Alexander Dumas
Königin Margot. Zweiter Band
Alexander Dumas

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Brüderlichkeit

Nicht nur das Leben eines einzelnen Menschen hatte Heinrich gerettet, als er Karl den Neunten vor dem Tode behütete, er hatte damit mehr getan: er hatte verhindert, daß drei Königreiche ihre Herrscher wechselten.

Hätte Karl der Neunte sein Leben verloren, wäre der Herzog von Anjou König von Frankreich geworden, während aller Wahrscheinlichkeit nach der Herzog von Alençon König von Polen geworden wäre. Weil aber der Herzog von Anjou der Liebhaber der Prinzessin von Condé war, so hätte er vermutlich dem Prinzen von Condé die Gefälligkeit seiner Gemahlin mit der Krone von Navarra bezahlt.

Diese großen Veränderungen hätten für Heinrich nichts Gutes gezeitigt. Er hätte gerade nur einen anderen Gebieter bekommen. Anstatt Karl des Neunten, der ihn duldete, hätte der Herzog von Anjou den Thron Frankreichs bestiegen, ein Mann, der mit seiner Mutter Katharina ein Herz und eine Seele war, ihm selbst aber den Tod geschworen hatte und diesen Schwur zu halten auch willens war.

Alle diese Gedanken waren ihm zugleich durch den Kopf gegangen, als sich der Keiler auf Karl den Neunten geworfen hatte, und wir haben gesehen, welchen Erfolg die blitzartigen Erwägungen gehabt hatten, und daß an das Leben Karls des Neunten auch sein eigenes Leben gebunden war.

Die Rettung Karls des Neunten erfolgte mit so großer Aufopferung, daß es ihm selbst unmöglich wurde, deren Beweggründe zu verstehen.

Doch Margarete hatte alles begriffen und sie bewunderte diesen sonderbaren Mut Heinrichs, der, einem Blitz vergleichbar, nur während eines Gewitters leuchtete.

Unglückseligerweise war aber damit, daß man die Herrschaft des Herzogs von Anjou verhindert hatte, noch lange nicht alles getan, denn vor allem anderen war es wichtig, sich selbst auch zum König zu machen. Navarra mußte gegen den Herzog von Alençon und gegen den Prinzen von Condé behauptet werden. Unumgänglich notwendig war es auch, den Hof zu verlassen, bei dem man zwischen zwei Abgründen wandelte, und zwar müßte ein Sohn des königlichen Hauses selbst diesen Abschied begünstigen.

Während Heinrich aus dem Wald von Bondy heimwärts ritt, dachte er angestrengt über diese Lage der Dinge nach. Und als er im Louvre ankam, hatte er seinen Plan schon fertig.

Ohne sich die beschmutzten Stiefel auszuziehen, bestaubt von oben bis unten und blutbefleckt wie er war, begab er sich zum Herzog von Alençon. Er traf ihn sehr erregt, das Zimmer mit großen Schritten durchmessend, an.

Als er Heinrich bemerkte, machte der Herzog eine erschrockene Bewegung.

»Ja,« sagte der König von Navarra und faßte ihn gleich bei beiden Händen, »ja, ich begreife alles, mein lieber Bruder. Sie sind mir bös, weil ich als erster den König darauf aufmerksam machte, daß Ihre Kugel das Bein seines Pferdes getroffen hatte, anstatt, wie es Ihre Absicht gewesen, den Keiler niederzustrecken. Doch, was wollen Sie denn? Ich konnte einen Ruf des Staunens nicht unterdrücken! Übrigens, der König hätte es später doch selbst auch bemerken müssen, nicht wahr?«

»Allerdings, allerdings!« murmelte der Herzog. »Ich kann aber trotzdem Ihre Angeberei nur einer bösen Absicht zuschreiben. Und Sie haben selbst gesehen, daß sie keinen geringeren Erfolg hatte, als meinem Bruder Karl meine Handlungsweise verdächtig erscheinen zu lassen und unser gutes Einvernehmen empfindlich zu stören.«

»Wir werden auf diese Sache gleich noch zu sprechen kommen, und was die gute oder böse Absicht, die ich Ihnen gegenüber hege, betrifft, so bin ich, damit Sie sich über diese ein Urteil bilden können, geradewegs zu Ihnen hierher gekommen.«

»Gut,« meinte der Herzog mit seiner üblichen Zurückhaltung, »reden Sie, Heinrich, ich höre!«

»Sie werden aus meinen Mitteilungen meine Absichten erkennen, Franz, denn die Eröffnungen, die ich Ihnen machen will, schließen jede Zurückhaltung und jedes vorsichtige Mißtrauen aus. Sie können mich nachher mit einem einzigen Wort in die größte Gefahr bringen.«

»Um was handelt es sich denn?« fragte der Herzog ein wenig peinlich berührt und ungeduldig.

»Übrigens,« setzte Heinrich fort, »habe ich ja lange gezögert, Ihnen Mitteilungen über die Sache zu machen, die mich jetzt hierher führt und die Art, in der Sie während der Jagd die Ohren verschlossen gehalten haben, war gerade nicht ermutigend.«

»Ich weiß wahrhaftig nicht, Heinrich, wo Sie hinaus wollen?« sagte der Herzog erblassend.

»Mein Bruder, Ihr Wohl und Wehe liegt mir zu sehr am Herzen, als daß ich Ihnen nicht sagte, daß die Hugenotten bei mir vorstellig geworden sind.«

»Sie haben Schritte bei Ihnen unternommen? Was für Schritte?« fragte Alençon.

»Einer von ihnen, Herr von Mouy-Saint-Phal, der Sohn des tapferen, von Maurevel ermordeten Mouy, wie Sie wissen . . .«

»Ja . . .«

»Der kam also zu mir, setzte sogar sein Leben auf das Spiel, um mir nachzuweisen, daß ich mich eigentlich in Gefangenschaft befände.«

»Ach, wirklich? Und was haben Sie darauf geantwortet?«

»Sie wissen, mein lieber Bruder, daß ich dem König, der mir das Leben gerettet hat, herzlich zugetan bin und daß die Königin-Mutter mir tatsächlich meine eigene Mutter ersetzt. Ich habe daher alle Angebote, die er nur gemacht hat, abgelehnt.«

»Was für Angebote waren es?«

»Die Hugenotten wollen den Thron von Navarra wieder aufrichten, und da mir dieser Thron entschieden als Erbe gebührt, haben sie mir ihn angetragen.«

»Gewiß! Und Herr von Mouy hat, trotz der Anhänglichkeit, die er bekundete, und der Zusage, die er erwartete, Ihre Absage entgegennehmen müssen?«

»Ja, in aller Form . . . sogar schriftlich, doch seit . . .«

»Haben Sie es bereut, mein Bruder?« unterbrach der Herzog.

»Nein, aber ich glaubte zu bemerken, daß Herr von Mouy, der natürlich mit mir unzufrieden war, seine Vorschläge anderwärts anzubringen versuchte.«

»Bei wem und wo?«

»Das weiß ich nicht, vielleicht beim Prinzen von Condé.«

»Das ist wohl anzunehmen,« meinte der Herzog.

»Unter anderem habe ich die Gelegenheit, den Führer, den er sich gewählt hat, ganz sicher kennen zu lernen.«

Der Herzog wechselte die Farbe.

»Die Hugenotten haben sich untereinander in zwei Parteien geteilt und Mouy, so treu und ehrlich er auch ist, vertritt nur die eine Hälfte. Der andere Teil, der auch nicht zu verachten ist, hat nicht alle Hoffnung verloren, den Heinrich von Navarra auf den Thron zu erheben, weil er, wenn er auch anfänglich ablehnend war, mittlerweile anderen Sinns geworden sein könnte.«

»Ist das zu glauben?«

»Oh, ich erhalte täglich Beweise hierfür! Haben Sie vielleicht bemerkt, aus was für Leuten sich die Abteilung zusammensetzte, die während der Jagd zu uns gestoßen ist?«

»Ja, es waren Hugenotten, die zum katholischen Glauben übergetreten sind.«

»Haben Sie auch den Führer der Abteilung, der mir ein Zeichen gab, erkannt?«

»Ja, es war der Vicomte von Turenne.«

»Haben Sie verstanden, was die alle von mir wollten?«

»Sie machten Ihnen den Vorschlag, zu fliehen.«

»Nun also,« erklärte Heinrich dem beunruhigten Herzog, »daraus ist doch ersichtlich, daß es eine zweite Partei gibt, die etwas anderes will als Herr von Mouy.«

»Eine zweite Partei?«

»Gewiß, und zwar eine recht mächtige Partei. Um zu einem Erfolg zu gelangen, müßte man sogar die zwei Parteien wieder zusammenkitten: Turenne und von Mouy. Die Verschwörung ist im besten Gange, die Truppen sind bereitgestellt, man wartet nur auf ein Zeichen. In dieser entscheidenden Lage erwartet man demnach von mir einen unverzüglichen Entschluß, ich verteidige zwei Lösungen der Angelegenheit, zwischen denen ich noch schwanke. Und diese zwei Möglichkeiten will ich Ihnen nun, wie einem Freunde, vorbringen.«

»Sagen Sie doch lieber, wie einem Bruder!«

»Ja, also, wie einem Bruder!«

»Sprechen Sie, ich bin ganz Ohr!«

»Vor allem muß ich Ihnen einen Einblick in meine Seele gestatten, mein lieber Bruder. Kein Begehren, kein Ehrgeiz, keine Befähigung! Ich bin ein braver Landedelmann, arm, lebensfroh und bescheiden. Das Geschäft eines Verschwörers scheint mir, selbst bei der Aussicht auf eine Krone, höchst undankbar.«

»Ah, mein Bruder,« sagte der Herzog, »Sie tun sich unrecht und der Standpunkt eines Prinzen, sein Glück durch die Grenzen seines Vaterlands beschränkt, seine Laufbahn durch einen einzigen Menschen behindert zu sehen, ist wohl sehr traurig! Darum glaube ich Ihnen Ihre Worte auch nicht.«

»Das, was ich Ihnen sage, ist indessen so wahr, mein Bruder, daß ich, wenn ich einen wahren Freund besäße, zu seinen Gunsten aller Macht entsagen würde, die mir diese wohlgesinnte Partei übertragen möchte. Doch leider habe ich keinen solchen Freund!« fügte Heinrich seufzend bei.

»Vielleicht doch! Sie täuschen sich zweifelsohne.«

»Nein, Himmel und Hölle! Abgesehen von Ihnen, mein Bruder, habe ich niemand, der mir zugetan wäre. Bevor ich einen derartigen Versuch, durch den höchstens ein unwürdiger Mann emporkommen könnte, verunglücken und furchtbar fehlschlagen sehen müßte, würde ich eher den König vorher von allem in Kenntnis setzen. Ich würde keine Person namhaft machen, ich würde keinen Ort nennen und keine Zeit, doch ich würde dem Unheil zuvorkommen.«

»Großer Gott!« rief Alençon, der seinen Schrecken nicht mehr meistern konnte. »Was sagen Sie denn nur? . . . Wie? Sie, Sie, der Sie seit dem Tod des Admirals die einzige Hoffnung der Partei sind, Sie, ein bekehrter Hugenotte, schlecht bekehrt, muß man zum mindesten glauben, Sie wollen das Messer über die Köpfe Ihrer Brüder schwingen? Heinrich, Heinrich, wissen Sie denn nicht, daß Sie auf diese Art alle Kalviner des Königreiches einer zweiten Bartholomäusnacht überliefern würden? Wissen Sie nicht, daß Katharina nur auf die Gelegenheit wartet, alle diejenigen zu vernichten, die jene Nacht überlebt haben?«

Zitternd, mit einem Antlitz, das fortwährend die Farbe wechselte, ergriff der Herzog die Hand Heinrichs, um ihn von diesem Entschluß abzubringen, der ihn selbst ins Unheil stürzen mußte.

»Wie,« erwiderte Heinrich mit dem Ausdruck besonderer Menschenfreundlichkeit, »Sie glauben, Franz, daß daraus soviel Unglück entstehen könnte? Mit dem Wort des Königs würde ich doch vermutlich den Unvorsichtigen ein Recht auf Gnade verschaffen können?«

»Das Wort Karls des Neunten, Heinrich! . . . Eh, war nicht der Admiral in dessen Besitz, nicht Teligny? Hatten Sie es selbst nicht? Oh, Heinrich, ich sage Ihnen, wenn Sie Ihre Absicht durchführen sollten, vernichten Sie alle, nicht nur sie allein, sondern auch diejenigen, welche mit ihnen in unmittelbarer oder mittelbarer Beziehung stehen.«

Heinrich schien einen Augenblick zu überlegen.

»Wenn ich ein einflußreicher Prinz bei Hofe wäre,« sagte er, »dann würde ich allerdings anders handeln. An Ihrer Stelle zum Beispiel, Franz, in Ihrer Eigenschaft, als Sohn des königlichen Hauses, als wahrscheinlicher Erbe der Krone . . .«

Franz von Alençon senkte spöttisch lächelnd sein Haupt.

»Was würden Sie an meiner Stelle tun?« fragte er.

»Ich würde mich an die Spitze der ganzen Bewegung stellen, mein Bruder,« erwiderte Heinrich, »ich würde die Leitung übernehmen. Mein Name und mein Ansehen würde vor meinem inneren Gewissen für das Leben der Aufständischen bürgen und ich würde bei diesem Unternehmen, das unter Umständen ein Unglück für ganz Frankreich werden könnte, zuerst meinen, dann aber auch des Königs Vorteil wahren.« Der Herzog vernahm diese Worte mit einer Freude, die sein Gesicht in die Breite gehen ließ.

»Glauben Sie,« sagte er, »daß dies möglich und durchführbar wäre, und daß dadurch alles Mißgeschick erspart bleiben würde, das Sie voraussehen?«

»Das glaube ich,« erwiderte Heinrich. »Die Hugenotten verehren Sie. Ihr bescheidenes Auftreten, Ihre hohe und bedeutsame Stellung und nicht zuletzt das Wohlwollen, das Sie den Protestanten stets geschenkt haben, wird sie veranlassen, Ihnen dienlich zu sein.«

»Doch die Spaltung der Partei? Werden diejenigen, die für Sie stimmen, auch für mich stimmen?«

»Ich nehme es auf mich, dies aus zwei Gründen zu vermitteln.«

»Aus welchen?«

»Erstens, infolge des Vertrauens, das alle Führer mir entgegenbringen; zweitens, weil sie, da Eure Hoheit alle ihre Namen kennen, befürchten werden . . .«

»Wer wird mir aber ihre Namen nennen?«

»Ich, Himmel und Hölle!«

»Das werden Sie tun?«

»Hören Sie, Franz, ich sagte es Ihnen schon, daß ich bei Hof niemand liebe, außer Sie! Das kommt zweifellos daher, weil Sie selbst auch so verfolgt werden wie ich. Und dann liebt Sie auch meine Frau mit einer Zuneigung, die ihresgleichen nicht so bald findet . . .«

Der Herzog errötete vor Freude.

»Glauben Sie mir, mein Bruder,« setzte Heinrich fort, »nehmen Sie die Sache in die Hand und regieren Sie in Navarra, wenn Sie mir nur einen Platz an Ihrem Tische frei halten und ein schönes Stück Wald, um darin zu jagen . . . dann werde ich mich glücklich schätzen.«

»Herrscher von Navarra!« sagte der Herzog. »Aber wenn . . .«

»Aber wenn der Herzog von Anjou König von Polen wird, nicht wahr? Ich setze Ihre Gedanken weiter fort . . .«

Franz von Alençon betrachtete Heinrich mit einer gewissen Angst.

»Nun, so hören Sie. Da Sie nichts unberücksichtigt lassen, so will ich unter dieser Voraussetzung folgern; wenn also der Herzog von Anjou König von Polen wird und unser Bruder Karl, was Gott verhüten möchte, sterben sollte, dann ist eben Pau von Paris nur zweihundert Meilen weit entfernt, während der Weg von Krakau nach Paris vierhundert Meilen lang ist. Sie werden demnach zum Antritt der Erbschaft zu einem Zeitpunkt in Paris eintreffen, in dem der König von Polen überhaupt erst erfahren wird, daß das Erbe frei geworden ist. Wenn Sie dann mit mir zufrieden sein werden, Franz, werden Sie das Königreich Navarra mir übertragen, das ja dann nur mehr ein Blättchen an Ihrer Krone sein wird. Unter solchen Verhältnissen würde ich auch diese Krone annehmen. Das Ärgste, was Ihnen geschehen kann, ist, da unten als König zu thronen, Stammvater von anderen Königen zu werden und mit mir und meiner Familie im Frieden zu leben. Was sind Sie hingegen hier? Ein armer, verfolgter Prinz, ein armer dritter Königssohn, Sklave der zwei älteren Brüder, deren allfällige Laune Sie in die Bastille schicken kann.«

»Ja, ja!« sagte Franz. »Das fühle ich wohl . . . so wohl, daß ich nicht verstehen kann, daß Sie diesen Plan für sich aufgeben und daß Sie mir den Vorschlag machen. Schlägt Ihnen denn nichts in der Brust?«

Und der Herzog von Alençon legte seine Hand auf das Herz seines Schwagers.

»Es gibt Lasten,« sagte Heinrich lächelnd, »die für gewisse Hände zu schwer sind; ich würde nicht versuchen wollen, diese Last auf mich zu nehmen. Und diese Befürchtung, ihr nicht gewachsen zu sein, unterdrückt auch jegliches Verlangen nach dem Besitz.«

»Sie verzichten also wirklich, Heinrich?«

»Ich sagte es schon Mouy, und ich wiederhole es jetzt abermals.«

»Unter solchen Umständen aber, lieber Bruder, sagt man es nicht nur, sondern man beweist es auch!«

Heinrich seufzte auf, wie ein Ringer, der fühlt, daß das Kreuz seines Gegners nachgibt.

»Ich werde heute abend den Beweis erbringen,« sagte er; »denn um neun Uhr soll sich die Liste der Führer und der Plan der Unternehmung in Ihren Händen befinden. Meine schriftliche Verzichtleistung habe ich schon Mouy übergeben.«

Franz von Alençon ergriff eine Hand Heinrichs und drückte sie überschwenglich.

In dem Augenblick trat Katharina in das Zimmer des Herzogs ein, wie gewöhnlich, ohne sich anmelden zu lassen.

»Wahrhaftig,« sagte sie lächelnd, »zwei gute Brüder haben zusammengefunden.«

»Das hoffe ich!« erwiderte Heinrich kalten Blutes, während der Herzog vor ängstlicher Verlegenheit erbleichte.

Dann trat Heinrich einige Schritte zurück, um Katharina den Weg zu ihrem Sohn freizugeben.

Die Königin-Mutter zog aus ihrer Geldbörse ein prächtiges Kleinod heraus.

»Dieser Schmuck kommt aus Florenz,« sagte sie, »ich schenke ihn Ihnen, damit Sie ihn an Ihrem Degengehenk befestigen.« Fast unhörbar aber fügte sie hinzu: »Wenn Sie heute abend bei Ihrem Bruder Heinrich Lärm vernehmen, dann rühren Sie sich nicht.«

Franz von Alençon drückte die Hand seiner Mutter und antwortete: »Erlauben Sie mir, daß ich ihm das schöne Geschenk zeige, das Sie mir überbracht haben?«

»Tun Sie mehr: schenken Sie ihm den Schmuck in Ihrem und in meinem Namen, denn ich hatte Auftrag gegeben, daß auch ihm ein gleiches Geschenk übermittelt werde.«

»Sie hören Heinrich,« sagte der Herzog, »meine gute Mutter übergibt mir dieses Kleinod und verdoppelt den Wert der Gabe, indem Sie mir erlaubt, Ihnen den Schmuck zu schenken.«

Heinrich war über die Schönheit der Edelsteine entzückt und überstürzte sich in Dankesbezeigungen.

Als sich seine Freude gelegt hatte, sagte Katharina: »Mein Sohn, ich fühle mich heute ein wenig unwohl und werde mich zu Bett begeben. Ihr Bruder Karl ist ebenfalls ermüdet und wird wegen seines heutigen Sturzes das Bett aufsuchen müssen. Wir werden heute abend daher nicht gemeinschaftlich zu Abend essen; es wird jedem in seinem Zimmer aufgetragen werden. Ach, Heinrich, ich vergaß ganz, Ihnen zu Ihrem Mut und zu Ihrer Geschicklichkeit meine Bewunderung auszusprechen, Sie haben Ihren König und Ihren Bruder gerettet, Sie werden Erkenntlichkeit dafür einheimsen.«

»Den Ausdruck der Erkenntlichkeit habe ich bereits in meinen Händen,« sagte Heinrich und verbeugte sich.

»Sie haben das Gefühl, Ihre Pflicht getan zu haben,« erwiderte Katharina. »Aber trotzdem ist diese Belohnung keineswegs genügend. Wir beide, Karl und ich, denken daran, unsere Schuld noch anders abzutragen.«

»Alles, was von Ihnen und von meinem Bruder Karl kommt, wird mir immer willkommen sein, Madame.«

Dann verbeugte er sich und ging aus dem Zimmer.

Und während er über den Gang schritt, überlegte er: »Ah, mein Bruder Franz! Jetzt bin ich sicher, nicht allein von hier fortgehen zu müssen, und die Verschwörung, die bisher nur einen Körper hatte, hat jetzt einen Kopf und ein Herz gefunden! Nur achtgeben muß ich auf mich! Katharina beschenkt mich, Katharina verspricht, da steckt eine Teufelei dahinter! Ich muß heute abend noch mit Margarete sprechen.«

 


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