Alexander Dumas Sohn
Die Dame mit den Kamelien
Alexander Dumas Sohn

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XI.

Als ich wiederum alle mich umgebenden Dinge in dem gewohnten Geleise sah, konnte ich nicht glauben, daß der junge Tag den vorhergegangenen Tagen nicht völlig gleich sein sollte. Es gab Augenblicke, wo ich überzeugt war, ich hätte infolge eines Umstandes, dessen ich mich nicht erinnerte, die Nacht außerhalb meiner und Margaretens Wohnung zugebracht, aber bei meiner Rückkehr nach Bougival würde ich sie voll Angst und Besorgnis wieder finden und ich glaubte schon ihre zärtliche Stimme zu hören, mit der sie mich fragte, warum ich so lange ausgeblieben sei.

Wenn eine Gewohnheit einmal so tief eingewurzelt ist, so scheint es unmöglich, daß die Gewohnheit aus dem Dasein herausgerissen werden könne, ohne daß zugleich alle anderen Triebfedern des Lebens zerbrechen.

Ich war daher gezwungen, von Zeit zu Zeit Margaretens Brief zu lesen, um mich zu überzeugen, daß ich nicht geträumt hatte.

Mein Körper, der dieser heftigen geistigen Erschütterung unterlag, war keiner Bewegung fähig. Die Unruhe, die anstrengende nächtliche Wanderung, die am Morgen erhaltene Schreckensnachricht hatten mich erschöpft. Mein Vater benützte diese gänzliche Erschöpfung meiner Kräfte, um das förmliche Versprechen, mit ihm abzureisen, von mir zu fordern.

Ich versprach alles, was er wollte. Es war mir unmöglich, auf eine nähere Erörterung einzugehen und ich bedurfte einer wahren Zuneigung, um mich nach diesem furchtbaren Schlage noch an das Leben zu fesseln. Ich fühlte mich überglücklich, daß mein Vater in diesem Kummer liebevolle Trostesworte zu mir sprach.

Das einzige Ereignis jenes Tages, das mir noch erinnerlich, war unsere Abreise. Gegen fünf Uhr brachte mich mein Vater in eine Postchaise. Ohne mir ein Wort zu sagen, hatte er mein Gepäck besorgen und mit dem seinigen hinter dem Wagen befestigen lassen.

Erst als die Stadt verschwunden war und die Einsamkeit des Weges mich an die Öde meines Herzens erinnerte, wurde mir dessen, was ich tat, deutlich bewußt und meine Tränen brachen wieder aus.

Mein Vater hatte wohl eingesehen, daß Worte, selbst aus seinem Munde, mich nicht trösten würden und er ließ mich weinen, ohne mir ein Wort zu sagen; nur von Zeit zu Zeit drückte er mir die Hand, als ob er mir in Erinnerung hätte bringen wollen, daß mir ein Freund zur Seite sitze.

In der Nacht schlief ich nur wenig. Ich träumte von Margarete. Ich fuhr aus dem Schlafe auf und begriff nicht, warum ich in einem Wagen saß.

Dann kam mir die Wirklichkeit wieder vor die Seele und der Kopf sank mir auf die Brust.

Ich getraute mich nicht, meine Gefühle auszusprechen, ich fürchtete immer, er würde zu mir sagen: »Du siehst, daß ich recht hatte, die Liebe dieses Mädchens zu bezweifeln.«

Aber er benützte seinen Vorteil nicht und wir kamen nach C***, ohne daß er das Ereignis, das meine Abreise veranlaßt, nur mit einem Wort berührt hatte.

Als ich meine Schwester begrüßte, fielen mir die Worte in Margaretens Briefe ein; aber ich fühlte wohl, daß ich in der Gesellschaft meiner Schwester, wie gut und liebenswürdig sie auch war, die Geliebte nie vergessen würde.

Die Jagd war eröffnet und mein Vater dachte, sie werde mir eine Zerstreuung gewähren. Er veranstaltete daher Jagdpartien mit Nachbarn und Freunden. Ich nahm ohne Widerstreben, aber auch ohne Freude an denselben teil; ich zeigte auch bei diesen Unterhaltungen jene Apathie, durch die sich seit meiner Abreise alle meine Handlungen auszeichneten.

Es wurden Treibjagden gehalten. Man stellte mich auf meinen Posten. Ich lehnte mein Gewehr an einen Baum und überließ mich meinen Gedanken. Bald starrte ich die vorüberziehenden Wolken an, bald schweiften meine Blicke über die mich umgebende Einöde und von Zeit zu Zeit hörte ich die Stimme eines Jägers, der mir einen zehn Schritte von mir vorüberlaufenden Hasen zeigte.

Dies alles entging meinem Vater keineswegs und er ließ sich durch meine äußere Ruhe nicht täuschen. Er sah wohl ein, daß meine niedergeschlagenen Gefühle sich früher oder später auf eine gewaltsame, vielleicht gefährliche Weise wieder erheben würden, und ohne sich das Ansehen zu geben, als ob er mich trösten wollte, bot er alles auf, mich zu zerstreuen.

Meine Schwester, die natürlich nicht wußte, was meine Rückkehr veranlaßt hatte, konnte sich nicht erklären, warum ich, der einst so heitere, lebensfrohe Mensch, auf einmal so düster und nachdenkend geworden war.

Zuweilen wurde ich in meiner Traurigkeit durch den unruhigen Blick meines Vaters überrascht. Dann reichte ich ihm die Hand und drückte ihm die seinige, gleichsam um ihn wegen des Kummers, den ich ihm verursachte, stillschweigend um Verzeihung zu bitten.

So verfloß ein Monat, aber das war alles, was ich zu ertragen vermochte. Margaretens Bild verfolgte mich unablässig. Ich hatte sie zu innig geliebt, als daß sie mir auf einmal hätte gleichgiltig werden können. Dieses Gefühl war noch keineswegs in mir erloschen. Ich mußte sie entweder lieben oder hassen und ich fühlte das Bedürfnis, sie bald wieder zu sehen.

Dieses Verlangen wurde plötzlich in mir rege und bemächtigte sich meines ganzen Wesens mit der ungestümen Gewalt des Willens, der sich in einem seit langer Zeit machtlosen Körper endlich wieder geltend machte. Es war keine unbestimmte Sehnsucht, die mich erfüllte; ich hegte nicht etwa den Wunsch, Margarete in ferner Zukunft, in einem Monate, in acht Tagen wieder zu sehen; ich wollte und mußte sie sogleich sehen und die Zeit, die ich zu der Reise nach Paris brauchte, schien mir unendlich lang für meine Wünsche. Ich zeigte daher meinem Vater an, daß ich in wichtigen Geschäften nach Paris reisen müsse, versprach aber in einigen Tagen zurückzukehren.

Mein Vater erriet ohne Zweifel den Beweggrund dieses Entschlusses, denn er suchte mich zum Bleiben zu bewegen; aber er sah wohl ein, daß die Vereitlung dieses Wunsches in meinem reizbaren Zustande verderbliche Folgen für mich haben könne und gab nach. Obwohl er die wahre Ursache meiner Abreise mit keinem Worte berührte, so gab er doch nicht undeutlich zu erkennen, daß er sie erraten, und bat mich fast mit Tränen, bald nach C*** zurückzukommen.

Vor meiner Ankunft in Paris fand ich keinen Schlaf. Was ich dort eigentlich wollte? Ich wußte es nicht; nur das wußte ich, daß ich mich vor allem nach Margarete umsehen mußte.

Ich begab mich in meine Wohnung, um meine Reisekleider abzulegen, und da das Wetter schön war, so ging ich in die Champs Elysées.

Nach einer halben Stunde bemerkte ich Margaretens Wagen. Sie hatte ihre Pferde wieder gekauft, denn das Fuhrwerk war dasselbe wie früher, nur fuhr die Kutsche im Schritt und Margarete saß nicht darin.

Kaum hatte ich diese Abwesenheit bemerkt, so erblickte ich Margarete, die in Begleitung eines mir unbekannten Frauenzimmers zu Fuß die Allee herabkam.

Margarete erblaßte, als sie an mir vorüberging und ihre Gesichtszüge schienen krampfhaft zu zucken. Mein Herz pochte ungestüm, aber es gelang mir doch, meine äußere Ruhe zu bewahren und ich grüßte meine frühere Geliebte mit kalter Höflichkeit. Sie trat gleich darauf an den Wagen und stieg mit ihrer Begleiterin ein.

Dieses unerwartete Zusammentreffen mußte einen erschütternden Eindruck auf Margarete gemacht haben. Ohne Zweifel hatte sie meine Abreise erfahren und war dadurch über die Folgen unseres Bruches beruhigt worden; als sie aber plötzlich mein blasses Gesicht erblickte, hatte sie gewiß eingesehen, daß meine Rückkehr einen Zweck hatte und blickte nun voll Erwartung und Besorgnis auf meine künftigen Schritte.

Hätte ich Margarete augenblicklich wieder gefunden; hätte ich ihr, um mich an ihr zu rächen, zu Hilfe kommen können, so würde ich ihr vielleicht verziehen haben und würde gewiß nicht auf den Gedanken gekommen sein, ihr weh zu tun; aber ich fand sie schöner als je wieder; ein anderer hatte ihr den Prunk zurückgegeben, den ich ihr nicht gewähren konnte; unser Zerwürfnis, das von ihr veranlaßt worden war, nahm folglich den Schein des Eigennutzes an; ich war in meinem Selbstgefühl wie in meiner Liebe gedemütigt; sie mußte büßen für den Schmerz, den sie mir verursacht hatte.

Margaretens Tun und Lassen konnte mich unmöglich gleichgiltig lassen, nichts mußte ihr daher peinlicher sein, als meine Gleichgiltigkeit. Ich faßte daher den Entschluß, nicht nur in ihren, sondern auch in anderer Augen die vollkommenste Gleichgiltigkeit zur Schau zu tragen, um nicht dem geringsten Zweifel an der Wirklichkeit derselben Raum zu geben.

Ich versuchte daher eine heitere, sorglose Miene anzunehmen und begab mich zu Prudence.

Die Kammerjungfer meldete mich und ließ mich einige Augenblicke im Salon warten.

Endlich erschien Madame Duvernoy und führte mich in ihr Boudoir. In dem Augenblicke, als ich mich setzte, hörte ich die Tür des Salons aufgehen und ein seidenes Gewand rauschen; dann wurde die äußere Tür heftig zugeschlagen, als ob sich jemand eilends entfernte.

»Störe ich Sie vielleicht?« fragte ich Prudence.

»Durchaus nicht; Margarete war da und als sie Ihren Name hörte, eilte sie fort; sie ist soeben hinausgegangen.«

»Sie fürchtet mich also?«

»Nein, aber sie glaubt, es werde Ihnen unangenehm sein, sie wiederzusehen.«

»Warum denn?« sagte ich mit mühsam erzwungener Sorglosigkeit, während mir das Herz zerspringen zu wollen schien; »das arme Mädchen hat mich verlassen, um Equipage, Möbel und Geschmeide wieder zu erhalten; sie hat recht getan und ich verarge ihr's durchaus nicht ... Sie ist mir heute begegnet,« setzte ich gleichgiltig hinzu.

»Wo?« fragte Prudence, die mich forschend ansah, die ihren Ohren nicht zu trauen schien, als sie den Mann, der Margarete so innig geliebt hatte, in solchem Tone reden hörte.

»In den Champs Elysées; sie hatte ein anderes sehr hübsches Frauenzimmer bei sich. Wer ist die andere?«

»Wie sieht sie aus?«

»Sie ist schlank und blond, hat blaue Augen, trägt lange Locken und ist sehr elegant.«

»Ah! das ist Olympe, ein sehr hübsches Mädchen.«

»Wo wohnt sie?«

»Rue Tronchet, Nr. ... Beabsichtigen Sie etwa ihr den Hof zu machen?«

»Wohl möglich.«

»Und an Margarete denken Sie nicht mehr?«

»Es wäre eine Unwahrheit, wenn ich sagte, daß ich gar nicht mehr an sie denke; aber ich gehöre zu den Männern, die besonders auf die Art und Weise sehen, wie man mit ihnen bricht. Margarete hat mich eben auf so leichtfertige Weise verabschiedet, daß meine frühere heiße Liebe zu ihr in der Tat sehr lächerlich erschien, denn ich bin dem Mädchen wirklich gut gewesen.«

Sie können denken, in welchem Tone ich dies zu sagen suchte; der Schweiß rann mir von der Stirn.

»Sie war Ihnen auch unendlich gut und ist es noch,« erwiderte Prudence; »ist sie doch heute sogleich zu mir gekommen, um mir zu erzählen, daß sie Ihnen begegnet sei. Als sie hierher kam, zitterte sie; ich glaubte, sie würde in Ohnmacht fallen.«

»Nun, was hat sie zu Ihnen gesagt?« konnte ich mich nicht enthalten zu fragen.

»Sie sagte zu mir, Sie würden mich ohne Zweifel besuchen und bat mich, ihr Verzeihung bei Ihnen zu erwirken.«

»Ich habe ihr längst verziehen,« erwiderte ich; »das können Sie ihr sagen. Sie ist ein gutes Mädchen, aber sie ist ein Mädchen wie alle anderen und ich mußte mich gefaßt machen auf das, was sie getan hat. Ich bin ihr sogar dankbar für den Entschluß, den sie gefaßt hat; denn jetzt, wo ich ruhig darüber nachdenke, frage ich mich selbst, wohin uns mein Plan, ganz bei ihr zu leben, geführt haben würde. Es war ein Unsinn.«

»Es wird ihr sehr lieb sein,« sagte die Duvernoy, »zu erfahren, daß Sie von der Notwendigkeit dieses Schrittes überzeugt sind und sich so leicht darein zu finden wissen. Es war Zeit, daß sie von Ihnen ging, lieber Freund. Der Geschäftsmann, dem sie ihre Möbel zum Verkauf angeboten hatte, war zu ihren Gläubigern gegangen, um selbe zu fragen, wie viel sie ihnen schulde; diesen wurde um ihr Geld bange und es sollte in zwei Tagen alles verkauft werden.«

»Und jetzt sind die Schulden bezahlt?«

»Ja, so ziemlich alle.«

»Und wer hat das Geld hergegeben?«

»Der Graf von N*** Ach, lieber Armand, es gibt Männer, welche die Schönen, denen sie huldigen, nur durch Geld gewinnen können. Kurz, er hat zwanzigtausend Franks an die Gläubiger auszahlen lassen; aber er hat damit auch seine Wünsche erreicht. Er weiß wohl, daß Margarete ihn nicht liebt, aber er ist trotzdem sehr artig gegen sie. Sie haben gesehen, daß er ihr Pferde und Wagen zurückgekauft hat, er hat ihr Geschmeide eingelöst und gibt ihr so viel, als sie früher von dem alten Herzog erhielt; wenn sie ruhig und eingezogen leben will, wird er ihr lange treu bleiben.«

»Wohnt sie ganz in Paris?«

»Ja, als Sie fort waren, wollte sie nicht wieder nach Bougival gehen. Ich habe Margaretens Sachen und auch die Ihren von dort geholt; Ihre Effekten sind eingepackt und stehen hier zu Ihrer Verfügung. Nur eine kleine Brieftasche mit Ihrem Namenszuge hat Margarete zu sich genommen. Wenn Ihnen aber daran liegt, so werde ich sie ihr abfordern.«

»Sie mag die Brieftasche nur behalten,« stammelte ich, denn ich fühlte mir die Tränen aus dem Herzen in die Augen steigen bei der Erinnerung an jenes liebliche Dorf, wo ich so glücklich gewesen war, und bei dem Gedanken, daß Margarete gern ein Andenken von mir behalten wollte.

Wenn sie in jenem Augenblicke eingetreten wäre, so würde ich alle meine Rachegedanken aufgegeben haben und ihr zu Füßen gefallen sein.

»Übrigens,« fuhr Prudence fort, »habe ich sie noch nie so gesehen, wie sie jetzt ist: sie schläft fast nicht mehr! sie besucht alle Bälle, soupiert und betrinkt sich sogar. Unlängst mußte sie nach einem Souper acht Tage lang das Bett hüten; und an dem Tage, wo ihr der Arzt erlaubte, aufzustehen, hat sie dieses Leben wieder angefangen, auf die Gefahr hin, das Leben dabei einzubüßen. Werden Sie sie besuchen?«

»Wozu das? Ich mache Ihnen einen Besuch, weil Sie immer sehr artig gegen mich waren, und weil ich Sie früher kannte als Margarete. Ihnen verdanke ich es, Margaretens Geliebter gewesen zu sein, so wie ich es Ihnen verdanke, daß ich es nicht mehr bin, nicht wahr?«

»Ja, wahrhaftig, ich habe alles aufgeboten, um Sie von ihr zu trennen und ich glaube, daß Sie mir deshalb nicht zürnen werden.«

»Im Gegenteil, ich bin Ihnen doppelt dankbar dafür,« antwortete ich aufstehend, denn die Aufrichtigkeit der Duvernoy ekelte mich an.

»Sie wollen gehen?« fragte sie.

»Ja,« erwiderte ich.

Ich wußte ja alles, was ich wissen wollte.

»Wann wird man Sie wieder sehen?«

»Bald. Adieu.«

»Adieu!«

Prudence begleitete mich bis an die Tür, und ich kehrte mit Tränen der Wut in den Augen und mit Rachedurst im Herzen nach Hause zurück.

Margarete war also wirklich ein Mädchen ganz gemeinen Schlages; ihre Liebe zu mir hatte also nicht gekämpft gegen das Verlangen, ihr früheres Leben wieder anzufangen und gegen das Bedürfnis, Equipage zu halten und sich mit Prunk zu umgeben.

Das waren meine Gedanken in den schlaflosen Nächten, wahrend ich, wenn ich wirklich mit kalter Überlegung geurteilt hatte, in jenem geräuschvollen Leben, das Margarete wieder angefangen hatte, nur das Bestreben gesehen haben würde, einen unablässig sich aufdrängenden Gedanken, eine immer wiederkehrende Erinnerung zum Schweigen zu bringen.

Unglücklicherweise gewann die blinde Leidenschaft in mir die Oberhand, und ich sann nur noch auf Mittel, das arme Geschöpf zu peinigen.

Oh! der Mensch ist sehr engherzig und erbärmlich, wenn eine seiner kleinlichen Leidenschaften verletzt wird.

Ich brachte in Erfahrung, daß jene Olympe, die ich mit Margarete gesehen hatte, ihre Freundin oder doch wenigstens ihre tägliche Gesellschafterin war. Ich erfuhr außerdem, daß sie einen Ball geben werde, und da ich vermutete, daß Margarete diesen Ball besuchen würde, suchte ich mir eine Einladung zu verschaffen und erhielt sie.

In meiner peinlichen Stimmung kam ich auf diesen Ball, der bereits sehr belebt war. Man tanzte und lärmte, und in einer Quadrille bemerkte ich Margarete, die mit dem Grafen von N*** tanzte. Der junge Kavalier schien sich viel auf seine Eroberung einzubilden und allen Anwesenden sagen zu wollen: diese gefeierte Schönheit ist mein.

Ich lehnte mich an den Kamin, Margareten gerade gegenüber und ich ließ sie nicht aus den Augen. Kaum hatte sie mich bemerkt, so wurde sie verlegen. Ich sah es und winkte ihr mit Hand und Augen einen kalten nachlässigen Gruß zu.

Als mir in den Sinn kam, daß sie nicht von mir, sondern von diesem reichen Tropf auf den Ball geführt worden war, stieg mir das Blut ins Gesicht und ich fühlte mehr als je das Bedürfnis, mich zu rächen.

Nach dem Contretanz begrüßte ich die Ballgeberin, die vor ihren Gästen sehr schöne, wohlgerundete Schultern und einen blendend weißen Nacken zur Schau ausstellte.

Sie war schön und hinsichtlich der äußeren Formen schöner als Margarete. Ich erkannte dies noch mehr an gewissen Blicken, welche letztere auf Olympe warf, während ich mit ihr sprach. Der Geliebte dieser gefeierten Modeschönheit konnte in der Tat ebenso stolz sein, als der Graf von N***, und sie war schön genug, um eine ebenso glühende Leidenschaft zu entzünden, wie ich für Margarete empfunden hatte.

Ich wußte, daß sie damals keinen erklärten Verehrer hatte und daß es nicht schwer sein würde, es zu werden. Es handelte sich nur darum, durch Gold zu glänzen und sich ein Ansehen zu geben.

Mein Entschluß war bald gefaßt. Olympe sollte meine Geliebte werden.

Ich begann meine Werbung dadurch, daß ich mit Olympe tanzte.

Eine halbe Stunde nachher ließ sich Margarete, die totenbleich war, ihren Pelz bringen und verließ den Ball.


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