Alexander Dumas
Königin Margot. Zweiter Band
Alexander Dumas

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Der seidene Strick der Königin-Mutter

Karl der Neunte war spöttisch lachend in seine Wohnung zurückgekehrt, doch nach dem zehn Minuten lang währenden Gespräch mit seiner Mutter hätte man glauben können, daß deren Blässe und Zorn auf den Sohn übergegangen sei, dieweil die Königin-Mutter wieder die heitere Laune des Sohnes übernommen hatte.

»Herr von La Mole,« sagte Karl, »Herr von La Mole! . . . Man muß Heinrich und den Herzog von Alençon rufen lassen, Heinrich, weil der junge Mann ein Hugenotte war, und Alençon, weil er in seinen Diensten steht!«

»Lassen Sie sie kommen, mein Sohn, wenn Sie es wollen, Sie werden aber trotzdem nichts erfahren. Heinrich und Franz sind, wie ich fürchte, enger miteinander verbunden, als es den Anschein hat. Die zwei auszufragen, wäre gleichbedeutend mit, ihnen Mißtrauen einzuflößen! Besser wäre es meiner Ansicht nach, langsam und sicher durch einige Tage eine Beweisführung zu ermöglichen. Lassen Sie die Schuldigen erst zu Atem kommen, mein Sohn, lassen Sie sie glauben, daß sie Ihrer Wachsamkeit ausgekommen sind, und Sie werden sehen, frohlockend und kühn geworden, werden sie Ihnen viel bessere Gelegenheit geben, mit ihnen strenge ins Gericht zu gehen. Dann werden wir auch alles wissen!«

Karl ging unschlüssig auf und ab, quälte sich wie ein Pferd, das an seinem Gebiß kaut, mit seinem Zorn ab, und drückte die geballte Faust an sein Herz, das von Mißtrauen gepeinigt wurde.

»Nein, nein!« sagte er endlich. »Ich werde nicht warten. Sie wissen nicht, was das heißt zu warten, wenn man wie ich von allerlei Hirngespinsten verfolgt wird. Übrigens diese Höflinge werden von Tag zu Tag unverschämter: haben nicht erst heute nacht zwei Stutzer die Kühnheit gehabt, uns die Stirne zu bieten und sich unbotmäßig gegen uns zu benehmen? . . . Wenn Herr von La Mole unschuldig ist, dann ist alles gut, aber ich werde auch nicht böse darüber sein, zu erfahren, wo denn dieser Herr von La Mole heute nacht gewesen ist, während man meine Gardesoldaten im Louvre zu Boden schlug und man mich selbst in der Straße Cloche-Percée zu Boden schlagen wollte. So möge man mir nur den Herzog von Alençon und dann Heinrich kommen lassen, ich werde sie getrennt voneinander verhören. Sie aber, meine Mutter, können hierbei anwesend sein.«

Katharina ließ sich auf einen Stuhl nieder. Bei ihrem klaren Verstande konnte sie jeder Zwischenfall, den sie ja durch ihren gebieterischen Willen zu beeinflussen imstande war, zum gewünschten Ziele führen, auch wenn dieses Ziel in die Ferne gerückt schien. Denn jeder Hammerschlag erzeugt Lärm und Funken, der Lärm weist den Weg und der Funke beleuchtet ihn. Der Herzog von Alençon trat ein. Sein Gespräch mit Heinrich war für diese Zusammenkunft vorbereitend gewesen, er war daher gefaßt und ruhig.

Seine Antworten waren klar und verständlich. Da er von seiner Mutter die Weisung erhalten hatte, in seiner Wohnung zu bleiben, so konnte er von den Ereignissen in der Nacht nichts wissen. Weil aber seine Wohnung am gleichen Gang lag, wie die des Königs von Navarra, so hatte er vorerst einen Lärm gehört, der etwa so klang, wie wenn man eine Tür eindrückt, dann Verwünschungen und endlich auch Pistolenschüsse. Erst jetzt hatte er es gewagt, die Tür ein wenig zu öffnen und hatte gesehen, wie ein in einen roten Mantel gehüllter Mann über die Treppe hinabflüchtete.

Bei dieser Bemerkung wechselten der König und seine Mutter einen Blick miteinander.

»In einem roten Mantel?« fragte der König.

»Ja, in einem kirschroten Mantel!« wiederholte der Herzog von Alençon.

»Und dieses Kleidungsstück hat Sie nicht auf einen bestimmten Verdacht hingelenkt?«

Der Herzog nahm sich zusammen, um auf möglichst natürliche Art seine Lüge herauszubringen.

»Beim ersten Anblick,« sagte er, »das muß ich Eurer Majestät gestehen, glaubte ich den hochroten Mantel eines meiner Edelleute zu erkennen.«

»Und wie nennt sich dieser Edelmann?«

»Herr von La Mole.«

»Warum war Herr von La Mole nicht in Ihrer Nähe, wie es doch sein Dienst verlangte?«

»Ich hatte ihm Urlaub gegeben,« erwiderte der Herzog.

»Gut. Sie können gehen!« sagte der König.

Der Herzog von Alençon ging auf die Tür zu, durch die er eingetreten war.

»Nein, nicht durch jene Tür,« sagte Karl, »sondern durch diese hier.« Er bezeichnete dem Herzog die Tür, die in das Zimmer der Amme führte.

Karl wollte nicht, daß der Herzog und Heinrich einander begegneten.

Er ahnte nicht, daß sie sich einen Augenblick vorher gesehen hatten und daß die kurze Zusammenkunft den beiden Schwägern genügt hatte, um sich über ihre Angelegenheit zu besprechen.

Kurz nach dem Herzog trat auf ein Zeichen des Königs Heinrich in das Zimmer.

Heinrich wartete erst nicht, daß ihn der König verhöre.

»Sire,« sagte er, »Eure Majestät haben wohlgetan, mich rufen zu lassen, denn ich war gerade im Begriffe herunterzukommen, um mir von Eurer Majestät einen Rechtsspruch zu erbitten.«

Karl runzelte die Brauen.

»Ja, um Gerechtigkeit bitte ich,« erklärte Heinrich, »und ich beginne damit Eurer Majestät zu danken, daß ich Eure Majestät gestern abend begleiten durfte. Denn jetzt erkenne ich, daß Eure Majestät durch diese Mitnahme mir das Leben gerettet haben. Was hatte ich aber getan, daß man einen Mordanschlag gegen mich im Schilde führte?«

»Es handelte sich nicht um Mord,« unterbrach lebhaft Katharina, »sondern um eine Verhaftung.«

»Das kann ja möglich sein,« sagte Heinrich, »doch welches Verbrechen habe ich begangen, um verhaftet zu werden? Wenn ich schuldig bin, so bin ich es heute morgen genau so wie gestern abend. Nennen Sie mir mein Verbrechen, Sire!«

Karl sah seine Mutter an, er war verlegen um die Antwort, die er geben sollte.

»Mein Sohn,« erwiderte Katharina an seiner Stelle, »Sie empfangen sehr verdächtige Leute bei sich.«

»Gut,« meinte Heinrich, »und diese verdächtigen Menschen stellen mich bloß, Madame, ist es nicht so?«

»Gewiß, Heinrich!«

»Nennen Sie mir diese Menschen, nennen Sie mir sie! Wer sind sie? Stellen Sie mich diesen Menschen gegenüber!«

»Tatsächlich hat Henriot das Recht, um Aufklärung zu bitten,« sagte der König.

»Und ich verlange sie sogar!« rief Heinrich, der seine überlegene Lage zu fühlen begann und sie auszunützen versuchte.

»Ich verlange sie von meinem guten Bruder Karl und von meiner guten Mutter Katharina. Habe ich mich nicht seit meiner Verheiratung mit Margarete als braver Ehemann aufgeführt? Man frage Margarete selbst! Und ebenso als braver Katholik? Man frage meinen Beichtvater! Und als braver Verwandter? Man frage alle diejenigen, die gestern an der Jagd teilgenommen haben!«

»Ja, es ist wahr, Henriot,« sagte der König; »doch was willst du noch mehr? Man behauptet, daß du dich gegen uns verschwörst!«

»Gegen wen?«

»Gegen mich also!«

»Sire, wenn ich mich gegen Sie verschworen hätte, dann hätte ich doch nur den Dingen freien Lauf lassen müssen . . . als sich Ihr Pferd wegen seines zerschmetterten Beines nicht mehr erheben konnte, als der wütende Keiler auf Eure Majestät losging.«

»Eh, Tod und Teufel! Wissen Sie, daß er recht hat, liebe Mutter?«

»Also wer war denn in dieser Nacht in Ihrer Wohnung?«

»Madame,« erwiderte Heinrich, »in einer Zeit, in der so wenig Menschen für sich selbst einstehen können, kann ich unmöglich für andere einstehen. Ich habe meine Wohnung um sieben Uhr abends verlassen. Um zehn Uhr hat mich mein Bruder Karl mit sich genommen und ich bin die ganze Nacht über mit ihm zusammen gewesen. Ich konnte doch nicht zu gleicher Zeit bei Seiner Majestät sein und wissen, was sich in meiner Wohnung ereignet hat.«

»Aber,« meinte Katharina, »es ist deshalb nicht weniger richtig, daß einer Ihrer Leute zwei Gardesoldaten Seiner Majestät getötet und Herrn von Maurevel verwundet hat.«

»Einer meiner Leute? Wer war dieser Mann? Nennen Sie mir ihn, Madame!«

»Alle Welt beschuldigt den Herrn von La Mole.«

»Herr von La Mole gehört nicht zu mir, Madame. Herr von La Mole steht in Diensten des Herzogs von Alençon, dem er von Ihrer Tochter anempfohlen wurde.«

»Also war es endlich Herr von La Mole, der bei dir war, Henriot?« fragte Karl.

»Wie soll ich das wissen, Sire? Ich sage nicht ja, und ich sage nicht nein . . . Herr von La Mole ist ein sehr braver Untergebener, ist der Königin von Navarra ergeben und bringt mir öfters Botschaften, entweder von Margarete, der er für die Anempfehlung dankbar ist, oder vom Herzog selbst. Ich kann daher nicht sagen, daß der Mann nicht Herr von La Mole gewesen ist . . .«

»Er war es,« sagte Katharina, »man hat seinen roten Mantel erkannt.«

»Herr von La Mole besitzt also einen roten Mantel?«

»Ja!«

»Und der Mann, der meine zwei Soldaten und Herrn von Maurevel so schön hergerichtet hat . . .«

»Hatte einen roten Mantel?« fragte Heinrich.

»Ganz richtig!« erwiderte Karl.

»Da habe ich nichts weiter zu sagen,« erklärte der Bearner. »Hingegen scheint es mir, daß es wohl angezeigter gewesen wäre, statt meiner, der ich nicht zu Hause gewesen bin, diesen Herrn von La Mole zu befragen, der, wie Sie sagen, in meiner Wohnung gewesen sein soll. Nur möchte ich hierbei Eure Majestät auf etwas aufmerksam machen.«

»Auf was denn?«

»Wenn ich mich angesichts eines von meinem König unterfertigten Befehles der Verhaftung widersetzt hätte, dann wäre ich schuldig geworden und würde jede mögliche Bestrafung verdienen. Doch ich war es ja nicht, sondern ein Unbekannter, auf den sich der Befehl in keiner Weise erstreckte. Man wollte ihn ungerechterweise verhaften, er hat sich gewehrt, zu gut sogar, doch trotzdem war er im vollen Recht!«

»Immerhin . . .,«, murmelte Katharina.

»Madame,« fragte Heinrich, »enthielt dieser Befehl meine Verhaftung?«

»Ja, Seine Majestät selbst hat den Befehl unterschrieben!«

»Enthielt er aber auch außerdem die Verfügung, den zu verhaften, den man allenfalls an meiner Stelle in der Wohnung vorfinden würde?«

»Nein,« erwiderte Katharina.

»Nun,« erklärte Heinrich, »wofern man nicht nachweisen kann, daß ich mich verschwöre und daß der genannte Mann sich mit mir verschworen hat, ist der Mann auch unschuldig!«

Dann wandte sich Heinrich an Karl den Neunten: »Sire, ich werde den Louvre nicht verlassen. Ich bin sogar bereit, mich auf ein bloßes Wort Eurer Majestät sofort in das Staatsgefängnis zu begeben, das Eure Majestät mir anzuweisen die Gnade haben wird. Doch in Erwartung eines Gegenbeweises bleibt mir das Recht, mich treuergebenen Diener, Untertan und Bruder Eurer Majestät nennen zu dürfen.«

Und mit einer Würde, die man an ihm noch nicht beobachtet hatte, grüßte Heinrich den König und zog sich zurück.

»Bravo, Henriot!« rief Karl, als sich Heinrich entfernt hatte.

»Bravo! weil er uns geschlagen hat?« sagte Katharina.

»Warum soll ich ihm nicht Beifall zollen? Wenn wir miteinander fechten und er mich berührt, rufe ich ihm da nicht auch ein Bravo zu? Liebe Mutter, Sie tun Unrecht daran, diesen braven Kerl in der Art zu verdächtigen!«

»Mein Sohn,« antwortete Katharina und preßte die Hand des Königs, »ich verdächtige ihn nicht, doch ich fürchte ihn!«

»Sie sind trotzdem im Unrecht, liebe Mutter. Henriot ist mein Freund, und er sagte es auch ganz richtig: wenn er sich gegen mich verschworen hätte, hätte er einfach den Keiler sein Werk vollenden lassen können.«

»Ja, damit der Herzog von Anjou, sein persönlicher Gegner, König von Frankreich hätte werden sollen!«

»Liebe Mutter, es bleibt sich gleich, was Heinrich für einen Beweggrund gehabt hat, um mir das Leben zu retten, doch Tatsache bleibt, daß er es mir gerettet hat, und Tod allen Teufeln, ich will nicht, daß man ihm Ungelegenheiten bereitet! Was dagegen den Herrn von La Mole anbetrifft . . . nun gut! Ich werde mich mit meinem Bruder Alençon besprechen, bei dem er im Dienst ist.«

Es waren verabschiedende Worte, die der König zu seiner Mutter sprach. Sie zog sich zurück und versuchte ihren haltlosen Verdächtigungen eine gewisse, bestimmtere Richtung zu geben.

Dieser Herr von La Mole war viel zu unbedeutend, als daß er ihren Zwecken irgendwie hätte dienlich sein können.

Als sie in ihr Zimmer trat, fand Katharina ihre Tochter, die auf sie gewartet hatte.

»Ah! Sie sind es, Margarete?« sagte sie. »Ich habe gestern abend vergeblich nach Ihnen geschickt.«

»Ich weiß es, Madame, aber ich war ausgegangen.«

»Und heute morgen?«

»Heute morgen komme ich her, um Eurer Majestät zu sagen, daß Eure Majestät im Begriffe sind, eine große Ungerechtigkeit zu begehen.«

»Was für eine?«

»Sie werden den Grafen von La Mole festnehmen lassen!«

»Sie irren sich, meine Tochter, ich lasse niemand festnehmen, der König läßt verhaften und nicht ich!«

»Spielen wir nicht mit Worten, Madame, wenn es sich um so ernste Dinge handelt! Man wird Herrn von La Mole verhaften, nicht wahr?«

»Wahrscheinlich!«

»Weil er beschuldigt wird, heute nacht im Zimmer des Königs von Navarra zwei Gardesoldaten getötet und Herrn von Maurevel verwundet zu haben?«

»Das ist tatsächlich das Verbrechen, das man ihm zuschreibt.«

»Mit Unrecht schreibt man es ihm zu, Madame,« sagte Margarete. »Herr von La Mole ist nicht der Schuldige.«

»Herr von La Mole ist daran unschuldig?« fragte Katharina und machte fast einen Sprung vor Freude, denn sie ahnte, daß durch die Worte Margaretes einiges Licht in die Sache kommen würde.

»Nein,« wiederholte Margarete, »er ist nicht schuldig, er kann es auch nicht sein, weil er ja gar nicht beim König war.«

»Wo war er also?«

»Bei mir, Madame!«

»Bei Ihnen!«

»Ja, bei mir!«

Diese Eröffnung einer Tochter des königlichen Hauses Frankreich hätte sonst Katharina zu einem niederschmetternden Blick veranlassen müssen, jetzt begnügte sie sich aber bloß damit, ihre Hände ineinander zu verschlingen.

»Und . . .,« sagte sie nach kurzem Stillschweigen, »wenn man nun Herrn von La Mole verhaftet, wenn man ihn verhört . . .«.

»Dann wird er sagen, wo er gewesen ist und mit wem er gewesen ist, liebe Mutter!« erwiderte Margarete, obwohl sie innerlich vom Gegenteil überzeugt war.

»Da die Sache so steht, pflichte ich Ihnen bei, meine Tochter, Herr von La Mole darf nicht festgenommen werden.«

Margarete erschrak, denn es kam ihr vor, als ob in dem Ton, in dem ihre Mutter diese letzten Worte sprach, irgendein heimlicher und furchtbarer Sinn verborgen wäre. Doch konnte sie nichts mehr hinzufügen, denn ihre Bitte war ihr ja gewährt worden.

»Wenn es daher nicht Herr von La Mole gewesen ist, der bei Ihrem Gemahl war, dann muß es jemand anderes gewesen sein?«

Margarete schwieg.

»Kennen Sie diesen anderen?« fragte Katharina.

»Nein, liebe Mutter!« antwortete Margarete mit unsicherer Stimme.

»Nun, vertrauen Sie sich doch nicht nur zur Hälfte an!«

»Ich wiederhole noch einmal, daß ich ihn nicht kenne!« sagte Margarete zum zweitenmal und erbleichte unwillkürlich.

»Gut, gut!« meinte Katharina mit gleichgültiger Miene. »Man wird sich schon erkundigen. Gehen Sie, meine Tochter, beruhigen Sie sich, Ihre Mutter wird über Ihre Ehre wachen!«

Margarete ging aus dem Zimmer.

»Ah!« sagte sich Katharina, »man verbündet sich also! Heinrich und Margarete sind im Einverständnis miteinander: wenn die Gattin nur schweigsam bleibt, der Gatte macht beide Augen zu! Ihr seid ja recht, recht geschickt, meine Kinder, glaubt, daß ihr auch mächtig genug seid; doch eure ganze Macht liegt in eurer Eintracht und eure Bündnisse werde ich sprengen, eines nach dem andern! Auch wird ein Tag kommen, an dem Maurevel schreiben oder auch sprechen kann, er wird nur ein Wort zu sagen brauchen, sechs Buchstaben zu schreiben haben und man wird alles wissen. Allerdings wird bis zu diesem Zeitpunkt der Schuldige in Sicherheit sein. Am besten wird es noch sein, alle sofort zu entzweien!«

Und kraft dieser Entschließung, begab sich Katharina abermals in die Wohnung ihres Sohnes, den sie im Gespräche mit Alençon antraf.

»Ah!« rief Karl aus und zog die Brauen zusammen, »Sie sind es, meine Mutter?«

»Warum sagten Sie nicht: ›Schon wieder!‹, das Wort lag Ihnen ja auf der Zunge!«

»Das, was in mir ein Gedanke bleibt, das gehört mir allein, Madame,« sagte der König in einem groben Ton, der ihm manchmal, auch Katharina gegenüber, eigen war. »Was wollen Sie von mir? Sprechen Sie rasch!«

»Nun also: Sie hatten recht, mein Sohn,« sagte Katharina zu Karl, »und Sie hatten unrecht, Alençon!«

»In welcher Beziehung?« fragten beide zugleich.

»Es war nicht Herr von La Mole, der beim König von Navarra anwesend gewesen ist.«

»Ach!« rief Franz aus und wechselte die Farbe.

»Wer war es?« fragte Karl.

»Wir wissen es noch nicht, doch wir werden es sofort erfahren, wenn Maurevel ein Wort wird sprechen können. So lassen wir vorläufig diese Angelegenheit, die sich bald aufklären wird, und kommen wir auf Herrn von La Mole zurück.«

»Was wollen Sie mit diesem Herrn von La Mole, liebe Mutter, da er also nicht beim König von Navarra gewesen ist?«

»Nein, er war nicht beim König, aber er war bei . . . der Königin!«

»Bei der Königin!« rief Karl und brach in ein überreiztes Gelächter aus.

»Bei . . . der Königin!« murmelte Alençon und wurde blaß, wie ein Toter.

»Aber nein, nein!« meinte Karl. »Guise hat mir doch gesagt, daß er der Sänfte der Königin begegnet wäre.«

»Das ist eben das, Margarete hat ein Haus in der Stadt.«

»Straße Cloche-Percée!« rief der König.

»Oh, oh! Das ist zu stark!« sagte der Herzog von Alençon und krallte die Nägel in seine Brust, »und sie hat mir ihn noch dazu anempfohlen!«

»Da fällt mir aber ein,« meinte der König und hielt einen Augenblick inne, »daß er es also war, der sich heute nacht gegen uns verteidigte, der mir einen silbernen Wasserkrug auf den Kopf geworfen hat, der Elende!«

»Ja, der Elende!« wiederholte Franz von Alençon.

»Sie haben recht, meine Kinder,« sagte Katharina, anscheinend ohne den Gefühlsausdruck ihrer Söhne zu verstehen, »Sie haben recht, denn wenn dieser Edelmann nur ein Wort ausplaudert, dann ist das ärgerliche Aufsehen fertig. Eine Tochter des königlichen Hauses bloßzustellen, das könnte man doch nur in einem Augenblick der Sinnlosigkeit tun!«

»Oder einer Einbildung!« sagte Franz von Alençon.

»Zweifellos, zweifellos,« bestätigte der König, »doch wir können die Angelegenheit auch nicht einem Richter abtreten, zumal wenn Henriot nicht die Absicht hat, als Kläger aufzutreten.«

»Mein Sohn,« erklärte Katharina und legte eine Hand auf die Schulter Karls, und zwar in einer so bezeichnenden Art, daß der König ihren Worten volle Aufmerksamkeit schenken mußte, »hören Sie genau auf meine Worte. Es liegt ein Verbrechen vor, und es kann ein öffentliches Ärgernis daraus entstehen. Doch nicht mit Richtern und Henkern pflegt man derlei Majestätsverbrechen zu bestrafen. Wenn Sie einfache Edelleute wären, dann hätte ich Ihnen ja weiter keinen Rat zu geben, denn Sie sind beide tapfer genug. Doch Sie sind Prinzen, Sie können nicht Ihre Degen mit dem Degen eines Krautjunkers kreuzen, daher denken Sie darüber nach, wie Sie sich als Prinzen für diese Schmach rächen werden!«

»Tod und tausend Teufel!« rief Karl. »So ist es und ich werde darüber nachsinnen.«

»Und ich werde Ihnen dabei helfen!« schrie Franz von Alençon.

»Ich hingegen,« erklärte Katharina, »ich ziehe mich nun zurück, doch ich lasse Ihnen dies hier zur Verfügung, damit ich auch meinen Teil geleistet habe.« Und nach diesen Worten löste sie eine schwarze Seidenschnur von ihren Hüften, die dreimal um ihren Leib gewunden war und deren mit Quasten beschwerte Enden bis an ihre Knie herabhingen.

Dann warf sie den seidenen Strick vor die Füße der beiden Prinzen.

»Ah, ah, ich verstehe!« sagte Karl.

»Dieser seidene Strick . . .,« bemerkte Alençon und hob ihn vom Boden auf.

»Ist Strafe und Stillschweigen zugleich!« sagte Katharina hochfahrend. »Doch,« fügte sie bei, »wäre es nicht schlecht, auch Heinrich in die ganze Sache einzuweihen.«

Hierauf verließ sie das Zimmer.

»Bei Gott!« rief Alençon, »nichts leichter als das, und wenn Heinrich erfahren wird, daß seine Frau ihn betrügt . . .! Nun, mein Bruder, haben Sie den Rat unserer Mutter zur Kenntnis genommen?«

»Ganz und gar stimme ich ihm zu,« meinte Karl, der keinen Augenblick daran zweifelte, daß er tausend Dolche in das Herz seines Bruders stieß, »die Sache wird Margarete gegen den Strich gehen, wird aber Henriot umsomehr befriedigen.«

Dann rief er einen Offizier der Garde herbei und befahl ihm, den König von Navarra zu holen. Plötzlich besann er sich jedoch anders.

»Nein, nein!« sagte er. »Ich werde selbst zu ihm hinaufgehen. Du, Alençon, wirst den Herzog von Anjou und den Herzog von Guise benachrichtigen!«

Er verließ nach diesen Worten seine Wohnung und stieg die kleine Wendeltreppe hinauf, die in das zweite Stockwerk führte und nicht weit von der Eingangstür des Königs von Navarra in den Gang mündete.

 


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