Dora Duncker
Marquise von Pompadour
Dora Duncker

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III.

Die Dämmerung brach schon herein, als der König den Herzog von Ayen in sein Arbeitskabinett befahl.

Der Ministerrat und die vielen Audienzen hatten ihn ermüdet. Lang ausgestreckt lag Louis auf dem seidenen Divan im Hintergrunde des Kabinetts und träumte mit offenen Augen.

Die Geschehnisse des gestrigen Maskenballes tauchten wieder vor ihm auf, alles überstrahlend die reizende Jeanne d'Étioles mit ihrer Schlagfertigkeit, ihrem anmutigen Plaudertalent, dem melodischen Fall ihrer zarten Stimme.

Louis' Phantasie malte ihm ihr körperliches Bild in den lockendsten Farben. Die ebenmäßige, schlanke Gestalt, den reizenden Mund mit den schimmernden Zähnen, den die Maske nicht bedeckt hatte, die zarten, vollendet schönen Arme und Hände, den weißen Nacken, der unter der lichtbraunen Haarfülle aufblühte.

Hochauf loderten die Wünsche, die der Widerstand des schönen Weibes gestern zurückgeschlagen hatte.

Seit dem Tode der Châteauroux hatte Louis' trägen Geist ein solches Chaos von Empfindungen nicht durchstürmt. Er sprang auf und straffte die Glieder.

Ach, das tat gut, Wünsche zu hegen, heiße, lodernde Wünsche, die das Blut in Aufruhr brachten, und ein Ziel für diese Wünsche!

Der Herzog trat ein. Frisch ging der König ihm entgegen. Ayen war überrascht. Die Offiziere vom Dienst hatten ihm im Vorzimmer erzählt, der König sei matt und verstimmt, augenscheinlich wieder von melancholischen Anwandlungen geplagt.

»Ich bin glücklich, Euer Majestät so wohl zu sehen!«

»Ich bin es, lieber Herzog, wohl und froh. Ich freue mich wie ein Kind auf den heutigen Stadthausball und mein Rendezvous. Welch ein bezauberndes Geschöpf! Ich hoffe nur, der Dauphin wird sich nicht allzu lange im Stadthaus aufhalten, damit wir freies Feld haben.«

Der König sprach erregt. Seine Augen brannten wie im Fieber.

Der Herzog konnte ein leises Bedenken nicht unterdrücken. Der König ging ihm allzu scharf ins Zeug. Die schöne Madame d'Étioles schien es ihm wirklich angetan zu haben, während Ayen sie nur für den Zeitvertreib eines Abends geplant hatte, um den König am Fest des Dauphins bei guter Laune zu halten!

Die Freundschaft des Königs gab Ayen ein Recht, bis zu einem gewissen Grade offen zu sein.

»Madame d'Étioles ist in der Tat eine Frau von großen Vorzügen. Schade nur, daß sie nicht von Geburt ist, daß ganz im Gegenteil diese Poissons –«

Der König fuhr auf.

»Wir sprachen schon einmal davon, Herzog. Haben Sie vergessen, was ich Ihnen vor ein paar Wochen sagte, als Sie und Richelieu mir wohlwollend rieten – ich denke wenigstens, es war wohlwollend gemeint.«

»Sire!«

»Eine neue Geliebte an die Stelle der armen Châteauroux zu setzen: Ich will keine Frau von Geburt mehr, so habe ich Sie ausdrücklich versichert. Zwei Gründe leiten mich bei diesem Entschluß: Den Hof und seine Frauen kenne ich zur Genüge. Sie langweilen mich. Die Frau, die ich jetzt lieben werde, soll einem Kreise angehören, der mir Neues sagt. Sie soll mir reinere, weniger selbstsüchtige Leidenschaften entgegenbringen, als eine Frau meiner nächsten Umgebung es imstande ist.«

Der König stockte und machte eine lange Pause. Weniger zornig, aber mit ebenso starker Betonung und tiefem Ernst fuhr er fort:

»Zum zweiten, Sie wissen so gut wie ich, Herzog, mutmaßlich besser noch, welchen Lärm meine Beziehungen zu den Schwestern Nesle verursacht haben. Sie kennen die scharfe Opposition der Frommen im Lande, Sie kennen das Echo, das diese Opposition in der öffentlichen Meinung gefunden hat. Sie hat mich, uns alle belehrt, daß ich am Ende aller Enden mit der Moral des Volkes rechnen muß. Vorsicht ist geboten, mehr Vorsicht als bisher. Ich darf einen neuen Ehebruch nicht an die große Glocke hängen, wenn ich mir den Namen des Vielgeliebten, den mir das Volk während meiner schweren Krankheit in Metz geschenkt, nicht preisgeben will. Wie aber könnte ich das bei einer Geliebten, die mitten in den Hofkreisen steht, auf die aller Augen gerichtet sind?«

Ayen machte eine zustimmende Bewegung.

»Und dann« – ein zynisches Lächeln umspielte den ausdrucksvollen Mund des Königs – »da ist die Königin. Wenn ich auch mit ihren Wünschen nicht rechne, so liegt mir doch daran, die schon so oft verletzten Gefühle Ihrer Majestät zu schonen, allein aus dem Grunde, um mir die Sympathie meiner Töchter nicht zu verscherzen. Mit dem Dauphin rechne ich nicht mehr. Die übertrieben religiösen Anschauungen, die Herr Boyen de Mirepoix ihm beigebracht, die abgöttische Liebe zu seiner Mutter prädestinieren ihn von vornherein zu meinem heftigsten Widersacher. Dieu merci – ich mache mir nichts daraus – ich –«

Louis brach plötzlich ab und legte dem Herzog die Hand auf die Schulter.

Mit ganz veränderter Stimme sagte er:

»Genug des ernsten Gesprächs! Sacre nom de Dieu, wir feiern heut Hochzeit. Wahrlich ein Grund zum Fröhlichsein. Wann können wir zum Stadthaus fahren, Herzog?«

Ayen, der die doppelsinnige Bedeutung des »Hochzeitfeierns« wohl verstanden hatte, sann einen Augenblick nach. Er fühlte sich bis zu einem gewissen Grade verantwortlich für des Königs rasches Vorgehen und wollte auch seinerseits alles Auffällige vermieden wissen, vor allem einen Zusammenprall mit dem Dauphin.

»Ich würde vorschlagen, Sire, Versailles vor elf Uhr nicht zu verlassen, wenn es Euer Majestät so genehm, zunächst im Domino einen öffentlichen Ball zu besuchen und zwischen zwölf und ein Uhr auf den Stadthausball zu fahren. Da Seine Königliche Hoheit der Dauphin Gastgeber ist, kann man kaum annehmen, daß Seine Hoheit das Fest früher verläßt.«

Der König stimmte zu. Er hatte nur zwei Wünsche für diese Nacht, nicht mit dem Dauphin zusammenzutreffen und die bezaubernde Madame d'Étioles am Platze des Rendezvous zu finden. –

Der Stadthausball war bedeutend weniger gut organisiert als das Versailler Fest. Undirigiert lief die Menge durcheinander. Für Speisen und Getränke war nicht genügend vorgesorgt worden. Überdies war das Vorhandene planlos aufgestellt. In einigen Sälen fehlten die Büfetts vollständig, an anderen Stellen stand Tafel bei Tafel so eng zusammengerückt, daß die Gäste ihre liebe Not hatten, überhaupt nur an die Tische zu gelangen.

Binet hatte es übernommen, seine schöne Cousine auf den Ball zu führen und an ihrer Seite zu bleiben, bis die Stunde des Rendezvous schlug.

Sie hatten Mühe, durch das Gedränge in die Nähe des kleinen Zimmers hinter den Ballsälen zu gelangen, in dem Jeanne den König erwarten sollte.

Während sie die Säle passierten, hatte Jeanne vergeblich Umschau nach zwei Personen gehalten, die sie schon gestern auf dem Maskenfest gern entdeckt hätte, den Maler Boucher, den sie flüchtig kannte, und des Königs Liebling, Karl Vanloo.

Binet hätte ihr den berühmten Mann zeigen können, den Louis XV. mit wahrem Fanatismus verehrte. Aber auch heute schien sie nirgend eine Spur der beiden Maler zu entdecken.

In einer Ecke des Hauptsaales, nahe der Tür, fanden sie endlich einen Platz.

Jeanne trug ein Kleid in den Lieblingsfarben des Königs, aus zartem Rosa, mit Blumengirlanden durchwirkt, mit Blumenfestons und Falbalas in zartestem Blau überdeckt. Darüber einen Domino aus schwarzer Seide mit Silberstickereien, dessen Kapuze sie über den Kopf gezogen hatte.

Trotz der fast unerträglichen Hitze im Saal riet Binet, den Domino nicht abzulegen, der Jeanne wenigstens einigermaßen davor schützte, von den vielen Bekannten, die das Fest besuchten, gesehen zu werden.

Es war ihm durch dritte Hand die strengste Order zugegangen, größte Vorsicht walten zu lassen. Der König hatte sich gestern im ersten Rausch schon zu einer viel zu langen Unterhaltung mit Madame d'Étioles vor Hunderten von Augen hinreißen lassen.

Gestern aber hatte die schöne Jeanne eine Maske getragen. Überdies war sie der Hofgesellschaft, mit wenigen Ausnahmen, fremd gewesen. Der Stadthausball aber war von einer Menge Menschen aus allen Kreisen besucht. In keinem Fall durfte auch nur ein Schein der verabredeten Zusammenkunft mit dem König bekannt werden.

Binet lag außerordentlich daran, diese Order mit peinlicher Genauigkeit durchzuführen. Er hatte ganz und gar nicht den Ehrgeiz, als Gelegenheitsmacher zu gelten.

Dieses Ehrenamt überließ er den Kammerdienern des Königs, den Herren Bachelier und Lebel. Es lag ihm nicht das geringste daran, gelegentlich von der frommen Partei für geleistete Kuppeldienste zur Rechenschaft gezogen zu werden, vielleicht gar seinen Dienst beim Dauphin zu verlieren.

Er hatte ohne jede selbstsüchtige Absicht, ohne jeden verlangten oder versprochenen Lohn die Wünsche seiner schönen Cousine erfüllt. Weiter wollte er in keinem Falle gehen. Daß er Madame d'Étioles heute hier beschützte, geschah nach dem Willen des Königs. Dem hatte er unbedingt zu gehorchen. –

Jeanne war an einer Unterhaltung mit Binet nicht viel gelegen. Er hatte seine Schuldigkeit getan, damit genug. Gelegentlich würde sie daran denken, ihn für seine Dienste zu belohnen.

Sie schaute ungeduldig und ein wenig verdrossen in die Menge. Ihre kleinen Füße mit den aufwärtsgebogenen, energischen Zehen wippten in den schmalen, hochhackigen rosa Atlasschühchen in immer rascheren Pendelbewegungen auf und nieder.

Der Dauphin hatte den Ball längst verlassen. Von den nahen Türmen hatte es die Mitternacht geschlagen. Wo der König nur blieb? War das die heiße Ungeduld, die er gestern verraten hatte? War sie doch töricht gewesen, seine Wünsche nicht gestern schon zu erfüllen? Hatte sich zwischen gestern und heute schon eine jener raschen Wandlungen in Louis XV. vollzogen, vor denen man sie gewarnt hatte? – –

Dumpf klang die Ballmusik zu ihr herüber, ein altes Menuett. Merkwürdig vertraut schien ihr die Melodie, an irgendeine Erinnerung geknüpft. Wo konnte sie die Weise nur gehört haben?

Sie dachte nach. Langsam kam die Erinnerung. Sie täuschte sich nicht, an ihrem Hochzeitsfeste war's gewesen, kurz ehe sie mit Charles Guillaume aufgebrochen war.

Merkwürdig, daß ihr gerade in diesem Augenblick diese Gedanken kommen mußten. Jeanne wollte sie abschütteln, die unbequemen Mahner, aber immer wieder, mit jedem Geigenton kamen sie ihr zurück, deutlich, immer deutlicher.

Sie fühlte, wie ihr Herz geklopft hatte, da die Tür des Hochzeitsgemaches sich hinter ihnen geschlossen. In Liebe? Was wußte sie von Liebe, als Charles Guillaume gekommen war! Es war wohl nur die heiße Erwartung auf das geheimnisvolle Unbekannte gewesen, das jeden Mädchens Herz schlagen macht, wenn ihm die große, dunkel geahnte Stunde kommt! Zagend tasteten ihre Gedanken weiter.

War aus der großen Stunde, der ersten, da sie sich einem Mann gegeben, das Glück, die Liebe aufgeblüht? Jeanne schüttelte den Kopf. Ein kurzer Rausch, kaum geahnt, schon verflogen, und dann war die lange, nüchterne Enttäuschung gekommen.

Nein, sie hatte ihren Gatten nie geliebt. Seine gutmütige Anspruchslosigkeit hatte sie gelangweilt, das Bewußtsein, ihm in allen Dingen überlegen zu sein, hatte sie kalt gemacht. Nichts hatte ihre Ehe ausgefüllt, als die hoffende Erwartung auf das eine Große, die hoffende Erwartung, die sich um Minutenfrist erfüllen sollte.

Und zwischen die drängende Gewalt ihres brennenden Ehrgeizes, der heißen Wünsche nach Größe und Glanz rann wie eine warme, kosende Welle die Hoffnung ihres jungen Frauenherzens, daß Louis XV. die Liebe anders verstehen möge, als Charles Guillaume d'Étioles es vermocht!

Die Geigen schwiegen. Jeanne schreckte auf. Neben ihr stand ein Herr im schwarzen Seidendomino.

Binet war aufgeschnellt und hatte sich tief vor dem Fremden verneigt.

»Der Herzog von Richelieu,« flüsterte er Jeanne aufgeregt zu.

Sie war sofort wieder Herrin ihrer Gedanken, ihrer Haltung.

Mit nachlässiger Grazie, ohne die geringste Verlegenheit hob sie den Kopf.

»Sacre nom de Dieu,« murmelte der Herzog, des Königs Ratgeber in allen Liebesangelegenheiten, und noch einmal »sacre nom de Dieu!«

Diese kleine Bürgerin übertraf freilich alles, was Richelieu an Schönheit und Charme bisher in Paris gefunden hatte.

Er gab Madame d'Étioles galant den Arm. Binet wurde kurz verabschiedet.

»Gestatten Sie, Madame, daß ich Sie zu dem kleinen Kabinett geleite, in dem – Ihr Ritter in wenigen Augenblicken erscheinen dürfte.«

Jeanne atmete erleichtert auf. Sie hatte einen Augenblick lang gefürchtet, der Herzog bringe eine Absage des Königs.

In dem kleinen Zimmer standen Champagner, Früchte, Eis und süße Kuchen in kleinen Silberkörben bereit.

Der Herzog machte galant den Wirt. Er schenkte zwei Kristallbecher voll und nötigte Jeanne zum Trinken.

»Ihr Gesicht ist blaß, Madame. Mutmaßlich von der Hitze im Saal und der Anstrengung des Wartens. Der Champagner wird Ihnen gut tun.«

Er hob das Glas gegen sie.

»Ihr Wohl, Madame, und das Ihres Ritters.«

Er trank ihr zu und sah dann auf die Uhr, die eine halbe Stunde nach Mitternacht zeigte.

»Euer Ritter, schönste der Frauen, muß jeden Augenblick eintreffen. Er ist auf der Straße nach Sèvres seinem Sohn begegnet, der ihm mit Klagen über den Stadthausball in den Ohren gelegen hat. Ungeduldig hat er den Störenfried rasch genug abgeschüttelt. Keine zehn Minuten werden vergehen –«

Richelieu hatte noch nicht ausgesprochen, als die Tür von der Treppe zum Kabinett sich öffnete. Zwei schwarze Dominos traten ein. Der König und Ayen. Die beiden Herzöge zogen sich in die Fensternische zurück.

Louis beugte sich tief auf Jeannes Hand und küßte sie.

»Ich habe Sie warten lassen, Madame, ich bin untröstlich. Mißgeschick über Mißgeschick. Nachdem ich den Dauphin fortgeschickt, habe ich mit meinem Wagen dasselbe getan und bin in einer Mietskutsche hergekommen, um nicht noch einmal auf halbem Weg zum Glück aufgehalten zu werden.«

Er beugte sich so dicht zu ihr nieder, daß der Hauch seines Mundes sie traf. Heiß flüsterte er: »Den Weg zum Glück, Jeanne, von dem ich seit gestern nacht unablässig geträumt, wollen wir ihn zusammen gehen?«

In Jeannes Augen brannten Flammen. Die Farbe kam und ging in ihrem zarten Gesicht. Ihre Zähne gruben sich in die Unterlippe. Fast zu schnell war der Sieg errungen. Würde, konnte er von Dauer sein?

Er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest zwischen seinen heißen, fiebernden Fingern.

Nur nicht wieder zurück in die grausame Öde müder Wunschlosigkeit. Nur sie halten, die ihm Leben, Bewegung, Aufrüttlung aus unerträglicher Lethargie bedeutete.

Immer stürmischer wurde sein Werben.

Er hatte die Gegenwart der Herzöge in der Fensternische, die Vorsicht, die er sich gelobt hatte, vergessen.

Jeanne gab vor, ihn nicht zu verstehen. Sie senkte den Blick, auf daß er den Triumph nicht sähe, der aus ihren Augen leuchtete.

»Es ist hohe Zeit, Sire. Ich muß nach Haus. Meine Mutter wartet auf mich.«

»Und Ihr Gatte, Madame?«

Er fragte es gereizt und ungeduldig.

Nur jetzt kein Hemmnis, keinen Widerstand!

»Mein Gatte ist auf Reisen, Sire. Er hat meiner Mutter die Fürsorge für mich übergeben.«

Louis lächelte, seiner Sache gewiß. Eine Madeleine Poisson würde ihm nicht im Wege sein.

Er wendete sich zu den Herzögen um.

»Meine Herren, einen Mietswagen! Wir haben Madame unverantwortlich lange warten lassen. Bei dem wüsten Treiben, das noch immer auf den Straßen herrscht, ist es undenkbar, daß Madame den langen Weg von der Place de Grève bis ins Hôtel des Chèvres allein zurücklegt. Wir haben um die Erlaubnis gebeten, Madame nach Haus begleiten zu dürfen.«

Es war fast zwei Uhr, als der Wagen, immer wieder durch das Gewühl der Straße aufgehalten, vor dem kleinen Palais der d'Étioles hielt.

Richelieu, der mit Ayen den Rücksitz eingenommen, war herausgesprungen, dem König den Wagenschlag offen zu halten.

Lebhaft war Louis dem Herzog gefolgt. Jetzt hob er Jeanne aus der Kalesche. Er hielt die leichte Last einen Augenblick in der Luft und flüsterte dem schönen Weibe ein heißes, begehrliches Liebeswort zu.

Dann, ohne sich des weiteren um seine Begleiter zu kümmern, gab er Jeanne den Arm und führte sie die verschneite Steintreppe zum Haustor hinauf.

Auf der obersten Stufe angelangt, zog Jeanne ihren Arm aus dem des Königs und verneigte sich tief.

»Ich danke Euer Majestät für alle Huld und Gnade. Ich bin ja nun zu Haus. Ich möchte Euer Majestät um keinen Preis weiter bemühen.«

Er riß sie an sich und küßte ihren schwellenden Mund, ihre schimmernden Zähne.

»Kleine Närrin!« flüsterte er. »Wollten wir nicht den Weg zum Glück zusammen gehen?«

Er schlang den Arm um ihren Nacken und öffnete die nur angelehnte Tür.

Das Treppenhaus war von sanftem Lichtschein erhellt.

»Führ' mich in dein Heiligtum, süßes Weib!«

Er hielt sie bei der Hand, ohne sie zu lassen. Sie schritten leise, stumm.

Plötzlich stutzte der König. Irgendwo im Dunkeln wurde vorsichtig eine Tür geöffnet. Er verhielt den Schritt. Ihm war, als sähe er den Umriß eines weit vorgestreckten, weiblichen Kopfes. Gleich darauf herrschte wieder tiefe Stille.

»Komm!« flüsterte er heiß.

Jeanne öffnete die Tür neben dem Salon. Das Kaminfeuer brannte.

Auf goldenen, mit blaßfarbener rosa Seide überzogenen Tischen standen Blumenkörbe und Girandolen mit blaßblauen und rosa Kerzen.

Im Hintergrund des Zimmers leuchtete, vom roten Feuerschein sanft überstrahlt, ein schimmerndes Spitzenlager – Jeanne d'Étioles' Ehebett.

Zwischen seinen seidenen Kissen feierte Louis XV. die Brautnacht seines Sohnes.

Und als des Königs schöner Mund sich heiß begehrend auf Jeannes zarte Lippen preßte, als die brennende Glut seiner Sinne und seines Herzens sie im Sturme nahmen, da wußte sie, nicht nur ihr Ehrgeiz, auch ihr Weibeshoffen war erfüllt.


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