Dora Duncker
Marquise von Pompadour
Dora Duncker

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VII.

Zwei Wochen nachdem sein Neffe, schwerer noch niedergebrochen, als er ihn im Hôtel des Chèvres verlassen hatte, zu ihm auf sein kleines Landhaus in die Nähe von Paris gekommen war, traf Herr von Tournehem in Étioles ein.

Als Mitschuldiger an dem ehelichen Unglück Charles Guillaumes hatte er nichts unversucht gelassen, den Bedauernswerten, seit kurzem überdies noch schwer Verbitterten, zu trösten.

Nicht einmal die gerichtliche Entscheidung, welche die Trennung der Gatten aussprach, hatte Tournehem aufzuhalten vermocht.

Am 16. Juni brachte Advokat Collin das ausgefertigte Urteil nach Étioles: Charles Guillaume verlor außer der Gattin die eingebrachte Mitgift von 30 000 Livres.

Auf eine Einladung Jeannes hatte Herr von Tournehem seine Nichte, Frau d'Estrades, mit aus Paris gebracht.

Die junge Witwe, deren Gatte in der Schlacht von Dettingen gefallen, war die Schwiegertochter seiner Schwester Charlotte Lenormant und gehörte so zu der weiteren Familie, deren Besuch in Étioles der König gestattet hatte.

Diese häßliche und zu unermüdlichen Intrigen neigende Frau verstand es vortrefflich, ihr wahres Gesicht zu verbergen, sich bei Madame d'Étioles einzuschmeicheln, ja beinahe freundschaftliche Gefühle in ihr auszulösen.

In dem Hochgefühl, das des Königs täglich heißer werdende Briefe, die stetig sich mehrenden Siegesnachrichten vom Kriegsschauplatz in Jeanne erweckten, bemerkte sie nichts davon, wie scharf Madame d'Estrades' Augen beobachteten, wie genau sie die Zahl der Briefe, die aus Flandern kamen, kontrollierte, wie sie, wenn auch vergebens, alles daran setzte, einen dieser königlichen Briefe abzufangen.

Auch Richelieu schrieb oft, wie die d'Estrades gleich in den ersten Tagen ihres Aufenthaltes in Étioles festgestellt hatte.

Er war der Freund aller Maitressen seines königlichen Herrn gewesen. Daß er endlich, wohl oder übel, auch Madame d'Étioles als solche anerkannte, hatte ihn dem König nahegebracht, der während des Feldzuges auf sehr vertrautem Fuß mit dem Herzog lebte und dessen beginnende Freundschaft für Jeanne aufs eifrigste schürte. –

Während so auf Schloß Étioles feine und grobe Fäden für die Zukunft gesponnen wurden, heimliche Leidenschaften glühten, die Intrige auf unhörbaren Sohlen einherschlich, der Marquis de Gontaut und Abbé Bernis auf Befehl ihres königlichen Herrn Jeanne die Sprache und die Sitten des Hofes lehrten, zog Louis XV. als Sieger in Tournay ein.

Andere, immer neue Siege brachte der Verlauf der nächsten Wochen.

Gent wurde von Lowendal überrumpelt, Brügge ergab sich, Dendermonde und Ostende fielen in die Hände des Herzogs von Harcourt und Lowendals.

Flandern bescherte Louis dem Vielgeliebten die Kriegslorbeeren, die seiner Regierung bisher versagt geblieben waren. Das Volk feierte jubelnd den Eroberer. In allen Kirchen Frankreichs erklang das Tedeum für die Siege Seiner Allerchristlichsten Majestät. Auch in Étioles jubilierte man. Man beglückwünschte und feierte Jeanne, als sei sie die legitime Gemahlin, die Königin, die den Thron Frankreichs mit Louis XV. teilte.

Gegen die Mitte des Juli traf der Kurier aus Flandern mit einer Botschaft ein, die Jeannes heißeste Wünsche krönte.

Er brachte das Patent, das sie zur Marquise von Pompadour ernannte, nach Étioles.

Freudenfeuer leuchteten, Fanfaren tönten, Raketen stiegen zum blauen Sommerhimmel auf, der Champagner floß.

Mit königlicher Galanterie hatte Louis das Patent vom 11. Juli, dem Tage der Einnahme von Gent, datiert.

Voltaire, eingedenk seiner Pflichten als Hofhistoriograph, dichtete:

A Étioles, juillet 1745.
»Il sait aimer, il sait combattre:
Il envoi en ce beau séjour
Un brevet, digne d'Henri quatre,
Signé: Louis, Mars et l'Amour.

Mais les ennemis ont leur tour;
Et sa valeur, et sa prudence
Donnent à Gand (Gent) le même jour
Un brevet de ville de France.

Ces deux brevets, si bien venus,
Vivrons tous deux dans la mémoire:
Chez lui les autels de Vénus
Sont dans le temple de la Gloire.«

Am 7. September kehrte der König, an seiner Seite der Dauphin, nach Paris zurück.

Von der Porte Saint-Martin bis zum Karussell war die ganze Hauptstadt in einen einzigen großen Triumphbogen umgewandelt.

Bunte Teppiche, wappendurchwirkte Gobelins ließen ihre Farben in der strahlenden Herbstsonne spielen, Flaggen und Girlanden wehten.

In den Tuilerien wurde der König von seiner Familie begrüßt. Tränen der Rührung flossen. Die Glücklichste von allen war die Königin, als sie den Sohn heil, gesund und siegreich wieder in die Arme schloß.

Ein Dankgottesdienst in Nôtre-Dame, ein glänzendes Feuerwerk auf dem Grêveplatz, Geigen- und Sinfoniekonzerte, ein Souper im Stadthaus, das Paris der königlichen Familie bot und bei dem genau hundert Gerichte serviert wurden, folgten während der nächsten Septembertage.

Im Rausch der Feste hatte Louis keine Zeit gefunden, den köstlichsten Empfang, der ihm bereitet worden, den Empfang in den Armen der Geliebten, auszukosten.

Seine Sehnsucht nach dem trauten Beisammensein, das ihn vor der Abreise nach Flandern so tief beglückt und seine melancholischen Gedanken wie mit einem Zauberschlage gebannt hatte, wurde immer brennender.

Seine Natur, die keinen Zwang vertrug, bäumte sich gegen die lauten Festlichkeiten auf, die ihn von der Marquise fernhielten.

Während er sich an der zeremoniellen Hoftafel im Stadthaus feiern lassen mußte, saß Jeanne nur um ein Stockwerk von ihm getrennt. Er hatte ihr in einem der oberen Räume ein kleines Souper arrangiert, zu dem sie Onkel Tournehem, Bruder Abel, ihre Cousine, Madame d'Estrades, und Frau von Sassenage, eine Verwandte Frau von Saissacs, mit der Jeanne im Sommer öfter zusammengekommen, geladen hatte.

Der König litt Qualen der Eifersucht. Die Herren seiner Umgebung schienen nichts Wichtigeres zu tun zu haben, als der Marquise im oberen Stock ihre Aufwartung zu machen.

Der Gouverneur von Paris, Herzog von Gesvres, Macville, der Polizeikommandant, Bouillon, ja selbst der Vorsteher der Kaufmannschaft, Monsieur de Bernage, der des Königs persönlichen Dienst bei der Tafel versah, benutzten jede Gelegenheit, den Saal zu verlassen, um die schöne Jeanne, von der alles flüsterte, bei ihrem kleinen Souper zu besuchen.

Der König wurde erst ruhiger, als Richelieu und Ayen ihm geheime Botschaft von der Geliebten brachten.

Er sprach sich selbst Geduld zu. Nur wenige Tage noch, dann bezog Jeanne die Zimmer der Châteauroux, die er aufs prunkvollste für sie hatte herrichten lassen, dann war sie offiziell bei Hofe eingeführt.

Er konnte sie jede Stunde im geheimen oder öffentlich sehen, nichts würde es mehr in seinem Dasein geben, an dem die Marquise von Pompadour nicht teilhaben würde.

Er setzte das Glas schweren Burgunders an die Lippen, das vor ihm stand. Er trank es insgeheim auf ihr Wohl, er zählte die Stunden, da er wieder allein mit Jeanne in seinen kleinen Gemächern sein, da sie ihm den purpurnen Wein und die süßen Lippen reichen würde.


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