüber saß, hatte den Vorgang bemerkt. Er winkte dem diensttuenden Kammerherrn, der seinen Platz nahe dem des Königs hatte.

Der Herzog von Noailles eilte zur Tür und schloß sie hinter sich. Nach wenigen Augenblicken kam er verstörten Antlitzes zurück.

Er trat zwischen den König und den Prinzen Conti und berichtete flüsternd:

»Ein Expreßbrief an die Frau Marquise. Mademoiselle d'Étioles ist im Kloster schwer erkrankt.«

Der König erschrak. Die kleine Alexandra, die er so herzlich liebte, gefährlich krank!

Jeanne hatte nichts oder wenig von dem Vorgang bemerkt, der sich sehr diskret abgespielt hatte.

Sie war im eifrigen Gespräch mit Machault, dem sie strahlend von den raschen Fortschritten der »École militaire« erzählte.

Ehe Louis ihr eine Mitteilung machte, gab er dem Herzog die geflüsterte Order, seinen Leibarzt Senac und den Chirurgen La Martinière mit seinen raschesten Pferden nach l'Assomption bringen zu lassen, einen Wagen für die Marquise bereitzuhalten und die Hausset zu benachrichtigen.

Dann hob er die Tafel auf, gab der Marquise den Arm und führte sie in das kleine ovale Zimmer, in dem sie ihn einst mit dem Rosenzauber überrascht hatte.

Er sprach nicht und war sehr bleich.

Erschreckt fragte Jeanne, was geschehen sei.

»Trauriges für dich, mein armes Kind. Unsere liebe kleine Alexandra ist erkrankt.«

Der Ausdruck seines Gesichtes, seine blasse Farbe, der Ton seiner Stimme machte sie erschauern. Ohne Zweifel, ihr geliebtes Kind war sehr krank, gefährlich krank.

»Ich muß zu ihr, sofort, Sire,« rief sie mit tränenerstickter Stimme.

»Der Wagen und die Hausset warten schon auf dich. Der Himmel beschütze dich, meine arme Jeanne.«

In ihrem Toilettenzimmer standen die Hausset und ein Kammermädchen bereit.

Jeanne drückte der treuen Hausset die Hand. Sprechen konnte sie nicht.

Das Kammermädchen hielt einen Schleier und einen dunklen Mantel.

Wenige Minuten später war der mit vier Rappen bespannte Wagen nach l'Assomption unterwegs.

Ohne sich mit einer Frage aufzuhalten, stürzte Jeanne die Steintreppe des Klosters zum zweiten Stock hinauf, in dem Alexandra ihre kleinen Zimmer hatte. Auf dem langen Gang nahe der Tür standen zwei Nonnen und der Klosterarzt.

Senac, La Martinière und eine dritte Person, die niemand nannte, waren bei der Kranken.

Beim Anblick der Marquise stellte sich der Arzt vor die Tür zum Krankenzimmer.

»Geben Sie Raum! Lassen Sie mich hinein,« riet die Marquise aufgeregt.

Der Arzt, ein junger Mensch mit schwermütigen schwarzen Augen, schüttelte sanft den Kopf.

»Einen Augenblick, Frau Marquise. Die Leibärzte Seiner Majestät wollen in ihrer Untersuchung nicht gestört sein. Ich selbst und die Schwestern mußten ihnen Platz machen.«

Jeanne stand stumm und biß die Unterlippe. Einen Augenblick nur, dann drängte sie den Arzt zur Seite und trat ein.

Auf ihrem schmalen Klosterbettchen lag das Kind, mit geschlossenen Augen, langgestreckt, weißgelben spitzen Antlitzes – eine Tote.

Mit herzzerreißendem Aufschrei warf Jeanne sich über das Lager.

»Nein, nein,« rief sie in wilder Verzweiflung, »das kann nicht wahr sein – mein Kind – mein einziges, süßes Kind – sagen Sie, daß es nicht wahr ist.«

Mit verzweifelt fragender Gebärde hatte sie sich zu den Ärzten umgewandt. Senac, der manche Stunde mit ihr am Bett des Königs gesessen, beugte sich zu ihr nieder und sagte sanft:

»Wir konnten nicht mehr helfen, Frau Marquise. Die rätselhafte Krankheit hat das arme Kind zu schnell dahingerafft.«

Schluchzend verbarg Jeanne ihr Gesicht in den Kissen, auf denen ihres toten Kindes lockiges Köpfchen lag.

Im Hintergrund des Zimmers wurde ein bebendes Schluchzen laut.

Die Ärzte tauschten einen Blick stummen Einverständnisses und verließen leisen Schrittes das Totengemach.

Jeanne lag noch immer wie gefällt über dem kleinen Lager, Worte der Liebe, der Zärtlichkeit, der Verzweiflung stammelnd.

Allgemach richtete sie sich ein wenig auf, sie streichelte die schöne, kleine, kalte Hand. Sie küßte das wundervolle lichtbraune Haar.

»Dahin, alles dahin!«

Plötzlich fühlte sie, sie war nicht allein. Am Fuß des schmalen Klosterbettes stand in gedrückter Haltung ein Mann in dunkler Kleidung.

War einer der Ärzte zurückgekommen? Hatte man ihr Pater Anselmus, den Klostergeistlichen, geschickt? Sie wollte niemand sehen! Sie brauchte weder weltlichen noch geistlichen Trost.

Niemand sollte ihr diese letzte Stunde des Alleinseins mit der geliebten kleinen Toten rauben.

Jeanne richtete sich auf, um den Eindringling herrisch aus dem Zimmer zu weisen. Als sie näher auf ihn zutrat, erkannte sie – es war Charles Guillaume d'Étioles!

Er war der Vater, sie hatte kein Recht, ihn fortzuschicken.

Jeanne hatte sich stumm wieder abgewendet. Lange sprach keines der einstigen Ehegatten ein Wort!

Endlich fragte Jeanne, die schmerzerstarrten Augen auf das Kind gerichtet, mit einem leisen Unterton zitternder Eifersucht.

»Haben Sie Alexandra noch lebend angetroffen?«

D'Étioles schüttelte den Kopf. Traurig verneinte er.

Da sie nicht sprach, sondern wieder über dem Lager niedergesunken war, sah er mit scheuen Blicken zu ihr hin.

Wie schön sie noch immer war, die einst so heiß geliebte Frau!

Der dunkle Mantel war ihr von den Schultern geglitten. Wie zartes Perlmutter schillerte die feine weiße Haut! Die Pracht ihres kostbaren, goldgestickten Kleides, die funkelnden Diamanten und matten Perlen, die Gegengaben Louis XV. für ihre ehebrecherische Liebe, schimmerten durch das Halbdunkel des Totengemaches.

Eisig zog sich das Herz des betrogenen Mannes zusammen.

Hatte er bis jetzt vergebens gegen seine Gefühle für Jeanne gekämpft, in diesem Augenblick starben sie ebenso jäh dahin wie das arme, kleine, süße Geschöpf, das der Himmel so jäh zurückgefordert hatte.

Nie wieder, nachdem er Jeanne so gesehen, beladen mit der gleißenden Frucht ihrer Schande und seiner Schmach, würde er, auch nicht in seinen Träumen, die Hand nach ihr ausstrecken wollen. Das war mit dieser Stunde vorbei und ausgelöscht.

Ihre Stimme rüttelte ihn aus seinem düsteren Brüten.

»Wie kam es?« fragte sie weinend.

Leise und gehalten gab er zurück:

»Die Krankheit hat sich in wenigen Stunden entwickelt. Heftiges Erbrechen, furchtbares Fieber, das Ende Konvulsionen, die sie dahingerafft.«

Auch er brach zusammen. Schluchzte aufs neue.

Sein lauter Schmerz störte sie offensichtlich.

Ihr ganzer Körper zuckte. Ihre Zähne schlugen wie im Fieber zusammen. Kalt ersuchte sie ihn, sie auf einige Minuten mit Alexandra allein zu lassen.

Er trocknete die Augen und verließ in gebeugter Haltung das Totenzimmer.

Jeanne war allein mit ihrem Kinde, dessen zärtliches Herz mit anbetender Liebe an ihr gehangen hatte, dem Kinde, das die einzige unschuldige Lust, das einzige wahre Glück ihres Lebens gewesen war! Was ihr blieb, waren Pflichten, war äußerer Glanz, waren Ruhmsucht und Ehrgeiz, die, sobald sie gestillt waren, öde Leere zurückließen, bis neue herrschsüchtige Wünsche neu erwachten.

Lange starrte sie auf die kleine Tote. Wie eine wilde Selbstanklage brannte der Gedanke plötzlich in ihr auf, daß sie dies Kind nicht hätte herzugeben brauchen, wenn sie den Gatten nicht verlassen, wenn sie statt im ruhmestollen Glanz des Königshofes im schlichten bürgerlichen Heim dem Gatten und dem Kinde gelebt hätte.

Aber der Gedanke verflog so plötzlich wie er gekommen war. Wo war der Beweis, daß sie das Kind unter anderen Verhältnissen dem Tode hätte entreißen können? Viele Kinder sterben den sorgsamsten Müttern dahin. Auch als Madame d'Étioles würde sie das Kind zur Vollendung seiner Erziehung einem Kloster übergeben haben.

Es war ein Schicksalsschlag, den nichts hätte abwenden können. Sie mußte ihn klaglos tragen, wie sie die anderen Lasten trug, die sie sich selbst auf die Schultern gewälzt hatte!

Aber als sie sich nun mit wankenden Knien erhob, fühlte sie, diese kleine Tote nahm den Rest ihrer Jugend mit in die kalte Gruft hinab.

Sie trocknete die Augen und strich über das verwirrte Haar. Dann öffnete sie die Tür und rief die treue Hausset, damit sie von dem Kinde Abschied nähme.

Mit großem Pomp wurde Alexandra d'Étioles, der ein Herzogtum gewiß gewesen, bestattet.

In dem reichen Grabgewölbe der Kapuzinerkirche auf dem Vendômeplatz, in dem Teil der Gruft, den der Herzog von La Trémoille der Marquise als letzte Ruhestatt für Madeleine Poisson einst abgetreten hatte, wurde Alexandra neben der Großmutter beigesetzt.

Der Schmerz der Marquise ging dem König tief zu Herzen. Er weinte mit ihr, er versuchte ihr jeden denkbaren Trost zu geben. Die Königin schickte einen Pagen mit einem warm gehaltenen Kondolenzschreiben nach Bellevue, Mesdames sandten Zeichen der Anteilnahme. Nur der Dauphin hielt sich, wie üblich, kalt zurück.

Francois Poisson ergab sich einem so leidenschaftlichen Schmerz, einer so heftigen Verzweiflung über den Verlust seiner reizenden Enkelin, die das Licht seiner Augen gewesen, daß der Schwerblütige, der längst nicht mehr der Gesündeste war, bedenklich erkrankte.

Nach kaum zwei Wochen hatte Jeanne auch den Verlust des Mannes zu beklagen, der trotz mancher derber Ungeschliffenheiten ihr im Grunde seines Herzens stets ein guter und zärtlicher Vater gewesen war.

Jeannes Trauer, die sie mit Aufbietung aller Kräfte zurückdrängte, um allen Ansprüchen gerecht zu werden, welche der König, das Zeremoniell, die Pflichten der Mitregierung an sie stellten, zehrte bedenklich an ihren Kräften, an ihrer Schönheit.

Ihre Augen, matt vom vielen Weinen, verloren ihren faszinierenden Glanz. Sie magerte sichtlich ab.

Das zarte Oval ihres Gesichtes verlor an lieblicher Rundung. Ihre Gesundheit war schwankender denn je. Fieber und Husten quälten sie, die aufpeitschenden Medikamente, zu denen sie trotz aller Warnungen wieder und wieder gegriffen hatte, übten ihre unausbleiblich schädigende Wirkung aus.

Die Gesellschaft bemerkte das Abnehmen ihrer vollendeten Schönheit nur sehr allmählich. Der Glanz ihrer gesamten Erscheinung, ein Aderlaß oder ein unauffällig aufgelegtes Rot, das ihre Farben frischer erscheinen ließ, ihre königliche Haltung ließen die Marquise von Pompadour noch immer als die schönste Frau des Hofes erscheinen.

Nur vor dem König ließ sich nicht verbergen, was sie ihm gern verborgen hätte.

Langsam, langsam löste er sich von ihr. Von Stunde zu Stunde fühlte sie mit heißerem Erschrecken, er war der leidenschaftlich heischende Liebhaber nicht mehr. Oft vergingen Wochen, in denen er nicht daran dachte, sie in ihren Gemächern aufzusuchen. Die Eifersucht verzehrte sie. Die Angst, ihn zu verlieren, machte sie sinnlos. Was tat er, wenn er zu der gewohnten Stunde nicht bei ihr eintrat? Wo war er, während sie ihn mit klopfendem Herzen vergebens erwartete? Hatte er eine neue Geliebte gefunden, die es besser als sie verstand, ihm die Zeit zu vertreiben? Oder gab er sich nur vorübergehenden Verlockungen hin? War es eine Dame der Gesellschaft, die er erwählt, eine Frau, klug und einflußreich genug, sie möglichenfalls aus ihrer Machtstellung zu verdrängen, oder waren es Dinge harmloserer Natur, die ihn fernhielten? Küsse, die er heute küßte, um sie morgen zu vergessen?

Sie zermarterte sich den Kopf. Sie suchte und forschte vergebens. Nichts Auffälliges wollte sich zeigen. Niemand raunte und tuschelte vor ihren Augen und Ohren.

Aber hinter ihrem Rücken mochte es geschehen! Ob die d'Estrades ihr Spiel gewann? Ob die Prinzessin von Rohan endlich ihr Ziel erreicht hatte? Die Hausset beschwichtigte. Die Herzogin von Brancas, die ihr eine treue Freundin geblieben war, schalt sie kräftig aus. Männer waren nun einmal nicht anders. Alles bei ihnen hatte seine Zeit. Mit der Aufrichtigkeit der Liebe hatte dergleichen nichts zu tun. Aber wenn die Marquise die Leidenschaft wirklich entflohen glaubte, sollte sie die Freundschaft mit um so festeren Händen halten.

Hatte nicht die Mutter ähnlich gesprochen?

Jeanne zwang sich zu ruhiger Überlegung. Sie mußte der Angst, den König zu verlieren, die sie blind und taub machte, Herr werden!

Und war es denn bewiesen, daß der König seine sinnlichen Gefühle zu anderen trug, weil er zu ihr nicht mehr heiß und begehrlich kam?

Konnten ihn nicht andere Gründe leiten?

Die Brancas, die nicht ganz der Meinung der Marquise war, stimmte trotzdem zu. Es galt die Schwergeängstigte zu beruhigen.

Ja, sie tat mehr. Sie gab Jeanne den klugen Rat, das Liebesnest unter den Dächern von Versailles zu verlassen und die Wohnung im Erdgeschoß zu beziehen, von der der König ihr schon öfter gesprochen und die er ihr als besondere Ehrung zugedacht hatte.

Nur Prinzen von Geblüt pflegten sie zu bewohnen.

Die augenblicklichen Verhältnisse machten diese Veränderung leicht und nicht allzu auffällig.

Den Prinzessinnen sollten nach dem plötzlichen Tode Madame Henriettes, die von einem Tag zum anderen an Faulfieber gestorben war, eine andere Zimmerflucht angewiesen werden. Der König hatte den Wunsch geäußert, den Herzog von Ayen mit seiner Gattin mehr in seiner Nähe zu haben. Der Moment, dem Rat der Herzogin von Brancas zu folgen, war geradezu gegeben.

Es wurde Jeanne bitter schwer, dem König die geplante Veränderung nahezulegen.

Die Erinnerungen an ihren aufsteigenden Glanz, an die heiße Liebe Louis' sprachen vernehmlich aus jedem Winkel des lauschigen Nestes dort oben unter den Dächern von Versailles!

Dennoch siegte die Klugheit. Die Marquise wußte, sie würde sich die Achtung der Königin, der Prinzessinnen, vielleicht die des Dauphins gewinnen, wenn sie freiwillig auf die unmittelbare Nachbarschaft des Königs verzichtete, wenn sie ihren Beziehungen nach außen hin das Gepräge einer reinen Freundschaft gab.

Der König widersprach nicht, wie Jeanne es halb und halb gehofft hatte. Rascher, als man vermutet, fand der allgemeine Wechsel in Versailles statt.

Der Herzog und die Herzogin von Ayen bezogen die Gemächer der Pompadour, die Prinzessinnen erhielten die Wohnung, die ihre älteste Schwester, die Infantin, früher innegehabt hatte, Jeanne siedelte in das Erdgeschoß über, in dem ihr je ein Teil der Wohnung des Prinzen von Toulouse und des Herzogs von Penthièvre aufs prunkvollste eingerichtet wurde.

Wußte Jeanne, als sie sich zum erstenmal in dem kostbaren Purpurbett zur Ruhe legte, daß die Marquise von Montespan diese üppigen Gemächer in dem Augenblick bezogen hatte, da Louis XIV. zu seiner Ehe mit Frau von Maintenon schnitt?

Wenige Monate, nachdem Jeanne sich von der Stätte der Erinnerungen an wollüstige Liebesnächte, an die ersten lebendig gewordenen Träume befriedigten Ehrgeizes losgelöst, erhob der König sie zur Herzogin und verlieh ihr das Schemelrecht. Die Marquise genoß fortab dieselben Auszeichnungen wie die Gattinnen der Herzöge und Pairs. Sie speiste mit der königlichen Familie an der Galatafel des Königs. Sie saß beim Morgenempfang, bei den Audienzen, den Cercles und Diners auf einem Lehnsessel, der ihr überall nachgetragen wurde.

In alle inneren Höfe der königlichen Schlösser stand ihren Equipagen die Einfahrt frei. Die höchste Ehrung, die der König zu vergeben hatte, war ihr zuteil geworden.

Jeanne genoß diese Auszeichnungen mit sehr gemischten Empfindungen. Sie war zu klug, um nicht zu begreifen, daß diese Rangerhöhung in erster Stelle eine Entschädigung für die entschwindende Liebe des Königs bedeute, daß sie die Einleitung zu einer neuen Ära, der Ära der Freundschaft war.

Die Brancas hatte ihr geraten, diese Freundschaft mit beiden Händen festzuhalten. Es hätte dieses Rates nicht bedurft. Die eiserne Willenskraft der Pompadour half ihr auch über diesen Wandel fort. Schwer war der Kampf, heiß das Bemühen, ungleich der Erfolg, den sie sich abrang.

Um den Spöttern zuvorzukommen, den Hämischen das Wort abzuschneiden, ehe es gesprochen war, den Triumph ihrer Feinde im Kern zu ersticken, sprach sie selbst mit großer Ruhe und angenommener Heiterkeit von ihren veränderten Beziehungen zum König, die sie als ein gegenseitiges erwünschtes Arrangement hinstellte.

D'Argenson, der schon die Bahn für eine Nachfolgerin der Pompadour frei sah – freilich hieß sie nicht Madame d'Estrades –, trat bald nach der Vorstellung der neuen Herzogin lachend bei seiner Maitresse ein.

»Wissen Sie das Neueste, meine Liebe? Heute hab ich's aus dem eigenen Munde der Pompadour gehört, also muß es doch wohl wahr sein: die Marquise schwört bei allem, was ihr heilig ist, daß zwischen dem König und ihr nur noch Freundschaft bestehe. Als ein Symbol ihrer neuen keuschen Beziehungen zum König hat sie die Liebesgruppe aus Bellevue entfernen lassen und Pigalle den Auftrag gegeben, sie in eigener Person als Göttin der Freundschaft auszuhauen.«

Beide lachten laut.

»Ich gebe Ihnen den Rat, meine Teure, Ihre Nichte, die schöne Romanet-Choiseul, so bald als möglich in den Gesichtskreis des Königs zu rücken. Sie selbst dürften ja wohl endgültig verzichtet haben?«

Der Minister sagte es nicht ohne Mokerie und Schärfe. Da es für seine Stellung, im Augenblick wenigstens, nicht unbedingt notwendig war, daß der König die d'Estrades erhörte, da sie auch ohne die Erreichung dieses heißersehnten Zieles eine vortreffliche Spionin abgab, sah er dem vergeblich werbenden Treiben seiner eiteln Freundin belustigt zu.

Madame antwortete mit einem bösartigen Grinsen, das ihr häßliches Gesicht noch mehr entstellte. »Ich bin nur begierig, welche Miene die hohe Geistlichkeit zum guten Spiel machen wird!« –

Lange zu Recht bestehende Meinungen lassen sich schwer beheben. Die Kirche glaubte an keine Wandlung oder wollte an keine glauben, je mehr man sie davon zu überzeugen suchte. Vergebens trachtete Bernis nach seiner Rückkehr aus Venedig, jeden Zweifel an der Unschuld der Beziehungen zwischen dem König und der Marquise zu zerstreuen. Die Geistlichkeit zog mit neugeschliffenen Waffen gegen die Pompadour los.

Der Jesuitenpater Griffet predigte beharrlich mit immer deutlicheren Fingerzeigen gegen die Sittenverderbnis und die Modelaster der Zeit, ja, er verfehlte nicht, in Gegenwart des Königs eine vernichtende Predigt gegen den Ehebruch zu halten, von der alsbald ganz Paris und Versailles sprach.

Von allen Seiten drang man auf Louis XV. ein, bestürmte ihn, sich von der Pompadour zu trennen, dieser Frau, die sein und Frankreichs Verderben war, den Laufpaß zu geben.

Mehr noch als der Zorn der Jesuiten beunruhigte Jeanne der Umstand, daß der König fast regelmäßig den Predigten Griffets beiwohnte, sogar die ihm über alles wichtigen Jagdtage ausfallen ließ oder verschob, nur um keine zu versäumen.

Voll entsetztem Bangen fragte sie sich, ob wirklich eine religiöse Krise bevorstehe, ob der König sein beschwertes Gewissen in einer jener raschen Aufwallungen, vor denen man bei seinem wankelmütigen Charakter niemals sicher war, in die Hände der Geistlichkeit gelegt habe?

Die Königin, der Dauphin, vor allem der Orden der Jesuiten selbst gaben bereits der festen Hoffnung Raum, Pater Griffet sei die Bekehrung des Königs gelungen.

Die allgemeine Meinung hieß diese Wandlung willkommen.

»Die Frommen sind sparsam«, hieß es,»und nur durch Sparsamkeit ist Frankreich zu retten.«

Jeanne grübelte verzweifelt, während sie nach außen eine heitere Miene zur Schau trug.

Sie zermarterte sich das Hirn, wie sie der Gefahr, den König an die Jesuiten zu verlieren, beikommen könne.

Die Philosophen, auf die sie sich so fest verlassen, erwiesen sich doch nicht als eine so starke Stütze ihrer Macht, wie sie es einst vorausgesehen hatte, zumal seit Voltaire in Sanssouci bei Friedrich II. weilte.

Lange hatte der Philosoph geschwankt, ob er Frankreich und seine hohe Gönnerin verlassen sollte, bis der König, der ihn nicht halten wollte, und der Tod seiner alten Freundin Châtelet ihn am Ende doch vermocht hatten, »das Land der Barbaren und Halbbarbaren« aufzusuchen.

Jeanne wußte, sie durfte ihren alten Freund nicht so bald, vielleicht niemals zurückerwarten.

Sanssouci und die Freundschaft des Preußenkönigs schmeichelten dem eitlen Mann ganz gewaltig. Die pekuniären Vorteile, die der sonst so sparsame Monarch ihm zuwandte, machten dem Habsüchtigen das Leben in Preußen angenehm. Frankreich schien vergessen.

Da plötzlich kam Jeanne ein Ereignis zu Hilfe, das mit einem Schlage alle Grübeleien und Ängste über den Haufen warf, ein Ereignis, von dem die fromme Partei allerdings nichts weniger als die Wirkung eines neuen Triumphes der Pompadour erwartete.

In Paris starb Frau von Mailly, die älteste und letzte der Schwestern Nesle, denen des Königs Liebe so lange gehört hatte. Die zärtliche Hingabe der Mailly an Louis XV. war die stärkste und selbstloseste gewesen.

»Eine La Vallièrenatur«, hatte Jeanne oft mit spöttischem Mitleiden gemeint, »die nur um ihrer selbst willen geliebt sein will.«

Wirklich war es so. Die Mailly hatte den Verlust des Königs niemals überwunden. Wenn sie sich auch nicht wie die La VallièreSiehe »Ein Liebesidyll Ludwigs XIV.« zu den Karmeliterinnen geflüchtet, so lebte sie doch in klösterlicher, bußfertiger Abgeschiedenheit, fern von jedem Lebensgenuß.

Ein Armenbegräbnis war ihr letzter Wunsch gewesen.

Man wartete nur darauf, daß dieser Tod mit seinen rührenden Nebenumständen des Königs vermeintliche Bußfertigkeit bestärken, ihn von der sündhaft verschwenderischen Maitresse, die keinen anderen Gedanken hegte als den eigenen Glanz, loslösen würde.

Man wartete vergebens!

Der König beweinte die Geliebte seiner Jugend aufrichtig, mehr noch die ferne Zeit, da er mit der Toten glücklich gewesen war. Hoch über allem Schmerz aber stand die bittere Erkenntnis, daß die Verstorbene in gleichem Alter mit ihm gestanden und daß der Tod ebenso grausam wie nach gewöhnlichen Sterblichen die kalte Hand nach Königen reckt.

Statt sich von Jeanne loszulösen, klammerte er sich nur um so fester an sie an. Nur bei ihr fand er Rettung vor Todesschauern und ödem Grauen. Nur bei ihr war Leben, Vergessen!

Nicht nur Jeanne atmete auf, als die gefährliche Krise endlich vorüber war. Auch Lebel schmunzelte wieder.

Er wollte nicht umsonst seine Lehren aus dem verfehlten Versuch mit der kleinen Klosterschülerin gezogen haben.

Wenn der König sich als Mensch dem Vergnügen, dem Genuß hingeben wollte, war es nötig, daß er als König kam?

Lebel hatte seine Ideen, mit denen er Louis XV. schon zum Teil bekannt gemacht hatte, der Marquise nicht vorenthalten.

Jeanne stimmte dem gewitzten Lebenskünstler unbedingt zu. So hart es war, sie mußte mit den erotischen Neigungen des Königs rechnen. Besser, sie fanden ihre Befriedigung nicht unter den Dächern von Versailles, sie gingen nicht auf des Königs persönliches Konto.

Im übrigen durfte Jeanne mit ziemlicher Bestimmtheit darauf rechnen, daß, was Lebel dem König in ein verstecktes Haus brachte, schwerlich jemals eine Dame der Gesellschaft sein würde! –

Auf dem Terrain des früheren Hirschparks, dem beliebten Jagdrevier der französischen Könige, in der rue Saint-Médéric, hatte Lebel, nicht weit vom Schloß entfernt, ein hübsches Häuschen aufgespürt, das versteckt inmitten eines kleinen verwilderten Gartens lag.

Nachdem der König, von seinem frommen Wahn geheilt, sich dem Leben wieder in die Arme warf, erstand ein Geheimagent Louis' das Häuschen von dem Besitzer, Herrn Crémer, um eine mäßige Summe.

Als Käufer galt Herr Vallet, ein Pseudonym, unter dem Louis XV. den Kauf abschließen ließ.

Das Nachbargrundstück wurde von der alten Mutter Crémers bewohnt. Da es seine Fenster nach der Seitenstraße, der rue des Tournelles, hatte, war von Spähern nichts zu befürchten.

Das Haus war so klein, daß es außer der Hauptperson nur eine, höchstens zwei ständige Bewohnerinnen, eine »dame chargée de la garde« und eine Dienerin, fassen konnte. Es wurde beschlossen, daß der König seine Besuche im Hirschpark unter dem Namen eines polnischen Edelmanns, eines Verwandten der Königin, machte, der angeblich zum Besuch im Schlosse weilte.

Lebel bedauerte es lebhaft, einen solchen Schlupfwinkel für die Orgien des Königs nicht früher aufgespürt zu haben. Die kleine Jvonne und mancher kleine, scheue Vogel mehr, den er in seiner Falle gefangen, würde sicherlich nicht so schnell und ängstlich die Flucht ergriffen haben, hätte er nicht mit Bewußtsein an der Brust eines Königs, in einem königlichen Bett gelegen.

In der rue Saint-Médéric Nr. 4 klappte die Sache ganz vortrefflich. Alles ging seinen geplanten Gang. Es flossen keine Tränen, es gab keine Verzweiflungsausbrüche, keine unerhörten Entschädigungsansprüche.

Sobald eines der jungen Dinger sich Mutter fühlte, wurde es in ein Entbindungsheim in der Avenue Saint-Cloud gebracht.

War das Kind glücklich zur Welt gekommen, erhielt es eine Rente von 10–12000 Livres. Die Mutter wurde mit einer Summe von 10000 Franken abgefunden, in die Provinz geschickt und dort verheiratet.

Louis, dem es in den langen Jahren ihrer Liebe und Freundschaft zur Gewohnheit geworden war, der Marquise alles mitzuteilen, was er erlebte, was er dachte und empfand, kargte nicht mit seinen Mitteilungen aus dem versteckten Häuschen. Er dachte nicht einmal daran, daß es das Gefühl seiner einstigen Geliebten bitterlich kränken müsse, wenn er von dem molligen Körper der kleinen Trusson und den Grübchen, die er zeigte, sprach, wenn er ihr erzählte, wie drollig Demoiselle Robert in ihrem abscheulichen Patois in seinen Armen plauderte, welche neuen Schliche und Tricks die schöne Armande erfunden habe, seinen Ausschweifungen Genüge zu tun.

Zuweilen trat der König noch abends spät, wenn er aus der rue Saint-Médéric kam, bei Jeanne ein.

Sie trug, was sie nicht ändern konnte. Sie mußte es über sich ergehen lassen, von seinen Erfolgen bei dem kleinen Gesindel zu hören, an dem er seine Lust hatte. Hatte sie es nicht selbst zum Gesetz erhoben, daß ihr nichts geheim bleiben sollte?

An einem rauhen Herbstabend saß die Marquise fröstelnd am Kamin. Sie hatte lange mit Bernis konferiert, den der König vor wenigen Monaten zum Minister des Äußern gemacht hatte. Er hatte ihr Briefe Choiseuls aus Wien gebracht, die Wichtiges aus Österreich und von Maria Theresia enthielten.

Kaunitz, der während der zwei Jahre, da er als österreichischer Gesandter in Paris gewesen, vom ersten Tage an, Hand in Hand mit der Marquise, an der Allianz mit Österreich gearbeitet hatte, war durch Starhemberg ersetzt worden.

Jeanne dachte gerade über eine neue Frage zu dem geplanten Bündnis nach, die sie morgen in aller Frühe mit Starhemberg besprechen wollte, als der König ins Zimmer gestürmt kam.

Welch ein glücklicher Zufall! So konnte sie ihm ohne Verzug die neuesten Nachrichten aus Österreich übermitteln.

Aber der König hörte gar nicht auf sie. Er rief aufgeregt nach Madame du Hausset, die eilends aus dem kleinen Nebengemach herbeigeeilt kam, wo sie mit ihrem Sohn, der kürzlich aus der Provinz nach Paris gekommen, plauderte.

»Schnell, machen Sie sich fertig, Madame! Es handelt sich um eine Unglückliche, die Sie aufsuchen sollen. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, Marquise, daß Madame sich unverzüglich nach der Avenue Saint-Cloud begibt?«

Jeanne begriff sofort. All ihre rebellischen Empfindungen mit ruhiger Freundlichkeit niederkämpfend, gab sie der Hausset Anweisung, diskret nach den Anordnungen des Königs zu handeln.

Der König warf der Marquise einen dankbaren Blick zu und küßte ihr die Hand.

»Sie werden in der Avenue Saint-Cloud eine junge Person finden, die kurz vor ihrer Entbindung steht. Es handelt sich um ein besonders zartes, feinfühliges Geschöpf. Das arme Kind leidet sehr. Es soll nicht nach der Schablone abgefertigt werden.«

»Sie werden so lange dort bleiben, Hausset, wie es der Zustand der Person erfordert,« ergänzte Jeanne den König.

»Ganz recht, meine Liebe.«

»Sie werden auch der Taufe beiwohnen,« fuhr die Marquise fort, »die Namen des Vaters und der Mutter angeben –«

Erfreut über dies unerwartete Entgegenkommen lachte der König heiter auf.

»Ich glaube, der Vater hat einen leidlich anständigen Beruf.«

»Er ist geliebt und angebetet von allen, die ihn wahrhaft kennen,« fügte Jeanne hinzu.

Dann trat sie an eine kleine Vitrine und entnahm ihr ein Kästchen mit einem Brillantring.

Sie gab ihn der Hausset.

»Geben Sie diesen Ring der Leidenden und sagen Sie ihr, eine Freundin bete für sie.«

Louis zog Jeanne in seine Arme und küßte sie.

»Wie gut du bist!«

Tränen standen in seinen Augen. Er beweinte es im Augenblick aufrichtig, ihr einen Kummer bereiten zu müssen, den sie mit soviel Standhaftigkeit und Güte ertrug.

Dann fiel er rasch wieder in sein Mitleiden und seine Sorge um das Mädchen zurück, das an Stelle Jeannes seine Liebe genossen hatte.

Er trieb die Hausset zur Eile an und trug ihr auf, Lebel unverzüglich Nachricht zu geben, sobald die Entbindung erfolgt sei.

Gleich nach der Kammerfrau verabschiedete er sich von Jeanne. Er küßte sie flüchtig auf die Stirn, mit all seinen Gedanken schon wieder bei dem armen Ding in der Avenue Saint-Cloud und allen Wonnen, die es ihm geschenkt hatte.

Jeanne blieb in heftiger Unruhe zurück. Diese plötzliche menschliche Anteilnahme des Königs an einem seiner Opfer machte sie stutzig, ängstigte sie.

Warum war er für die anderen nicht so feinfühlig gewesen, wenn ihre schwere Stunde nahte?

Ob Lebel nicht doch die Befugnisse überschritt, mit denen sie ihn ausgestattet hatte? Dem König nicht nur Personen in den Hirschpark brachte, die ihrer Herkunft nach keinerlei Rücksichtnahme zu fordern hatten?

Ihre aufgepeitschte Eifersucht beschloß, ein wachsameres Auge zu haben. Vielleicht, daß ihr selbst gelegentlich ein hübsches Ding unter die Finger kam, jung, töricht, ungefährlich, das sie ohne Sorge in die rue Saint-Médéric schicken konnte.

Nach einer schlaflosen Nacht war sie in aller Frühe zu Starhemberg geeilt. Die Nachrichten Choiseuls an Bernis waren bereits morgens durch neue überholt worden. Die Kaiserin Maria Theresia hatte bei ihrem Gesandten angefragt, ob sie sich klüger an den Prinzen Conti und sein Werkzeug, die Marquise von Coislin, halte oder ob sie sich der Pompadour bedingungslos anvertrauen könne?

Starhemberg, der wußte, wie Louis XV. an der Pompadour hing, wie jeder andere Einfluß neben dem ihren verblaßte, hatte seine Antwort bereits nach Wien geschickt, ehe die Marquise bei ihm eingetreten war.

Gleich Kaunitz hatte er untrügliche Beweise dafür, daß die Pompadour die Geheimallianz zwischen Österreich und Frankreich bedingungslos fördere.

Eine andere Frage war: Stand sie nur gleichgültig zu Preußen und seinem König, oder war wirklich Haß aus den höfischen Artigkeiten geworden, die Voltaire einst nach Sanssouci übermittelt hatte? Es war Starhemberg bei dieser Frage mehr um ein psychologisches Problem als um eine politische Sorge zu tun. Von einer solchen fühlte er sich absolut frei. Als feiner Kopf aber war er der Ansicht, daß es nicht schaden könne, einer Verbündeten bis auf den Grund der Seele zu sehen.

In den Ministerien, im Vorzimmer des Königs erzählte man sich Voltaires Plan, den harmlos liebenswürdigen Vermittler zwischen Friedrich II. und der Pompadour zu spielen, sei seinerzeit in das Gegenteil umgeschlagen.

Friedrich solle sich dahin ausgesprochen haben, »daß ein König von Preußen nicht eben gehalten sei, Rücksicht auf eine Demoiselle Poisson zu nehmen, noch dazu, wenn sie arrogant ist und vergißt, was sie gekrönten Häuptern schuldig ist«.

Mehr aber als diese nicht vollkommen kontrollierbaren Gerüchte bedeutete Starhemberg ein Brief Voltaires an seine Nichte und unzertrennliche Gefährtin, Madame Louise Denis.

Eine Kopie desselben war dem Gesandten von einem seiner Geheimagenten überbracht worden, Dieser Brief war, falls die Pompadour um ihn wußte, allerdings ganz dazu angetan, den Haß der Marquise auf den Preußenkönig zu erklären.

Aber wußte sie darum? Hatte Voltaire, der niemals mit der Gunst dieser allezeit getreuen Gönnerin gespielt hatte, der Marquise nicht vielmehr die wenig schmeichelhafte Meinung Friedrichs über sie verheimlicht?

Voltaires Brief an Madame Denis – eine Dame, die Friedrich aufs äußerste ennuyierte – hatte den folgenden Wortlaut:

»Als ich in Compiègne von Madame de Pompadour Abschied nahm, beauftragte sie mich, dem König von Preußen ihre respektvolle Ehrerbietung zu übermitteln; man konnte einen Auftrag nicht liebenswürdiger und ehrerbietiger geben. Sie legte all ihre Bescheidenheit hinein und fügte mehrmals »wenn ich es wagen darf« und »ich bitte um Vergebung« und »wenn ich mir dem König von Preußen gegenüber diese Freiheit nehme« hinzu.

Es scheint, daß ich mich meines Auftrages schlecht entledigt habe. Als Mann, ganz erfüllt von dem Hofe Frankreichs, glaubte ich, daß das Kompliment gut aufgenommen werden würde. Er antwortete nur trocken: Ich kenne sie nicht.«

Geschickt hatte Starhemberg das Gespräch auf Voltaire und seinen Aufenthalt in Preußen gelenkt.

Die Marquise hörte dem Gesandten schweigend zu.

Keine Wimper zuckte. Kein Zug in dem schönen bleichen Gesicht verriet, was in ihr vorging. Die Ausdauer ihres Körpers, ihrer Nerven hatte nachgelassen. Ihre eiserne Willenskraft hielt stand.


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