Alexander Dumas
Königin Margot. Zweiter Band
Alexander Dumas

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Die Gesandten

Am darauffolgenden Tag wälzte sich die ganze Bevölkerung von Paris gegen die Vorstadt Saint-Antoine, durch die der Einzug der polnischen Gesandten erfolgen sollte. Reihen von Schweizern hielten die Menge von der Straßenmitte zurück, während Reitergruppen für den freien Durchzug der Herren und Damen vom Hof sorgten, die dem Festzug entgegenritten.

Bald erschien bei der Abtei von Saint-Antoine eine Reitertruppe. Die Reiter waren rot und gelb gekleidet, trugen Pelzmützen und hatten Pelzmäntel um die Schultern hängen. In den Händen hielten sie breite Säbel, die gekrümmt waren wie die Handwaffen der Türken.

An der Flanke des Zuges marschierten Offiziere.

Hinter dieser ersten Gruppe kam eine zweite, die ganz mit orientalischer Pracht und Glanz ausgerüstet war. Sie ritt den Gesandten voran, die, vier an der Zahl, das fabelhafteste aller ritterlichen Königreiche des sechzehnten Jahrhunderts glänzend vertraten.

Einer von den Abgesandten war der Bischof von Krakau. Er trug halb kirchliche, halb kriegerische Kleidung, sie strahlte von Gold und Edelsteinen. Sein Schimmel mit langer, flatternder Mähne trug ihn mit hocherhobenen, stolzen Tritten und schien Feuer aus den Nüstern zu schnauben. Niemand hätte glauben können, daß dieses stolze Tier seit einem Monat fünfzehn Meilen täglich zurückgelegt hatte und das auf Wegen, die infolge schlechten Wetters fast ungangbar geworden waren.

An der Seite des Bischofs ritt der Palatin Lasco, ein vornehmer, einflußreicher Adeliger, der der Krone nahestand und den Reichtum und den Stolz eines Königs zur Schau trug.

Hinter diesen fürstlichen Gesandten, denen noch zwei andere Palatine von hoher Geburt folgten, kam eine Reiterschar polnischer Edelleute, deren mit Seide, Gold und Geschmeide geschmückten Pferde eine lärmende Beifallsäußerung des Volkes hervorriefen. Tatsächlich wurden die vornehmsten französischen Edelleute trotz ihrer reichen Ausrüstung von den Ankömmlingen, die sie verächtlich Barbaren nannten, vollkommen in den Schatten gestellt.

Bis zum letzten Augenblick noch hatte die Königin-Mutter Katharina gehofft, daß der Empfang verschoben werden würde und daß die andauernde Körperschwäche des Königs seinen Entschluß beeinflussen müßte. Doch als der Tag gekommen war, als sie sah, wie Karl, bleich wie ein Gespenst, den prächtigen Königsmantel umnahm, erkannte sie, daß man sich angesichts dieses eisernen Willens beugen müßte, ja sie begann auch zu glauben, daß Heinrich von Anjou mit seiner Abreise in den prunkvollen Verbannungsort vorläufig den besseren Teil gewählt hätte.

Abgesehen von den wenigen Worten, die Karl, als er zu sich gekommen war und die Königin-Mutter sein Gemach verlassen hatte, über die Lippen gekommen waren, hatte er seit dem Auftritt, dessen Opfer er geworden war, zu Katharina keine Silbe mehr gesprochen. Jeder Mensch im Louvre wußte, daß zwischen beiden ein sehr heftiger Zwist entstanden war, niemand aber kannte den Grund der Streitigkeiten. Die Allerfrechsten zitterten sogar vor dieser herrschenden Kälte und Schweigsamkeit im Louvre, wie etwa die Vögel vor der drohenden Stille zittern, die einem Gewitter voranzugehen pflegt.

Trotzdem hatte sich alles im Louvre für den Empfang vorbereitet, doch wahrhaftig nicht wie für eine Festlichkeit, sondern wie für eine große Trauerkundgebung. Stumpf und teilnahmlos war man allen Befehlen nachgekommen. Man wußte, daß selbst Katharina fast gezittert hatte, und darum zitterte auch alle Welt.

Der große Empfangssaal des Palastes war geöffnet und hergerichtet worden. Weil dergleichen Empfänge gewöhnlich öffentlich stattfanden, hatten die Garden und Wachen den Auftrag erhalten, zugleich mit den Gesandten so viel von der Volksmenge einzulassen, als die Räume fassen konnten.

Was Paris anbetrifft, so glich sein Aussehen wie gewöhnlich dem Aussehen einer großen Stadt, in der sich bedeutende Dinge abspielen, das heißt Paris war die Geschäftigkeit und Neugierde selbst. Wer jedoch an diesem Tage die Bevölkerung der Hauptstadt genau beobachtet hätte, hätte auch bemerken müssen, daß sich zwischen den Gruppen ehrlicher, das Maul harmlos aufsperrender Bürger eine größere Anzahl von Männern bewegte, die in weite Mäntel gehüllt waren. Sie warfen sich gegenseitig Blicke zu, machten sich Zeichen mit den Händen, wenn sie weiter voneinander entfernt waren und wechselten mit unterdrückter Stimme einige flüchtige und bezeichnende Worte miteinander, wenn sie sich einander näherten. Diese Männer schienen an dem Aufzug lebhaft teilzunehmen, folgten ihm als die ersten und bekamen anscheinend ihre Befehle von einem ehrwürdigen Greis, dessen schwarze und bewegliche Augen, trotz des weißen Bartes und der grauen Augenbrauen, sehr viel Unternehmungsgeist verrieten. Und wirklich gelang es diesem Greis, sei es aus eigenem Wagemut, sei es mit Unterstützung seiner Genossen, als erster in den Louvre hineinzuschlüpfen. Dank der Gefälligkeit des Kommandanten der Schweizer, eines wackeren Hugenotten, der trotz seiner Bekehrung nicht katholisch gesinnt war, glückte es dem Greis gerade hinter den Gesandten und gerade gegenüber der Königin und Heinrich von Navarra Aufstellung zu nehmen.

Heinrich, der von La Mole benachrichtigt worden war, daß Mouy in irgend einer Verkleidung an dem Empfange teilzunehmen beabsichtigte, warf seine Augen überall herum. Schließlich begegneten sich seine Augen mit denen des Greises und verließen sie nicht mehr. Ein heimliches Zeichen Mouys hatte alle Zweifel beseitigt. Mouy war so gut verkleidet, daß Heinrich selbst lange im Unklaren darüber war, ob dieser Greis im weißen Bart wirklich derselbe furchtlose Führer der Hugenotten sein könnte, der fünf oder sechs Tage zuvor seine Verteidigung so hervorragend durchgeführt hatte.

Ein Margarete leise zugeflüstertes Wort des Königs bewog sie gleichfalls, ihr Augenmerk auf Mouy zu lenken. Dann verloren sich ihre schönen Augen in den Tiefen des Saales, sie suchte La Mole, doch vergeblich.

La Mole war nicht anwesend.

Die Anreden begannen. Die erste wurde dem König gehalten. Der Gesandte Lasco erbat sich im Namen des Landtages seine Zustimmung zur Verleihung der Krone Polens an einen Prinzen des königlichen Hauses von Frankreich.

Karl erwiderte mit einer kurzen und deutlichen Zustimmungserklärung und stellte den Gesandten den Herzog von Anjou vor, seinen Bruder, dessen Tapferkeit und Mut er in einer Lobrede hervorhob. Er sprach Französisch, satzweise übersetzte ein Dolmetsch die Rede den polnischen Abgesandten. Jedesmal wenn der Dolmetsch sprach, konnte man bemerken, wie der König ein Taschentuch an den Mund führte und es von Blut gerötet wieder von den Lippen nahm.

Als die Antwort an den König beendet war, wandte sich Lasco an den Herzog von Anjou, verbeugte sich und begann eine lateinische Ansprache, in der er ihm den Thron im Namen der polnischen Nation anbot.

Der Herzog antwortete in der gleichen Sprache. Er versuchte vergeblich seine vor Erregung zitternde Stimme zu bemeistern und versicherte, daß er die ihm zugedachte Ehrung mit Dankbarkeit annehme. Während er sprach, stand Karl aufrecht da, hatte die Lippen zusammengepreßt und betrachtete ihn unaufhörlich, doch mit dem starren, unbeweglichen Blick eines Adlers.

Als der Herzog mit seiner Rede zu Ende war, nahm Lasco die Krone der Jagellonen, die auf einem rotsamtenen Kissen ruhte, in beide Hände, während zwei andere polnische Fürsten dem Herzog von Anjou den Königsmantel um die Schultern legten. Lasco übergab hierauf die Krone dem König.

Karl gab seinem Bruder ein Zeichen. Der Herzog kniete vor ihm nieder und Karl setzte ihm mit eigenen Händen die Krone auf das Haupt. Dann tauschten beide Könige den haßerfülltesten Kuß miteinander, den sich jemals zwei Brüder gegeben hatten.

Gleichzeitig verkündete ein Herold: »Alexander Eduard Heinrich von Frankreich, Herzog von Anjou, wurde zum König von Polen gekrönt. Es lebe der König von Polen!«

Alle Anwesenden riefen einstimmig: »Es lebe der König von Polen!«

Hierauf wendete sich Lasco zu Margarete. Die Rede der schönen Königin war als letzte aufgehoben worden. Wie man sich erzählte, war dieses Vorrecht eine der Königin eingeräumte Artigkeit und sollte ihr Gelegenheit geben, ihren schönsinnigen Geist sprühen zu lassen. Jeder brachte der Antwort, die in lateinischer Sprache erfolgen sollte, große Aufmerksamkeit entgegen. Wie bekannt hatte sich Margarete die Rede selbst zusammengestellt.

Die Ansprache Lascos war eigentlich eine Lobrede. Er überließ sich, ganz nach Art eines Sarmaten, der Bewunderung, die der schönen Königin von Navarra von allen entgegengebracht wurde. Indem er bald die Sprache Ovids, bald die Kunstform Ronsards nachahmte, sagte er, daß er und seine Begleiter, als sie mitten in der Nacht von Warschau aufgebrochen waren, niemals den Weg hierher gefunden hätten, wenn sie nicht, gleich den heiligen drei Königen, zwei Sterne gelenkt hätten. Sterne, die immer leuchtender und leuchtender wurden, je mehr sie sich Frankreich näherten, und die, wie sie jetzt erkennen konnten, nichts anderes als die zwei herrlichen Augen der Königin von Navarra waren. Schließlich sprang er vom Evangelium auf den Koran über, von Syrien auf das steinige Arabien, von Nazareth auf Mekka und endigte seine Rede mit dem Hinweis, daß er sofort bereit wäre, dasselbe zu tun, was die glühendsten Anhänger des Propheten getan hätten, nachdem sie das Glück gehabt hatten, seine Grabstätte zu sehen. Sie stachen sich die Augen aus, weil sie fanden, daß nach diesem erhebenden Anblick auf dieser Welt nichts mehr würdig wäre, bewundert zu werden.

Diese Ansprache wurde von denen, die Latein verstanden, beklatscht, weil sie die Ansicht des Redners teilten, von den andern aber, die dieser Sprache nicht mächtig waren, wurde sie gleichfalls beifällig aufgenommen, weil sie sich wenigstens den Anschein geben wollten, als ob sie etwas verstanden hätten.

Margarete dankte zunächst dem artigen Sarmaten mit einer zierlichen Verbeugung. Dann antwortete sie dem Gesandten mit folgenden Worten und sah hierbei Herrn von Mouy ununterbrochen an:

»Quod nunc hac in aula insperati adestis exultaremus ego et coniux, nisi ideo immineret calamitas, scilicet non solum fratris sed etiam amici orbitas«.Ihre unverhoffte Anwesenheit an diesem Hofe würde mich und meinen Gatten mit großer Freude erfüllen, wenn nicht die traurige Tatsache mit ihr verbunden wäre, daß wir durch sie nicht nur einen Bruder, sondern auch einen Freund verlieren müssen.

Diese Worte hatten einen doppelten Sinn und konnten geradeso gut an Herrn von Mouy, als auch an Heinrich von Anjou gerichtet sein. Dieser verbeugte sich sogar zum Zeichen der Dankbarkeit.

Karl erinnerte sich nicht, diese Satzwendung in der Rede gelesen zu haben, die man ihm vor einigen Tagen überreicht hatte. Aber er legte den Worten Margaretes keine sonderliche Bedeutung bei, weil er sie nur für den Ausdruck selbstverständlicher Höflichkeit hielt. Übrigens verstand er recht schlecht Latein.

Margarete fuhr fort:

»Adeo dolemur a te divide ut tecum profisci maluissemus. Sed idem factum quo nunc sine ulla mora Lutetia cedere juberis, hac in urbe detinet. Proficiscere ergo, frater, proficiscere amice, proficiscere sine nobis! Proficiscentem sequuntur spes et desideria nostra«.Wir sind trostlos, uns von Ihnen trennen zu müssen und hätten es vorgezogen, mit Ihnen abreisen zu können. Doch das gleiche Schicksal, das Ihnen befiehlt, Paris eiligst zu verlassen, kettet uns an diese Stadt fest. Reisen Sie also, lieber Bruder, reisen Sie, lieber Freund, reisen Sie ohne uns. Unsere Hoffnungen und unsere Wünsche begleiten Sie!

Es ist leicht zu erraten, daß Herr von Mouy die bedeutungsvollen Worte mit großer Aufmerksamkeit vernahm, weil sie, obwohl sie an die Gesandten gerichtet waren, doch nur ihm allein galten. Heinrich von Navarra hatte schon zwei- oder dreimal den Kopf verneinend geschüttelt, um dadurch dem jungen Mann anzuzeigen, daß Alençon abgelehnt hätte. Doch diese Bewegung, die nur auf Zufälligkeit beruhen konnte, wäre Herrn von Mouy nicht genügend gewesen, wenn ihn nicht die Worte Margaretes in der richtigen Auffassung bestärkt hätten. Während er Margarete ansah und ihr mit ganzer Aufmerksamkeit zuhörte, fielen auch seine schwarzen, unter den grauen Brauen funkelnden Augen zufällig ganz kurz auf Katharina. Dieser Blick bewirkte, daß sie wie unter einem elektrischen Schlag erzitterte und daß sie ihre Augen nicht mehr von dieser Seite des Saales abwendete.

»Das ist doch eine recht merkwürdige Gestalt!« murmelte sie vor sich bin, war aber pflichtgemäß nach der Hofsitte bestrebt, ihr Aussehen nicht zu verändern. »Wer kann der Mann sein, der Margarete so unablässig betrachtet und den Heinrich und Margarete ihrerseits ebenfalls beobachten?«

Mittlerweile setzte Margarete ihre Rede fort, die von da ab nur noch eine Erwiderung der polnischen Höflichkeit war. Katharina zerbrach sich den Kopf, wer wohl der schöne Greis sein könnte, als sich ihr plötzlich der Zeremonienmeister von rückwärts näherte und ihr ein Riechkissen zusteckte, in dem sich ein viermal zusammengefaltetes Papier befand. Sie öffnete das Kissen, zog das Papier heraus und las: »Mit Hilfe eines herzstärkenden Mittels, das ich ihm eben eingegeben, hat Maurevel seine Kräfte teilweise wiedererlangt. Er war imstande, den Namen desjenigen Mannes aufzuschreiben, der sich im Zimmer des Königs von Navarra aufgehalten hatte. Der Mann war Herr von Mouy.«

»Mouy!« sagte sich die Königin, »nun gut. Ich hatte ja eine ähnliche Vorahnung. Doch dieser Greis . . . eh, cospetto! . . . dieser Greis ist . . .«

Katharina sah ihn starr und mit offenem Munde an. Dann beugte sie sich gegen das Ohr des Gardekapitäns, der in ihrer Nähe stand und flüsterte ihm zu: »Herr von Nancey, folgen Sie mit Ihren Blicken unauffällig der von mir angegebenen Richtung! Betrachten Sie den Fürsten Lasco, er spricht jetzt gerade! Hinter ihm . . . dort! . . . sehen Sie den Greis mit dem weißen Bart und in der schwarzsamtenen Kleidung?«

»Jawohl, Madame!« antwortete der Kapitän.

»Gut, verlieren Sie ihn nicht aus den Augen!«

»Den, dem der König von Navarra ein Zeichen macht?«

»Richtig! Stellen Sie sich mit zehn Mann beim Ausgangstor des Louvre auf. Sobald er sich hinausbegeben will, halten Sie ihn an und laden ihn im Namen des Königs zu einem Mittagessen ein. Folgt er Ihnen, dann führen Sie ihn in ein Zimmer, in dem Sie ihn gefangenhalten werden. Leistet er Widerstand, dann bemächtigen Sie sich seiner tot oder lebendig. Gehen Sie, gehen Sie!«

Glücklicherweise hatte Heinrich von Navarra, der sich der Rede Margaretes sehr wenig widmete, ein Auge auf Katharina geworfen und hatte auch nicht einen Ausdruck ihres Gesichtes aus den Augen verloren. Als er bemerkte, daß die Königin-Mutter Herrn von Mouy erbittert beobachtete, beunruhigte er sich sofort. Wie er aber sah, daß sie ihrem Kapitän einen Auftrag gab, dann verstand er auch schon alles.

In dem Augenblick gab er auch das Zeichen, das Nancey überrascht hatte und das in der Zeichensprache nichts anderes bedeuten sollte als: Sie sind entdeckt, retten Sie sich augenblicklich!

Herr von Mouy verstand das Zeichen, das demjenigen Teil der Rede Margaretes, der ihm zugedacht gewesen war, sozusagen die Krone aufsetzte. Er ließ sich es auch nicht zweimal sagen, verlor sich in der Menge und verschwand.

Heinrich von Navarra war aber nicht eher ruhig, als er den Kapitän Nancey zur Königin-Mutter zurückkehren sah und aus ihren ärgerlich verzerrten Gesichtszügen entnehmen konnte, daß der Offizier zu spät gekommen sein müsse.

Der Empfang war beendigt. Margarete wechselte noch mit dem Gesandten Lasco einige Worte, die nicht förmlicher Art waren.

Der König erhob sich wankend, grüßte und entfernte sich, gestützt auf die Schulter des Doktors Ambrosius Paré, der ihn seit seinem Unfall nicht verlassen durfte.

Bleich vor Zorn folgte ihm Katharina, und stumm vor Schmerz schloß sich Heinrich von Anjou an.

Der Herzog von Alençon hingegen war während der ganzen Feierlichkeit in den Hintergrund getreten. Nicht ein einziges Mal hatte ihn der Blick Karls getroffen, der unablässig den Herzog von Anjou beobachtete.

Der neue König von Polen fühlte sich verloren. Fern von seiner Mutter, entführt von den nordischen Barbaren, glich er dem Antäus, jenem Sohn der Erde, der, als ihn Herkules in die Höhe gehoben, sofort alle Kraft verloren hatte. Jenseits der Grenzen mußte sich der Herzog von Anjou als für immer vom französischen Thron ausgeschlossen betrachten.

Statt dem König zu folgen, zog er sich in die Gemächer seiner Mutter zurück.

Er fand sie nicht weniger tiefsinnig und mit eigenen Gedanken beschäftigt vor als er es selbst war. Es stand ihr noch immer der feine und spöttische Kopf vor den Augen, den sie während der ganzen Festlichkeit schon vor sich gesehen, der Kopf dieses Bearners, dem das Schicksal Platz zu machen, freie Bahn schaffen zu wollen schien, in dem es Könige, Prinzen, Mörder, seine Feinde und alle Hindernisse um ihn herum über den Haufen warf.

Als sie ihren vielgeliebten Sohn sah, wie er unter seiner Krone blaß war, wie er unter seinem Königsmantel fast zusammenbrach, wie er wortlos als Zeichen einer demütigen Bitte die schönen Hände, das Erbteil seiner Mutter, faltete, erhob sie sich rasch und eilte ihm entgegen.

»Ach, meine Mutter!« rief der König von Polen. »So bin ich also verurteilt, in der Verbannung zu sterben!

»Mein Sohn,« erwiderte Katharina, »haben Sie die Voraussagungen Renés so schnell vergessen? Beruhigen Sie sich. Sie werden nicht allzulange fortbleiben.«

»Liebe Mutter, ich beschwöre Sie, beim ersten Gerücht, bei der ersten Vermutung, daß die Krone Frankreichs freiwerden könnte, müssen Sie mich verständigen!«

»Seien Sie unbesorgt, mein Sohn,« erklärte Katharina, »bis zum Tage, den wir beide erwarten, wird in meinem Stall ununterbrochen ein gesatteltes Pferd stehen und in meinem Vorzimmer wird sich stets ein Eilbote befinden, der bereit ist, sofort nach Polen abzureiten.«

 


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