Dora Duncker
Marquise von Pompadour
Dora Duncker

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XII.

Der Minister Maurepas hatte in der Frühe auf seinem Schreibtisch einen Brief der Marquise von Pompadour gefunden.

Mit Widerwillen erbrach er das Schreiben.

Die Pompadour forderte in gereiztem Ton endlich greifbare Resultate seiner Nachforschungen über den Verfasser der Pasquille.

Maurepas lachte hämisch. Noch hatte die Marquise die Geheimpolizei und das »Schwarze Kabinett« nicht zu ihrer Verfügung.

Es würde Zeit und Weile dauern, bis sie den oder die Verfasser der Pamphlete kennen lernte!

Bis dahin hatte der König sie wohl schon ins Hôtel des Chèvres, zu ihrem schwachköpfigen Gatten, zurückgeschickt! – – –

Am nächsten Morgen konnte Paris und Versailles an allen Gartenmauern, Baumstämmen und Hauswänden ein neues Spottgedicht lesen, das binnen vierundzwanzig Stunden in aller Munde war und auf die Melodie des »Trembleurs d'Isis« in jeder Gasse gesungen wurde. Es war die Antwort des Ministers auf den Sieg der Pompadour.

»Les grands seigneurs s'avilissent,
Les financiers s'enrichissent
Et les Poissons s'agrandissent;
C'est le règne des vauriens, rien, rien.
On épuise la finance,
En bâtiments, en dépense,
L'État tombe en décadence,
Le Roi ne met ordre à rien, rien, rien.

Une petite bourgeoise
Élevée à la grivoise,
Mesurant tout à sa toise,
Fait de la cour un taudis, dis, dis.
Louis, malgré son scrupule,
Fortement pour elle brûle,
Et son amour ridicule
A fait rire tout Paris, ris, ris.

Cette catin subalterne
Insolemment le gouverne,
Et c'est elle qui décerne
Les honneurs à prix d'argent, gent, gent.
Devant l'idole tout plie,
Le courtísan s'humilíe;
Il subit cette infamie,
Et n'est que plus indigent, gent, gent.«

Diesmal waren die beschimpfenden Verse rasch genug in die Hände der Marquise gelangt.

Sie hatte sie selbst von einem Pfeiler an der kleinen Gartenpforte gerissen, die sie öfters passierte, wenn sie auf eine halbe Stunde allein mit der Hausset und »Mimi« stille und einsame Wege ging. Diesmal weinte sie nicht, diesmal ward ihr Gesicht nicht kalkweiß, krampften sich ihre Hände nicht. Nur die Brauen zogen sich enger zusammen, tiefer stand die senkrechte Falte über der Nasenwurzel.

Rasch, in königlicher Haltung schritt sie in das Schloß zurück und befahl Madame d'Estrades zur Ausfahrt.

Ihr Entschluß stand fest. Nichts und niemand würde sie mehr davon abbringen. –

Die Rappen der Pompadour, die jedes Kind in Paris kannte, hielten vor dem Palais Maurepas'.

Jeanne sparte sich die Vorrede und machte kurzen Prozeß.

»Man soll mir nicht nachsagen, Herr Minister,« ihre Stimme klang hart und kalt wie Stahl, »daß ich mir die Minister holen lasse. Ich suche sie mir selbst. Meine Geduld ist zu Ende. Wann werden Sie mir den Verfasser der Schandschriften zu nennen wissen?«

»Sobald ich ihn kenne, Madame, werde ich ihn dem König nennen.«

Sie maß ihn verächtlich vom Kopf bis zu den Füßen. Höhnisch sagte sie:

»Sie machen nicht viel Umstände mit den Maitressen des Königs. Das ist bekannt. Es kommt nur darauf an, wie die Maitressen sich damit abzufinden gedenken. Eine ist nicht wie die andere.«

»Ich behandle sie sämtlich nach Verdienst, Madame,« gab Maurepas impertinent zurück.

Ihre Augen blitzten ihn an, ihre Zähne gruben sich tief in die Unterlippe; aber sie sprach kein Wort mehr.

Mit einer raschen, herrischen Bewegung verließ sie das Zimmer des Ministers. – –

In der Nachbarschaft des Ministerhotels war der Besuch der Marquise nicht unbemerkt geblieben. Der Marschall von Villars kam hereingestürmt.

»Sie haben vornehmen Besuch gehabt, Maurepas?«

Der Minister verneigte sich höhnisch.

»Keinen geringeren als den der Pompadour. Ich fürchte nur, er wird ihr kein Glück bringen. Ich erinnere mich, daß, als die Mailly zu mir kam, sie zwei Tage später ihren Abschied hatte. Daß ich die Châteauroux vergiftet haben soll, wissen Sie, Marschall. Ich bringe ihnen allen Unglück, den königlichen Maitressen.« Und er lachte überlaut und siegesgewiß. –

Fiebernd kehrte Jeanne nach Versailles zurück.

Sie fühlte sich todkrank. Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Ihr Atem ging kurz und schwer, aber um nichts in der Welt hätte sie sich beim König krank gemeldet, Maurepas auch nur um eine Sekunde den Vortritt gelassen.

Eine halbe Stunde nach ihrer Rückkehr war sie bereits für das Diner umgekleidet, das im kleinen Cercle in den kleinen Gemächern eingenommen werden sollte.

Auf die inständigen Bitten der Hausset hatte sie ein wenig Rot aufgelegt, um den König nicht durch ihre geisterhafte Blässe zu erschrecken.

Louis saß ihr gegenüber. Ayen zu ihrer Linken.

Der Herzog bemerkte zuerst ihre fliegenden Hände, den unsteten, aufgeregten Blick, dessen sie trotz aller Selbstbeherrschung nicht Herr zu werden vermochte.

Er bemerkte auch, daß sie die Speisen unberührt an sich vorübergehen ließ.

»Sind Sie krank, Marquise?« fragte er leise und besorgt.

Der König, der sich mit der d'Estrades und der Bellefonds unterhalten hatte, wurde sofort aufmerksam.

»Sie sind krank, Madame?« rief er erschreckt.

»Ich bin es noch nicht, Sire, aber ich könnte es werden. Und mehr als krank. Herr von Maurepas trachtet mir nach dem Leben.«

»Um Gottes willen, wo denken Sie hin, Marquise?«

»Vergessen Sie die arme Herzogin von Châteauroux?« flüsterte sie über den Tisch.

Alles schwieg bestürzt. Der König zwang sich ein Lächeln ab.

»Sie sehen Gespenster, liebe Freundin.«

Jeanne schüttelte den Kopf.

»Ich fühle es, Sire, er hat die Absicht, mich zu vergiften.«

»An meiner Tafel sollte ihm das schwer fallen, meine liebe Marquise.«

Sie genoß auf seine Bitten von der Forelle und den jungen Gemüsen und trank ein paar Schluck von dem schweren Burgunder.

Nach dem Ballett kam der König zu ihr. Quesnay war bei ihr gewesen und hatte ihr ein Beruhigungspulver gegeben. Sie lag mit halb geschlossenen Augen ermattet, aber ruhiger da.

Jetzt, allein mit Louis, erzählte sie ihm, was Maurepas sich gegen sie erlaubt, und zeigte ihm das neue Schmähgedicht des Ministers.

Der König hatte noch nichts davon gehört. Er empörte sich. Er erzürnte sich laut in Ausdrücken, die selten über seine Lippen kamen.

»Sollte Maurepas es wirklich wagen –!?«

»Es kommt von ihm, Sire. Verlassen Sie sich darauf! Auch Richelieu hat mich noch kurz vor seiner Abreise des Hasses Maurepas' und seiner Bosheiten gegen mich versichert. Wäre der Herzog hier!«

Eifersüchtig und empfindlich schrie der König zornig:

»Wozu brauchen Sie Richelieu, Marquise? Bin ich nicht da?«

Sie war so heftig erschrocken, daß er sogleich wieder sanft und zärtlich wurde.

»Meine arme Jeanne, meine arme, liebe Jeanne, Maurepas hat sich schlimm gegen dich vergangen, und wenn ich auch nicht glaube, daß er die Absicht hat, dich zu vergiften.«

»Er hat sie, Sire.«

»Noch daß diese gemeinen Pasquille von ihm stammen.«

»Sie tun es, Sire.«

»So sehe ich doch, wie du leidest, meine arme Jeanne. Du aber sollst nicht leiden. Du sollst mich ja ruhig und glücklich machen, und dazu mußt du selbst wieder ruhig und glücklich sein. Ach, mein Gott, wie schwer und traurig ist das Leben!«

Louis war in einen Stuhl gesunken. Lange saß er stumm und nachdenklich. Mechanisch drehte er die Ringe an seinen Fingern und betrachtete ihre kostbaren Steine. Es kostete ihm einen schweren Kampf, Maurepas den Abschied zu geben.

Aber er sah keinen anderen Ausweg. Er wollte keine Aufregungen, keine Kämpfe. Er wollte die Ruhe, die seinen krankhaften Seelenzuständen so über alles notwendig war.

»So sei es denn,« murmelte er vor sich hin.

Dann erinnerte er sich daran, daß er dem Minister, mit dem er seit Anbeginn seiner Regierung zusammen arbeitete, bei irgendeiner Gelegenheit versprochen hatte, ihn persönlich zu benachrichtigen, wenn die Stunde der Verabschiedung einmal kommen sollte.

Er sagte Jeanne eilig Gute Nacht und schrieb, um nicht rückfällig zu werden, noch in der Nacht den Brief, der ihm mehr kostete, als er sich eingestehen mochte.

»Ich habe Ihnen versprochen, Sie in eigener Person zu benachrichtigen, wenn gewisse Dinge eintreten sollten; ich halte Wort. Ihre Dienste sagen mir nicht mehr zu. Sie werden Ihre Demission M. de Saint-Florentin überreichen. Sie werden sich nach Bourges zurückziehen. Pontchartrin ist zu nah. Ich gebe Ihnen bis Schluß der Woche Zeit abzureisen. Sie werden niemand als Ihre Familie um sich sehen. Ich bitte, mir keine Antwort zu geben.«

Am Morgen des zweiten Tages schon verließ Maurepas Paris. Er ging mit bitterem Lächeln über seinen Rechenfehler und dachte über die Dankbarkeit Frankreichs und seiner Könige nach und daß die Maurepas seit 170 Jahren als Minister und Staatssekretäre dem Lande treu gedient hatten.


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