Alexander Dumas Sohn
Die Dame mit den Kamelien
Alexander Dumas Sohn

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XI.

Bei dieser Stelle seiner Erzählung hielt Armand inne.

»Wollen Sie das Fenster schließen?« sagte er zu mir; »es friert mich. Unterdessen will ich mich niederlegen.«

Ich schloß das Fenster. Armand, der noch sehr schwach war, zog seinen Schlafrock aus und legte sich ins Bett. Er ließ den Kopf eine Weile auf den Kissen ruhen, als ob er durch eine lange Wanderung ermüdet oder durch trübe Erinnerungen ergriffen gewesen wäre.

»Sie haben vielleicht zu viel gesprochen,« sagte ich zu ihm. »Soll ich fortgehen und Sie schlafen lassen? Sie können mir ja das Ende dieser Geschichte ein anderesmal erzählen.«

»Ist es Ihnen langweilig?« fragte er.

»Im Gegenteil.«

»Nun, dann will ich fortfahren; ich würde nicht schlafen können, wenn Sie mich mit diesen Erinnerungen allein ließen.«

»Als ich nach Hause zurückkehrte,« fuhr er fort, ohne daß er nötig hatte sich zu besinnen, so deutlich war noch alles seinem Geiste gegenwärtig, »begab ich mich nicht zur Ruhe; ich sann über das Abenteuer des Tages nach. Ich konnte mich nicht darein finden. Die Begegnung, das Zusammentreffen mit Margarete im Theater, das Versprechen, das sie mir gegeben, dies alles war so schnell, so unverhofft gekommen, daß ich in manchen Augenblicken geträumt zu haben glaubte. Es war jedoch nicht das erstemal, daß Mädchen, wie Margarete, ein verlangtes Stelldichein gleich auf den folgenden Tag bewilligten. Es wäre in der Tat schade um Zeit, Ruhe und Geld, wenn man ihnen den Hof machen müßte wie vornehmen Damen.

Alle diese Gründe waren nicht imstande, meine Stimmung zu ändern; der erste Eindruck, den meine künftige Geliebte auf mich gemacht hatte, war zu stark und dauernd. Ich gab mir alle erdenkliche Mühe, in ihr keine gewöhnliche Buhlerin zu sehen und gab mich mit der allen Männern eigenen Eitelkeit dem Glauben hin, daß sie meine Zuneigung erwidere. Gleichwohl hatte ich sehr widersprechende Beispiele vor Augen und ich hatte oft gehört, daß Margaretens Liebe zur Ware geworden sei, die je nach den Umständen mehr oder minder hoch im Preise gehalten werde.

Aber wie ließ sich auf der anderen Seite dieser Ruf mit der schnöden Behandlung des jungen Grafen vereinigen? Man wird mir einwenden, daß er ihr zuwider war und daß sie von ihrem alten Herzog glänzend genug versorgt wurde, um sich einen Geliebten nach ihrem Gefallen wählen zu können. Aber warum wollte sie denn von dem liebenswürdigen geistreichen Eugen nichts wissen und warum schien sie mir geneigt zu sein, nachdem sie mich bei unserem ersten Zusammentreffen so lächerlich gefunden hatte?

Es gibt freilich unbedeutende Verhältnisse die mehr bewirken als eine jahrelange Bewerbung und der plötzliche Eindruck, den die Frauen auf uns machen, ist oft weit mehr geeignet, sie zu gewinnen, als die alltäglichen Versicherungen, deren sie bald überdrüssig werden.

Unter den Tischgästen war ich der Einzige, der ihr Teilnahme gezeigt hatte, als sie vom Tische aufgestanden war. Ich war ihr gefolgt und hatte meine Besorgnis nicht verbergen können und außerdem hatte sie erfahren, daß ich der Unbekannte wäre, der sich in ihrer Krankheit täglich nach ihr erkundigt hatte; sie mochte also in mir wohl einen anderen Mann sehen als jene, die sie bis dahin gekannt hatte; und vielleicht dachte sie, daß sie einer auf solche Art ausgedrückten Liebe wohl gewähren könne, was sie schon so oft gewährt hatte und daher nicht mehr allzu hoch im Werte hielt.

Alle diese Mutmaßungen waren ziemlich wahrscheinlich, aber welche Ursache ihrer Einwilligung auch immer zum Grunde liegen mochte, so war doch gewiß, daß sie eingewilligt hatte. Das war alles, was ich von ihr erwarten konnte; aber ich wiederhole es Ihnen, ich suchte mir meine Liebe, vielleicht um sie mir selbst poetisch darzustellen, als hoffnungslos zu denken, und je näher der Augenblick kam, wo ich nicht mehr zu hoffen brauchte, desto mehr zweifelte ich.

Die ganze Nacht hindurch schloß ich kein Auge. Ich erkannte mich nicht mehr, mein Verstand war verwirrt. Bald war ich nicht schön, nicht reich, nicht elegant genug, um einen solchen Engel zu besitzen; bald erfüllte mich der Gedanke an diesen Besitz mit einer geckenhaften Eitelkeit; dann fürchtete ich wieder, Margaretens Zuneigung war nur eine schnell vorübergehende Laune; ein baldiger Bruch erschien mir als ein Unglück für mich und ich dachte, es werde vielleicht besser sein, zu der verabredeten Stunde nicht zu ihr zu gehen und Paris zu verlassen. Dann ging ich wieder zu zügellosen Hoffnungen, zu grenzenlosem Vertrauen über. Ich träumte mich in eine unglaubliche Zukunft; ich stellte mir vor, daß sie mir ihre physische und moralische Heilung verdanken, daß sie immer bei mir bleiben und mich mit ihrer Liebe glücklicher machen werde, als ein keusches Mädchen mit den ersten Blüten jungfräulicher Zuneigung.

Kurz, es wäre mir unmöglich, Ihnen die tausend Gedanken zu sagen, die mir aus dem Herzen in den Kopf stiegen und in dem Schlafe, der mich gegen Morgen befiel, nach und nach erloschen.

Als ich erwachte, war es zwei Uhr, das Wetter war herrlich. Ich erinnere mich nicht, daß mir das Leben jemals so schön und so vollkommen erschienen sei. Die Erinnerung an meine Unterredung mit Margarete trat mir nun ohne düstere Schatten, ohne Hindernisse vor die Seele. Ich kleidete mich schnell an. Ich war unaussprechlich heiter und hätte allen Menschen Gutes tun mögen. Von Zeit zu Zeit pochte mein Herz ungestüm vor Freude und Liebe. Ich kümmerte mich nicht mehr um die Gründe, die in der Nacht meinen Schlaf verscheucht hatten, ich sah nur das Resultat, ich dachte nur an die Stunde, wo ich Margarete wiedersehen sollte.

Es war mir unmöglich, zu Hause zu bleiben. Mein Zimmer schien mir zu klein, um mein Glück zu fassen; ich bedurfte der ganzen Natur, um meinen Gefühlen Ausdruck zu geben.

Ich ging aus. Ich ging unwillkürlich in die Rue d'Antin. Margaretens Wagen hielt vor der Tür, wohin anders hätte ich gehen sollen, als in die von Spaziergängern wogenden Alleen der Champs-Elysées? Allen Menschen, die mir begegneten, war ich gut, ohne sie zu kennen. Wie gut doch die Liebe macht!

Nach einer Stunde vergeblichen Harrens sah ich in der Ferne Margaretens Wagen; ich erkannte sie nicht, ich erriet sie. Sie saß, wie immer, allein im Wagen. Ihr Schleier war heruntergelassen, aber ich bemerkte dennoch ihre Blässe. Als sie mich sah, nickte sie mir zu; ihr Lächeln war für andere fast unbemerkbar, für mich aber sehr bezeichnend und sie fuhr vorüber.

Als sie eine Stunde nachher aus dem Wäldchen zurück kam, war ich noch da. Aber sie fuhr sehr schnell und sah mich nicht. Dann ließ sie ihren Wagen halten und ein großer, schlanker, junger Mann trat aus einer Gruppe und sprach einige Augenblicke mit ihr. Dann ging er wieder zu seinen Freunden zurück und die Pferde setzten sich wieder in Trab, Ich näherte mich der Gruppe und erkannte den Grafen von G***, dessen Porträt ich am Abend vorher gesehen hatte und dem Margarete, wie Prudence versicherte, ihre glänzende Stellung verdankte.

Es kam mir sogleich der Gedanke, daß er es sei, dem sie die Tür hatte verbieten lassen, um ihn mit der Ursache dieses Verbotes bekannt zu machen, und ich hoffte, sie werde zugleich einen neuen Vorwand gefunden haben, um ihn am folgenden Abende nicht zu empfangen.

Wie der noch übrige Teil des Tages verging, weiß ich nicht zu sagen; ich ging spazieren, rauchte, plauderte, aber es ist mir durchaus nicht mehr erinnerlich, was und mit wem ich bis zehn Uhr abends sprach. Ich entsinne mich nur, daß ich nach Hause ging, sorgfältig Toilette machte und hundertmal nach meiner Pendeluhr und meiner Taschenuhr sah, welche unglücklicherweise gleich langsam gingen.

Als es halb elf Uhr schlug, ging ich fort. Als ich in die Rue d'Antin kam, schaute ich zu Margaretens Fenster hinauf. Es war Licht da.

Ich läutete an und fragte den Pförtner, ob Mademoiselle Gautier zu Hause sei. Er antwortete mir, daß sie nie vor elf Uhr komme.

Ich ging nun in dieser Straße auf und ab, die keine Kaufläden hat und um diese Stunde schon sehr öde ist.

Nach einer halben Stunde fuhr Margaretens Wagen vor. Sie stieg aus und schaute umher, als ob sie jemanden gesucht hätte.

Der Wagen fuhr im Schritte wieder ab, da die Stallung nicht im Hause war.

In dem Augenblicke, als Margarete die Glocke ziehen wollte, trat ich näher und sagte ihr guten Abend.

»Ah, Sie sind es!« sagte sie in einem Tone, der nichts weniger als schmeichelhaft für mich war.

»Haben Sie mir nicht erlaubt, Ihnen heute einen Besuch zu machen?«

»Es ist wahr; ich hatte vergessen.«

Dieses Wort zerstörte alle meine Träume und Hoffnungen. Ich hatte mich jedoch an Margaretens Manier schon einigermaßen gewöhnt und ich ging nicht fort, wie ich sonst ganz gewiß getan haben würde.

Die Haustür tat sich auf. Wir traten ein, Nanine, die den Wagen gehört hatte, war heruntergekommen, um die Tür zu öffnen.

»Ist Prudence zu Hause?« fragte Margarete.

»Nein, Madame.«

»Sie soll zu mir kommen, sobald sie nach Hause kommt. Vor allem aber lösche die Lampe im Salon aus und wenn jemand nach mir fragt, so sage, ich sei nicht zu Hause.«

Dies alles sagte sie in einem Tone, aus welchem üble Laune und Befangenheit sprach. Ich wußte nicht, was ich sagen und wie ich mich benehmen sollte.

Sie ging in ihr Schlafzimmer; ich folgte ihr. Sie nahm ihren Hut, ihren Samtmantel ab und warf sie auf das Bett. Dann warf sie sich in einen großen Armsessel, der vor dem Kaminfeuer stand und sagte zu mir, indem sie mit ihrer Uhrkette spielte:

»Nun, was haben Sie mir Neues zu erzählen?«

»Nichts, außer daß ich Unrecht getan habe, diesen Abend zu kommen.«

»Warum das?«

»Weil Sie verstimmt zu sein scheinen und weil ich Sie offenbar langweile.«

»Sie langweilen mich nicht; ich bin krank, ich habe nicht geschlafen und den ganzen Tag entsetzliche Kopfschmerzen gehabt.«

»Soll ich mich entfernen, damit Sie sich zur Ruhe begeben können?«

»Oh, Sie können bleiben; wenn ich mich niederlegen will, werde ich es tun, während Sie hier sind.«

In diesem Augenblicke wurde die Glocke gezogen.

»Wer kommt da noch?« fragte sie ungeduldig.

Ich fand keine Worte mehr und es entstand eine kurze, aber peinliche Pause,

Es wurde noch einmal angeläutet.

»Ist denn niemand da, der die Tür öffnet?« sagte sie; »ich muß selbst hingehen.«

Sie stand auf und sagte zu mir:

»Warten Sie hier.«

Sie ging durch den Speisesaal und ich hörte die Eingangstür aufgehen. Ich horchte.

Der Eintretende blieb in dem Speisesaale stehen. Ich erkannte an den ersten Worten, die er sprach, die Stimme des jungen Grafen von N***.

»Wie befinden Sie sich diesen Abend?« fragte er.

»Schlecht,« antwortete Margarete trocken.

»Störe ich Sie?«

»Vielleicht.«

»Wie Sie mich aufnehmen! Was habe ich Ihnen denn getan, liebe Margarete?«

»Lieber Graf, Sie haben mir gar nichts getan. Ich bin krank, ich muß mich schlafen legen. Sie werden daher die Güte haben, sich zu entfernen. Es bringt mich noch um, daß ich abends nicht nach Hause kommen kann, ohne Sie fünf Minuten darauf erscheinen zu sehen. Was wollen Sie denn? Daß ich Ihre Geliebte werde? Aber ich habe schon hundertmal gesagt, daß Sie sich keine Hoffnung machen dürfen und daß Sie mich fürchterlich belästigen; Sie können sich ja anderswohin wenden. Ich wiederhole es Ihnen jetzt zum letzten Male, daß ich Sie nicht mag; jetzt Adieu. Da kommt Nanine, sie wird Ihnen leuchten. Guten Abend.«

Und ohne noch ein Wort hinzuzusetzen, ohne anzuhören, was der junge Graf stammelte, kam Margarete in ihr Zimmer zurück und schlug die Tür heftig zu. Nanine folgte ihr beinahe auf dem Fuße.

»Du verstehst mich,« sagte Margarete zu ihr, »Du wirst zu dem Einfaltspinsel immer sagen, ich sei nicht zu Hause oder wolle ihn nicht vorlassen. Ich bin es endlich überdrüssig, unaufhörlich Leute zu sehen, die mir zumuten, mich Ihnen wider meinen Willen preiszugeben, die sich durch Geschenke mit mir abzufinden glauben und weiter nicht an mich denken. Wenn jene, die unser schmähliches Gewerbe anfangen, recht wüßten, was es denn eigentlich ist, so würden sie lieber Kammerjungfern werden. Doch nein, wir armen Mädchen werden durch die Eitelkeit verführt, es ist gar verlockend, kostbare Kleider, Brillanten und Equipage zu haben; man glaubt allen Beteuerungen, und so welkt nach und nach das Herz und die Schönheit dahin; man wird gefürchtet wie ein wildes Tier, verachtet wie ein Paria. Man ist von Leuten umgeben, die stets mehr nehmen als geben, und endlich stirbt man einsam und verlassen, nachdem man seine Freunde und sich selbst verloren hat. Es gibt Augenblicke, wo ich Lust habe, meine Geschmeide, meine Möbel, meine Pferde und Wagen zu verkaufen, mir eine Rente von tausend Talern damit zu gründen und mich in eine entlegene Provinz zurückzuziehen, wo man nicht weiß, wer ich bin, und wo ich zu vergessen trachte, was ich gewesen bin.«

»Beruhigen Sie sich, Madame,« sagte Nanine, »Sie sind krank ...«

»Dieses Kleid ist mir lästig,« fuhr Margarete fort, indem sie sich das Kleid aufschnüren ließ – »gib mir einen Überrock ... Und Prudence?«

»Sie war noch nicht zu Hause, aber sie wird hierher kommen, sobald sie zurückkehrt,«

»Oh! Ich kenne sie wohl,« fuhr Margarete fort, indem sie das Kleid auszog und einen weißen, mit Spitzen besetzten Überrock anlegte; »sie weiß mich wohl zu finden, wenn sie meiner bedarf, aber aus wahrer Zuneigung erweist sie mir keinen Dienst. Sie weiß, daß ich diesen Abend die Antwort erwarte, daß ich unruhig bin und ich weiß gewiß, daß sie ihrem Vergnügen nachgegangen ist, ohne sich mit mir zu beschäftigen.«

»Vielleicht ist sie verhindert worden,« sagte Nanine.

»Laß' uns Punsch machen,« fiel ihr Margarete ins Wort.

»Sie werden sich noch mehr schaden,« warnte Nanine.

»Desto besser. Bringe mir auch Obst, eine Pastete oder kaltes Geflügel, oder sonst etwas ... aber schnell, mich hungert.«

»Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie peinlich mir diese Szene war; Sie werden es erraten, nicht wahr?«

»Sie soupieren mit mir,« sagte sie zu mir. »Unterdessen nehmen Sie ein Buch, ich will einen Augenblick in mein Toilettezimmer gehen.«

Sie zündete eine Wachskerze an, öffnete eine Tapetentür und verschwand.

Ich begann über das Leben des armen Mädchens nachzusinnen und zu meiner Liebe gesellte sich das innigste Mitleid.

Während ich, in Gedanken vertieft, mit starken Schritten im Zimmer auf und ab ging, trat Prudence ein.

»Ei, Sie sind da?« sagte sie zu mir. »Wo ist Margarete?«

»In ihrem Toilettezimmer.«

»Ich will sie hier erwarten ... Wissen Sie wohl, daß Sie von ihr für sehr liebenswürdig gehalten werden?«

»Nein.«

»Hat sie es gar nicht merken lassen?«

»Nicht im mindesten; im Gegenteile, sie hat mich diesen Abend sehr schlecht empfangen.«

»Sie ist sehr launenhaft ...«

»Und heute ist sie sehr übler Laune.«

»Ich weiß wohl warum; aber ich bringe ihr eine gute Nachricht.«

»Nun, dann wird sie heiter werden ... Sie hat also von mir gesprochen?«

»Gestern Abend, oder vielmehr diese Nacht, als Sie mit Ihrem Freunde fortgegangen waren ... Apropos, wie geht's Ihrem Freunde? Nicht wahr, Eugen heißt er?«

»Ja,« erwiderte ich, unwillkürlich lächelnd, als ich mich an die Worte erinnerte, die mir Eugen im Vertrauen gesagt hatte und als ich sah, daß Prudence nicht einmal seinen Namen wußte.

»Er ist ein artiger junger Mann,« fuhr sie fort; »was treibt er?«

»Was ihm Vergnügen macht; er hat mehr als zwanzigtausend Franks Renten.«

»Wirklich? Aber um auf Sie zurückzukommen ... Margarete hat sich sehr angelegentlich nach Ihnen erkundigt; sie fragte, wer Sie sind, womit Sie sich beschäftigen, ob Sie schon oft in zärtlichen Verhältnissen gestanden, kurz alles, was man von einem Manne in Ihren Jahren zu wissen wünscht. Ich habe ihr alles gesagt, was ich wußte, und setzte hinzu, Sie wären ein sehr liebenswürdiger junger Mann.«

»Ich bin Ihnen sehr verbunden; jetzt sagen Sie mir, was sie Ihnen gestern aufgetragen hat.«

»Gar nichts, sie wollte nur den Grafen entfernen; aber für heute hat sie mir einen Auftrag gegeben und jetzt bringe ich ihr die Antwort.«

In diesem Augenblicke kam Margarete aus ihrem Toilettezimmer; sie trug ein zierliches Nachthäubchen mit gelben Bandschleifen, die in der Modewelt den technischen Namen »choux« führen.

Sie war in der Tat höchst reizend.

»Nun, was für eine Antwort bringen Sie mir?« fragte sie, als sie Prudence erblickte.

»Ich habe ihn gesehen ...«

»Und was hat er gesagt?

»Er hat mir ...«

»Wie viel hat er Ihnen gegeben?«

»Sechstausend.«

»Sie haben das Geld mitgebracht?«

»Ja.«

»War er verdrießlich?«

»Nicht im geringsten.«

»Der arme Tropf.«

Diese letzten Worte sprach sie in einem Tone, der unmöglich zu beschreiben ist. Margarete nahm die sechs Banknoten.

»Es war Zeit,« sagte sie. »Liebe Prudence, brauchen Sie Geld?«

»Sie wissen, liebes Kind, daß in zwei Tagen der 15. ist ... Wenn Sie mir drei- bis vierhundert Franks leihen könnten, so würden Sie mir einen Gefallen tun.«

»Schicken Sie morgen früh zu mir; es ist zu spät, um wechseln zu lassen.«

»Vergessen Sie nicht.«

»Tragen Sie keine Sorge ... Soupieren Sie mit uns?«

»Nein, Charles erwartet mich zu Hause.«

»Sie sind also noch immer in ihn vernarrt?«

»Er ist so gut gegen mich! Auf morgen also ... Adieu, Armand!«

Madame Duvernoy entfernte sich.

Margarete öffnete den Glasschrank und warf die Banknoten hinein.

»Sie erlauben, daß ich mich zur Ruhe begebe?« sagte sie lächelnd, indem sie auf das Bett zuging.

»Ich erlaube es Ihnen nicht nur, sondern bitte Sie sogar darum.«

Sie warf die mit Spitzenstickerei verzierte Decke zurück und legte sich nieder.

»Jetzt,« sagte sie, »setzen Sie sich vor das Bett, wir wollen plaudern.«

Ich folgte ihrer Weisung.

Prudence hatte recht, die Antwort, welche sie überbracht hatte, wirkte erheiternd auf Margarete.

»Sie verzeihen mir meine üble Laune?« sagte sie, meine Hand fassend.

»Ich bin bereit, Ihnen noch manche andere zu verzeihen,« erwiderte ich.

»Und Sie lieben mich?«

»Zum Rasendwerden.«

»Trotz meiner Launen?«

»Trotz allem.«

»Sie schwören mir's?«

»Ja,« flüsterte ich, indem ich meine Lippen den ihrigen näherte.

»Und ich werde Ihnen auch herzlich gut sein,« sagte sie mit kindlicher Naivität – »Sie werden sehen ...«

Nanine trat ein und brachte Teller, ein kaltes Huhn, eine Flasche Bordeaux, Erdbeeren mit Zucker und zwei Bestecke.

»Ich habe keinen Punsch machen lassen,« sagte die Zofe, »der Bordeaux ist besser für Sie. Nicht wahr, Monsieur?«

»Oh! ganz gewiß,« antwortete ich, Margarete mit den Blicken verschlingend, ohne recht zu wissen, was ich sagte.

»Gut,« sagte sie, »stelle das alles auf den kleinen Tisch und rücke ihn an das Bett; wir werden uns selbst bedienen. Du bist müde, lege Dich schlafen; ich brauche nichts mehr.«

»Soll ich die Eingangstür verschließen?«

»Ja, und vor allem sage, daß vor Mittag niemand hereingelassen wird.«


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